Irmgard Keun: "Das kunstseidene Mädchen". Frauentyp der Neuen Sachlichkeit


Seminararbeit, 2005

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einordnung des Romas in die Epoche der Neuen Sachlichkeit

3. Das kunstseidene Mädchen als Frauentyp der Weimarer Republik

4. Abschließende Betrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Irmgard Keun (1905 – 1982) ist eine der heute weniger bekannten Schriftstellerinnen. In den zwanziger Jahren versuchte sie ihr Glück zunächst am Theater in Köln und kam dann in Berlin zum Schreiben. Gefördert wurde sie dabei von Alfred Döblin und Kurt Tucholsky. Der wenige Monate nach „Gilgi – eine von uns“ im Frühjahr 1932 erschienene zweite Roman „Das kunstseidene Mädchen“, wurde zu einem Bestseller der Zeit vor Hitler und Irmgard Keun somit ein Liebling der Berliner Literaturszene. Aber schon wenig später (1933) standen ihre Unterhaltungsromane, zum Teil mit scharfer satirischer und gesellschaftskritischer Tendenz, als „antideutsche Asphaltliteratur“ auf der schwarzen Liste der Nazis, wurden verboten und verbrannt. Der jungen Autorin gelang 1935 die Flucht ins Exil. Nachdem sie bereits des Öfteren totgesagt wurde, kehrte Irmgard Keun 1940 heimlich nach Deutschland zurück. Bis heute gilt der Roman „Das kunstseidene Mädchen“ als das „bekannteste“ und „formal waghalsigste“ Buch Irmgard Keuns.1

Über eine Zeitspanne von etwa acht Monaten (Spätsommer 1931 bis Frühjahr 1932) werden die Erlebnisse der achtzehnjährigen Büroangestellten Doris beschrieben, die nach einer enttäuschten Liebe ihrem engen Lebenskreis entfliehen und ein „Glanz“ werden will, was etwa bedeutet, ein Star zu sein, materiell sorglos zu leben und sich glücklich zu fühlen. Der Weg zum angestrebten Ziel führt die Titelheldin und Ich-Erzählerin in diverse Beziehungen zu verschiedensten Männern und von der Provinzstadt Köln in die Metropole Berlin. Der offene Schluss zeigt Doris schließlich obdachlos und der Prostitution nahe.

Um die Figur der Doris, ihren Lebensentwurf, ihre Möglichkeiten und ihren Werdegang verstehen zu können, muss man sich mit der Zeit, in der der Roman entstand, und der Strömung, in die er einzuordnen ist, auseinandersetzen; eine Zeit, wie sie von jungen, nach Unabhängigkeit strebenden Frauen erlebt und gelebt wurde.

2. Einordnung des Romas in die Epoche der Neuen Sachlichkeit

Der Begriff „Neue Sachlichkeit“ wurde 1923 von Gustav Friedrich Hartlaub, dem Direktor des Mannheimer Kunstmuseums, geprägt:

„Die Neue Sachlichkeit ist die allgemeine Strömung, die gegenwärtig in Deutschland herrscht, eine Strömung des Zynismus und der Resignation auf enttäuschte Hoffnungen. Der Zynismus und die Resignation stellen die negative Seite der Neuen Sachlichkeit dar, ihre positive Seite ist die Begeisterung für die Sachlichkeit, der Wunsch, die Dinge objektiv zu behandeln, so wie sie sind, ohne in ihnen eine ideelle Bedeutung zu suchen.“2

Aus den Grundpositionen der Neuen Sachlichkeit – Hinwendung zur sozialen und politischen Realität, Zeitbezogenheit, konkretes Engagement und Breitenwirkung – ergaben sich Konsequenzen für die Themenwahl, die Darstellungsformen und den Darstellungsstil. Alltag und Arbeitswelt wurden Gegenstände der Literatur; Reportage, Sachbuch, Essay, Zeitroman, Biographie bevorzugte Formen. Merkmale des neusachlichen Stils waren: Klarheit, Durchschaubarkeit und Exaktheit, statt Subjektivität, Irrationalismus und Pathos.

Irmgard Keun, die wie ihre Romanheldin aus einer mittleren Stadt in die Großstadt ging, um dort ihr Glück zu versuchen, nahm die „Wirklichkeit“ der jungen Frauengeneration in den Blick und gestaltete sie literarisch, ohne konkrete Handlungsanweisungen oder Botschaften in den Text integrieren zu müssen. „Das kunstseidene Mädchen“, ein gegenwartsbezogener Zeit- und Großstadtroman über die letzten Tage der Weimarer Republik, ist ein typisches Werk der Neuen Sachlichkeit. Viele neusachliche Programmpunkte werden von Irmgard Keun erfüllt; zum Beispiel auch der Aspekt Literatur zum Gerbrauch für ein Massenpublikum zu produzieren, was sich anhand der hohen Verkaufs- und Auflagenzahlen festmachen lässt. Der Roman fängt politisch-soziale und kulturelle Wirklichkeitsaspekte der Weimarer Republik ein und behandelt Themen, die wichtige Gegenstände der öffentlichen Diskussion darstellten (‚Neue Frau’, ‚Angestellte’, ‚Großstadt Berlin’, ‚Aufstiegsideologie’ usw.).

Aktuelle Ereignisse und Probleme, wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit, und die historisch-konkreten Stadträume Köln und Berlin als Handlungsorte, mit den der Realität entnommenen Namen von Straßen, Lokalen und Plätzen, sind Bestandteile des Textes. „Der stark eingegrenzte Zeitausschnitt (Sommer 1931 bis Frühling 1932) und das offene Ende entsprechen ebenso wie der episodenhafte, häufig auch fragmentarisch-skizzenhafte Erzählverlauf stilprogrammatischen Tendenzen der Neuen Sachlichkeit.“ 3 Das Erzählkonstrukt der Tagebuchform mit einer „filmischen“ Schreibweise erinnert zudem an Momentaufnahmen der Fotografie und an Szenenwechsel wie beim Film, welche vom zeithistorischen Phänomen der technisch-industriellen Massenmedien geprägt sind.

„Unsachliches“, allerdings auch unverwechselbares Merkmal des Keunschen Erzählkonzepts ist die teils humoristische, teils ironische Art aus dem Herzen. Dabei hat Irmgard Keun die charakteristische Sprache des Kleinbürgertums übernommen und benutzt, um dessen Mentalität verstehbarer zu machen; die alltagssprachlichen Ausdrucksformen wirken „wie aus dem Leben gegriffen“. Die Sichtweise ist allerdings immer die einer Frau, die ihre Situation, ihre Wünsche und ihre Denk- und Interpretationsmuster beschreibt und damit doch umfassendes, spezifisch weibliches Erleben ihrer Zeit vermittelt. Keun beschreibt durch Doris die Lebenssituation und Erfahrungen, vor allem aber die Männer aus der Sicht einer Frau, die wenig Alternativen hat. Sie thematisiert dabei zum Beispiel die Befindlichkeit, das Bewusstsein und das Lebensgefühl von Frauen in der Endphase der Weimarer Republik und die Beziehungen zwischen Männern und Frauen in dieser eng begrenzten Epoche und einem gegebenen sozialen Rahmen. Doris kommt aus Verhältnissen, die für größere Teile der Bevölkerung damals nicht ungewöhnlich waren: der Vater ist arbeitslos, die Mutter arbeitet als Garderobiere am örtlichen Theater. De Atmosphäre zu Hause wird vor allem durch den Vater bestimmt. Die im Roman dargestellten Männer haben andere Bewegungsspielräume als die Frauen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Irmgard Keun: "Das kunstseidene Mädchen". Frauentyp der Neuen Sachlichkeit
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Literatur der neuen Sachlichkeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
12
Katalognummer
V72492
ISBN (eBook)
9783638634649
ISBN (Buch)
9783638939560
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Irmgard, Keun, Mädchen, Frauentyp, Neuen, Literatur, Neue Sachlichkeit, Thema Das kunstseidene Mädchen
Arbeit zitieren
Silvia Asser (Autor:in), 2005, Irmgard Keun: "Das kunstseidene Mädchen". Frauentyp der Neuen Sachlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72492

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