Thema der Unterrichtseinheit:
Gedichte
Thema der Stunde:
„Aus Glas“ (Josef Guggenmos)
Gliederung der Unterrichtseinheit:
1. „Avenidas“ (Eugen Gomringer) – Paralleltext schreiben nach vorgegebenem, sprachlichem Muster
2. „Fips“ (Christian Morgenstern) – den Text grafisch umsetzen und formale Charakteristika von Ge-dichten kennen lernen
3. „Faulenzen“ (Josef Reding) – Paralleltext schreiben nach vorgegebenem, inhaltlichem Muster
4. „Die Ameisen“ (Joachim Ringelnatz) – Standbild bauen und Tagebuch-Eintrag verfassen
5. „Aus Glas“ (Josef Guggenmos) – arbeitsunterschiedlicher, handlungs- und produktionsorientierter Umgang in Gruppen
6. „???“ (???) – Vorträge (auswendig) der selbstgewählten Lieblingsgedichte
Ziel der Unterrichtseinheit:
Die SchülerInnen sollen durch handlungs- und produktionsorientierten Umgang mit Kinderlyrik eine freudvolle Einstellung zu(m Lesen und Schreiben von) Gedichten erhalten.
Ziel der Stunde:
Die SchülerInnen sollen das Gedicht „Aus Glas“ von Josef Guggenmos mit Hilfe handlungs- und produktionsorientierter Verfahren vorwiegend inhaltlich-interpretativ erschließen und transferieren.
Ziel der Unterrichtseinheit:
Die SchülerInnen sollen durch handlungs- und produktionsorientierten Umgang mit Kinderlyrik eine freudvolle Einstellung zu(m Lesen und Schreiben von) Gedichten erhalten.
Ziel der Stunde:
Die SchülerInnen sollen das Gedicht „Aus Glas“ von Josef Guggenmos mit Hilfe handlungs- und produktionsorientierter Verfahren vorwiegend inhaltlich-interpretativ erschließen und transferieren.
Teillernziele der Stunde: Die SchülerInnen sollen...
(a) ... einem verrätselten Lehrervortrag zuhören und das ausgelassene Wort „Glas“ assoziieren.
(b) ... den Inhalt des Gehörten rekonstruieren und die positiven Besonderheiten des Aus-Glas-Seins sowie weiterer imaginärer Rollen nachentdecken und benennen.
(c) ... mit dem Daumen des ausgestreckten Armes eine liegende Acht ausführen und so die Augenmuskeln bzw. die Augenfolgebewegungen schulen und auf das Lesen vorbereiten.
(d) ... die ersten drei Strophen des Gedichts lesen und formale Charakteristika (Reimwörter, Verse, Strophen) benennen.
(e) ... die negative(n) Besonderheit(en) des Aus-Glas-Seins und weiterer imaginärer Rollen nachentdecken und benennen.
(f) ... sich in arbeitsunterschiedlicher Gruppen-, Partner- und/ oder Einzelarbeit in vorgegebene und z.T. selbst erfundene Szenen und Figuren einfühlen, indem sie ...
- ... das Gedicht grafisch umsetzen und Rollengedanken dazu scheiben,
- ... den Bau verschiedener Standbilder (zu den Strophen) erarbeiten und erproben,
- ... einen Tagebuch-Eintrag verfassen oder
- ... ein Parallelgedicht verfassen.
(g) ... ihre Aufgabe dem Plenum vorstellen und das Ergebnis vortragen.
Geplanter Unterrichtsverlauf
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abkürzungen: EA=Einzelarbeit, PA=Partnerarbeit, GA=Gruppenarbeit, LV=Lehrervortrag, SV=SchülerInnenvortrag, UG=Unterrichtsgespräch, SHK= Sitzhalbkreis
L=Lehreranwärter, Ss=SchülerInnen, S=SchülerIn, AB=Arbeitsblatt, Sokratischer Dialog=fragend-entwickelndes Gespräch
Anmerkungen zur Situation der Klasse
In der Klasse 3 erteile ich seit dem 2. September 1999 das Fach Deutsch mit wöchentlich vier Stunden in eigener Verantwortung. 13 Kinder dieser Klasse unterrichtete ich bereits seit November 1998 mit fünf Stunden im Ausbildungsunterricht bzw. ab Februar dieses Jahres mit vier Stunden in eigener Verantwortung. Die Klasse wurde zum Schuljahresbeginn 1999/2000 aus zwei zweiten Klassen zusammengefasst. Seit Februar unterrichte ich vier Wochenstunden im Ausbildungsunterricht.
Die Lerngruppe umfasst 24 Kinder und setzt sich aus 14 Mädchen und 10 Jungen zusammen. Die SchülerInnen sind überwiegend neun Jahre, ein Alter, in dem das Kind nach Wygotski erst auf dem Weg zu einem analytischen Begriffsdenken ist. Es findet eine Art vorbegriffliches Denken statt, welches mit Hilfe des fortschreitenden Spracherwerbs immer mehr in ein abstraktes, operatives Denken übergeht. Da diese Umstrukturierung vom Sozialisationsprozess abhängig ist, d.h. vom praktischen Handeln des Kindes in seiner sozialen und gegenständlichen Umwelt, ist es m. E. wichtig, dass der kindliche Lernprozess möglichst durch Handlungen, Kommunikation und Selbstständigkeit geprägt ist. In diesem Zusammenhang halte ich die in dieser Stunde angewandten Verfahren des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts für besonders geeignet. (vgl. Sachanalyse)
Bezüglich des Arbeitsverhaltens [1] ist besonders auffällig, dass v.a. Sandra H. und Maik, aber auch Christoph O. den Unterricht in Gesprächsphasen oft verbal stören. Meistens reicht ein namentliches Ermahnen, um Ruhe herzustellen. Trotzdem werde ich die lange Phase im Sitzhalbkreis durch zwei kurze Brain-Gymâ-Übungen auflockern, um die Konzentrationsfähigkeit dieser und der anderen Kinder nicht überzustrapazieren. Weiterhin sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass viele Kinder (etwa die Hälfte) noch Schwierigkeiten damit haben, Arbeitsaufträge selbstständig zu erschließen. Trotzdem bzw. gerade deshalb möchte ich die Kinder in der Umsetzungsphase relativ selbstständig arbeiten lassen, wobei ich versuche, die Arbeitsaufträge hierzu kurz und klar zu formulieren und während der Arbeit helfend zur Seite zu stehen.
Die Lernbereitschaft der Klasse ist m. E. durchschnittlich bis gut. Nach einer Phase der Umgewöhnung zu Beginn des Schuljahres, in der die Kinder sich in der neuen, großen Klasse (von jeweils 14 auf 24) orientieren mussten, ist die allgemeine Mitarbeit wieder besser geworden. In jüngster Zeit beteiligen sich besonders viele Mädchen (Anne, Judith, Tanja, Corinna, Miriam, Lena) und hier an erster Stelle Manuela am Unterricht. Mein Anliegen ist es aber, die überwiegend stillen Jungen besonders in Gesprächsphasen einzubinden, weshalb ich dann manchmal auch Jungen aufrufe, die sich nicht gemeldet haben. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass die handlungs- und produktionsorientierten Verfahren der Umsetzungsphase die SchülerInnen besonders motiviert.
In dieser Klasse ist das Leistungsvermögen stark heterogen. Besondere Zuwendung und Unterstützung benötigen oftmals Torsten (anerkannte LRS), Sandra H., Paula, Christoph O., Christian und Maria. Sie sind besonders im Bereich `Lesen´ eher als schwach einzustufen. Deshalb müssen die Kinder in dieser Stunde nur einen kleinen Teil des Gedichts selbst erlesen. Außerdem kommen in der dritten Phase nur Verfahren zur Anwendung, die vom Typ her bekannt sind, so dass das Erlesen der Arbeitsaufträge nicht unbedingt erforderlich ist. Leistungsstark in allen Bereichen des Deutschunterrichts sind Judith, Anne, Christina, Corinna, Manuela und Miriam. Damit alle SchülerInnen gefordert und gefördert werden bzw. um dem heterogenen Leistungsvermögen der Klasse zu begegnen, kommen in der Umsetzungsphase differenzierte Anspruchsniveaus zum Einsatz (vgl. Teillernziele und methodische Vorüberlegungen).
Bezüglich des Arbeitstempo s gibt es innerhalb der Lerngruppe ebenfalls große Unterschiede. Daraus eventuell resultierenden `Leerlaufphasen´ soll entgegengewirkt werden, indem den SchülerInnen im Umfang differenzierte und angemessene Arbeiten zugewiesen werden. Außerdem sind alle Aufgaben so strukturiert, dass sie zeitlich `dehnbar´ sind (vgl. methodische Vorüberlegungen). Sollten jedoch Kinder ihre Aufgaben frühzeitig vollends erledigt haben, steht ein Arbeitsblatt als quantitative Differenzierung zur Verfügung.
Insgesamt als positiv zu bewerten ist das Sozialverhalten der Klasse. Die Kinder können aufeinander eingehen, nehmen zumeist Rücksicht und helfen sich meistens, falls notwendig. Daher und weil sie schon gelegentlich in der Gruppe bzw. mit einem Partner gearbeitet haben, traue ich ihnen in dieser Stunde diese Sozialformen zu, obwohl es Kindern in dieser Altersstufe im Allgemeinen eher schwer fällt kooperativ zu arbeiten.[2]
Die Arbeitstechniken `grafische Umsetzung´, `Parallelgeschichte spielen´ und `Parallelgedicht schreiben´ wurden erst in dieser Einheit eingeführt, während das `Standbild bauen´ schon länger bekannt ist. Damit bei den wenig bekannten Techniken Probleme weitestgehend reduziert auftreten, teile ich den Kindern die Arbeitsweise nach Interesse und Leistungsvermögen zu.
Sachanalyse
Das Gedicht „Aus Glas“ stammt aus dem Buch „Was denkt die Maus am Donnerstag?“ und wurde von Josef Guggenmos geschrieben. Der 1922 in Irsee geborene Schriftsteller „ist im deutschen Sprachraum zweifellos so etwas wie ein Klassiker des zeitgenössischen Kindergedichts“ (Schiehlen 1992, 31).
Das Gedicht kann der Gattung `Kinderlyrik´ zugeordnet werden, welche einen sehr breiten Raum in der Kinderliteratur einnimmt. Kinderlyrik ist im Wesentlichen ein eigenständiges Genre, welches „in gebundener, nicht unbedingt gereimter Sprache und in einer bestimmten Form von Kindern und Erwachsenen für Kinder [...] verfasst und von Heranwachsenden rezipiert“ wird (Reger 1990, 1). Die Grenzen zur Lyrik für Erwachsene sind jedoch nicht klar definierbar, denn es bestehen Gemeinsamkeiten in thematischer, formaler und intentionaler Hinsicht (vgl. Motte 1989, 16). Die Textarten Erlebnis-/ Stimmungslyrik, Reflexionslyrik, Geschehenslyrik finden sich z.B. sowohl im Bereich der Erwachsenen- als auch der Kinderlyrik. Unterscheidungsmerkmale sind aber dennoch vorhanden. Kinderlyrik wird ausschließlich für Kinder verfasst und der Adressatenbezug im Gedicht selbst deutlich. Die Themen sind aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der Kinder entnommen. Autoren der Kindergedichte bevorzugen ein einfaches Metrum, Wiederholungen, Endreim und Überschaubarkeit. Häufig ist eine sehr kindgemäße Sprache zu finden und eine positive Haltung zur Welt und zum Leben tritt hervor. Der wesentliche Unterschied zur Lyrik für Erwachsene ist der niedrige Abstraktionsgrad in Kinderlyrik. Kindergedichte (i. B. das vorliegende) „haben Zeigecharakter und führen zur Reflexion, während die für Erwachsene meist das Ergebnis einer Reflexion vorstellen“ (a.a.O., 19), da abstraktes Denken von Kindern (diesen Alters) nur ansatzweise geleistet werden kann (vgl. Anmerkungen zur Situation der Klasse, Didaktische Vorüberlegungen). Reger unterteilt die Kinderlyrik in fünf Kategorien (Gattungen): Gebrauchsverse, Erlebnis- und Stimmungslyrik, Reflexionslyrik (Gedankenlyrik), Geschehenslyrik und Sprachspiele (vgl. Reger 1990, 33).
Obwohl es in „Aus Glas“ zweifellos um Gedanken geht, würde ich dieses Gedicht nicht der Reflexionslyrik zuordnen, denn es geht hier nicht um Probleme und der Text hat auch nicht in erster Linie einen informativen oder belehrenden Charakter. Ich würde es eher als Stimmungslyrik bezeichnen, denn das Gedicht handelt von einer bestimmten Stimmung oder besser einem Gedankenspiel: Was wäre wenn...? Der Gegenstand des Gedankenspiels bildet die Überschrift. In wenigen Zeilen entwickelt Josef Guggenmos das in sich geschlossene Bild einer Fiktion, den Traum eines `lyrischen Ichs´ bzw. eines Kindes („... die vielen anderen Kinder...“), nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Glas zu sein (vgl. Reichgeld 1993, 23). Dabei heißt es ausdrücklich, dass dieses „zum Spaß“ geschehe. Der Text spielt die Konsequenzen dieses Gedankenspiels durch. Die Vorstellung durchsichtig (nicht `unsichtbar´) zu sein, hat etwas Faszinierendes: Wie verhielten sich die Leute und besonders die anderen Kinder, wenn sie mir gläsernen Menschen begegnen würden? Das wäre doch interessant! Aber das Spiel kennt auch andere Seiten, die der Autor dem Leser vor Augen führt. Die Begeisterung der 3. Strophe („Ei, wie fein!“) wird durch die Realität der 4. Strophe gedämpft („... in tausend Stücken.“): Glas ist zerbrechlich, ein Sturz – und alles kann vorbei sein. Zuletzt wird das zweiseitige Gedankenspiel durch einen einzelnen Vers beendet, in dem der Erzähler bekundet, dass er lieber bleibe wie er ist. Das Gedicht fordert den Leser einerseits auf, sich in eine imaginäre Rolle zu versetzen und führt ihm die Zweiseitigkeit von Wunschgedanken vor Augen (vgl. Ziele, Didaktische Vorüberlegungen).
Formal unterliegt das Gedicht einem recht regelmäßigen Aufbau. Es besteht aus vier Strophen mit jeweils drei Versen und einem Schlussvers. Seine seltene aber dennoch einfache und klare Struktur unterliegt folgendem Reimschema: aaa, bbb, ccc, ded, e (Endreime). Im zweiten Vers der 3. Strophe enthält im Zuge einer Anhäufung des (in unserer Kultur) lautsymbolisch fröhlichen `ei´s eine Art Binnen-Assonanz („Ei, wie fein“). Auffällig ist auch der optisch erkennbare wechselnde Rhythmus, welcher vielleicht eine besondere inhaltliche Hervorhebung der Mittelverse anstrebt. Das Versmaß ist durchgängig Trochäus (abwechselnd 5-hebig und 2-hebig). Die erste Strophe und der Schlussvers bilden den Rahmen der Wirklichkeit, dazwischen bildet sich eine Fiktion bzw. ein Gedankenspiel aus. Die Verbindung zwischen beiden wird nicht nur durch die einleitende erste Strophe gewährleistet, sondern auch formal durch eine Klangverbindung (Endreim) zwischen dem Mittelvers der letzten Strophe und dem nachgeschobenen Schlussvers.
Bleibt anzumerken, dass man aus dem Schlussvers „keine tiefgründig-grundsätzliche Resignation herauslesen“ (Schiehlen 1992, 31) sollte. Besonders das Wort „Ach“ zeigt an, das „Gedankenbild, ohnehin nur ein Augenblicksphänomen, hat sich aufgelöst, das Spiel ist zu Ende ...“ (ebd.).
Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht (und Szenische Interpretation)
„Literaturunterricht ist weit gehend davon bestimmt, dass Kinder mit Augen und Stimme an Gedichte und Geschichten herangehen, sie lesen und vorlesen und nachher im Unterricht darüber sprechen“ (Menzel 1994, 6). Eine solche, rein analysierende Form des Unterrichts wird vielen SchülerInnen der Grundschule nicht gerecht (vgl. Anmerkungen zur Situation der Klasse). Diese Art des Literaturunterrichts fördert nicht die Freude am Lesen, sondern schafft eher Antipathie (vgl. Haas/ Menzel/ Spinner 1994, 17).
Diese `Bestandserhebung´ war Grundlage für einen `neuen´ literaturdidaktischen Ansatz. Der handlungs- und produktionsorientierte Literaturunterricht beinhaltet zum einen Verfahren, bei denen Texte szenisch, visuell oder akustisch gestaltet werden (Handlungsorientierung), und zum anderen textproduktive Verfahren, wie Restauration oder Transformation (Produktionsorientierung). Solche Handlungsmuster sprechen bei den SchülerInnen Sinnlichkeit, Gefühl, Phantasie und den kindlichen Tätigkeitsdrang weitaus mehr an als die oben beschriebene, herkömmliche Umgangsform.
[...]
[1] Trotz der im Folgenden aufgeführten negativen Aspekte, möchte ich hier festhalten, dass das Arbeitsverhalten der Klasse alles in allem recht positiv zu bewerten ist.
[2] Die hier zum Einsatz kommenden Gruppenarbeiten sind zudem auf die Altersgruppe zugeschnitten, da sie entweder vorstrukturiert sind (blaue Gruppe), oder nur eine Zusammenarbeit im handelnden Umgang erfordern (gelbe und grüne Gruppe).
- Arbeit zitieren
- Thomas Springub (Autor:in), 1999, Josef Guggenmos: Aus Glas - Unterrichtsentwurf für den Prüfungsunterricht I gemäß §17 PVO-Lehr II, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7245
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