Für die Entwicklung der EU übt das Recht als Integrationsinstrument eine wesentliche Funktion
aus. Das Gemeinschaftsrecht verlangt für seine Effektivität nach einer einheitlichen Anwendung
und einer zentralen Gerichtsbarkeit mit verbindlichen Entscheidungen. Das BVerfG erkennt zwar
grundsätzlich den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht an, bestreitet jedoch für
bestimmte Fallkonstellationen die Letztentscheidungskompetenz des EuGH. Das Gericht geht seit
seinem Maastricht-Urteil davon aus, dass es seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von
abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem Kooperationsverhältnis zum EuGH
ausübt. Damit steht aber die einheitliche Wirkung des EG-Rechts auf dem Spiel. Ein Blick nach
Italien und Frankreich zeigt Ähnlichkeiten und Unterschiede im Verhältnis nationaler
Verfassungsgerichte zum EuGH. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Verhältnis aus Sicht des EuGH und nationaler Verfassungsgerichte
- Die europarechtliche Sichtweise des EuGH
- Die Sicht des deutschen Bundesverfassungsgerichts
- Geltung der nationalen Grundrechte
- Unanwendbarkeit ausbrechender Rechtsakte
- Die Sicht des italienischen Verfassungsgerichtshofs
- Die französische Gerichtsbarkeit
- Vorrang des Gemeinschaftsrechts
- Die Maastricht-Entscheidungen
- Gefahren für die europäische Integration
- Gefahr für die Einheit der Gemeinschaftsordnung
- Verletzung des Rechtsstaatsprinzips
- Argumente für ein Letztentscheidungsrecht des EuGH
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text analysiert das Verhältnis zwischen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und den Verfassungsgerichten der EU-Mitgliedstaaten, insbesondere das deutsche Bundesverfassungsgericht, im Hinblick auf die Anwendung und Geltung des Gemeinschaftsrechts. Er untersucht die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Zuständigkeiten und die Auswirkungen dieser Spannungen auf die Einheitlichkeit der Gemeinschaftsordnung und die europäische Integration.
- Die Bedeutung des EuGH für die Einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts
- Die Rolle nationaler Verfassungsgerichte bei der Überprüfung von Gemeinschaftsakten
- Die Spannungen zwischen dem EuGH und dem deutschen Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Grundrechtsgewährleistung
- Die unterschiedlichen Modelle der italienischen und französischen Gerichtsbarkeit im Verhältnis zum EuGH
- Die potenziellen Gefahren für die europäische Integration durch widersprechende Rechtsprechung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Der Text führt in das Thema ein und betont die Bedeutung der Klärung des Verhältnisses zwischen dem EuGH und nationalen Verfassungsgerichten für die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts. Die zunehmende Bedeutung des Gemeinschaftsrechts und die daraus resultierende Grundrechtsfrage im Zusammenhang mit der EG-Bananenmarktordnung werden als aktuelle Problemfelder hervorgehoben.
Das Verhältnis aus Sicht des EuGH und nationaler Verfassungsgerichte
Die europarechtliche Sichtweise des EuGH
Dieser Abschnitt beschreibt die europarechtliche Sichtweise des EuGH, die auf dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht, einschließlich des Verfassungsrechts, basiert. Der EuGH sieht sich als alleinige Instanz für die Überprüfung der Vereinbarkeit von Gemeinschaftsakten mit dem Primärrecht und den europäischen Grundrechten.
Die Sicht des deutschen Bundesverfassungsgerichts
Das BVerfG erkennt den Vorrang des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich an, sieht aber die Letztentscheidungskompetenz des EuGH für bestimmte Fallkonstellationen infrage. Das Gericht betont die Bedeutung der nationalen Grundrechtsgewährleistung und die Rolle des Zustimmungsgesetzes als Brücke für die Einbindung des Gemeinschaftsrechts in die deutsche Rechtsordnung.
Die Sicht des italienischen Verfassungsgerichtshofs
Der italienische Verfassungsgerichtshof verfolgt einen vergleichbaren Ansatz wie das BVerfG, indem er die nationalen Grundrechte bei der Überprüfung von Gemeinschaftsakten in den Vordergrund stellt.
Die französische Gerichtsbarkeit
Der Abschnitt stellt das Konzept des französischen Verfassungsrates vor, das sich von den deutschen und italienischen Modellen deutlich unterscheidet. Der französische Verfassungsrat priorisiert den Vorrang des Gemeinschaftsrechts und setzt sich für eine enge Zusammenarbeit mit dem EuGH ein.
Gefahren für die europäische Integration
Dieser Abschnitt analysiert die potenziellen Gefahren für die europäische Integration, die sich aus der unterschiedlichen Rechtsprechung von EuGH und nationalen Verfassungsgerichten ergeben können. Die Gefahr einer Uneinheitlichkeit der Gemeinschaftsordnung und die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips werden als zentrale Herausforderungen beschrieben.
Argumente für ein Letztentscheidungsrecht des EuGH
Der Text präsentiert Argumente für ein Letztentscheidungsrecht des EuGH, um die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts und die Effektivität der europäischen Integration zu gewährleisten.
Schlüsselwörter
Europäischer Gerichtshof, nationales Verfassungsgericht, Gemeinschaftsrecht, Grundrechte, Vorrang, Maastricht-Urteil, Einheitlichkeit, europäische Integration, Rechtsstaatsprinzip, Zustimmungsgesetz, Kooperationsverhältnis, Letztentscheidungskompetenz.
- Arbeit zitieren
- Dr. Gerald G. Sander (Autor:in), 2001, Europäischer Gerichtshof und nationale Verfassungsgerichtsbarkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7268