„Haben wir schon die Scharia?“ fragte der Spiegel dieser Tage im Frankfurter Justizskandal um eine verprügelte muslimische Frau. „Allzu viele Urteile spielen bereits den Islam-Fundamentalisten in die Hände.“ hieß es weiter1 und schnell wurden prominente Beispiele „islamfreundlicher“ deutscher Rechtssprechung aber auch besonders krasse Urteile mit Menschenrechtsverletzungen und drakonischen
Strafen aus den Archiven geholt. Die meisten dieser Archiv-Urteile kamen aus Ländern wie dem Iran oder Saudi-Arabien, wobei von letzterem auch immer behauptet wird, sein „geistiges Klima erweise sich als Nährboden des Terrorismus“.
Beim Lesen solcher Artikel stellten sich mir immer wieder die gleichen Fragen: Was ist eigentlich die Scharia und warum wird gerade Saudi-Arabien immer wieder als ein Paradebeispiel für islamischen Fundamentalismus mit archaischer Rechtssprechung zitiert?
Aus diesem Grunde entschied ich mich, abseits reißerischer Beispiele für die Anwendung der Scharia, derer es in den Medien genug gibt2, Aufbau und Struktur des saudi-arabischen Rechtssystems zu untersuchen um zum einen meinen Verständnishorizont etwas zu öffnen und zum anderen die zugrunde liegende radikale Denkschule etwas besser nachvollziehen zu können. Ziel soll sein, dem Leser einen kurzen Überblick über die Säulen des saudischen Rechtssystems zu geben und die religiös fundierten Gründe für die Bindung an eine vormittelalterliche Rechtssprechung darzulegen. Um dem Umfang der Arbeit gerecht zu werden, werden für das Verständnis wichtige Geschichtsabrisse ebenso wie angrenzende Themenkomplexe wie z. B. „Innenpolitische Spannungen“ oder „Widersprüche im Lebensstil der Familie Saud und der Lehren saudischer Rechtsschulen“ aufs Notwendigste gekürzt oder außer Acht gelassen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Hintergrund
- Die Scharia
- Rechtsquellen der Scharia
- Der Koran
- Die Sunna
- Die Ahadite
- Ijama (Konsens)
- Qiyas (Analogieschluss)
- Streiterledigung
- Qadi-Gerichtsbarkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem saudischen Rechtssystem und untersucht die Grundlagen und Strukturen des islamischen Rechts, wie es in Saudi-Arabien angewendet wird. Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle der Scharia als fundamentale Rechtsquelle und der Bedeutung des Wahhabismus als dominanter islamischer Strömung in Saudi-Arabien.
- Die Scharia als Grundlage des saudischen Rechtssystems
- Die Rolle des Wahhabismus in der saudischen Gesellschaft und Rechtsprechung
- Die wichtigsten Rechtsquellen der Scharia: Koran, Sunna, Ijama und Qiyas
- Die Struktur der Qadi-Gerichtsbarkeit in Saudi-Arabien
- Die Bedeutung der Hanbali-Rechtsschule für die Auslegung der Scharia
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Relevanz des Themas durch den aktuellen Diskurs über islamisches Recht in westlichen Ländern. Kapitel 2 liefert einen historischen Hintergrund, der die Entwicklung des saudischen Rechtssystems im Kontext der Geschichte des Wahhabismus und der saudischen Königsfamilie beleuchtet. Kapitel 3 erklärt das Konzept der Scharia als Rechtsordnung und ihre Bedeutung für das saudische Rechtssystem. Kapitel 4 analysiert die wichtigsten Rechtsquellen der Scharia: den Koran, die Sunna, Ijama (Konsens) und Qiyas (Analogieschluss). Kapitel 5 beschreibt die Qadi-Gerichtsbarkeit in Saudi-Arabien, inklusive der Struktur des Gerichtssystems und der Anwendung von Strafen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Scharia, saudisches Rechtssystem, Wahhabismus, Hanbali-Rechtsschule, Koran, Sunna, Ijama, Qiyas, Qadi-Gerichtsbarkeit, Islamisches Recht, Fundamentalismus.
- Quote paper
- Jan Schmiedgen (Author), 2006, Fundamentalismus in Saudi-Arabien - Das saudische Rechtssystem, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72588