Die unbestreitbaren Schwierigkeiten, die sich bei der Konstruktion eines allgemein gültigen Erklärungsansatzes zu kollektiven Phänomenen ergeben, sind hinreichend bekannt. Esser (1999) weist darauf hin, dass soziologische Erklärungen theoretische Modelle sind, die abstrakt und daher stark vereinfacht die Strukturen der Realität beschreiben, aber nicht unmittelbar abbilden sollen (Ebd., S. 21). Jede größere Realitätsnähe zieht immer eine höhere Komplexität nach sich, was das Modell letztendlich unübersichtlich macht. Beispielsweise erfordert die Erweitung des Ansatzes der rationalen Wahl um affektuelles, traditionelles und wertrationales Handeln erstens die Einrichtung und zweitens die Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen und bewirkt eine Aufblähung des analytischen Apparates zur Datenbereinigung um ein vielfaches.
Andererseits stellt sich die Frage, wie viel Abstraktion sinnvolle Erklärungen zulassen. Die Entwicklung der ursprünglich ökonomischen Theorie der rationalen Wahl und deren Adaption durch die Sozialwissenschaften haben gezeigt, dass die Reduktion menschlichen Verhaltens auf rein egoistische, der monetären Bereicherung und/oder dem Ausbau persönlicher Machtbefugnisse dienende Handlungsmotivationen dem Anspruch nicht genügt, ein einfaches, universell anwendbares und gleichzeitig mit ausreichendem Erklärungspotenzial ausgestattetes Modell zu sein.
Wie gezeigt werden soll, ist es unter stetiger Einflussnahme der Kritik zu einem umfangreichen, mit vielen Erklärungssträngen ausgestattetem Modell angewachsen. Es soll hierbei speziell um die Bedeutung von Intersubjektivität bei der rationalen Wahl gehen, den Einfluss des Kollektivs auf das Individuum und dessen Relevanz für die Rational Choice- Theorie. Gerade dem Erläuterungspotenzial zu gesellschaftlichen Phänomenen einer Theorie auf Grundlage des methodologischen Individualismus ist eine Überprüfung aus Sicht intersubjektiver Beeinflussungsvarianten eben auf das Individuum geschuldet.
Dabei spielen der interdependierende Charakter zwischen gesellschaftlicher und individueller Bewusstseinsbildung und die interferenten Faktoren individueller Persönlichkeitsentwicklung eine entscheidende Rolle. Diese sollen beleuchtet und ggf. kontrastierend in Beziehung zur Theorie der rationalen Wahl gesetzt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Aufbau und Funktionsweise der Rational Choice- Theorie
- Skizze aus einem Forschungsprozess
- Das Spezifische der Handlungswahl
- Intersubjektivität und Rational Choice- Theorie
- Das Verhältnis von Subjektivität und der Entstehung von Handlungen
- Alltagshandlungen
- Die ,,Satisficing\"- Erweiterung
- Intersubjektivität und Rationalität
- Strategisches Handeln
- Exkurs: Handlungswahl am Beispiel ,,Bauernfamilien an der Rentabilitätsgrenze“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Geltungsbereich der Rational Choice- Theorie als soziologische Erklärung. Der Fokus liegt dabei auf der Rolle der Intersubjektivität bei der rationalen Wahl und der Bedeutung des Kollektivs für die Handlungsentscheidungen des Einzelnen. Die Arbeit analysiert, wie die Theorie der rationalen Wahl die Einflussfaktoren der intersubjektiven Beeinflussung auf das Individuum berücksichtigt und welche Relevanz dies für die Erklärung gesellschaftlicher Phänomene hat.
- Die Rational Choice- Theorie als soziologischer Erklärungsansatz
- Die Bedeutung der Intersubjektivität bei der rationalen Wahl
- Der Einfluss des Kollektivs auf das Individuum
- Die Grenzen der Rational Choice- Theorie in Bezug auf intersubjektive Faktoren
- Die Relevanz der Theorie für die Erklärung gesellschaftlicher Phänomene
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Problematik der soziologischen Erklärung kollektiver Phänomene ein und skizziert die Schwierigkeiten bei der Konstruktion eines allgemein gültigen Erklärungsansatzes. Es wird auf die Bedeutung von Abstraktion und Realitätsnähe hingewiesen, die sich im Spannungsfeld zwischen Komplexität und Übersichtlichkeitsbedürfnis befinden. Die Arbeit stellt die Rational Choice- Theorie vor und beleuchtet ihre Entwicklung von einem ökonomischen Modell hin zu einem umfassenden Ansatz, der auch intersubjektive Faktoren berücksichtigt.
Das zweite Kapitel behandelt die Theorie der rationalen Wahl und ihre Funktionsweise. Es werden die grundlegenden Annahmen und die verschiedenen Ebenen des Modells erläutert. Dabei werden die Brückenannahmen, die individuellen Entscheidungen und die Entstehung von Kollektivphänomenen aus Individualhandlungen beleuchtet.
Das dritte Kapitel widmet sich der Rolle der Intersubjektivität in der Rational Choice- Theorie. Es werden verschiedene Aspekte der intersubjektiven Beeinflussung auf das Individuum untersucht, wie z.B. die Bedeutung von Alltagshandlungen, die ,,Satisficing\"- Erweiterung, die Interaktion zwischen Intersubjektivität und Rationalität sowie strategisches Handeln. Der Exkurs ,,Bauernfamilien an der Rentabilitätsgrenze“ illustriert die Anwendung der Theorie in einem konkreten Fall.
Schlüsselwörter
Rational Choice- Theorie, Intersubjektivität, Handlungswahl, methodologischer Individualismus, kollektives Verhalten, gesellschaftliche Phänomene, Nutzenmaximierung, individuelle Entscheidungen, interdependierende Bewusstseinsbildung, interferenten Faktoren der Persönlichkeitsentwicklung.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Matthias Alff (Autor:in), 2005, Die Rational Choice-Theorie und Intersubjektivität , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72689