Die Jugendspracheforschung in Deutschland - ein Forschungsüberblick


Hausarbeit, 2007

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Erläuterndes zu den Begrifflichkeiten
2.1 Jugend
2.2 Jugendsprache

3 Jugendspracheforschung in Deutschland
3.1 Die Jugendspracheforschung zu Beginn der 1980er Jahre
3.2 Hennes Standardwerk „Jugend und ihre Sprache“
3.3 Die „Jugendsprache“ in der Forschung bis 1993
3.4 Schlobinski et al.: Jugendsprache (1993b)
3.5 Forschungsergebnisse zwischen Schlobinski et al. (1993b) und Androutsopoulos (1998a)
3.6 Bemerkungen zu Androutsopoulos’ „Deutsche Jugendsprache“

4 Zusammenfassende Schlussbetrachtungen

5 Verwendete Aufsätze und Monografien

6 Internetverweise

1 Einleitung

Seit etwa zweieinhalb Jahrzehnten erfreut sich die Beschäftigung mit der verbalen Kommunikation unter Jugendlichen einer auffallenden Popularität – sowohl in der breiten Öffentlichkeit als auch in den Medien[1] und in der Forschung. Dieses Phänomen wird meist unter dem Begriff „Jugendsprache“ abgehandelt, gleichwohl – wie noch zu zeigen sein wird – diese Titulierung einige Probleme in sich birgt. Es ist augenscheinlich, dass es seit dem Beginn der 1980er Jahre zwei Herangehensweisen an das Thema „Jugendsprache“ gibt: Einerseits existiert eine populärwissenschaftliche und medienorientierte Methode, die mit der Herausgabe von jugendsprachlichen Wörterbüchern versucht, einer breiten Öffentlichkeit jenes Phänomen näher zu bringen oder gar zu erklären, ohne differenziert auf die Besonderheiten von „Jugend“ und „Jugendsprache“ einzugehen. Das Motto dieser Arbeiten lautet dann im übertragenden Sinne auch entsprechend: „Lerne die Jugendsprache und du wirst die Jugend besser verstehen.“ (Schlobinski / Kohl / Ludewigt 1993b, 10) Auf der anderen Seite gibt es Arbeiten, die der Sprache der Jugend wissenschaftlich mit empirischen Untersuchungen und der Auswertung von Beobachtungen und / oder Fragebögen beikommen und den „Mythos von ‚der Jugendsprache’“ (ebd., 9) nicht weiter nähren wollen. Beide Herangehensweisen haben in den letzten 25 Jahren eine fast unüberschaubare Fülle von Monografien, Aufsätzen und Wörterbüchern hervorgebracht.

Da der angestrebte Umfang dieser Arbeit es nicht zulässt, eigene Untersuchungen zum Thema durchzuführen, um nach deren Auswertung zu individuellen Schlüssen und Ergebnissen zu gelangen, sollen sich die nachfolgenden Ausführungen ganz auf einen überblicksartigen Querschnitt der bisher erschienenen Forschungsergebnisse zwischen 1982 und 1998 konzentrieren.[2] Dabei werden unterschiedliche Meinungen und Ansichten herausgearbeitet sowie der Stand der Forschungen ermittelt.

Wo gibt es wissenschaftlich fundierte Gewissheit? Welche Teilthematiken sind noch zukünftigen Untersuchungen vorbehalten? Um den Umfang der Arbeit nicht überzustrapazieren, soll deshalb hier darauf verwiesen werden, dass sich diese Untersuchung unmöglich mit allen Aufsätzen und Monografien bis ins letzte Detail auseinandersetzen kann. Vielmehr soll ein Überblick über die wichtigsten Werke dazu beitragen, in die Fülle der Untersuchungen ein wenig Ordnung und System zu bringen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei nicht die eingangs erwähnten populärwissenschaftlichen Arbeiten, deren Publikationszenit auch überschritten zu sein scheint. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf die wissenschaftliche Untersuchungsmethode und die daraus resultierenden Veröffentlichungen, die der Übersichtlichkeit halber in ihrer zeitlichen Reihenfolge des Erscheinungsjahres abgehandelt werden.

Bevor dies realisiert werden kann, muss jedoch im Vorfeld auf die schwierige Problematik, die die Begriffe „Jugend“ und „Jugendsprache“ aufwerfen, eingegangen werden, um somit eine für diese Untersuchung verbindliche Arbeitsgrundlage und Begriffsdeutlichkeit zu schaffen, da darüber unterschiedliche Auffassungen in der Literatur existieren.

2 Erläuterndes zu den Begrifflichkeiten

Allein der Begriff „Jugendsprache“ steht für eine große Anzahl von Problemen, die sich bei der Beschäftigung mit dem Thema ergeben (vgl. z.B. Schlobinski 1989, 5f.). Obwohl er zunächst relativ eindeutig erscheinen mag, „wird darunter nicht die Sprache aller Jugendlicher verstanden“ (David 1987, 3). Die anfänglich scheinbare Klarheit von „Jugendsprache“ weicht einer Vielzahl von Fragen, die sich aus der Begrifflichkeit a priori stellen. Gibt es tatsächlich eine homogene Gemeinschaft jugendlicher Sprecher? Pflegt jeder Jugendliche diese Kommunikationsform? Sprechen alle Jugendlichen Deutschlands ein und dieselbe „Jugendsprache“? Ist diese Ausdrucksweise allein den Jugendlichen vorbehalten[3] oder wird sie auch von anderen Personen der Gesellschaft verwendet? Daran schließt sich die wichtige Frage an, was überhaupt „die Jugend“ ist und welche Personen dieser Gesellschaftsschicht zugerechnet werden können. Denn: „Eine Definition von Jugendsprache setzt trivialerweise die Definition von ‚Jugend’ voraus.“ (Schlobinski / Kohl / Ludewigt 1993a, 21). Die aufgeworfenen Fragestellungen sind nicht so einfach zu beantworten, wie es vielleicht den Anschein hat. Aus diesem Grunde lassen sich auch in der Forschung darüber unterschiedliche Ansichten und Verwendungen der Begrifflichkeiten finden. Umso wichtiger ist es, für die vorliegende Arbeit eigene Regeln der Begriffsbenutzung festzusetzen oder aber bereits bestehenden aus der Literatur zu folgen. Dies wird nachfolgend geschehen. Es soll mit dem Begriff „Jugend“ begonnen werden, da ohne eine solche Festlegung die für diese Untersuchung notwendige Definition von „Jugendsprache“ scheitern muss.

2.1 Jugend

In der Sprachwissenschaft ist die Frage nach der Sprechergruppe von Jugendsprache von hohem Interesse. Es stellt sich also die Diskussion, wie die durch das Charakteristikum „Jugend“ begrenzte Gruppe aussieht. Ein aktuelles Lexikon gibt unter dem Stichwort „Jugend“ folgendes wieder: „Lebensalterstufe, deren Definition und altersmäßige Bestimmung unterschiedlich und ungenau ist, i.d.R. aber eine Zeitspanne zw. dem 12. und 25. Lebensjahr umfasst.“ (ZEIT 2005, Bd. 7, 324) Die „Jugend“ mit dem 12. oder 13. Lebensjahr beginnen zu lassen, deckt sich mit den Interpretationen der meisten Autoren. (z.B. Henne 1984, 63f. oder Augenstein 1998a, 26f.). Weit mehr Schwierigkeiten bereitet allerdings die obere Grenze der Jugendzeit. Juristische Bestimmungen, wie etwa die Volljährigkeit, sind hier wenig zweckgemäß, da sie je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen variieren können. Aus diesem Grund soll sich hier der überwiegenden Meinung der Literatur angeschlossen werden, die das Erreichen des Erwachsenenalters bei etwa 25 Jahren ansetzt.[4] Erschwerend kommt nun hinzu, dass der Begriff „Jugend“ auch unter verschiedenen Kriterien betrachtet werden kann. Die Jugend kann dabei als Altersphase, als Lebensphase oder auch als eine gesellschaftliche Teilkultur verstanden werden – je nach Betrachtungswinkel.[5] Aufgrund dieser Aspekte, lasse sich erklären, dass es die Jugend schlicht nicht gibt (vgl. Schlobinski et al. 1993a, 21f.)

Unumstritten scheint zu sein, dass in der Phase der Jugendzeit vor allem eine eigene Identität der Jugendlichen herausgebildet wird. „Jugendlicher ist also, wer die biologische Reife erlangt hat, aber noch nicht die soziale Reife.“ (Henne 1984, 64) Augenstein bestätigt dies, wenn sie sagt, dass „Jugend“ eben nicht nur ein Ausdruck des biologischen, sondern vielmehr des sozialen Alters sei (vgl. 1998a, 27). Durch die Freiheiten, die die modernen westlichen Staaten den Jugendlichen bieten, können sich Jugendkulturen oder gesellschaftliche Teilkulturen herausbilden. Diese sozialen Rahmenbedingungen, in denen sich nun das Individuum bewegt, prägen unter anderem seinen Sprachgebrauch.

2.2 Jugendsprache

Unter 2.1 wurde herausgearbeitet, dass es die Jugend einfach nicht gibt und der Begriff genau genommen im Plural zu verstehen ist. Schon zu Beginn der 1980er Jahre stellte Henne richtigerweise fest, dass Jugendsprache vor allem „in der Gruppe lebt“ (1982, 132). In demselben Artikel kommt er zu dem Ergebnis, dass bei der Erforschung der Thematik „regionale Varianten“, „soziale Schichtung“ und die Beziehung von Jugendsprache „zu unterschiedlichen Gegengesellschaften“ (ebd., 134) berücksichtigt werden müssten. Henne schreibt dies nicht explizit, aber im Prinzip führt er damit aus, dass die Jugendsprache – aufgrund der genannten Einwände - gar nicht existent sein kann. Die Erkenntnis bleibt jedoch ohne Konsequenzen für seine eigene Begriffsverwendung. Die Anwendung jugendsprachlicher Kommunikationsweisen ist folglich abhängig von der Zugehörigkeit des jeweiligen Sprechers zu sozialen Gruppen, die je nach Lebensabschnitt durchaus wechseln kann. Zehn Jahre später bringen es Schlobinski et al. auf den Punkt, wenn sie sagen: „Es kann die Jugendsprache nicht geben, weil es die Jugend als homogene Gruppe nicht gibt.“ (1993b, 37) Konsequenterweise sind daher auch so viele Jugendsprachen vorhanden, wie es Jugendgruppen gibt. Somit ergibt sich die Frage, ob nicht sogar vollständig von dem Begriff „Jugendsprache“ abgerückt werden sollte, da er sich - im Singular - als unbrauchbar oder zumindest ungenau herausgestellt hat. Jüngere Publikationen verwenden diesen Begriff jedoch weiterhin, auch wenn die Bedeutungsschwierigkeiten klar in der Literatur erkannt werden. Aus diesem Grunde will sich auch die vorliegende Arbeit nicht vor dem Gebrauch der diffizilen Bezeichnung für die zu behandelnde Thematik scheuen - zumal auf die Schwierigkeiten hingewiesen wurde - wird aber auch synonym gemeinte Verwendungen mit einfließen lassen, wie z.B. das „Sprechen von Jugendlichen“ (ebd.).

Bleibt abschließend noch zu klären, ob die Jugendsprache wirklich nur von selbigen verwendet wird oder sich auch andere Personen aus diesem Sprachfundus bedienen. Die Frage ist in ihrer Beantwortung sehr komplex und aufgrund ihrer Differenziertheit hier nur sehr knapp zu beantworten. Henne verweist in seinem Standardwerk auf die Problematik der Jugendsprache in den Medien (1986, 185ff.). Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die „Funktionalisierung der Jugendsprache […] in der Werbung gang und gäbe“ (ebd., 198) sei. Medien sowie Werbung bedienen sich also der Jugendsprache, um die Gruppe der jungen Leute über die Sprache besser erreichen zu können. Damit ist ein Beleg gefunden worden, dass nicht nur jugendliche Sprecher sich dieser Gruppensprache bedienen. Hierbei ergibt sich allerdings die interessante Frage, wer von wem stärker beeinflusst wird. Nehmen Unterhaltungsmedien und Reklame vermehrt Elemente der Jugendsprache auf oder übernimmt die Jugend den überall präsenten Wortschatz der Medien in ihr eigenes Sprachrepertoire? Ist Jugendsprache letztendlich nur eine „geborgte sprachliche Realität aus den Medien“ (Schlobinski et al. 1993b, 34)? Die Suche nach einer fundiert beantworteten Frage wäre aufschlussreich und interessant, jedoch auch sehr umfangreich und daher hier nicht durchführbar.[6]

Trotzdem sollte das Anliegen dieses Absatzes deutlich geworden sein: Jugendsprache wird auch von Sprechern verwendet, die nicht zur Jugend im oben beschriebenen Sinne dazu zu zählen sind.

[...]


[1] Als Beispiel für das anhaltende Interesse an der Thematik – auch wenn sich der Artikel größtenteils mit dem allgemeinen Sprachverfall auseinandersetzt - vgl. DER SPIEGEL, Nr. 40/2006, S. 182ff.

[2] Soweit es notwendig sein sollte, wird deshalb auf vorfindbares Material zurückgegriffen, z.B. Androutsopoulos 1998; Schlobinski / Kohl / Ludewigt 1993b; Henne 1986.

[3] Wie es der Buchtitel von Henne 1986 durchaus suggeriert.

[4] Androutsopoulos sieht das Ende des Jugendalters in unserem Kulturkreis sogar bis an das 30. Lebensjahr reichen. Vgl. Androutsopoulos 1998a, 4. Letztendlich entscheiden wohl „die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen“ (Augenstein 1998a, 28) bei jedem relativ individuell über die Dauer der Jugendphase.

[5] Vgl. dazu auch Schlobinski 1989, 2ff.

[6] Es bleibt, auf die weiterführende Literatur zu verweisen: Schlobinski / Kohl / Ludewigt 1993b, 33ff. Dort lassen sich auch weitere Literaturangaben zu dieser Problematik finden.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Jugendspracheforschung in Deutschland - ein Forschungsüberblick
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Deutsche Sprache der Gegenwart
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V72568
ISBN (eBook)
9783638629720
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendspracheforschung, Deutschland, Forschungsüberblick, Deutsche, Sprache, Gegenwart
Arbeit zitieren
Daniel Sosna (Autor:in), 2007, Die Jugendspracheforschung in Deutschland - ein Forschungsüberblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72568

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