Das Bürgerliche Trauerspiel bei Schiller und Lessing


Zwischenprüfungsarbeit, 1999

19 Seiten, Note: 2,0 (gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Das Bürgerliche Trauerspiel: Versuch einer historischen und theoretischen Abgrenzung
1. Begriffsbestimmung
2. Entstehung und ausländische Einflüsse
3. Blüte – wichtigste Vertreter – Aussterben

II. Das Bürgerliche Trauerspiel am Beispiel von Schillers „Kabale und Liebe“ und Lessings „Emilia Galotti“ und „Miss Sara Sampson“
1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
2. Zur Bürgerlichkeit der drei Stücke
3. Vergleich der drei weiblichen Hauptgestalten

III. Schlußbemerkung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die nachfolgende Untersuchung ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung sowohl mit dem Leben und dem bürgerlichen Trauerspiel bei Schiller und Lessing als auch mit der Theorie dieser Gattung.

Als erstes wird der Versuch unternommen, den Leser mit der Theorie und der Geschichte des „Bürgerlichen Trauerspiels“ bekannt zu machen. Diese Gattung wollte ich geschichtlich verfolgen: Vor welchem geistesgeschichtlichen Hintergrund ist sie entstanden? Welche Bedeutung hatte sie zur Zeit ihrer Entstehung? Und welche waren ihre Hauptvertreter und deren Ziele?

Es wird auf die drei bürgerlichen Trauerspiel, deren Inhalte bzw. Hauptmerkmale kurz hingewiesen.

Zum Schluß werde ich anhand der Ergebnisse, zu denen ich kommen werde, zeigen, in welcher Beziehung die drei Werke zueinander stehen. Der Einfluß von Lessings „Sara Sampson“ und „Emilia Galotti“ auf Schillers „Kabale und Liebe“, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die Gegenüberstellung der drei „Heldinnen“ werden den Kern dieses Kapitels bilden.

I. Das „bürgerliche Trauerspiel“: Versuch einer historischen und theoretischen Begrenzung.

Die Diskussion über das „bürgerliche Trauerspiel“ bleibt immer zwecklos, solange sie nicht von konkreten Angaben ausgeht. Diese konkreten Angaben sind nichts anderes, als die historisch-geistigen und politischen Umstände, in denen das „bürgerliche Trauerspiel“ als literarisches Novum seinen Ursprung fand. Denn die Literatur ist nicht nur als Geistiges zu verstehen, sie ist vielmehr Produkt bestimmter Verhältnisse auf verschiedenen Ebenen innerhalb der einen oder anderen Gesellschaft. So kann sie auch nicht nur an und für sich leben, sondern sie ist eine der zahlreichen Episoden die einander bedingen und somit das gesamte Wissen der Menschheit bilden.

1. Begriffsbestimmung

Es ist nicht zu bestreiten, daß das „bürgerliche Trauerspiel im 18.Jahrhundert ein vollkommenes Novum war. Gewiß kannte man das dramatische Genre, die Tragödie seit der griechischen Antike, dennoch bildet das „bürgerliche Trauerspiel“ eine Zäsur, hinter welcher ganz neue Merkmale und Aspekte dieser Gattung entstehen. Aber worin liegt diese Novität? Was war an dieser Gattung so ungewöhnlich und so bemerkenswert, daß man sie als Novum betrachtet?

Die Literaturwissenschaftler, die sich mit dieser Gattung beschäftigten, waren sich zwar über eine feste Bestimmung des Begriffs nicht einig, sie behaupten jedoch alle, daß das Neue im Adjektiv bürgerlich liege. Daß dieses Genre als bürgerlich bezeichnet wurde, hängt eigentlich mit der Tatsache zusammen, daß zum ersten Mal einfache Bürger in der Tragödie auftreten durften. Und zwar als Träger der Handlung. Dies steht im Gegensatz zur heroisch-aristokratischen Tragödie, die die Bürger für einen ungeeigneten Gegensatz des Tragischen hielt. Es war ebenso bürgerlich, weil es in dieser Gattung um bürgerliche Gesinnung und Angelegenheiten ging, von denen die heroische Tragödie absah, um sich den „ansehnlichsten von der Welt, nämlich Könige(n), Helden und große(n) Staatsleute(n)“ zu verschreiben.[1]

Als der Begriff „bürgerlich“ zum ersten Mal auftauchte, war er schwankend, vieldeutig und irreführend. Man verwechselte ihn unter anderem mit „Tragikkomödie“ oder „Comedie larmoyante“, wie es bei Voltaires „Nanine“ der Fall war.[2]

Zu den ersten deutschen Dichtern, bei denen der Begriff „bürgerlich“ vorkam, zählt Gottsched, der 1751 in seiner „kritischen Dichtkunst“ bemerkte.

„Noch andere wollen aus der beweglichen und traurigen Komödie, die von den Franzosen „Comedie larmoyante“ genannt wird eine eigene neue Art machen. Allein wenn es ja eine solche Art von Schauspielen geben kann und soll: so muß man sie nur nicht Komödie nennen. Sie könnten viel eher bürgerliche oder adlige Trauerspiele heißen; oder gar Tragikkomödien als ein Mittelding zwischen beiden genannt werden.“[3]

Gottscheds Äußerung bestätigt nämlich das vorher Gesagte, bietet jedoch anhand des Begriffspaars „bürgerlich und adelig“ einen neuen standesbezogenen Aspekt der Gattung. „Bürgerlich“ gewinnt hier einen auf den sozialen Stand bezogenen Sinn und bedeutet –implizit- bereits den Bruch mit der Ständeklausel. Daneben tritt eine andere Bedeutung zutage, die von „Bürger“ abzuleiten ist. „Bürger“ wird dann als „verantwortliches Mitglied eines Gemeinwesens“[4] betrachtet.

Weiterhin bedeutete das Wort in der Aufklärungszeit das Menschliche, Private, Häusliche und Familiäre und stand als Gegensatz zum Öffentlichen und Heroischen. Ein weiters Zeugnis dafür ist insbesondere Lessings theoretische Grundlegung im vierzehnten Stück der „Hamburgischen Dramaturgie“, die mit dem Begriff „bürgerliches Trauerspiel“ überdies noch moralische Haltung verbindet.

Im Anschuß daran, versuchte Christian Heinrich Schmid 1798 dieses Häusliche und Private, im Gegensatz zum Politischen, hervorzuheben:

„Es wäre allerdings schicklicher, diese Gattung von Trauerspielen häusliche Tragödien oder tragische Familiengemälde zu nennen (...). Bürger sind hier das Gegenteil von Personen der heroischen Tragödie (Regenten großer Staaten, Kriegshelden der Vorzeit, Rittern des Mittelalters usw.) und begreifen vielerlei Stände und Klassen von Menschen unter sich. (...) Bei dem bürgerlichen Trauerspiel muß allemal Privat- oder Familieninteresse zugrunde liegen.“[5]

Zwar bestätigt Schmids Äußerung, inwieweit der Begriff „bürgerlich“ hier auf die Gesinnung bezogen ist, er kann sich jedoch der Bedeutung von „Ständen und Klassen“ nicht völlig entziehen. In der neueren Zeit hat Klaus Weimar versucht, die Bezeichnung „bürgerlich“ aus der Rechtssprache des 18. Jahrhunderts zu verstehen. Er behauptet, „bürgerlich“ bedeute hier soviel wie zivilisiert, wissenschaftlich, in Gesellschaft lebend.[6]

Aus diesen Angaben geht hervor, daß eine Matatheorie des bürgerlichen Trauerspiels schwierig zu entwickeln ist.

2. Entstehung und ausländische Einflüsse

Das bürgerliche Trauerspiel entstand in Deutschland, wie auch in anderen europäischen Ländern, als Folge bestimmter Verhältnisse auf verschieden Ebenen.

Das Bürgertum, das unterdrückt war und nun den Aufstieg erstrebte, war genötigt, eine feste, wenn auch nur scheinbar allgemein gültige Ideologie durchzuführen, um seine Ziele zu erreichen. Karl Marx hat dieses Verhältnis meisterhaft in seiner „Deutschen Ideologie“ dargestellt: „Jede neue Klasse nämlich, die sich an die Stelle einer von ihr herrschenden sitzt ist genötigt, schon um ihren Zweck durchzuführen, ihr Interesse als das gemeinschaftliche Interesse aller Mitglieder der Gesellschaft darzustellen: Das heißt ideal ausgedrückt, ihren Gedanken die Form der Allgemeinheit zu geben, sie als die einzig vernünftigen, allgemein gültigen darzustellen (...).[7]

Das bürgerliche Trauerspiel bzw. Die bürgerliche Literatur war daher von nun an die Seite, auf der das Bürgertum seine beliebtesten Melodien spielte.

Für die Literaturgeschichtsschreibung gilt meistens Lessings „Sara Sampson“ als das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel. Zwar wollte man diese Ehre anderen, vor ihm entstandenen Dramen verleihen[8], dennoch blieb dieser Verdienst „Sara Sampson“ mit Recht vorbehalten, da sie das erste Stück war, daß das Private und Häusliche mit Treue zum Ausdruck brachte.

[...]


[1] Vgl. Johann Christoph Gottsched: Versuch einer kritischen Dichtkunst für die Deutschen, In: Wege der deutschen Literatur. Ein Lesebuch zusammengestellt von Hermann Glaser u.a. – Frankfurt/Main, Berlin, Wien: Verlag Ullstein GmbH, 1983, S. 119

[2] Karl S. Guthke: Das deutsche bürgerliche Trauerspiel. Stuttgart: Metzler, 1984, S.5

[3] Ebenda, S. 8

[4] Ebenda, S. 9

[5] Zitiert nach K. S. Guthke 1984, a.o. S. 13

[6] Ebenda S, 14

[7] Zitiert nach Wolfgang Stellmacher: Diderot, Lessing und das bürgerliche Drama. In: Impulse, Aufsätze, Quellen, Berichte zur deutschen Klassik und Romantik, hrsg. von Walter Dietze und Peter Goldhammer. Berlin und Weimar: Aufbau Verlag 1983, S. 123

[8] Vor allem Andreas Gryphius „Cardenio und Celinde“ (1648/49) entstanden, Christian Lebrechts Martinus „Rhynsolt und Sapphira“ (1755) erschienen und selbst Lessings Trauerspiel-Fragment „Samuel Henzi“, 1749 entstanden, die K. S. Guthke aus dem einen oder anderen Grund ablehnt. Vgl. Karl S. Guthke (1984), a. a. o. S. 27

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Bürgerliche Trauerspiel bei Schiller und Lessing
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Germanistisches Institut)
Note
2,0 (gut)
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V7257
ISBN (eBook)
9783638145701
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich hier um eine Zwischenprüfungsarbeit. Themen: Kabale und Liebe, Miss Sara Sampson, Emilia Galotti. 151 KB
Schlagworte
Lessing, Schiller, Bürgerliches Trauerspiel, Kabale und Liebe, Miss Sara Sampson, Emilia Galotti
Arbeit zitieren
Nina van Gemmern (Autor:in), 1999, Das Bürgerliche Trauerspiel bei Schiller und Lessing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7257

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