Die Reform der Finanzverfassung


Diplomarbeit, 2007

84 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- / Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Die bundesstaatliche Finanzverfassung – Eine Bestandsaufnahme
2.1 Die Geschichte der Finanzverfassung im Bundesstaat
2.2 Die deutsche Finanzverfassung 2006 – Darstellung der geltenden Regelungen
2.2.1 Die Verteilung der Auf- und Ausgabenkompetenzen
2.2.2 Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen
2.2.3 Die Verteilung der Einnahmen
2.2.4 Nationaler Stabilitätspakt
2.3 Beurteilung der bestehenden Regelungen zur Finanzverfassung
2.3.1 Die Verteilung der Auf- und Ausgabenkompetenzen
2.3.2 Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen
2.3.3 Die Verteilung der Einnahmen.
2.3.4 Nationaler Stabilitätspakt.

3. Die Reform der deutschen Finanzverfassung
3.1 Ansatzpunkte für eine Reform der Finanzverfassung
3.1.1 Ökonomische Anforderungen – Konsequenzen aus der finanzwissenschaftlichen Theorie
3.1.2 Die Verteilung der Auf- und Ausgabenkompetenzen
3.1.3 Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen
3.1.4 Die Verteilung der Einnahmen
3.1.5 Nationaler Stabilitätspakt
3.1.6 Kompensation
3.2 Eigene Reformüberlegungen zur Sicherung finanzpolitischer Nachhaltigkeit

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

6. Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungs-/ Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Aufteilung der Steuereinnahmen im Jahr 2005

Tab. 2: Aufteilung der Gemeinschaftssteuern im Jahr 2005

Abb. 3: Ausgleichstarif im Länderfinanzausgleich

Tab. 4: Der Finanzausgleich unter den Ländern für das Ausgleichsjahr 2005

Tab. 5: Wirtschaftskraftausgleich unter

den Ländern für das Ausgleichsjahr 2005

Abb. 6: Maastricht-Defizit – Bund und Länder im Vergleich

Tab. 7: Horizontale Aufteilung der Verschuldungsobergrenzen der Länder nach verschiedenen Schlüsseln für das Jahr 2000

Tab. 8: Schuldenprojektion bei Fortführung der derzeitigen Finanzpolitik

1 Einleitung

„In der Politik ist es wie im täglichen Leben: Man kann eine Krankheit

nicht dadurch heilen, dass man das Fieberthermometer versteckt.“

(Ives Montard, 1921-1991)

Die föderalen Finanzbeziehungen in Deutschland gleichen einem gordischen Knoten. Weitgehende Verflechtungen sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der Einnahmenseite haben die bundesstaatliche Finanzverfassung zu einem System entwickeln lassen, dass aus ökonomischer Sicht gekennzeichnet ist durch zahlreiche Ineffizienzen und fragwürdige Detailregelungen. Statt Effizienz und Autonomie in den Vordergrund zu stellen, dominieren unter der Prämisse vereinheitlichter Lebensverhältnisse bundeseinheitliche Regelungen, die weitreichende ökonomische Fehlwirkungen erwarten lassen.

Neben der Wissenschaft hat auch die Politik unlängst die Schwäche der derzeitigen bundesstaatlichen Finanzverfassung erkannt. Während die gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung im Dezember 2004 zunächst für gescheitert erklärt wurde, flossen im Herbst 2005 die wesentlichen Ergebnisse der Kommissionsberatungen in die Koalitionsverhandlungen der CDU/CSU und SPD ein.

Mit der Verabschiedung des Koalitionsvertrags vom 11. November 2005[1] verband sowohl die Wissenschaft als auch die gesamte föderale Politikstruktur die Hoffnung, die föderalen Finanzbeziehungen entflechten zu können. Doch während die im Juli 2006[2] beschlossene Föderalismusreform durchaus zu einer Entflechtung der Entscheidungsprozesse beitrug, blieben die Grundgesetzänderungen im Bereich des Fiskalföderalismus weit hinter den Erwartungen zurück.[3] In dieser Konsequenz bleibt die Kritik an der seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 umstrittenen Finanzverfassung unverändert aktuell.

Will man der Politikverflechtungsfalle entkommen, in die die heutige Ausformung des kooperativen Föderalismus geführt hat, bedarf es einer grundsätzlichen Reform der bundesstaatlichen Finanzverfassung. Bisher blieb es trotz vieler Reformbestrebungen in der Vergangenheit bei unbefriedigenden Einzelkorrekturen, so dass mit Blick auf die Geschichte der bundesstaatlichen Finanzverfassung die eingangs erwähnten Worte Montards Recht behalten.

Ziel der vorliegenden Arbeit muss es daher sein, die geltenden Regelungen der Finanzverfassung einer umfassenden Problemanalyse zu unterziehen. Dabei sind u. a. die zahlreichen Mischfinanzierungstatbestände aus ökonomischer Perspektive zu hinterfragen. Anschließend sind Ansatzpunkte für eine Reform der bundesstaatlichen Finanzverfassung derart zu formulieren, dass die mit den Vorteilen eines föderalen Staatsaufbaus verbundenen Hoffnungen nicht unerfüllt bleiben. Es geht demnach nicht um die kompromissorientierte Suche nach dem politisch Möglichen, sondern vielmehr um die Umsetzung des ökonomisch Vorteilhaften.

2 Die bundesstaatliche Finanzverfassung – eine Bestandsaufnahme

2.1 Die Geschichte der Finanzverfassung im Bundesstaat

Die bundesstaatliche Finanzverfassung, geregelt in Abschnitt X. des Grundgesetzes, ist in ihrer Entwicklung stark durch die seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland zunehmenden Zentralisierungstendenzen des deutschen Föderalismus geprägt. Während die Finanzverfassung der Gründungsväter in unmittelbarem Einfluss der Alliierten Militärgouverneure bei den Steuern noch ein Trennsystem vorsah, gab es bereits im Jahre 1955[4] die ersten unitarisch orientierten Neuerungen. Hierbei handelte es sich insbesondere um die Installierung eines horizontalen Finanzausgleichs, der jedem Land erstmals eine finanzielle Mindestausstattung garantierte.[5]

Mit der Großen Finanzreform von 1969[6] erfolgte dann die grundlegende Finanzverfassungsänderung, deren Inhalte bis heute noch im Wesentlichen Bestand haben. Die Reform verfolgte den Zweck, dem zu diesem Zeitpunkt allgemein akzeptierten Ziel der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse zu entsprechen.

Im Detail kam es im Zuge der Großen Finanzreform insbesondere zur Einführung des großen Steuerverbundes und zur Schaffung der Gemeinschaftsaufgaben sowie der Finanzhilfen.

Mit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 musste auch die Aufgabe der finanzwirtschaftlichen Integration der neuen Bundesländer gelöst werden. Art. 7 Abs. 1 des Einigungsvertrags vom 31.8.1990[7] sah die Erstreckung der Finanzverfassung auf das Gebiet der neuen Bundesländer vor. Nach einer zunächst vorgesehenen Übergangsphase von vier Jahren wurde bereits am 23.06.1993 mit dem Föderalen Konsolidierungsprogramm[8] beschlossen, bei der Integration des Beitrittsgebietes auf die wesentlichen Elemente der bisherigen Finanzverfassung zurückzugreifen.[9] Somit beschränkte sich die Reform auf die Integration der neuen Bundesländer in das Finanzausgleichsystem und der entsprechenden Neuregelung des Finanzausgleichgesetzes.

Eine weitere Änderung erfuhr die Finanzverfassung in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999[10]. Das Gericht stellte darin die Verfassungswidrigkeit des Finanzausgleichsgesetzes von 1995 fest. Es entschied das Finanzausgleichsgesetz als Übergangslösung bis zum 31. Dezember 2004 gelten zu lassen, sofern der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2002 allgemeine Maßstäbe für die Verteilung der Umsatzsteuereinnahmen, für den Länderfinanzausgleich und für die Bundesergänzungszuweisungen erlässt.[11] In Erfüllung des Regelungsauftrags verabschiedete der Gesetzgeber zunächst am 9. September 2001 das sogenannte Maßstäbegesetz[12], um gleich drei Monate später mit dem Solidarpaktfortführungsgesetz vom 20. Dezember 2001[13] den Vorgaben des Maßstäbegestzes entsprechend eine Neuregelung des Finanzausgleichs zu beschließen. Beide Gesetze traten zum 01.01.2005 in Kraft und verlieren ihre Gültigkeit am 31. Dezember 2019.

Die letzten Änderungen an der Finanzverfassung erfolgten im Zuge der Föderalismusreform. So wurden u. a. die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau gestrichen und Regelungen für einen Nationalen Stabilitätspakt in Art. 109 V GG aufgenommen.

Im kritischen Rückblick zeigt sich, dass die aktuelle Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzverfassung stark durch die unitarisch orientierten Regelungen der großen Finanzreform von 1969 geprägt ist. Statt der Unterstützung föderalen Wettbewerbs ist das Ziel nach der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse vorherrschend. Diese Tendenz entspricht nicht dem Zweck einer föderalen Finanzverfassung und bedarf daher einer grundlegenden Finanzverfassungsreform.

2.2 Die deutsche Finanzverfassung 2006 – Darstellung der geltenden Regelungen

2.2.1 Die Verteilung der Auf- und Ausgabenkompetenzen

Als Folgeverfassung obliegt der Finanzverfassung im Sinne einer Effektuierungsfunktion die Aufgabe, die finanziellen Mittel derart zu verteilen, dass eine adäquate Umsetzung der verfassungsrechtlichen bundesstaatlichen Aufgabenverteilung gewährleistet ist.[14] Aus diesem Blickwinkel erweist es sich als unumgänglich, einer Analyse der Finanzverfassung eine kurze Skizze über die Verteilung von Aufgabenzuständigkeiten im föderalen Deutschland vorzuschalten. Die Verteilung der Auf- und Ausgabenkompetenzen wird in der Finanzwissenschaft als passiver Finanzausgleich bezeichnet.

Nach Art. 30 GG gilt für die Aufgabenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften der Grundsatz der Länderzuständigkeit: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt.“ Der Bund ist nur dann zur Aufgabenerfüllung befugt, wenn das Grundgesetz ihn dazu ausdrücklich bestimmt oder stillschweigend ermächtigt.[15]

Während die Verwaltungskompetenz dem Grundsatz der Länderzuständigkeit innerhalb der föderalen Aufgabenverteilung folgt und somit im Kern Sache der Länder ist (Art. 83 ff GG), liegen die Gesetzgebungskompetenzen entgegen des Art. 30 GG faktisch beim Bund (Art. 70 ff GG).[16]

Anknüpfend an die Aufgabenverantwortung geht es bei der Ausgabenverteilung um die Frage, welche Bundesstaatsebene für die Finanzierung der grundgesetzlich auferlegten Aufgaben zuständig ist.[17] Grundlage bildet das in Art. 104a I GG kodifizierte Konnexitätsprinzip. Hiernach tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Konnexität kann, sofern Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit bei verschiedenen Ebenen angesiedelt sind, entweder in Form der Verwaltungskonnexität (Vollzugskausalität) durch die Bindung der Finanzierungsverpflichtung an die Verwaltungshoheit oder als Gesetzgebungskonnexität (Gesetzgebungskausalität) durch eine entsprechende Bindung an die Gesetzgebungshoheit erfolgen.[18] In der deutschen Finanzverfassung folgt die Lastenverteilung dem Prinzip der Vollzugskausalität. Demnach ist es für die Aufgabenverantwortung unbedeutend, wer die kostenverursachende Regelung erlässt.[19]

Geknüpft an die in Art. 104a I GG normierte Ausnahmemöglichkeit sieht der Gesetzgeber in vier besonderen Fällen vom Lastenverteilungsgrundsatz abweichende Regelungen vor. Dazu zählen die Bundesauftragsverwaltung (Art. 104a II GG), die Geldleistungsgesetze (Art. 104a III GG), die Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a, 91b GG) sowie die Finanzhilfen (Art. 104b GG).

Hinsichtlich der Bundesauftragsverwaltung besteht die Besonderheit, dass die Länder bestimmte Aufgaben des Bundes wahrnehmen. Die sich daraus ergebenden Zweckausgaben – sämtliche, unmittelbar der Erfüllung oder Förderung der betreffenden Sachaufgabe dienenden Ausgaben – trägt der Bund.[20] Die Verwaltungskosten, definiert als diejenigen Aufwendungen, die im Zuge der Bereitstellung der erforderlichen personellen und sachlichen Mittel anfallen[21], verbleiben dagegen gem. Art. 104a V GG weiterhin bei den Ländern. In Bundesauftragsverwaltung werden u. a. die Bereiche Verteidigung und Bundesautobahnen ausgeführt.

Eine weitere Ausnahme zum Konnexitätsprinzip bildet der Bereich der Geldleistungsgesetze. Hiernach können Bundesgesetze, die von den Ländern ausgeführt werden, in Bezug auf die Gewährung von Geldleistungen eine Teil- bzw. Vollfinanzierung des Bundes anordnen (Art. 104a III GG). Unter Geldleistungsgesetze sind solche Gesetze zu verstehen, die einem fest umrissenen Kreis von Berechtigten bei der Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Anspruchsvoraussetzungen staatliche Übertragungen gewähren.[22] Dazu zählen u. a. Regelungen wie das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und das Unterhaltsvorschussgesetz.

Verfassungsrechtlich ist keine zwingende Finanzierungsregelung vorgesehen, so dass jede prozentuale Aufteilung einschließlich eines Verzichts auf Kostenbeteiligung möglich ist. Der Finanzierungsanteil des Bundes beim BAföG liegt z. B. bei 65 %. Erklärt sich der Bund zur Übernahme von mindestens 50 % der Kosten bereit, so wird nach Art. 104a III S.2 GG das Gesetz in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt.

Im Wege der Föderalismusreform eingeführt, bedürfen Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen oder geldwerten Sachleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, nunmehr der Zustimmung des Bundesrates, sofern daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind (Art. 104a IV GG). Fälle der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104a II GG sind davon nicht erfasst.

Ferner ist der Bund an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a, 91b GG beteiligt. Bei den Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a GG wirkt der Bund auf bestimmten Gebieten obligatorisch „bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist“. Dazu zählen abschließend die Gemeinschaftsaufgaben der „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ mit einer Finanzierungsbeteiligung des Bundes von 50 % und der „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ mit einer entsprechenden Finanzierungsbeteiligung von mindestens 50 %. Die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken“ wurde ebenso wie das Instrument der Rahmenplanung mit dem Ziel der Entbürokratisierung im Zuge der Föderalismusreform gestrichen. Des Weiteren ermöglicht Art. 91b I GG in Fällen von überregionaler Bedeutung das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Forschungsförderung.

Ein weiterer Mischfinanzierungstatbestand liegt im Bereich der Finanzhilfen vor. Finanzhilfen sind zweckgebundene Bundesmittel, die nur für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden zu gewähren sind, sofern diese entweder zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich erscheinen. Sie sind befristet zu gewähren, hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabschnitten zu überprüfen und zudem degressiv auszugestalten (Art. 104b II GG). Die anschließende Umsetzung der konkreten Investitionsmaßnahmen ist im Rahmen der vorgegebenen Zweckbindung allein Sache der Länder.[23] Bundesfinanzhilfen werden u. a. zur Städtebauförderung gewährt.

Zur Kompensation der im Zuge der Föderalismusreform gestrichenen Gemeinschaftsaufgaben „Hochschulbau“ und „Bildungsplanung“, sowie der aufgehoben Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und zum sozialen Wohnungsbau, stehen den Ländern gem. Art. 143c GG zunächst zweckgebunden bis 2013 Bundesmittel in jährlicher Höhe von rund 2,6 Mrd. € zu. Für den verbleibenden Zeitraum bis 2019 sieht eine Revisionsklausel vor, dass Bund und Länder die Höhe der Kompensationsmittel hinsichtlich ihrer Angemessenheit zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen haben.

2.2.2 Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen

Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen, geregelt in Art. 105 GG, ist geprägt durch eine nahezu umfassende Bundesgesetzgebung, die in der Ausschöpfung der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund seine Ursache findet.

Nach Art. 105 II GG ist der Bund zur konkurrierenden Gesetzgebung über alle Steuern, deren Aufkommen nach Art. 106 GG dem Bund ganz oder teilweise zustehen, befugt. Zudem steht ihm i. V. m. Art 72 II GG das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung zu, sofern die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit dies erfordert.[24] Da eine dieser Voraussetzungen seitens der Politik stets als gegeben gesehen wurde, impliziert die konkurrierende Gesetzgebung in der Praxis die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes. Folge ist, dass alle wichtigen Steuergesetze in Deutschland Bundesgesetze sind, die, sofern Länder am Aufkommen der jeweiligen Steuer beteiligt sind, nach Art. 105 III GG der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.[25]

Darüber hinaus sieht Art. 105 I GG für den Bund die ausschließliche Kompetenz zur Erhebung der Zölle und Finanzmonopole vor. Aus dem Blickwinkel, dass Zölle einheitlich durch die EG geregelt werden und mit Ausnahme des Branntweinmonopols keine weiteren Finanzmonopole existieren, verliert die Regelungsweite dieser Vorschrift jedoch an Bedeutung.[26]

Ausnahmen von der nahezu umfassenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes bilden nach Art. 105 IIa GG die örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern sowie die Grunderwerbsteuer. Die spezielle Länderkompetenzzuweisung bei den Verbrauchs- und Aufwandssteuern gilt jedoch nur insoweit, als dass die erfassten Steuerarten nicht bundesgesetzlich geregelte Steuern gleichartig sind.[27] Ergo ist es dem Landesgesetzgeber untersagt, auf eine Steuerquelle zuzugreifen, die der Bund bereits mit einer Steuer belastet oder gegebenenfalls bewusst verschont hat.[28] Beispiele für eine im Zuge des Steuerfindungsrechts der Länder erhobene Steuer ist die Zweitwohnungssteuer.

Bezüglich der Grunderwerbsteuer sind die Länder gem. Art. 105 IIa S. 2 GG zur Bestimmung des Steuersatzes befugt. Die Festlegung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage verbleibt jedoch in der Kompetenz des Bundes.

2.2.3 Die Verteilung der Einnahmen

Die Verteilung der bundesstaatlichen Einnahmen wird in der Finanzwissenschaft Aktiver Finanzausgleich genannt. Die übergeordnete Funktion des Aktiven Finanzausgleichs ist es, den einzelnen föderalen Gebietskörperschaften zur Erfüllung ihrer verfassungsrechtlich festgelegten Aufgaben eine adäquate Finanzausstattung zuzuweisen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedient sich der Gesetzgeber eines höchst komplexen Systems. Zum Verständnis bedarf es daher einer strikten Systematisierung.

So lässt sich zunächst festhalten, dass sich der Aktive Finanzausgleich in vier groben Stufen vollzieht, wobei jeder Stufe bestimmte Austeilungs- und Ausgleichsziele zugeordnet sind.[29] Die Stufen lassen sich wie folgt beschreiben:

1. der primäre vertikale Finanzausgleich (Zuteilung der Ertragshoheit),
2. der primäre horizontale Finanzausgleich (Verteilung des Steueraufkommens unter den Ländern),
3. der sekundäre horizontale Finanzausgleich (Länderfinanzausgleich) und
4. der sekundäre vertikale Finanzausgleich (Bundesergänzungszuweisungen).

Bei der ersten Stufe, dem primären vertikalen Finanzausgleich, sind die Regelungen zur vertikalen Verteilung der Ertragshoheit Fokus der Bestimmungen. Festgelegt wird, welcher föderalen Ebene das Aufkommen aus den verschiedenen Staatseinnahmen zusteht.[30]

Zur Lösung dieser Thematik bieten sich verschiedene idealtypische Regelungsmodelle an:

U. a. handelt es sich dabei um das sogenannte Trennsystem. Bei diesem Modell kommt es im Bereich der Ertragshoheit de facto zu einer strikten Trennung zwischen den einzelnen vertikalen Ebenen.[31] Ergo steht das Aufkommen einer Steuerart jeweils nur einer Körperschaft zu. Die Ausgestaltung der jeweiligen Steuer kann dabei sowohl ungebunden als auch gebunden erfolgen: Während bei einem ungebundenen Trennsystem die Steuergesetzgebung jede Gebietskörperschaft autonom vornimmt, liegt im Falle des gebundenen Trennsystems die Gesetzgebungshoheit zentral bei der vorgeordneten staatlichen Ebene.

Im Gegensatz dazu ist im Verbundsystem eine gemeinschaftliche Ertragshoheit der verschiedenen staatlichen Ebenen vorgesehen. Die festgelegten Quoten können dabei sowohl auf das Aufkommen der Gesamtheit aller gemeinschaftlichen Steuern (dem Gesamtverbund) als auch jeweils auf einzelne Steuern (dem Einzelverbund) bezogen sein. Weitere Regelungsmodelle sind das Zuschlags- und das Zuweisungssystem.[32]

In Deutschland existiert jedoch keines der genannten Systeme in reiner Form, vielmehr hat der Gesetzgeber ein Mischsystems normiert, bei dem Bund und Ländern das Aufkommen aus den einnahmestarken Steuern (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer) gemeinsam zusteht, während die Erträge anderer Steuerarten jeweils nur einem Bundespartner zufließen.[33] Verfassungsrechtliche Grundlage bildet Art. 106 GG. Tabelle 1 zur Aufteilung der Steuereinnahmen im Jahr 2005 gibt derweil einen Aufschluss über die Bedeutung der jeweiligen „Steuerarten“.

Tab. 1: Aufteilung der Steuereinnahmen im Jahr 2005

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BMF (Hrsg.) [2006e], S. 67.

Art. 106 I, II GG umfassen die Regelungen zum partikularen Trennsystem. Dabei bestimmt zum einen Art. 106 I die Steuern, deren Aufkommen dem Bund vollständig zustehen. Dazu gehören u. a. die Einnahmen aus den Zöllen sowie dem Ertrag aus dem Branntweinmonopol. Zum anderen sind in Art. 106 II GG abschließend jene Steuern aufgeführt, deren Aufkommen vollständig den Ländern zufließen, wie z. B. die Erträge aus der Vermögens- und der Erbschaftsteuer.

Die Verteilung des Steuerverbundes richtet sich nach Art. 106 III GG. Hinsichtlich der Verteilung der Einkommen- und der Körperschaftsteuer legt das Grundgesetz eindeutige Quoten fest: das jeweilige Aufkommen, soweit es nach Art. 106 V GG bezüglich der Einkommensteuer nicht den Gemeinden zusteht, wird je zur Hälfte dem Bund und den Ländern zugewiesen.

Bei der Verteilung der Umsatzsteuer verzichtet der Verfassungsgeber auf eine verfassungsrechtlich normierte Quote. Die Verteilung der Umsatzsteuer ist in Art. 106 III GG nur insoweit geregelt, als dass der Gesetzgeber berechtigt ist, die Verteilung durch einfaches Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates zu beschließen.[34] Die Umsatzsteuerverteilung dient somit den politischen Kräften als flexibles Element zur Einnahmenverteilung. Hauptkriterium für die Verteilung der Umsatzsteuer bildet das sogenannte Deckungsquotenverfahren, welches dem Bund und den Ländern gleichmäßig Anspruch auf die jeweilige Deckung der notwendigen Ausgaben zugesteht. Darüber hinaus sieht Art. 104 IV GG eine Revisionsklausel vor, nach der die festgelegten Quoten neu festzusetzen sind, sofern sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt.[35]

Konkret ist die seit 2005 geltende Aufteilung der Umsatzsteuer in § 1 FAG geregelt.[36] Zur näheren Orientierung ist auf Tabelle 2 verwiesen.

Tab. 2: Aufteilung der Gemeinschaftssteuern im Jahr 2005 (in %)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BMF (Hrsg.) [2005], S. 12, eigene Systematisierung

An der Verteilung der Ertragshoheit anknüpfend, ist es Ziel des horizontalen Finanzausgleichs, nachhaltige Unterschiede in der Finanzausstattung der einzelnen Länder zu verringern.[37] Dabei wird im ersten Schritt nach Maßgabe des Art. 107 I GG das den Ländern zustehende Steueraufkommen im Rahmen des primären horizontalen Finanzausgleichs unter den Ländern verteilt.

Vollzogen wird die Aufteilung grundsätzlich nach dem Prinzip des örtlichen Aufkommens, wonach jedem Land genau das Aufkommen zusteht, das von den jeweiligen Finanzbehörden auf ihrem Gebiet vereinnahmt wurde.[38] Bei der Lohn- und der Körperschaftsteuer sowie beim Zinsabschlag wird das Prinzip des örtlichen Aufkommens durch das Zerlegungsgesetz korrigiert, das zum einen den Gewinn der Betriebsstätten beachtet und zum anderen hinsichtlich der Lohnsteuer dem Wohnsitzprinzip entspricht. Letzteres führt dazu, dass jedes Land näherungsweise die Steuereinnahmen erhält, die für die Einkommen seiner Einwohner innerhalb und außerhalb seines Territoriums entrichtet wurden.[39] Mittels dieser Umschichtung wurden im Jahr 2004 rund 6 Mrd. € bewegt.[40]

Für die in Art. 107 I S. 4 GG normierte Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ist grundsätzlich die Einwohnerzahl und nicht das örtliche Verbrauchsaufkommen maßgeblich.[41] Bei bis zu einem Viertel des Länderanteils lässt das Grundgesetz davon abweichend eine finanzkraftabhängige Verteilung zu.[42] Demnach erhalten diejenigen Länder, deren Einnahmen aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und den Ländersteuern je Einwohner unterhalb des entsprechenden Ländersteuerdurchschnitts liegen, einen Vorwegausgleich im Rahmen sogenannter Umsatzsteuer-Ergänzungsanteile.[43] Hinsichtlich der Höhe der Leistungen findet ein linear-progressiver Auffüllungstarif Anwendung. Mit der Verteilung der Umsatzsteuer einschließlich der Ergänzungsanteile steht die eigene Finanzausstattung der jeweiligen Länder fest.[44]

Im Anschluss daran erfolgt der sekundäre horizontale Finanzausgleich, der Länderfinanzausgleich im engen Sinne. Ziel ist es weiterhin, bestehende Finanzkraftunterschiede zwischen den einzelnen Ländern zu verringern, wobei eine Nivellierung in Form einer Änderung der Finanzkraftreihenfolge unter den Ländern untersagt ist.[45] Grundlage für den Länderfinanzausgleich bildet das Maßstäbegesetz vom 9. September 2001 und das Finanzausgleichsgesetz vom 20. September 2001.[46]

Maßgeblich für die Berechnung des Länderfinanzausgleichs sind die Komponenten Finanzkraft und Ausgleichsmesszahl:

Ausgangspunkt ist die in § 6 I FAG definierte länderspezifische Finanzkraft je Einwohner. Diese entspricht im Wesentlichen den Landessteuereinnahmen und 64 % der Gemeindeeinnahmen aus Einkommensteuer und Realsteuern ohne Gewerbesteuerumlage.[47] Etwaige Sonderbedarfe wie etwa Seehafenlasten bleiben unberücksichtigt.

Die Ausgleichsmesszahl bemisst sich nach dem Einwohnerzahl gewichteten Länderdurchschnitt der Steuereinnahmen, wobei hinsichtlich der Ländersteuer die Einwohner der Stadtstaaten mit 135 % veredelt werden. Eine weitere Veredelung der Einwohnerzahlen findet bei der Berechnung der Ausgleichsmesszahl zu den Gemeindesteuern statt: Wiederum werden die Einwohner der Stadtstaaten mit 135 % fiktiv aufgewertet. Zusätzlich erfolgt bei den dünn besiedelten Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt eine geringfügige Veredelung der Einwohnerzahlen.[48]

Anspruch auf Leistungen im Länderfinanzausgleich haben nach § 5 FAG diejenigen Länder, deren Finanzkraftmesszahl ihre länderspezifische Ausgleichsmesszahl übersteigt; umgekehrt sind die Länder ausgleichspflichtig. Der Ausgleichstarif zeichnet sich durch einen linear stetigen Verlauf aus, symmetrisch für Empfänger- und Geberländer.[49] Entsprechende Zahlen sind der folgenden Abbildung zu entnehmen.

Abb. 3: Ausgleichstarif im Länderfinanzausgleich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Fehr, H. [2001], S. 576

Zu den ausgleichspflichtigen Ländern zählen traditionell Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Baden-Württemberg und Hessen. Wie Tabelle 4 auf der nächsten Seite zeigt, betrug im Jahr 2005 die Summe der durch den Länderfinanzausgleich verschobenen Finanzmittel rund 6,88 Mrd. €.

Zusätzlich enthält § 7 III FAG ein Prämienmodell, wonach bei jedem Land 12 % der gegenüber dem Vorjahr überproportionalen Steuermehrmeinnahmen bei der Finanzkraftermittlung unberücksichtigt bleiben. Mit Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Berlin zählen vier ostdeutsche finanzschwache Länder sowie mit Nordrhein-Westfalen und Hessen zwei finanzstarke Länder zu den prämienberechtigten Ländern im Ausgleichsjahr 2005. Dabei beläuft sich die Summe der Prämien auf rd. 110 Mio. €.

Auf der letzten Stufe des aktiven Finanzausgleichs werden finanzschwachen Ländern im Rahmen des sekundären vertikalen Finanzausgleichs Bundesergänzungszuweisungen gewährt. Dabei handelt es sich um ungebundene Finanzzuweisungen des Bundes, die als Kann-Regelung im Anschluss an den Länderfinanzausgleich ausgezahlt werden und zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs bestimmt sind.

Neben den allgemeinen Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen, die eine weitere Reduktion der nach dem Länderfinanzausgleich verbleibenden Finanzkraftunterschiede bezwecken, werden zehn Ländern Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen für überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung gewährt.

Des Weiteren sieht der Solidarpakt II vor, dass den neuen Ländern bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zum Ausgleich teilungsbedingter Sonderlasten (Korb I) zu gewähren sind. Zudem beinhaltet Korb II eine politische Zielvereinbarung zur Förderung der neuen Länder über rund 51 Mrd. €.[50]

2.2.4 Nationaler Stabilitätspakt

Die Europäische Gemeinschaft hat mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt für alle Mitgliedstaaten ein gemeinsames finanzpolitisches Instrumentarium geschaffen, das neben der Festlegung von Konvergenzkriterien diverse Sanktionsmechanismen im Falle anhaltender Überschreitung der Verschuldungsgrenzen vorsieht.

Zur innerstaatlichen Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts wurde im Zuge der Föderalismusreform der Art. 109 V GG in die Finanzverfassung aufgenommen, der

Tab. 4: Der Finanzausgleich unter den Ländern für das Ausgleichsjahr 2005 (in Mio. €)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[51]

Quelle: BMF (Hrsg.) [2006b], S. 1-3

grundsätzlich eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin vorsieht.

Konkret regelt Art. 109 V GG die föderale Aufteilung eventueller Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft.

Vertikal sind entsprechende Sanktionszahlungen von Bund und Ländern im Verhältnis von 65 % zu 35 % zu tragen. Horizontal vollzieht sich die Verteilung in zwei Stufen:

- 35 % der Länderlasten tragen die Länder entsprechend ihrer Einwohnerzahlen;
- 65 % der Lasten tragen sie entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag. Dieser definiert sich als Anteil des Finanzierungsdefizits eines Landes am Gesamtdefizit aller Länder.[52] § 2 I SZAG sieht vor, dass Länder, die einen ausgeglichenen oder positiven Finanzierungssaldo aufweisen, bei der Ermittlung der Summe des Gesamtdefizits unberücksichtigt bleiben und folglich auch keinen Verursachungsbeitrag zu leisten haben.[53]

Im engeren Zusammenhang zu den Regelungen zum nationalen Stabilitätspakt ist der Art. 115 GG zu sehen, der die Möglichkeit zur Kreditaufnahme verfassungsrechtlich regelt. Demnach ist eine Verschuldung zum Ausgleich des Haushalts grundsätzlich zulässig, jedoch dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der Nettoinvestitionen im Haushaltsjahr nicht überschreiten. Etwaige Ausnahmen sind zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig.

An dieser Stelle sei – den deskriptiven Teil abschließend – angemerkt, dass bei der vorliegenden Arbeit trotz ihrer anerkannten Bedeutung auf eine Analyse der kommunalen Finanzbeziehungen mit dem Hinweis auf eine inhaltliche Eingrenzung verzichtet wird.

2.3 Beurteilung der bestehenden Regelungen zur Finanzverfassung

2.3.1 Die Verteilung der Auf- und Ausgabenkompetenzen

Die bundesstaatliche Verteilung der Aufgabenkompetenzen ist stark durch die geteilte Zuständigkeit von Bund und Ländern geprägt: Während die Gesetzgebungskompetenzen faktisch beim Bund liegen, obliegt nach Maßgabe des Art. 30 GG die Verwaltungshoheit den Ländern.

Dieses Auseinanderfallen von Kompetenzen führt dazu, dass politische Verantwortlichkeiten nur schwer zuzurechnen sind. Allen Beteiligten wird die Möglichkeit geboten, sich aus der politischen Verantwortung zu ziehen; bei Bund-Länder-Beratungen droht die Gefahr, dass die gegenseitige Zuschiebung von Schuld die erforderliche sachbezogene Auseinandersetzung verdrängt. Überdies zeigt die Theorie der Politikverflechtung, dass derart verflochtene Zuständigkeitsstrukturen sachpolitische Defizite erwarten lassen.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass von divergierenden Kompetenzen im Bereich der Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit weitreichende Defizite ausgehen. Eine zentralstaatliche Gesetzgebung erscheint insbesondere dort fraglich, wo es um die Normierung originärer Landesaufgaben geht. Eine Reform ist daher zwingend geboten.

An die Verteilung der Aufgabenkompetenzen anknüpfend, ist als erster Bereich der föderalen Finanzverfassung die Verteilung der Ausgabenkompetenzen einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Dabei richtet sich der Fokus zunächst auf den Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104a I GG.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Normierung des Konnexitätsprinzips, wonach die Ausgabenlast der Aufgabenlast folgt, grundlegend und unstrittig ist.[54] Konnexität bewirkt eine ökonomisch vorteilhafte Rückkopplung, bei der der Aufgabenträger einen Anreiz zur Optimierung der Aufgabengestaltung und Aufgabendurchführung spürt.[55]

Sofern Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit – wie in Deutschland – bei zwei verschiedenen Ebenen angesiedelt sind, kann Konnexität auf zwei Arten erfolgen, entweder als Verwaltungskonnexität (Vollzugskausalität) oder als Gesetzgebungskonnexität (-kausalität).[56] Um die Festlegung des Verfassungsgebers zugunsten der Vollzugskausalität zu beurteilen, bedarf es einer differenzierten Betrachtung.

Pro Gesetzgebungskausalität wird angebracht, dass sie dem allseits geforderten Lastenverteilungsprinzip „Wer bestellt, soll auch zahlen“ entspreche.[57] Eine weitgehende Durchnormierung der Leistungsverwaltung habe dazu geführt, den autonomen Handlungsspielraum der Exekutive auf ein Minimum zu reduzieren, so Wieland.[58] In dieser Konsequenz, so Byoung-Hoo Moon, sei die Finanzierungslast entsprechend dem Veranlassungsprinzip an der Gesetzgebung – als Hauptursache der Kosten – auszurichten.[59]

Gegen die Gesetzgebungskausalität sprechen erhebliche administrative Bedenken. Unbestreitbar ist, dass die zu erwartende Forderung des Bundes nach durchgreifenden Weisungs- und Aufsichtsrechten landeseigene Verwaltungen nicht mehr rechtfertigen ließe.[60] Subalterne Ausführungsinstanzen wären die Folge. Betont sei, dass es sich hierbei nicht nur um vertretbare Nebenwirkungen handelt, sondern um eine ernsthafte Gefährdung der Länderautonomie.

Auch aus ökonomischer Sicht ist von einer Gesetzeskausalität abzuraten. Sie hätte zwangsläufig eine Zunahme an politischer Verflechtung zur Konsequenz, die gewichtige Fehlwirkungen erwarten ließe. Wielands Überlegungen, wonach ausführende Gebietskörperschaften generell kaum noch Einfluss auf die Höhe der Vollzugskosten hätten, sind mit Blick auf die hohen Finanzierungsdefizite im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zurückzuweisen.[61]

Selbst bei der Ausführung von Geldleistungsgesetzen, die die Tatbestandvoraussetzungen und Merkmale für die Höhe der Zuwendungen für jeden einzelnen Begünstigten detailliert festlegen, ist den Verwaltungsträgern ein solcher Einfluss beizumessen.[62] Gesetzeskausalität führt unweigerlich dazu, dass den ausführenden Gebietskörperschaften das Interesse an einer gewissenhaften Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen verloren geht. Fiskalische Mehrbelastungen sind unweigerlich die Folge.

[...]


[1] Vgl. CDU, CSU und SPD (Hrsg.) [2005], S. 93. Der entsprechende Anhang enthielt bereits erste aus formulierte Gesetzesänderungen, deren Inhalt auf die Ergebnisse der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung fußte.

[2] Während die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages am 30.06.2006 erfolgte, verabschiedete der Bundesrat am 07.07.2006 die Gesetzesänderungen zur Föderalismusreform. In Kraft getreten ist die Föderalismusreform am 01.09.2006.

[3] Vgl. Homburg, S. [2006], S. 3.

[4] Finanzverfassungsgesetz v. 23.12.1955, BGBl. I 1955, S. 817.

[5] Vgl. Reformkommision Soziale Marktwirtschaft [1998], S. 74.

[6] Vgl. Finanzreformgesetz v. 12.05.1969, BGBl. 1969, S. 359 ff.

[7] Einigungsvertrag v. 31.8.1990 (BGBl. II 1990, S. 885 ff.) in Verbindung mit dem ersten Staatsvertrag v. 18.05.1990 (BGBl. II 1990, S. 518).

[8] BGBl. I 1993, S. 944 (S. 947 ff).

[9] Vgl. Seybold, M. [2005], S. 43-47.

[10] BVerfG, 2 BvF 2/98 vom 11.11.1999, Absatz-Nr. (1 - 347), http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs19991111_2bvf000298.html

[11] Vgl. BVerfG, 2 BvF 2/98 vom 11.11.1999, Leitsätze, http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs19991111_2bvf000298.html

[12] Maßstäbegesetz vom 9. September 2001, BGBl. I, S. 2302.

[13] Gesetz über den Finanzausgleich 20. Dezember 2001, BGBl. I, S. 3955 f.

[14] Vgl. Kesper, I. [1998], S. 41.

[15] Vgl. BMF (Hrsg.) [2005], S. 7.

[16] Mit Verfassungsänderungen, wie etwa der Abschaffung der Rahmengesetzgebung und der Neuordnung des Katalogs der konkurrierenden Gesetzgebung, wurden im Zuge der Föderalismusreform, die Gesetzgebungskompetenz vereinzelter Politikbereiche in die grundsätzliche Länderzuständigkeit zurückgeführt. Dazu zählen u. a. der Strafvollzug und die Besoldung der Landesbeamten. Dazu vertiefend siehe Deutscher Bundestag (Hrsg.) [2006], Entwurf eines Gesetzes zu Änderung des Grundgesetzes, S. 11-15.

[17] Vgl. Trapp, G. [1997], S. 41.

[18] Vgl. Homburg, S. in Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hrsg.) [2005], S. 1048 (beigelegte CD- Rom): Kommissionsdrucksache 024, S. 7.

[19] Vgl. Kesper, I. [1998], S. 75.

[20] Vgl. Brümmerhoff, D. [2001], S. 646 f.

[21] Vgl. Kesper, I. [1998], S.76.

[22] Vgl. Brümmerhoff, D. [2001], S. 647.

[23] Vgl. BMF (Hrsg.) [2003], S. 52.

[24] Vgl. Jung, I. [2000], S. 38.

[25] Vgl. Margedant, U. in Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. (Hrsg.) [2002], S. 11.

[26] Vgl. Kesper, I. [1998], S. 94.

[27] Vgl. Sanden, J. [2005], S. 423 f.

[28] Vgl. Kesper, I. [1998], S. 95.

[29] Vgl. Seybold, M. [2005], S. 35.

[30] Vgl. Mergedant, U. in Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. (Hrsg.) [2002], S. 12.

[31] Vgl. Brümmerhoff, D. [2001], S. 648.

[32] Dazu vertiefend s. Brümmerhoff, D. [2001], S. 648 f.

[33] Vgl. Jung, I. [2000], S. 39.

[34] Vgl. Jung, I. [2000], S. 41.

[35] Vgl. Brümmerhoff, D. [2001], S. 650.

[36] Neben einem komplexen System von Quoten ist zusätzlich die Verschiebung eines festgeschriebenes Betrages aus dem Umsatzsteueraufkommen zugunsten des Bundes vorgesehen, die der Kompensation zur vollständigen Übernahme des Fonds „Deutsche Einheit“ durch den Bund geschuldet ist. Einzelheiten sind dem FAG selbst zu entnehmen.

[37] Vgl. Seybold, M. [2005], S. 77.

[38] Vgl. Brümmerhoff, D. [2001], S. 652.

[39] Vgl. BMF (Hrsg.) [2006c], S. 2

[40] Vgl. Bayrisches Staatsministerium der Finanzen (Hrsg.) [2005], S. 13.

[41] Vgl. Sanden, J. [2005], S. 455.

[42] Vgl. Bayrisches Staatsministerium der Finanzen (Hrsg.) [2005], S. 14.

[43] Vgl. BMF (Hrsg.) [2006c], S. 2.

[44] Vgl. Moon, B.-H. [2005], S. 42.

[45] Vgl. BMF (Hrsg.) [2006c], S. 4.

[46] Eine detaillierte Auflistung der einzelnen Regelungen ist dem Anhang zu entnehmen.

[47] Vgl. BMF (Hrsg.) [2006c], S. 3.

[48] Vgl. Fehr, H. [2001], S. 576 f.

[49] Vgl. Bayrisches Staatsministerium der Finanzen (Hrsg.) [2005], S.18 f.

[50] Vgl. BMF (Hrsg.) [2006c], S. 4 f.

[51] Rundungsfehler möglich.

[52] Vgl. Vesper, D. [2006], S. 1f.

[53] Vgl. SVR [2006], Ziffer 462.

[54] Vgl. Homburg, in: Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hrsg.) [2005], S. 1048 (beigelegte CD-Rom): Kommissionsdrucksache 024, S. 7.

[55] Vgl. Sanden, J. [2005], S. 398.

[56] Vgl. Homburg, in: Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hrsg.) [2005], S. 1048 (beigelegte CD-Rom): Kommissionsdrucksache 024, S. 7.

[57] Vgl. SVR [2004], Ziffer 793.

[58] Vgl. u. a. Wieland, in: Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hrsg.) [2005], S. 1048 (beigelegte CD-Rom): AU 35, S. 2 f.

[59] Vgl. Moon, B.-H. [2005], S. 272.

[60] Vgl. u. a. Benz, in: Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hrsg.) [2005], S. 1048 (beigelegte CD-Rom): AU 050, S. 19.

[61] Die Regelung des § 46 I SGB II, wonach der Bund sämtliche Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten trägt, führt dazu, dass es speziell den Optionskommunen an Anreizen zu einer kostenminimierenden Aufgabenerfüllung fehlt. Das fiskalische Ziel der Hartz-IV-Reform, sowohl die Kosten pro Empfängerfall niedrig zu halten als auch die Zahl der Empfänger insgesamt zu begrenzen, wurde verfehlt. Konkret ließ sich u. a. feststellen, dass die ausführenden Kommunen bereits im Vorfeld in vielen fragwürdigen Fällen ehemaligen Sozialhilfeempfängern Erwerbsfähigkeit attestierten, um Kosten auf den Bund abzuwälzen.

[62] Anderer Auffassung Kesper, I. [1998], S. 210, die den Ländern beim Vollzug der Geldleistungsgesetze einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Vollzugskosten abspricht.

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Die Reform der Finanzverfassung
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
84
Katalognummer
V72448
ISBN (eBook)
9783638626873
Dateigröße
796 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Diplomarbeit behandelt alle relevanten Themengebiete der bundesstaatlichen Finanzverfassung. Sie zeigt dabei die gegenwärtigen Probleme auf und weist im Anschluss auf Reformalternativen hin. Letztlich wird eine politische Handlungsempfehlung abgegeben, die durch die bevorstehenden Verhandlungen zur Föderalismuskommission II höchste politische Aktualität besitzt.
Schlagworte
Reform, Finanzverfassung
Arbeit zitieren
Michael Wohlatz (Autor:in), 2007, Die Reform der Finanzverfassung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72448

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