Die Klarinette, aber auch andere Holzblasinstrumente und auch die Blechblasinstrumente fordern den Körper und den Geist eines Musikers heraus.
Das Instrumentalspiel reduziert sich nicht nur auf den Kontakt mit dem Instrument. Das Spiel eines Blasinstrumentes sieht aus, als hätte der Musiker nur dafür zu sorgen, genug "Luft" in das Instrument zu befördern und dass die Finger eine möglichst schnelle Bewegung am Instrument vornehmen. Diejenigen, die ein Blasinstrument schon einmal spielen probiert haben, entdecken, dass das Reinblasen aus Ansatz und Atmung besteht. Nur die Beschäftigung mit einem Instrument lässt erkennen, dass ein Ganz-Körper-Einsatz zum Musizieren notwendig ist. Musizieren ist ein Training des Körpers und des Verstandes. Ausdauer, Krafteinteilung, optimierte Atmung, Körperhaltung und Mentale Stärke beeinflussen die Entwicklung. Die Musikpädagogik muss die Schwächen der Schüler erkennen und diesen entgegenwirken. Der Instrumentenbau muss auf die Erkenntnisse der Musikpädagogik Weiterentwicklungen anstreben. Physiologische und psychische Probleme sollen in Unterricht erkannt und mit Hilfe eines Spezialisten ausgelichen werden. Talentierte Schüler haben oft kaum Probleme. Aber genau diese Natur-Talente haben das Problem, dass sie nicht lernen brauchen ihren Körper zu optimieren. Dieses Problem führt dazu, dass gegen kleine Mängel oder Schäden nicht vorgebeugt oder gearbeitet wird. Diese führen zu Krankheiten und Krankheiten führen zum Scheitern.
Die Entwicklungen in der Klarinettenpädagogik lassen erkennen, dass es möglich ist im Vorschulalter Klarinette zu lernen. Dies wird ermöglicht durch den Instrumentenbau und deren Entwicklungen auf dem Sektor Kinder gerecht gebaute Instrumente, sowie durch flexible Lehrmethoden der Instrumentalpädagogen. Forschungen in dieser Richtungen sind wichtig und zukunftsorientiert notwendig.
Musiklehrer sollten ständig über Neuerungen informiert sein und mit Fachleuten in den Bereichen der Medizin, Psychologie und des Instrumentenbaus Kontakt halten.
Inhaltsverzeichnis
1. Voraussetzungen
1.1 Körperliche Voraussetzungen
1.1.1 Entwicklung des Körpers
1.1.1.1 Haltung
1.1.1.2 Haltung im Stehen
1.1.1.3 Stärkung der Ausdauer
1.1.1.4 Drei Normen der aufrechten Haltung:
1.1.1.5 Mund- und Kieferbau
1.1.1.6 Entwicklungsstand der Hände und Finger
1.1.1.7 Lotgerechte Haltung
1.1.1.8 Das Problem der Atmung
1.1.2 Kindgerechte Instrumente
1.1.2.1 Der Begriff
1.2 Psychische Voraussetzungen
1.2.1 Lernreife
1.2.2 Musikalität
1.2.2.1 Psychologische Erkenntnisse und Perspektiven
1.2.2.2 Entwicklungsverläufe von Instrumentalisten
1.2.2.3 Staccato
1.2.2.4 Sinnvolles Üben: Physiologische und psychologische Grundlagen
1.2.2.5 Musikalische Fähigkeiten – Entwicklungsstadien im Vergleich
1.2.2.5.1 Kinder vor dem Vorschulalter
1.2.2.5.2 Kinder im Vorschulalter
1.2.2.5.3 Kinder im Grundschulalter
1.2.2.5.4 Jugendliche
1.2.2.5.5 Erwachsene
1.2.2.2 Musikalische Hochbegabung: Erkenntnisse und Anhaltspunkte
1.2.2.2.1 allgemeine Ebene
1.2.2.2.2 schnelle Auffassungsgabe und schnelle Lernfortschritte bei spezifischen Grundfertigkeiten
1.2.2.2.3 Kleinkindalter
1.2.2.2.4 später
1.2.2.3 Tipps für den Unterricht: Überprüfung der Musikalität
1.2.2.4 Allgemeine altersbedingte Besonderheiten der Persönlichkeitsent- wicklung
1.2.2.4.1 Vorschulalter (6. bis 7. Lebensjahr)
1.2.2.4.2 Tipps zum Unterricht
1.2.2.4.3 Besondere Empfehlungen für den Instrumentalunterricht mit Kindern im Vorschulalter
1.2.2.4.4 2. Grundschulalter (7. bis 10. Lebensjahr)
1.2.2.4.5 Tipps zum Unterricht
1.2.3 Die Prävention möglicher „Spielunarten" oder „Spielschäden"
1.3 Leseverständnis
2. Kindgerechter Unterricht
2.1 Der Gebrauch von Noten
2.2 Spiele
2.3 Zeichengebung
2.4 Kretivitätsförderung
2.4.1 Malen und Zeichen
2.4.2 Improvisation
2.4.3 Hörspiele – Gehörschulung
2.4.4 Bewegung
2.4.4.1 Positive Gefühle als Lernhilfe
3. Kindgerecht gebaute Instrumente
3.1 B-, C- und Es-Klarinetten
3.2 Sopranklarinette, Schalmei, G-Klarinetten
3.3 Das Blatt
3.4 Das Mundstück
3.4.1 Die Blattzwinge
3.5 Die Daumenstütze
3.5.1 Allgemeine Aspekte
3.5.2 Die medizinische Betrachtungsweise
3.5.2.1 Neurophysiologische Aspekte
3.5.2.2 Der Greifvorgang – Haltung der Klarinette
3.5.2.3 Das Modell des Greifvorgangs ist für das Instrumentalspiel von großer Bedeutung
3.6 Der Halsgurt, der Tragegurt Holzblasinstrumente - Hosenträgergurtsystem
3.6.1 Bemerkungen zur Materialausstattung
3.7 Das Material der Klarinette
3.8 Die Anzahl der Klappen
3.9 Anwendungen beim Saxophon
3.10 Anregungen für den Instrumentenbau
3.11 Umstieg auf Erwachsenen-Instrumente
4. Indikatoren
4.1 Ist das gewählte Instrument für den Schüler passend? Beratung bei der Wahl des geeigneten Instruments
4.1.1 Wann erkennt man ob die Wahl des Instrumentes richtig war?
4.1.2 Gibt es Instrumente, die sich zumindest vorübergehend besser eignen?
4.2 Kontrolle
4.2.1 Körperhaltung
4.2.2 Atmung und Ansatz
4.3 Ist das Kind mit dem Instrument überfordert?
4.4 Hat das Kind körperliche Schwierigkeiten?
4.5 Einfluss des sozialen Umfeldes
5. Schluss
6. Weiterbearbeitung des Themas
7. Literatur- und Bildnachweis
8. Anhang (Bilder)
1. Voraussetzungen
Das Instrumentalspiel reduziert sich nicht nur auf den Kontakt mit dem Instrument. Für den Nicht-Musiker sieht das Spiel eines Blasinstrumentes aus, als hätte der Musiker nur dafür zu sorgen, dass er genug „Luft“ in das Instrument befördert und dass die Finger eine möglichst schnelle Bewegung am Instrument vornehmen. Diejenigen, die ein Blasinstrument schon einmal spielen probiert haben, entdecken, dass das Reinblasen aus Ansatz und Atmung besteht. Nur die Beschäftigung mit einem Instrument lässt erkennen, dass ein Ganz-Körper-Einsatz zum Musizieren notwendig ist. Musizieren ist vergleichbar mit Hochleistungssport. Ausdauer, Krafteinteilung, optimierte Atmung, Körperhaltung und Mentale Stärke beeinflussen die Entwicklung zum Musiker. Ohne pädagogisches Zutun kommen aber nur die so genannten „Natur-Talente“ weiter in Richtung Profi-Musiker. Natur-Talente haben das Problem, dass sie nicht lernen brauchen ihren Körper zu optimieren. Dieses Problem führt dazu, dass gegen kleine Mängel oder Schäden nicht vorgebeugt oder gearbeitet wird. Diese führen zu Krankheiten und Krankheiten führen zum Scheitern.
Bei kleinen Kindern ist es eine wichtige Verantwortung des Lehrers den Schüler nicht zu überfordern und ihn genau zu beobachten und die Eltern auf körperliche oder psychische Schwächen aufmerksam zu machen. Gegebenfalls sollte auch ein medizinischer oder psychologischer Spezialist hinzugezogen werden.
Zunächst: um Krankheiten, die im Zusammenhang mit dem Instrumentenspiel auftreten können, von vornherein zu vermeiden, sollte sich jeder Instrumentalanfänger einer orthopädischen bzw. physiotherapeutischen Untersuchung[1] unterziehen. Die Eignung für ein bestimmtes Instrument ist abhängig von der individuellen Konstitution und den Körperproportionen. Daher sollten bei einer solchen Untersuchung folgende Aspekte im Vordergrund stehen[2]:
-konstitutionelle Gegebenheiten,
-Längenverhältnisse der Wirbelsäule,
-Länge und Längenverhältnisse von Oberarm zu Unterarm und Hand, Stellung des Schulter- und Beckengürtels, muskuläre Gegebenheiten,
-Handspanne,
-Proportionsverhältnisse der Finger und
-Länge und Proportion der unteren Extremitäten (Beine).
Körper und Instrument als harmonische Einheit
Ein Instrument „beherrschen" bedeutet zunächst, sich beim Spielen wohl zufühlen, um letztlich „spielend" mit dem Instrument umgehen zu können. So verstanden setzt „Spielen" einen harmonischen Ablauf der Bewegungen voraus.[3]
Dem Instrument sollten möglichst wenig körperliche Zugeständnisse gemacht werden (z.B. starkes Vorziehen der Schulter usw.). Beim Klarinettenspiel ist es notwendig, die rechte Schulter leicht abzusenken und die Finger in eine nicht natürliche Haltung zu bringen, dennoch soll eine allzu starke Anpassung des Körpers an das Instrument jedoch mit ergonomischen Hilfsmitteln verhindert werden. In anderen Fällen genügt eine gute Haltungsschulung. Die Körperhaltung am Instrument sollte also der richtigen Haltung ohne Instrument möglichst nahe kommen. Erst so wird ein physiologisches Atmen mit der musikalischen Phrase möglich.[4]
1.1 Körperliche Voraussetzungen
Wie oben erwähnt spielen bei der Wahl des Instrumentes körperliche Voraussetzungen eine bedeutende Rolle. Bei der Klarinette sind die Faktoren Länge und Längenverhältnisse von Oberarm zu Unterarm und Hand, Stellung des Schulter- und Beckengürtels, muskuläre Gegebenheiten, Handspanne und Proportionsverhältnisse der Finger wichtig.
Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt, Klarinette zu lernen. Das Nicht-Vorhandensein von Zähnen, falsche Zahnstellungen, Größe der Finger oder Atemerkrankungen stellen keine Hindernisse dar. Das wichtigste dabei ist, dass man als Lehrer einen zeitlichen Mehraufwand und eine kreative Unterrichtsgestaltung in Kauf nimmt. Hier sind die Faktoren Kraft, Geduld und Ausdauer des Lehrers gefragt.
Vorbeugemaßnahmen
-allgemeine Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltung,
-physiologisch richtige Körperhaltung,
-Körperbewusstsein und Körpererfahrung,
-sinnvolle Ergonomie am Instrument.
1.1.1 Entwicklung des Körpers
Die Wirbelsäule des Menschen funktioniert nach dem Konstruktionsprinzip der Doppelfeder, deren günstige Form durch die Muskulatur hergestellt wird. Bandscheiben verschleißen nicht von selbst. Der Verschleiß ist die Folge des falschen Umgangs mit der Wirbelsäule. Mit einer physiologischen Körperhaltung gelingt es, die Belastung von Wirbelkörpern und Bandscheiben zu minimieren.
Physiologische Belastungen der menschlichen Wirbelsäule, die z.B. beim Drehen des Rumpfes oder beim Beugen und Strecken entstehen, sind zur Bewegung notwendig. Der Druck, der auf die zwischen den Wirbelkörpern liegenden Bandscheiben ausgeübt wird, sollte jedoch weitgehend minimiert werden.[5]
Unphysiologische Belastungen hingegen sind statische Belastungen ohne Bewegungsmoment. Solche statischen Zwangshaltungen führen zu Bandscheibenverschleiß mit späterer Instabilität der jeweiligen Wirbelsegmente und damit zum Verschleiß der Knochensubstanz (knöcherne Abstützreaktionen bzw. Arthrosen der Facettengelenke). Überlastungen sind demnach ein wesentlicher Faktor bei Schädigungen im Bereich der Wirbelsäule.[6]
1.1.1.1 Haltung
Die Lösung des Belastungsproblems liegt in der Dynamik unter Belastung.
Eine Dynamik unter Belastung im Stehen lässt sich erreichen durch:
-eine Vergrößerung der Standfläche bei aufrechter Haltung (z. B. breitbeinig stehen bzw. ein Bein nach vorne setzen, Abstützen eine Beines bzw. des ganzen Körpers an Tisch oder Wand);
-eine Asymmetrie der Extremitäten in Beziehung zum Rumpf;
-ständiges Ändern bzw. Wechseln der Standflächen.
1.1.1.2 Haltung im Stehen
Eine ausgewogene Verteilung der Gesamtbelastung auf Bandapparat und Muskeln (Schiffsmastprinzip) bildet die Grundlage einer physiologischen Haltung[7]. Die aufrechte Körperhaltung erfordert eine ständige Muskelaktivität, und zwar besonders der „autochtonen Rückenmuskulatur“[8]. Ohne Muskelkraft können Wirbelsäule und Bandapparat trotz Doppelfederkonstruktion keine aufrechte Haltung gewährleisten. Die Haltearbeit der Rumpfmuskulatur ist eine Ausdauerleistung: Für die Gleichgewichtsreaktionen des Körpers sorgt ein ausgewogenes Muskelspiel. Eine Schwäche der Rumpfmuskulatur führt zur Haltungsschwäche (Haltungsinsuffizienz).[9]
1.1.1.3 Stärkung der Ausdauer
Bei der Körperhaltung gilt: Nicht die Kraft ist wichtig, sondern die Ausdauer.[10]
Die Hauptaufgabe des Bandapparates der Wirbelsäule besteht darin, übermäßigen Bewegungsausschlägen entgegenzuwirken. Schwerkraftbelastungen auf den Bandapparat der Wirbelsäule führen zu Irritationen: Bandstrukturen, die eigentlich nicht für Haltearbeiten bestimmt sind, werden falsch eingesetzt.
An der Wirbelsäule gelten die Prinzipien der Ökonomie. Die Gewichtsverteilung sollte sich im Lot befinden. Das gilt auch für den auf der Wirbelsäule ruhenden Schädel.
Beim Vierfüßler beträgt der Kreuzbeinwinkel 45 Grad, beim Menschen hat sich dieser Winkel trotz der aufrechten Haltung auf zwei Beinen nicht verändert. Dies bringt eine außergewöhnliche Belastung der anatomischen Strukturen mit sich - Strukturen, die eigentlich auf den Vierfüßler abgestimmt sind. Dabei ist allerdings zu beachten: Die Körperhaltung ist selbstverständlich auch durch eine erbliche Komponente und durch Umwelteinflüsse bestimmt und daher individuell und höchst unterschiedlich. Mit anderen Worten: Die Haltung eines Menschen ist Ausdruck seines Innenlebens.[11]
1.1.1.4 Drei Normen der aufrechten Haltung:
-die sog. Ruhehaltung (lässige Haltung),[12]
-die habituelle Haltung (mäßige, ökonomische Muskelaktivität) und
-die aufgerichtete Haltung (statisch mit erheblicher Muskelaktivität).
Haltung im Sitzen
Die individuelle Sitzhaltung ist abhängig von folgenden Faktoren:[13]
-Beckenform und -weite,
-Abstand der Hüftgelenke,
-Form des Hüftgelenks, speziell von der Größe des altersabhängigen Antetorsionswinkels (Winkel zwischen Oberschenkelschaft und Schenkelhals, beträgt bei Erwachsenen ca. 12 Grad),
-Aufbau und Form der Lendenwirbelsäule,
-Form und Konstruktion der Sitzbeinhöcker.
Auch im Sitzen sollte die Wirbelsäule lotgerecht belastet werden, d.h., Scherkraftbelastungen sollten vermieden werden. Das Becken sollte nicht vermehrt nach vorn gekippt werden, eine •Nullstellung ist meist ausreichend. Ausschlaggebend ist letztlich die Form der Sitzbeine. Eine weitere wichtige Rolle spielen die Längenproportionen der Oberschenkel und Unterschenkel, die auch für die Bestimmung der Sitzhöhe von Bedeutung sind.
1.1.1.5 Mund- und Kieferbau
Will man die Frage nach den Voraussetzungen für „den schönen Ton" bei Rohrblattinstrumenten hinreichend beantworten, kommt man nicht umhin, sich mit dem komplexen Wechselspiel zwischen
-psychosomatischen Aspekten,
-Haltung,
-Atmung und
-Ansatz
auseinanderzusetzen. Die Einflüsse, die sich in günstiger und ungünstiger Weise auf die Tonerzeugung und darüber hinaus auf die künstlerische Interpretation auswirken, sind vielfältig. Soll ein im Instrumentalunterricht auftauchendes Problem behoben werden, sind daher manchmal „Trockenübungen" ohne Instrument notwendig - vor allem, wenn es um Verbesserungen der Haltung und Atemführung geht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse müssen dann am Instrument überprüft werden. Dies wird fortgeschrittenen Instrumentalisten umso schwerer fallen, je mehr sich der entstandene Fehler bereits verfestigt hat.
1.1.1.6 Entwicklungsstand der Hände und Finger
Haltung beim Instrumentenspiel[14]
Beim Instrumentenspiel ist nicht nur die Körperhaltung an sich von Bedeutung; als weiterer Aspekt kommt die Bewegung der Arme hinzu.
Um zu vermeiden, dass beim Einsatz der Armmuskulatur zu viel Kraft aufgewendet wird, sollte das auch im Sport relevante Prinzip der Ökonomie in Form körpernahen Arbeitens zur Anwendung kommen.
Der Ausdruck „ein Instrument beherrschen" ist hier sehr treffend. Mit anderen Worten: Dem Instrument werden von Seiten des Körpers möglichst wenige Zugeständnisse gemacht. Das beste Beispiel körpernahen Arbeitens ist das Tragen von Lasten auf dem Kopf, wie es im afrikanischen Kulturkreis bis heute zu finden ist. Das Tragen eines Gewichtes auf dem Kopf führt automatisch zur axialen (vertikalen) Belastung der Wirbelsäule.
Das Prinzip des körpernahen Arbeitens gilt also auch für den Einsatz der Extremitäten, die weitestgehend mit der Schwerkraft arbeiten sollten. Ziel ist eine ausgewogene Aufteilung der Gesamtbelastung auf Muskeln und Bandapparat, wobei eine monotone Belastung der Bandstrukturen zu vermeiden ist.
Eine physiologische Körperhaltung erfordert eine kontinuierliche muskuläre Aktivität mit feiner Abstimmung bei subtilen Gleichgewichtsreaktionen. Nicht die Muskelkraft ist wichtig, sondern Ausdauerleistung und Geschicklichkeit (fein abgestimmte Koordination).
Die meisten Instrumentalschulen bieten nur unzureichende Informationen zur allgemeinen Körperhaltung am Instrument. Dabei bildet die physiologische Körperhaltung letztlich das Fundament für die Prävention von Belastungsschäden des Schulter- und Beckengürtels sowie der Arme und Beine.
Gute Haltungen
-Wie der Spieler sitzt oder steht, sollte nicht starr reglementiert werden. Wichtig ist, dass er sich beim Instrumentalspiel wohl fühlt.
-Die Körperhaltung sollte so gewählt werden, dass den Armen und Händen völlige Bewegungsfreiheit ermöglicht wird.
-Übertriebene Bewegungen sind zu vermeiden, um das Verhältnis vom Körper zum Instrument konstant zu halten.
Die Körperhaltung ist so zu wählen, dass das Instrument spielend erlernt werden kann.
Schlechte Haltungen
Umgekehrt bedeutet dies: Eine ungünstige Körperhaltung kann behindernd wirken. Vermehrte statische Muskelarbeit führt zu erhöhtem Kraftaufwand und, physiologisch ausgedrückt, zur Verminderung des Wirkungsgrades. Ebenso löst eine Verkrampfung der Rumpfmuskulatur eine Verkrampfung des Schultergürtels aus. Bei im Stehen gespielten Instrumenten ist entsprechend eine Balancearbeit beider Beine notwendig. Dadurch wird nach dem Prinzip der Bewegung unter Belastung eine Entlastung der Wirbelsäule erreicht.
Die so genannte ökonomische Körperhaltung ist dadurch charakterisiert, dass sie nur ein Minimum an muskulärer Aktivität benötigt.
1.1.1.7 Lotgerechte Haltung
Lotgerecht bedeutet, dass sich der Körper gegenüber der Schwerkraft auspendelt.
Musiklehrer sollten stets auf eine lotgerechte, der Schwerkraft entgegenwirkende Körperhaltung achten. Dennoch sollte der Rumpf nie starr wirken, sondern die Dynamik des Spiels übernehmen.[15] Zwangshaltungen sind in jedem Fall zu vermeiden, sie entsprechen weder der Haltungsphysiologie noch einer zeitgemäßen Pädagogik.
1.1.1.8 Das Problem der Atmung
Wichtig für das Verständnis von Tonusformung im unteren Rumpfbereich ist dessen Einbettung in Muskel- und Reflexketten. Haltungsübungen für diesen Bereich sind nur sinnvoll, wenn gleichzeitig auch der Tonus von Fuß-, Bein- und Beckenbodenmuskulatur gezielt angepasst wird. Für die asiatischen Körperschulen ist die Konzentration auf einen von unten gut gestützten Körperschwerpunkt schon immer eine Selbstverständlichkeit. Fließende Bewegungen der oberen Extremitäten, aber auch extrem kraftvolle und schnelle Aktionen sind nur auf dieser Basis möglich.[16]
Becken und Unterbauch sind in Atemtherapien und körperorientierten Psychotherapien wichtige Bereiche, weil gerade hier emotional bedeutende Erfahrungen als Tonusstörungen manifest werden können. Auf die komplexe Geschichte der Aufrichtung des Körpers in der kindlichen Entwicklung kann hier lediglich hingewiesen werden. Da diese Aufrichtung in ganz unterschiedlichen Phasen und Tonusverhältnissen für das untere Rumpfsegment abläuft, ist die Störanfälligkeit in diesem Bereich natürlich groß.
Dies ist für die sensomotorische Reedukation und „Nachreifung" von Musikern mit Spiel- und Gesundheitsproblemen besonders wichtig - gerade wenn es um früh durchgemachte und oft unbewusste Lern- und Bewegungserfahrungen geht.[17]
Das Sitz- und Stehverständnis wird durch neue Erfahrungen im unteren Rumpfsegment meistens gänzlich verändert, und Stuhlhöhe, Sitzflächenneigung und Schuhwerk werden wie selbstverständlich zu Variablen der individuellen Anpassung im Wachstums- und Entwicklungsprozess. Das Sitzen ist auch aufgrund der langen Unterrichtszeiten der allgemein bildenden Schulen ein wichtiges Thema. Die Notwendigkeit, Sitzprobleme zu lösen, zieht sich durch die Schulzeit und die spätere mögliche Berufs(orchester)zeit. Individuelle Lösungen verlangen Mut zur Abweichung von den Stuhlnormen und Gewohnheiten im schulischen oder beruflichen Umfeld. Es sei hier nur auf die für aktives Sitzen meistens günstige Sitzflächenneigung nach vorne von etwa 6 Grad und eine ausreichende Stuhlhöhe (minimal Unterschenkellänge plus Absatzhöhe) hingewiesen. Zum Ausgleich oder für nicht bühnenbezogene Tätigkeiten kommen auch in sich bewegliche Sitzgelegenheiten in Betracht.[18]
1.1.2 Kindgerechte Instrumente
Die Entwicklung von Musikinstrumenten für Kinder ist ein Muss für jeden Instrumentenbauer. Das Führen und Herstellen von diesen Instrumenten ist notwendig, weil die Verbrauchergruppe einen wichtigen Markt darstellt. Grosse Firmen werben mit Kinderinstrumenten für die Zukunft.
Hier wird scheinbar großteils mit alten Lehrmeinungen und Ansichten gearbeitet, aber nicht mit Instrumentalpädagogen, die mit praktischer Erfahrung helfen können. Der Abschnitt „Kindgerecht gebaute Instrumente“ behandelt dieses Problem genauer.
1.1.2.1 Der Begriff
Von der Frage ausgehend, welche körperlichen Voraussetzungen vorhanden sein sollten, um ein Instrument erlernen zu können, muss auf Zugeständnisse eingegangen werden. Diese Zugeständnisse betreffen das Instrument und den Körper des Kindes.
Werden Zugeständnisse dem Instrument zugesprochen, spreche ich von „Kinderinstrumente“. Kinderinstrumente sind meist kleiner gebaute Instrumente, die auch eine höhere Stimmung haben, aber auf die Fingerbeschaffenheit der Kinder nicht eingehen.
Als „Kindgerechte Instrumente“ bezeichne ich Instrumente, die äußerlich an ein Spielzeug erinnern und in ihrem Bau sich an historische Instrumente orientieren.
Werden Zugeständnisse dem Kind zugesprochen, bezeichne ich diese Instrumente als „Kindgerecht gebaute Instrumente“. Diese sind an die körperlichen Gegebenheiten des Kindes angepasst.
1.2 Psychische Voraussetzungen
Als wichtigste Voraussetzung ist das Verantwortungsgefühl zu nennen. Das Lernen eines Instrumentes im frühen Stadium des Kindes ist ein Spiel mit einem besondern Spielzeug, das Pflege und Schutz benötigt. Dieses „Spiel“ muss jeden Tag gespielt werden, dabei Freude bereiten und darf nicht belasten. Hier ist auch die Wichtigkeit gegeben, dass das regelmäßige, tägliche Üben „geübt“ wird.
Arbeit ohne Instrument
Auch der körperliche Zugang zum Selbst („Ich bin mein Körper") ist wesentlich für einen gelingenden Unterricht und eine erfolgreiche Prävention. Die Entwicklung der Fähigkeit, angemessen zu stehen, zu sitzen und zu atmen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der präventiven Arbeit und bildet die Grundlage für einen gesunden Selbstschutz. Darauf aufbauend kann dann eine Disposition am Instrument und auf der Bühne entstehen. „Selbst-Bewusstsein" im umfassenden Sinne sollte u.a. auch als Ergebnis sensomotorischer Reife verstanden werden, z. B. im Hinblick auf das sog. Lampenfieber.
1.2.1 Lernreife
Arbeit mit Instrument[19]
Erst nach der Klärung ergonomischer und grundlegender sensomotorischer Fragen (Haltung, Bewegung, Atmung usw.) kann es am Instrument um wirkliche „Gelingensbereitschaft" gehen. Dazu gehört auch, während des Spielens ohne Dispositionsverlust reproduzierbare Körperteilpositionen und Spielgefühle aufzusuchen zu können. In diesem Zusammenhang wurden Begriffe wie „Hochgefühl" und „Flow" geprägt, die das Lebendige, Mühelose und Ziel- gewisse im Lerngefühl beschreiben sollen. Der „innere Bezug" zum Instrument ist für die Spielbereitschaft unverzichtbar und gibt der Spieltechnik eine persönlich-emotionale und musikalische Grundlage.
1.2.2 Musikalität
Zur musikalischen Disposition des Schülers[20]
Die musikalische Disposition lässt sich aus verschiedenen musikpsychologischen
Perspektiven betrachten:
1. Allgemein: Das grundsätzliche musikalische Potenzial des Schülers im Sinne heutiger psychologischer Erkenntnisse und Perspektiven
2. Entwicklungspsychologisch: Musikalische Fähigkeiten in altersbedingten Phasen der normalen Entwicklung (Vorschüler, Grundschüler, Jugendliche, Erwachsene)
3. Spezifisch: Erkenntnisse und Anhaltspunkte zu musikalischer (Hoch-) Begabung
1.2.2.1 Psychologische Erkenntnisse und Perspektiven
Das musikalische Potenzial - ganz allgemein:
Im Zusammenhang mit heutigen wahrnehmungs-, motivations-, und lernpsychologischen Erkenntnissen lässt sich das musikalische Potenzial eines Menschen auf einige wenige Aspekte fokussieren, die auch grundsätzliche Relevanz für die Praxis des Instrumentalunterrichts haben: Jeder Mensch ist musikalisch!
Diese Tatsache wird vor allem viele Schülereltern zufrieden stellen und hoffnungsvoll stimmen, die u.U. aufgrund eigener eher negativer Erfahrungen selber mit Zweifeln aufgewachsen sind; häufig wurden früher Schüler mit dem Etikett unmusikalisch abgestempelt. Inzwischen geht man davon aus, dass Musikalität zu einem grundsätzlichen menschlichen Persönlichkeitsmerkmal gehört, das sich auf sehr verschiedene Art und Weise entwickeln und darstellen kann. Im Unterricht begegnen einem dann auch immer wieder neue und überraschende Formen von Musikalität. Hier sind sowohl die musikalischen wie auch psychologischen Fähigkeiten des Lehrers gefragt, die jeweilige musikalische Disposition des Schülers zu entdecken und individuell zu fördern.
Allein die Tatsache, dass jeder Mensch gern seine Musik hört, sich also bereits auf dieser Ebene seinen eigenen musikalischen Geschmack bilden kann, ist ein Anhalts- punkt für eine vom Grundsatz her sehr individuell ausgeprägte musikalische Wahrnehmungsfähigkeit, also eine potentielle Musikalität. Musikalisch Hochbegabte suchen sich ebenfalls ihre Musik aus. Auch sie sind nicht in der Lage, sich auf höchstem Niveau mit sämtlichen Musikarten und -Stilen gleichermaßen kompetent zu beschäftigen. Hirnphysiologische Erkenntnisse sprechen dafür, dass Musik nicht nur in ganz spezifischen Hirnregionen, sondern mehr oder weniger ganzheitlich in mehreren Arealen verarbeitet wird, Musikalität also generell auf ganzheitliche Prozesse ausgerichtet ist. Schon die Tatsache, dass Musizieren ein Prozess ist, an dem viele Sinne beteiligt sind (auditiver, kinästhetischer, cutaner und visueller Sinn) und der unterschiedliche Arten der motorischen und psychomotorischen Umsetzung erfordert, zeigt, dass hier auch sehr unterschiedliche Kompetenzen gefragt sind. Bloße technische Fertigkeiten müssen nicht gleich auf eine generelle hohe Musikalität hindeuten, sondern sind erst einmal als eine eher mechanische Leistung anzusehen! Orientiert vor allem an den musikalischen Spitzenleistungen der Wunderkinder und Hochbegabten, standen noch vor einiger Zeit technische (fast mechanische) Fertigkeiten sowie vor allem isolierte, abstrakte akustische Rezeptionsfähigkeiten im Mittelpunkt der Diagnose von Musikalität, zumindest in spezifischen Musikalitätstests. Selbst gesellschafts- und kulturpolitische Strömungen spielten hier noch bis vor kurzem mit hinein. Inzwischen liegen aber psychologische Erkenntnisse vor, wonach mit Musikalität weit mehr Dimensionen verbunden sind. Sie reichen von konkreten Leistungsdimensionen wie Intelligenz, Kreativität, sozialer Kompetenz und Psychomotorik über entsprechende kognitive Fähigkeiten bis hin zu individuellen Persönlichkeitsmerkmalen wie Interessen, Motiven, Lern- und Arbeitsstilen; auch sozialisationsbedingte Faktoren wie Schule und Familie spielen dabei eine indirekte Rolle.
Musikalität resultiert bei jedem Menschen aus einer individuellen Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit.
Mit dieser Aussage ist vor allem eine wahrnehmungspsychologische Perspektive akzentuiert: Aufgabe der Wahrnehmung ist es grundsätzlich, den sich ständig verändernden, oft chaotischen Input aus äußeren Energiequellen über die Sinnesorgane aufzunehmen, zu stabilisieren und übergeordneten mentalen Prozessen zuzuleiten. Umgekehrt wird er mit bereits im Gehirn repräsentierten Erfahrungen verglichen und diese Informationen in Beziehung zueinander gesetzt. Man spricht hier auch von Bottom-up und Top-down-Prozessen. Diese wechselseitigen Prozesse zwischen außen und innen gelten auch für die Musikwahrnehmung und sind somit auch Voraussetzung für die Entwicklung und Ausprägung von Musikalität.
Dringen wir noch weiter vor zu neurophysiologischen Details, die für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Musik von besonderer Bedeutung sind. Bestimmte Areale der Großhirnrinde, wie beispielsweise das Hörzentrum, sind mit vorgefertigten Zellensembles (Modulen) ausgestattet, die darauf ausgerichtet sind, von außen kommende akustische Reize zu Informationseinheiten zu bündeln. Diese Verarbeitung erfolgt zunächst mehr oder weniger selbst organisiert. Die hier gebündelten Informationen werden dann über neu gebildete Synapsen (situativ angepasst) zu höheren Ebenen weitergeleitet und ausgewertet. Der musikalische Wahrnehmungsprozess besteht also darin, neue Verbindungswege bzw. neuronale Erregungskreise individuell aufzubauen. Über die neu gebildeten Verbindungswege wird von außen kommenden Reizen besonderer, individueller Sinn verliehen, es wird spezifisch musikalischer Kontext subjektiv aufgebaut und individuell gespeichert. So kann eine individuelle Musikalität entstehen.
Dadurch also, dass Musikwahrnehmung über sehr viele Regionen des Gehirns verteilt und verarbeitet wird, kann die einzelne individuelle Musikalität nicht genau lokalisiert werden. Denn diese Verschaltungen hängen stark von den individuellen Erfahrungen, Empfindungen, Erinnerungen, Gedanken und Assoziationen ab sowie von den äußeren Bedingungen, unter denen Musik rezipiert wird. Hinzu kommen noch die psychomotorischen bzw. kinästhetischen Erfahrungen, die konkret beim aktiven Musizieren zusätzliche Wechselprozesse und Verschaltungen im Gehirn bewirken. Die grundsätzliche Möglichkeit jener Dichte der Vernetzung und Weite der neuronalen Verarbeitung ist als ein entscheidendes Potenzial anzusehen, das nicht nur für viele Arten der musikalischen Aktivierung sorgt, sondern es überhaupt ermöglicht, Musik unterschiedlich erlebbar werden zu lassen. Schon die damit verbundene potentielle Offenheit ist ein Indiz dafür, dass jeder Mensch über eine bestimmte Art von Musikalität verfügt. Jedenfalls sprechen heutige neurophysiologische Erkenntnisse dafür, dass Musikalität ein vieldimensionales Persönlichkeitsmerkmal ist und sich deswegen auf unterschiedlichen Gebieten ausprägen bzw. in ganz verschiedenen Verhaltensweisen zeigen kann.
Aus wahrnehmungspsychologischer Sicht kann die musikalische Disposition eines Menschen also folgendermaßen auf den Punkt gebracht werden:
-Musikalität hat zu tun mit individuellen Strategien der Verarbeitung und einer spezifischen Erlebnistiefe, die sich auf verschiedenen musikalischen Gebieten (Produktion, Reproduktion, Interpretation, Transposition, Komposition, Improvisation etc.) wiederum sehr unterschiedlich auswirken kann.
-Das bedeutet, dass auch der Mensch musikalisch ist, der glaubt, z.B. nicht singen zu können oder von anderen als unmusikalisch eingeschätzt wird. Entscheidend ist die individuelle musikalische Disposition, die sich bei jedem Menschen - neuro- physiologisch betrachtet - jeweils sehr unterschiedlich darstellen kann.
-Insofern muss nicht nur die Wahrnehmung und Verarbeitung von Musik als ein mehrkanaliger Prozess verstanden werden. Sie wird auditiv, visuell, motorisch und intellektuell repräsentiert. Schon aus dieser Perspektive hat Musikalität also tatsächlich eine ganzheitliche Dimension. Sie muss im Unterricht also auch mehrkanalig vermittelt werden.
Die Fähigkeit zur musikalischen Empfindung dient der Suche nach innerer Orientierung
Damit ist letztlich die Quintessenz aus verschiedenen motivationspsychologischen Erkenntnissen im Zusammenhang mit Musikalität gezogen. Allgemein versteht man unter Motivation in der Psychologie alle individuellen Bedingungen und Beweggründe, welche die Aktivität eines Menschen zum Handeln antreiben. Dahinter stecken sowohl angeborene wie auch erworbene Bedürfnisse, die sich als Verhaltensbedingungen und -Perspektiven individuell herausbilden und langfristig wirken können. Das gilt auch für das eigene Musizieren. Ein wesentliches Motiv, selber Musik machen zu wollen, resultiert aus dem (Über-)Angebot der elektronischen Musikmedien. Viele nutzen eigenes Musizieren als „ Chance zur Selbsterfahrung und mehr Lebensqualität"
1.2.2.2 Entwicklungsverläufe von Instrumentalisten
In den Berufsverläufen von 165 polnischen Instrumental-Musikern aus dem Bereich der sog. E-Musik lassen sich nach den Untersuchungen von Manturzewska (1990) sechs Phasen erkennen, für die jeweils typische Entwicklungsaufgaben und Aktivitäten charakteristisch sind.[21]
1.Phase: In diesem Lebensabschnitt, der sich etwa bis zum fünften
Lebensjahr erstreckt, bildet das Kind seine sensorisch-emotionale Sensibilität für Klänge und Musik aus (-> Entwicklung grundlegender musikalischer Fähigkeiten).
2. Phase: Im Alter von ungefähr sechs Jahren beginnt bei späteren Berufsmusikern häufig der erste Instrumentalunterricht. Die Frühzeitigkeit des Instrumentalunterrichts scheint ein entscheidender Faktor für das später erreichte Leistungsniveau zu sein (-»Begabung und Hochbegabung). Wenn sich bis zum Alter von etwa neun Jahren keine emotionale Verbindung zur Musik und keine spontanen vokalen und instrumentalen Aktivitäten entwickelt haben, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich später ungewöhnliche musikalische Fähigkeiten entfalten. Typisch für diese Phase ist auch ein Strukturwandel in der musikalischen Motivation: Aus dem Bedürfnis, Musik zu machen, entwickelt sich das Bedürfnis, Musik zu lernen. Oftmals werden im Alter zwischen zehn und 14 Jahren bereits ausreichende Fähigkeiten erreicht, um erste öffentliche Aufführungen zu bestreiten.
3. Phase: Sie beginnt etwa mit der Pubertät und erstreckt sich bis zum 24. Lebensjahr bzw. bis zum Abschluss des Musikstudiums. Jetzt kristallisieren sich musikalische Einstellungen und Werthaltungen heraus. Eine entscheidende Rolle spielt in dieser Periode die musikalische und menschliche Kompetenz des Lehrers und die Qualität der Schüler-Lehrer-Beziehung. Wichtig ist auch das tägliche Übepensum.
4. Phase: Vom Eintritt ins Berufsleben mit etwa 25 Jahren bis zum 45. oder 50. Lebensjahr finden die größten künstlerischen Leistungen statt, die häufigsten Aufführungen und die höchsten beruflichen Erfolge. Interessen und Motivation sind ausgerichtet auf Konzerte, auf die Erweiterung des Repertoires und die Expansion der musikalischen Karriere. Von besonderer Bedeutung erweist sich hier der besonnene Umgang mit physischen und psychischen Reserven. Eine kritische Periode erscheint häufig im Alter zwischen 45 und 55 Jahren, wo die ersten Anzeichen sinnvolles Üben zur Geltung kommen.
[...]
[1] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 140 ff.
[2] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S.140
[3] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S.33
[4] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, vgl. S.33
[5] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, vgl. S. 25 f.
[6] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 27
[7] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 27
[8] Muskulatur zur Stabilisierung der Wirbelsäule
[9] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, vgl. S. 27 f.
[10] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 28
[11] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 28 ff.
[12] Matthiaß H.H., Ausdrucksbild der Emotionen, München, 1984, Über die Haltungsnorm
[13] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 30
[14] vgl. Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 31
[15] siehe auch Abschnitt 2.4.4
[16] vgl. Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 38 ff.
[17] vgl. Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000, S. 40 ff.
[18] nach Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000
[19] Lahme, Albrecht, Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin Heidelberg 2000
[20] Petrat Nicolai, Psychologie des Instrumentalunterrichts, Kassel 2001, S. 15 ff.
[21] Petrat Nicolai, Psychologie des Instrumentalunterrichts, Kassel 2001
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