Literatur ist seit Anbeginn des Filmzeitalters Thema des Filmes gewesen. Schon in der Stummfilmzeit widmeten sich renommierte Regisseure wie bspw. Friedrich Wilhelm Murnau1 bekannten Werken der Weltliteratur. Aber auch die Literatur hat sich, beeinflusst durch das Medium Film, verändert. Filmische Erzählweisen werden literarisch umgesetzt und verändern die Rezeption der Leser. Die heutigen Formen der Intertextualität und Intermedialität verwischen die Grenzen der einzelnen Medien immer stärker.
Nachdem der postmoderne Film der 90er Jahre scheinbar beliebig intertextuelle Bezüge in exzessivem Maße aufgenommen hatte, vollzog sich in den letzten Jahren eine Kehrtwende in der Form, dass nun explizit wieder einzelne künstlerische Werke und kulturhistorische Aspekte zum Thema der Filme gemacht werden. Seit Beginn dieses Jahrhunderts sind viele Remakes und insbesondere mehrere Literaturverfilmungen entstanden. Im Zuge der Aktualität dieses Themas halte ich es für interessant, sich eingehender mit diesem Phänomen zu befassen. Was genau ist die Verfilmung eines Romans? Ist es die bloße Adaption eines literarischen Werkes? Kann der Film neben dem Anspruch den die Literatur als Kunstwerk erhebt, bestehen? Oder müssen Literaturverfilmung als eigenständiges (Kunst-)Werk gesehen werden? Diese und weitere Fragen stellen sich einem bei dem Vergleich von Literatur und ihrer Verfilmung, und ihnen möchte ich in dieser Hausarbeit nachgehen. Ich werde mich dabei an dem Beispiel des Romans „La Colmena“ von Camilo José Cela orientieren, dessen Verfilmung aus dem Jahre 1982 ein preisgekrönter und für den Oscar nominierter Film ist. Auch wenn der Rahmen dieser Hausarbeit teilweise recht eng gesteckt ist, will ich im Folgenden einige Zusammenhänge zwischen Film und Literatur aufdecken, aber auch Unterschiede deutlich kennzeichnen. Am Ende, so hoffe ich, wird ein kleiner Überblick geschaffen sein, der verdeutlicht, welche Faszination die literarischen Stoffe auf die Filmszene ausüben.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Exkurs: Intertextualität und Intermedialität
2.1 Intertextualität
2.2 Intermedialität
3 Literatur und Film
4 La Colmena
4.1 Der Roman „La Colmena“
4.2 Der Film „La Colmena“
4.2.1 Raum und Zeit
4.2.2 Figuren
4.2.3 Semiotik und stilistische Mittel
5 Zusammenfassung
6 Anhang: Sequenzprotokoll „La Colmena“
Literaturverzeichnis
Medienverzeichnis
1 Einleitung
Literatur ist seit Anbeginn des Filmzeitalters Thema des Filmes gewesen. Schon in der Stummfilmzeit widmeten sich renommierte Regisseure wie bspw. Friedrich Wilhelm Murnau[1] bekannten Werken der Weltliteratur. Aber auch die Literatur hat sich, beeinflusst durch das Medium Film, verändert. Filmische Erzählweisen werden literarisch umgesetzt und verändern die Rezeption der Leser. Die heutigen Formen der Intertextualität und Intermedialität verwischen die Grenzen der einzelnen Medien immer stärker.
Nachdem der postmoderne Film der 90er Jahre scheinbar beliebig intertextuelle Bezüge in exzessivem Maße aufgenommen hatte, vollzog sich in den letzten Jahren eine Kehrtwende in der Form, dass nun explizit wieder einzelne künstlerische Werke und kulturhistorische Aspekte zum Thema der Filme gemacht werden. Seit Beginn dieses Jahrhunderts sind viele Remakes und insbesondere mehrere Literaturverfilmungen entstanden. Im Zuge der Aktualität dieses Themas halte ich es für interessant, sich eingehender mit diesem Phänomen zu befassen. Was genau ist die Verfilmung eines Romans? Ist es die bloße Adaption eines literarischen Werkes? Kann der Film neben dem Anspruch den die Literatur als Kunstwerk erhebt, bestehen? Oder müssen Literaturverfilmung als eigenständiges (Kunst-)Werk gesehen werden? Diese und weitere Fragen stellen sich einem bei dem Vergleich von Literatur und ihrer Verfilmung, und ihnen möchte ich in dieser Hausarbeit nachgehen. Ich werde mich dabei an dem Beispiel des Romans „La Colmena“ von Camilo José Cela orientieren, dessen Verfilmung aus dem Jahre 1982 ein preisgekrönter und für den Oscar nominierter Film ist. Auch wenn der Rahmen dieser Hausarbeit teilweise recht eng gesteckt ist, will ich im Folgenden einige Zusammenhänge zwischen Film und Literatur aufdecken, aber auch Unterschiede deutlich kennzeichnen. Am Ende, so hoffe ich, wird ein kleiner Überblick geschaffen sein, der verdeutlicht, welche Faszination die literarischen Stoffe auf die Filmszene ausüben.
2 Exkurs: Intertextualität und Intermedialität
Bei der Analyse der Eigenarten von Literatur und Film und der Untersuchung von Literaturverfilmungen, stößt man unweigerlich auf die beiden Begriffe der Intertextualität und Intermedialität. Beide Begriffe liegen sehr dicht beieinander und werden je nach wissenschaftlichem Ausgangs- bzw. Standpunkt, nach Untersuchungsgegenstand, nach Schule, der man angehört, unterschieden bzw. teilweise synonym gebraucht. Aus diesem Grund werde ich im Folgenden beide Begrifflichkeiten kurz bestimmen und im Folgenden mit dieser Bedeutung verwenden.
2.1 Intertextualität
Ausgehend von der Bedeutung des Wortes „Intertext“ kann von einem „Zwischentext“ geredet werden, einem Text, der zwischen einem Prä- und einem Folgetext steht und so einen Zusammenhang zwischen diesen kreiert. Dabei ist für die Definition weiterhin von Bedeutung, mit welchem Inhalt der Begriff „Text“ belegt wird. Es wäre möglich, diesen, wie beispielsweise das Zeitlexikon definiert, als ein „im Wortlaut festgelegte, i. d. R. schriftlich fixierte, zusammenhängende sprachliche Äußerung; [...]“ (Die Zeit 2005, S. 486) zu sehen, wobei dies meiner Meinung nach den Intertextualitätsbegriff zu sehr einengt; denn sinnvoller wäre es, einen erweiterten Textbegriff zu verwenden, der über die sprachliche Äußerung hinausgeht und auch visuelle, auditive und kulturelle Codes einbezieht. Auf den filmischen Kontext bezogen findet in einem ersten Schritt die Intertextualität in der Produktion statt. Der zweite Schritt wird durch den Rezipienten bestimmt. Dieser kontextualisiert, geprägt durch sein Vorwissen, die Prätexte und misst ihnen eine bestimmte Bedeutung zu. In diesem Sinne werde ich den Begriff Intertextualität im Folgenden gebrauchen.
2.2 Intermedialität
Der Begriff der Intermedialität baut auf dem der Intertextualität auf. Je nach Definition des Intertextualitätbegriffes dient er bei einer eng gefassten Begrifflichkeit dazu, „Phänomene zu erfassen, bei denen andere Medien ins Spiel kommen und Mediengrenzen überschritten werden“(Rajewsky 2002, S. 52), oder aber bei einer weiter gefassten Definition dazu, verschiedene Medien in die Betrachtung mit einzubeziehen, spezifische Medienwechsel zu kennzeichnen und ihre Besonderheiten hervorzuheben (vgl. Rajewsky 2002, S. 52).
3 Literatur und Film
Intertextuelle und intermediale Bezüge sind keine neue Erscheinung einer postmodernen Gesellschaft[2], sondern können seit Beginn der künstlerischen Darstellung von Fiktionen entdeckt werden. Die Medien der heutigen Zeit haben durch ihre Vielfalt nur eine neue Form der Intermedialität produziert, die intertextuelle Bezüge über die Medien hinweg deutlich macht. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass seit jeher literarischer Stoff für den Film verwendet wurde . Es existieren so viele unterschiedliche Literaturverfilmungen, dass das Spektrum der Realisation eine Vielfalt an Umsetzungsmöglichkeiten bietet. Es können, nach Borstnar, drei verschiedene Kategorien der verfilmten Literatur unterschieden werden.
Borstnar unterscheidet die drei Kategorien nach dem Similaritätsgrad, den Prä- und Folgefilm besitzen. Die „illustrierte Version“ ist die, die am dichtesten am Original liegt, indem Bilder und Kernaussagen aufgenommen und umgesetzt werden. Die „komplementäre Gestaltung“ nimmt zwar die zentralen Strukturen und Elemente der Narration auf, weicht jedoch in einigen Aspekten ab. Als letzte und unabhängigste Kategorie kann die der „Interpretation“ gesehen werden. Es werden nur einige Grundstrukturen übernommen, diese aber durch Neues ergänzt und erweitert. (vgl. Borstnar 2002, S. 78)
Abgesehen von den unterschiedlichen Varianten, Literatur im Film umzusetzen, gibt es bestimmte medienimmanente Aspekte, die bei einem Medienwechsel berücksichtigt werden müssen. Raum, Zeit und Figuren unterliegen Veränderungen bzw. müssen im Film präzisiert werden. So werden bspw. durch die audiovisuellen Eigenschaften des Filmes räumliche und sprachliche Aspekte gezeigt, die evtl. in dieser ausgestalteten Form nicht im geschriebenen Roman auftauchen, sondern offen gelassen werden können.
Borstnar hat für diese „bestimmten Schwierigkeiten“[3] (Borstnar 2002, S. 78) einer Umsetzung von Literatur in Film eine Liste erstellt, die ich hier in verkürzter und modifizierter Form wiedergeben möchte, da ich sie im weiteren Verlauf als Stütze einer vergleichenden Analyse nutzen möchte. Diese Liste kann überwiegend für die illustrierte oder komplementäre Gestaltung von Literarturverfilmungen gelten. Borstnar berücksichtigt in seiner Liste medienspezifische Aspekte, die bei einer Adaption von Literatur im Film zu berücksichtigen, zu präzisieren und/oder zu verändern sind. Bei einer Adaption sind nach Borstnar folgende Aspekte zu beachten (vgl. Borstnar 2002, S. 78 f.):
-räumliche und zeitliche Präzisierungen und Bezüge
-figuren- oder sachbezogene Präzisierungen und Bezüge
-Erzählerposition
-bestimmte (Sprach-)Stile (bspw. Ironie, Vergleichendes etc.)
-Semiotik und abstrakte Vorlagen des Prätextes (bspw. Ideologisches, Philosophisches, Diskursives etc.)
Viele dieser genannten Aspekte müssen im Film mit neuem Inhalt gefüllt werden. Die Aufgabe des Regisseurs ist es demnach, die vorgefundenen Eigenarten und Leerstellen aufzudecken und falls nötig selbst mit Inhalten auszufüllen. Dabei „[...] bleibt zu berücksichtigen, dass beide Zeichensysteme [Literatur und Film] eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen, und nirgendwo ist festgelegt, dass sich ein Film eng und treu an seine literarische Vorlage halten muss. Der Vorlagenbezug kann allenfalls als deskriptives Raster dienen, um die Strukturen der Bezugnahme zu erfassen“ (Borstnar 2002, S. 78).
Berücksichtigt man diese Aspekte, können allgemeingeltende Fragen für den Vergleich von Roman und Film gelten, die ich im Folgenden untersuchen möchte. Es stellt sich die Frage nach dem „WAS“ und „WIE“ der Verfilmung; bzw. die Frage danach, ob eine Doppelung des Romans in einem anderen Medium entsteht, die für sich alleine keinen Bestand hätte, oder ob Roman und Werk als eigenständige Kunstwerke gesehen werden müssen , die sich eventuell sogar ergänzen?
4 La Colmena
In diesem Kapitel werde ich den Roman von Camilo José Cela und den Film Camus ver-gleichend analysieren um so auf Unterschiede und Ähnlichkeiten zu stoßen, die Aufschluss geben können, wie stark der Zusammenhang von literarischer Vorlage und Film ist.
4.1 Der Roman „La Colmena“
Camilo José Cela beschreibt etwa [5] Tage in Madrid und stellt zwischen dem Treiben der Menschen und dem im Titel erwähnten Bienenkorb einen metaphorischen Bezug her. Knotenpunkt ist das Café „La Delicia“ der Doña Rosa. Hier verkehren Menschen verschiedenster Persönlichkeit, unterschiedlichster Schichten und politischer Gesinnung. Insgesamt 296 unterschiedliche Figuren und 50 historische Charaktere (vgl. Cela 2001, S. 43) werden von Cela beschrieben, wobei keine Figur intensiv dargestellt wird. Durch die Montage einzelner Sequenzen entsteht ein Gesamtbild der Gesellschaft zu Zeiten der Diktatur Francos kurz nach dem spanischen Bürgerkrieg. Dabei scheint es weder eine nachvollziehbare Struktur oder Anordnung einzelner Szenen zu geben noch wahre Protagonisten. „La Colmena ist die Enttarnung der doppelten Moral, des Egoismus und der seelischen und geistigen Verwahrlosung der Menschen und damit auch die Entmystifizierung des nationalen Gedanken- und Lebensgutes der franquistischen Ära.“ (Palmes 1994, S. 105)
4.2 Der Film „La Colmena“
Der Film „La Colmena“ zeigt das Leben in Madrid zu Zeiten Francos. Im Zentrum steht ebenfalls das Café „La Delicia“ der Doña Rosa, in dem sich eine Dichterrunde trifft, die über die Kunst und das Leben diskutiert. Auch anderen Menschen begegnen sich hier. Die starke Divergenz zwischen Arm und Reich wird gut durch die Vielzahl an Figuren sichtbar. Alle Menschen scheinen in irgendeiner Weise miteinander verbunden zu sein, sei es über gemeinsame Bekannte, durch den Besuch des Cafés oder des Bordells der Doña Jesusa oder dadurch, dass sie gemeinsam in einem Haus wohnen.
Im Folgenden werde ich auf einzelne Elemente des Romanes und des Filmes eingehen und beide Werke gegenüberstellen. Dabei orientiere ich mich an den Kategorien, die Borstnar als „bestimmte Schwierigkeiten“ bezeichnet, da genau an diesen Punkten die Eigenarten der spezifischen Medien besonders deutlich werden, sich hier also die Similarität oder die Differenz zwischen Roman und Film am besten zeigen kann. Dabei sind diese Kategorien so miteinander verwoben, dass die einzelnen Rubriken kaum voneinander getrennt werden können. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden die drei folgenden „Schwierigkeiten“ genauer zu untersuchen, die anderen Bereiche aber mit einfließen zu lassen.
4.2.1 Raum und Zeit
Raum und Zeit sind im Film von besonderer Bedeutung und letztlich nicht voneinander zu trennen. Sie besitzen eine symbolische Funktion, die dem Rezipienten einen gewissen Erwartungsrahmen der Handlung eröffnet und mögliche Interpretationen bietet (vgl. Mikos 2003, S. 109 ff.). So findet in „La Colmena“ eine Beschreibung des städtischen Lebens in Madrid um 1943 statt. Unabhängig, ob es sich hierbei um Fiktion oder Dokumentation handelt, wird durch diese zeitliche und räumliche Positionierung eine Erwartung des Rezipienten aufgebaut, die diese Zeit und den Raum (Madrid fungiert hier als Raum) beinhaltet; bspw. würde sicherlich aufgrund des Ortes und der Zeit erwartet, dass in irgendeiner Form das Francoregime und seine politische Auswirkung angesprochen würde.
In beiden Werken von „La Colmena“ werden etwa vier bis sechs Tage im Jahre 1943 beschrieben, in denen einzelne Lebensauschnitte unterschiedlicher Menschen gezeigt werden. Cela beschreibt diese Szenen ausschnitthaft und ohne klar erkennbare Zusammensetzung. Die Vielfalt an Menschen und Schauplätzen, gepaart mit dem ständigen Springen von einer Szene zur nächsten, vermitteln den Eindruck des Treibens in einem Bienenkorb, wie dies im Titel anklingt. Im Film setzt Camus eine klare zeitlich chronologische Struktur ein, die aus den einzelnen Szenen klare Abläufe von Geschichten entstehen lässt, die einem Spannungsbogen von linearen Erzählungen entsprechen. Verstärkt wird diese Ordnung durch die Reduzierung von unterschiedlichen (Neben-)Geschichten.
Es wird, wie bereits erwähnt, das Leben in Madrid im Jahre 1943 gezeigt. Während im Roman der Leser selbst Bilder aus dieser Zeit auferstehen lassen muss, inszeniert Camus den Raum historisch korrekt und lässt so einen Blick zurück in die Zeit des Francoregimes zu. Unterstützend setzt er nicht nur die passende Mise-en-scéne ein, sondern integriert Originalaufnahmen aus der Zeit (siehe Sequenz 36 und 74), die die Historizität des Filmes verstärken.
Diese vier bis sechs Tage in Madrid werden sowohl im Buch als auch im Film beschrieben. Während die erzählte Zeit im Film also fast identisch mit der des Romanes ist[4], wurde die Erzählzeit im Film deutlich verkürzt. Auch wenn Menschen unterschiedlich schnell lesen, so ließe sich die Erzählzeit des Buches kaum auf die eines „normalen“ Spielfilms verkürzen. Es stellt sich demnach die Frage, an welchen Stellen Camus angesetzt hat, um die Erzählzeit zu verkürzen und wie er dies realisiert hat. Die Hauptaspekte sind die Reduzierung der vielen auftauchenden Figuren und Schauplätze und damit einhergehend auch die der unterschiedlichen Dialoge.[5]
Camus reduziert jedoch nicht nur seine Schauplätze, indem er diese und die dazugehörige Handlung wegfallen lässt, sondern er legt teilweise Handlungen unterschiedlicher Orte zusammen. So fällt bspw. die Bäckerei der Doña Matilde, die ihr gleichzeitig als Kupplerstätte dient, weg und dafür wird die Funktion dieses Ortes auf das Café und das Haus der Doña Matilde verlegt.
Interessant bei der Verringerung der Schauplätze ist jedoch, dass Camus einerseits die Handlungsräume grob um die Hälfte reduziert, andererseits aber auch einen neuen Schauplatz einführt. Das Tanzhaus, in dem Victorita sich zusätzliches Geld verdient, taucht nicht in dem Buch von Cela auf. Camus erstellt diesen neuen Ort, um die Narration voranzutreiben. Der Film an sich versucht mehr Spannungsbögen und kohärente Geschichten der Figuren zu kreieren und so dient das Tanzhaus zur Festigung der Charakterbeschreibung und persönlichen Situation Victoritas. Ihr verzweifelter Versuch, so viel Geld wie möglich für ihren tuberkulösen Freund im Krankenhaus zusammenzubringen, wird durch die Szenen im Tanzhaus verstärkt. Zudem wird durch die Einführung dieses Ortes ein Stück der Kultur Spaniens vermittelt.[6] Verstärkt wird dies durch die sich plötzlich füllende Tanzfläche während des Paso Dobles, eines Tanzes der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert sich großer Beliebtheit in Spanien erfreute und interessanter Weise stark mit dem Stierkampf, aber auch dem Militär assoziiert wird (vgl. WIKIPEDIA - Paso Doble). Camus spielt hier also auf die Begeisterungsfähigkeit eines traditionsreichen Spaniens an, die unter der Francodiktatur zu Machtzwecken missbraucht und militarisiert wurde.
Camus verwendet in „La Colmena“ einige weitere Schauplätze, von denen ich zwei genauer untersuchen möchte. Einerseits handelt es sich um das Café der Doña Rosa, das im Mittelpunkt des Buches und des Filmes steht, und andererseits um das Bordell von Jesusa. Beide Orte sind von besonderer Bedeutung für den Plot des Filmes und das Verständnis der Metarezeption.
[...]
[1]Murnau verfilmte, noch zu Stummfilmzeiten, bekannte Werke wie bspw. Goethes „Faust“ (F. W. Murnau: Faust - Eine deutsche Volkssage, 1926, 116 Min.) oder Bram Strokers „Dracula“ (F. W. Murnau: Nosferatu, eine Symphonie des Grauens, 1922, 94 Min.). Hier zeigt sich schon eine wichtige Tendenz. Es ging Regisseuren nicht nur darum, hochkarätige Klassiker zu verfilmen, sondern auch darum, ein breites Publikum anzusprechen und Unterhaltungsliteratur aufzunehmen (IMDb - Murnau)
[2]Dem postmodernen Film wird zwar als ein explizites Merkmal die Intertextualität und Intermedialität nachgesagt. Doch handelt es sich dabei weder um ein ausschließliche auftretendes noch um ein gänzlich innovatives Element.
[3]Auch wenn ich Borstnar hier zitiere, so halte ich den Begriff der „Schwierigkeiten“ für nicht geeignet. Jedes Medium hat seine eigenen Spezifika, die es von den anderen abgrenzt. Sicherlich ist es da auch logisch, dass bei einem Medienwechsel unweigerlich Veränderungen eines Textes entstehen müssen, da er dem jeweiligen Medium angepasst werden muss. Der Begriff der Schwierigkeiten ist meiner Meinung nach in diesem Kontext jedoch zu negativ konnotiert. Geeigneter wären sicherlich Formulierungen wie die Berücksichtigung medienspezifischer Aspekte bei Intermedialität oder die Anpassung des Textes an das jeweilige Medium. Die Formulierung Borstnars zeigt jedoch, dass es nicht immer einfach ist, intertextuell oder gar intermedial zu arbeiten, da das Aufgreifen von Inhalten gepaart mit einem Medienwechsel nicht immer einfach zu vollziehen ist.
[4]Die Geschehnisse innerhalb dieser sechs bis sieben Tage sind in den beiden Werken unterschiedlich verteilt, wobei es meiner Meinung nach auch nicht auf die genaue Zeiteinteilung ankommt, sondern auf die Verdeutlichung der Ausschnitthaftigkeit. Die Übernahme des Zeitraumes einer knappen Woche kann in meinem Verständnis also nur als Repräsentativum für die Alltäglichkeit im Leben zu dieser Zeit stehen. Diese Tage erscheinen als eine rein zufällig aus dem Leben herausgegriffen.
[5]Zu den Aspekten der Reduktion von Figuren und Dialogen werde ich im weiteren Verlauf noch näher eingehen. An dieser Stelle sei erst einmal die Verringerung der Schauplätze untersucht.
[6]An verschiedenen Stellen wir sichtbar, dass Camus nicht nur ein Interesse daran hatte, den Roman von Camilo José Cela zu verfilmen, sondern das Werk auch als Anlass genommen hat, die spanische Kultur der 40er Jahre festzuhalten und zu dokumentieren. Nicht zuletzt verwendet er bspw. originales Filmmaterial aus jener Zeit (siehe Sequenz 36).
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