Modernisierung und eine Geschichte der Genussmittel

Zu Wolfgang Schivelbusch: "Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft"


Seminararbeit, 2000

21 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

Einführung

I. Inhaltlicher Aufbau
Das Paradies, der Genuß und die Vernunft

II. Diskussion
Van der Loo/ Van Reijen - Schivelbusch

III. Persönliche Evaluation

Literatur

Einführung

Bei der Frage nach Modernsierung, neigt man gerne dazu, zu denken, es handle sich um eine historische Aufarbeitung des menschlichen Fortschritts bis zum Hier und Jetzt, denn schließlich betrachten wir uns als eine moderne Gesellschaft im Unterschied zu traditionellen Lebensformen. Doch nicht jener Unterschied zwischen Damals und Heute macht diesen Begriff klar, sondern erst mit der Untersuchung einzelner Aspekte und Perspektiven des Prozesses „Modernisierung” lassen sich die vielfachen Verzweigungen einigermaßen zureichend erfassen.

Vor dem Hintergrund des Buches Modernisierung – Projekt und Paradox von Hans van der Loo und Willem van Reijen soll im Folgenden ein Punkt aus dem allgemeinen Alltagsleben herausgegriffen und erläutert werden: Die Entfaltung und Veränderung des Geschmacks, sowohl im physiologischen, als auch psychologischen Sinne.

Aus dem Titel Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft wird vor der Lektüre des Buches von Wolfgang Schivelbusch noch nicht klar, um was genau es sich hier handelt. Erst der Untertitel Eine Geschichte der Genußmittel stellt letztendlich klar, daß es sich hier um die Entwicklung von Genußmitteln im weitesten Sinne handeln muß. Doch die Tatsache, daß hier von einer Geschichte die Rede ist, zeigt, daß diese Ausführungen nur eine Möglichkeit der historischen Wirklichkeit aufzeigen.

I. Inhaltlicher Aufbau

Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft

Schivelbusch stellt das Auftreten der Genußmittel in Europa in einem chronologischen Aufbau dar, unterlegt von Bildern und Zitaten zeitgenössischer Persönlichkeiten, aus dem die wichtigen Eckpunkte in der Entwicklung des Geschmacks auf verschiedene Stoffe vor dem Hintergrund historischer Ereignisse und epochaler Eigenheiten hervorgehen. Dabei betrachtet der Autor nach einer allgemeinen Einführung Gewürze, Kaffee, Schokolade, Tabak, Branntwein und Drogen jeweils separat und im Bezug zur ausschlaggebenden Ethik, Kulturgeschichte und politischen Lage der entprechenden Ära. Darauf aufbauend werden auch mit den Genußmitteln verbundene Rituale und die Evolution der Lokalkultur behandelt.

Vorbemerkung

Wie der Autor einleitend feststellt, soll es sich hier nicht um eine historische Aufarbeitung des Auftretens der Genußmittel handeln, sondern um eine Beleuchtung der Geschichte aus dem Blickwinkel des modernen Menschen. Die zentralen Fragen des Buches sind, welche Rolle diese Stoffe in der Geschichte des modernen Menschen spielten, warum in Europa zu bestimmten Zeiten die unterschiedlichsten Genußmittel in Erscheinung traten und inwiefern ihre Entdeckung Befriedigung neuartiger Geschmacksrichtungen oder schlichter Zufall waren. Im Brennpunkt der Untersuchung ist dieses Phänomen des unvermittelten Auftretens und ebenso schlagartigen Verschwindens diverser Bedürfnisse. Auch wird versucht, Gründe für die scharfe Abgrenzung sozialer Schichten voneinander durch Genußmittel und die plötzliche Einstufung von Opium oder Haschisch als „Rauschgifte” zu finden.

Schivelbusch weist darauf hin, daß das deutsche Wort „Genußmittel” sinngemäß die Bedeutung ihrer historischen Realität nicht erfasst und auch nicht ganz dem entspricht, was zum Beispiel das englische oder französische stimulants aussagt. Die Bezeichnung impliziere die Idee des „reinen paradiesischen Genusses”, jedoch ihre „zunächst paradox klingende, historische Leistung ist diese Arbeit-im-Genuß. Die Vorgänge, die die Genußmittel im menschlichen Organismus bewirken, vollenden sozusagen chemisch, was geistig, kulturell und politisch schon vorher angelegt war.”[1]

Die Gewürze oder Der Beginn der Neuzeit

Salz und Pfeffer bilden in unserem Speiseplan zwar eine Einheit, doch verkörpern sie grundsätzlich verschiedene Epochen und haben eine vollständig unterschiedliche Bedeutung für die Kultureschichte.

Das Salz, das bekanntlich auch in Europa gewonnen wird, wurde in grauer Vorzeit schon als Sakralstoff, Konservierungs-, Heil- und Würzmittel verwendet und wird heutzutage eher als das profanste aller Gewürze gehandelt. Die Geschichte des Pfeffers hingegen erhält wie auch andere aus fernöstlichen Ländern importierte Gewürze – Zimt, Satran, Gewürznelke oder Ingwer, um nur einige zu nennen – im christlichen Mittelalter eine eigene, wichtige Bedeutsamkeit. Nicht nur der kulinarische Aspekt macht diesen Wert aus, sondern auch die zeremonielle und symbolische Rolle.

„Die symbolische Bedeutung und der physiologische Geschmack gehen in den mittelalterlichen Gewürzen eine innige Verbindung ein. Soziale Beziehungen, Machtverhältnisse, Reichtum, Prestige und allerlei Phantasien werden ‘geschmeckt’. Das Schmecken wird sozialer und kultureller Geschmack.”[2]

Dabei ist der „Geschmack” auch im weiteren Sinne zu sehen, so entwickelt das Europa im 11. Jahrhundert ein neues Gefallen an den schönen Dingen des Lebens, die Umgangsformen differenzieren nun die Klassen. Die Schlagworte des Hochmittelalters sind „Verfeinerung” und „Kultivierung”, die durch die Kreuzzüge, die Kontaktknüpfung zum Orient und die Übernahme entscheidender Kulturgüter (Teppich, Seide, Baldachin), aber auch des Zahlensystems und Kenntnissen in Astronomie und Nautik, eingeleitet wurden.

Der mittelalterliche Fernhandel lebt wirtschaftlich von den Gewürzen, wobei der Pfeffer die zentrale Rolle spielt, doch die ökonomische, kulturelle und geschichtliche Wichtigkeit kann nur im Zusammenhang mit den anderen Luxusgütern verstanden werden.

Venedig wird zum Hauptumschlagplatz des äußerst profitablen Unternehmens des Gewürzhandels, diese Stadt soll aber auch seinen Niedergang bezeichnen: Das reich gewordene Bürgertum eifert dem Luxusstandart des Adels nach, die Nachfrage kann nicht mehr bewältigt werden, Zölle treiben die Preise ins Unbezahlbare. Aus diesen Faktoren entsteht im 15. Jahrhundert die Idee der Suche nach dem Seeweg nach Indien zur Umgehung der Zollschranken und Columbus entdeckt durch Zufall die „Neue Welt” Amerika. Damit wird der Kreis zwischen Entdeckungsreisen, dem Beginn der Neuzeit und dem europäischen Gewürzappetit geschlossen.

[...]


[1] Schivelbusch, W. Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft 1980, S. 11f.

[2] Ib. S.17

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Modernisierung und eine Geschichte der Genussmittel
Untertitel
Zu Wolfgang Schivelbusch: "Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft"
Hochschule
Universität Konstanz  (Fachbereich Geschichte und Soziologie)
Veranstaltung
Sozialer Wandel - Modernisierung und ihre Widersprüche
Note
gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V7260
ISBN (eBook)
9783638145732
ISBN (Buch)
9783638787031
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zu Wolfgang Schivelbusch: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. 203 KB
Schlagworte
Modernisierung, Geschichte, Genussmittel, Sozialer, Wandel, Modernisierung, Widersprüche
Arbeit zitieren
Iris Baumgärtel (Autor:in), 2000, Modernisierung und eine Geschichte der Genussmittel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7260

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