In "Hedda Gabler" von Henrik Ibsen entfaltet sich eine Vielzahl von Themen wie z.B. die Langeweile, der Ästhetizismus als auch der Historismus, die unmittelbar auf die Entstehungszeit des Dramas selbst verweisen. Dieses naturalistische Drama birgt die besondere Rezeptionssituation in sich, dass sich das Publikum auf der Bühne selbst betrachtet. Doch nicht nur im literarischen Diskurs findet diese Selbstbetrachtung und -bespiegelung statt, sondern auch der philosophische Diskurs ist gespickt mit Anmerkungen über das damalige Bewusstsein. Die Hinwendung auf die eigene Zeit lässt sich exemplarisch am Werk Nietzsches ablesen. Nietzsche betreibt unmittelbare Zeitkritik in der "Zweiten Unzeitgemäßen Betrachtungen", indem er den im 19. Jahrhundert aktuellen Historismus als Zeichen einer kulturellen Verfallserscheinung deutet.
Sowohl in Hedda Gabler als auch in Nietzsches "Zweiter Unzeitgemäßer Betrachtung" wird die „historische Bildung“ explizit thematisiert und damit zum Gegenstand des jeweiligen Diskurses. Beide Texte beinhalten also, der eine durch zwei dramatische Figuren, der andere durch argumentative, non-fiktionale Rhetorik, eine Problematisierung des Historismus, und weisen dadurch eine augenfällige Intertextualität auf.
Die Arbeit geht der Frage nach, inwiefern sich Nietzsches Kritik am Historismus in Jørgen Tesman und Eilert Løvborg aus Hedda Gabler wieder findet und in den beiden Figuren verdichtet und damit das Drama Nietzsches kritischen Impuls gegen seine Zeit aufnimmt und in anderer Form repräsentiert. Dabei ist es unerheblich, ob Ibsen die Schriften von Nietzsches rezipiert und künstlerisch umgesetzt hat oder nicht. Vielmehr soll die Durchdringung der beiden Diskurse im späten 19. Jahrhundert anhand der Kritik am Historismus herausgearbeitet werden und gleichzeitig die Frage gestellt werden, inwieweit die Figuren aus Hedda Gabler die Konsequenzen von Nietzsches theoretischen Prämissen auf der Bühne ausspielen und dadurch innerhalb des ästhetischen Raums der Bühne realisieren.
Inhaltsverzeichnis
- Nietzsche als hermeneutischer Leitfaden für Ibsen?
- „So stirbt der Baum, unnatürlicherweise, von der Wurzel ab“ – Nietzsches Kritik am „historischen Sinn“
- Tesman und Løvborg als Figurationen von Nietzsches Kritik
- Begräbt das Tote das Lebendige?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Kritik am Historismus in Hedda Gabler von Henrik Ibsen im Lichte von Nietzsches Zweiter Unzeitgemäßer Betrachtung. Sie zielt darauf ab, die Parallelen zwischen den beiden Werken aufzuzeigen und die Relevanz von Nietzsches Kritik für das Verständnis des Dramas zu beleuchten.
- Kritik am Historismus und dessen Auswirkungen auf das Individuum
- Der Konflikt zwischen Vergangenheit und Gegenwart
- Die Rolle von Erinnerung und Vergessen
- Die Bedeutung von Leben und Tod
- Die Frage nach dem Sinn des Lebens
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Nietzsche als hermeneutischer Leitfaden für Ibsen? Dieses Kapitel untersucht den Kontext der Entstehung von Hedda Gabler und der Zweiten Unzeitgemäßen Betrachtung, beide Werke aus dem späten 19. Jahrhundert. Es stellt die Frage, ob Nietzsches Kritik am Historismus als hermeneutischer Leitfaden für die Interpretation von Hedda Gabler dienen kann.
- Kapitel 2: „So stirbt der Baum, unnatürlicherweise, von der Wurzel ab“ – Nietzsches Kritik am „historischen Sinn“ Dieses Kapitel analysiert Nietzsches Kritik am Historismus in der Zweiten Unzeitgemäßen Betrachtung. Es zeigt, wie Nietzsche das Unbehagen an der Überhistorisierung der Gesellschaft thematisiert und die Überwindung des „historischen Sinns“ als Notwendigkeit erachtet.
- Kapitel 3: Tesman und Løvborg als Figurationen von Nietzsches Kritik Dieses Kapitel untersucht die Figuren Tesman und Løvborg aus Hedda Gabler im Lichte von Nietzsches Kritik am Historismus. Es wird gezeigt, wie beide Figuren unterschiedliche Aspekte dieser Kritik verkörpern und wie sie sich mit den Folgen des „historischen Sinns“ auseinandersetzen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter der Arbeit sind: Historismus, Kritik, Nietzsche, Ibsen, Hedda Gabler, Zweite Unzeitgemäße Betrachtung, Leben, Tod, Erinnerung, Vergessen, Sinn, Zeit.
- Arbeit zitieren
- Frank Dersch (Autor:in), 2006, Die Kritik am Historismus in Ibsens "Hedda Gabler" und in Nietzsches "Zweiter Unzeitgemäßer Betrachtung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72717