Das deutsche Bundeswahlsystem


Hausarbeit, 2007

29 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Wahlen und ihre Erscheinungsformen
2.1 Wahlbegriffe und ihre Unterscheidung
2.2 Bedeutung und Funktion von Wahlen in pluralistischen Systemen

3. Voraussetzungen des Wahlsystems auf Bundesebene
3.1 Das demokratische Grundprinzip
3.1.1 Wahlrecht nach Artikel 38 GG
3.1.2 Voraussetzungen für die Teilnahme an Wahlen auf Bundesebene
3.2 Das personalisierte Verhältniswahlrecht
3.2.1 Die Wahlkreise und ihre Bedeutung
3.2.2 Direkt- und Listenstimme
3.2.3 Stimmen-Splitting
3.2.4 Überhangmandate
3.2.5 Die Sperrklausel und Grundmandatsregel
3.2.6 Reformansätze – Standpunkte in der Gegenwart

4. Schlussteil – Perspektiven des deutschen Bundeswahlsystems

5. Abbildungs- und Literaturverzeichnis
5.1 Literaturverzeichnis
5.1.1 Gesetze
5.1.2 Monographien
5.1.3 Aufsätze und Sammelbände
5.2 Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Wahlen sind das wesentliche Charakteristikum einer Demokratie. Durch ihre Anwendung wird in meist indirekter Form die Souveränität des Volkes garantiert und die politische Führung eines Landes legitimiert. Mit Hilfe von Wahlen und Abstimmungen wird die politische Macht eines komplexen Systems auf wenige Vertreter des Volkes übertragen, wobei gerade durch die Bestimmung dieses Führungspersönlichkeiten der Grundsatz der Partizipation der Bevölkerung eines Staates an der Politik gegeben ist. Gleichwohl Wahlen in ihrer Technik das wesentliche Ziel der Bildung einer arbeitsfähigen Regierung in sich vereinigen, unterscheiden sich dennoch ihre Ausprägungen in Abhängigkeit der Begriffsauffassung und der Regierungssysteme in verschiedenen Ländern.

Das deutsche Bundeswahlsystem ist eine „mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl“[1], d.h. es handelt sich in erster Instanz um eine Verhältniswahl, womit die Tragkraft der Zweitstimme unterstrichen werden soll. Rechtlich wird somit die Mehrheitswahl eingeschränkt. Dennoch erfüllt das deutsche Bundeswahlsystem verschiedene Funktionen, die sowohl Vorzüge als auch Nachteile mit sich bringen. Um sich diesen zu nähern, betrachtet die Arbeit zunächst die allgemeinen Begriffe von Wahlen vor allem in Bezug auf pluralistische Systeme. Anschließend sollen die verschiedenen Elemente des personalisierten Verhältniswahlrechts auf Bundesebene vor allem vor dem Hintergrund der gesetzlichen Absicherung im Grundgesetz und dem Bundeswahlgesetz analysiert und kurz diskutiert werden. Dies beinhaltet auch eine Darstellung der Reformansätze und Kritik an der Durchführung der Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland. Anhand der Ergebnisse dieser Kritik soll schließlich auf die Perspektiven des Wahlsystems eingegangen und Gefahren dessen betrachtet werden. Mit Hilfe der Analyse der verschiedenen Elemente des personalisierten Verhältniswahlrechtes und deren kritischen Bezug soll die zentrale Frage geklärt werden, inwiefern das deutsche Bundeswahlsystem zu Stabilität beigetragen hat oder dieses komplexe Prinzip den Wähler überfordert. Damit wird der Gegenstand der aktuellen Forschungen aufgegriffen. Die in den letzten Jahren auf den Gebiet der Bedeutung der Wahlsysteme aktivsten Politikwissenschaftler, unter anderem Dieter Nohlen, Wolfgang Hartensen und Kurt Sontheimer, vertreten eine These, in der gerade der Beitrag des deutschen Wahlsystems zur Stabilität in der Bundespolitik positiv aber dennoch kritisch betrachtet. Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Argumentation der Stabilität der deutschen Politik durch ein gelungenes Wahlsystem zu hinterfragen und zugleich die entscheidenden Elemente des personalisierten Verhältniswahlrechtes zu erörtern.

2. Wahlen und ihre Erscheinungsformen

2.1 Wahlbegriffe und ihre Unterscheidung

Die Durchführung von Wahlen nach ihrer Definition beschränkt sich nicht einzig auf Demokratien. Unter bestimmten Bedingungen finden sie auch in autoritären und totalitären Systemen statt. Dies resultiert aus der funktionalistischen Prägung von Wahlen als Technik[2], mit deren Hilfe Personen mit politischer Macht betraut werden. Aufgrund dieser Tatsache unterscheidet sich das System von Wahlen von anderen Techniken, wie etwa der Erbfolge, der Ernennung von Eliten oder der Machtgewinnung von Amtes wegen.

Bedingt durch die divergierende Auffassung des Begriffes in verschiedenen politischen Systemen erhalten Wahlen unterschiedliche Bedeutungen und Funktionen. Hiernach werden Wahlsysteme in drei Sektoren differenziert[3].

1. Kompetitive Wahlen werden definiert, wenn in einem staatlichen Gebilde der Parteienpluralismus besteht, d.h. der Wähler besitzt uneingeschränkte Auswahlmöglichkeiten an Parteien. Weiterhin wird den Stimmberechtigten Wahlfreiheit garantiert. Jeder Wähler erhält demnach freie Entscheidung, da durch eine Beschränkung dieser faktisch keine Wahl im definitorischen Sinne gewährleistet werden kann. Darüber hinaus müssen Wahlen, um als kompetitiv zu gelten, sowohl rechtlich verankert als auch auf entsprechenden Wahllisten festgeschrieben werden, d.h. bezüglich der Durchführung von Wahlen muss ein Gesetzestext existieren. Weiterhin darf kein Wahlbewerber durch seine Kandidatur benachteiligt werden. Auch während der Wahl muss der Wettbewerb der Kandidaten und die Gleichheit ihrer Chancen auf ein Mandat bestehen. Ein weiteres Kriterium kompetitiver Wahlen ist die Verwendung eines Wahlsystems, das ein Abbild der tatsächlich abgegebenen Stimmen sein muss, wodurch keine übergroßen Mehrheiten entstehen dürfen[4] und eine Wahlentscheidung auf Zeit geltend gemacht wird.
2. Bestehen in einem staatlichen Gebilde Beschränkungen der genannten Elemente, wie zum Beispiel in Bezug auf die Auswahl von Parteien oder der Wahlfreiheit, ohne diese jedoch gänzlich aufzuheben, werden semi-kompetitive Wahlen definiert.
3. Wenn dem Wähler die Auswahl an Parteien und die Wahlfreiheit prinzipiell verwehrt wird, kommt es zur Anwendung nicht-kompetitiver Wahlen.

Abbildung 1: Wahlen und politische Systeme

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Vgl. Nohlen, S. 24

Die Übergänge zwischen den drei Sektoren können fließend sein, d.h. wird eine empirisch-logische Beschränkung des Wahlrechts vorgenommen, muss dies nicht automatisch auf semi-kompetitive Wahlen deuten. Vielmehr verlaufen die Grenzen zwischen den Wahlbegriffen dynamisch und werden nach Gesetzen geregelt.[5]

2.2 Bedeutung und Funktion von Wahlen in pluralistischen Systemen

Wie erwähnt ist der Hauptanspruch von Wahlen die Bildung der politischen Führung eines Landes. Sie sind somit von existentieller Bedeutung, da die Anwendung von Wahlen die Grundlagen des liberalen Demokratieverständnisses bilden. Doch dies allein zeichnet nicht die Funktion kompetitiver Wahlen aus. Vielmehr prägen die Abstimmungen in einem staatlichen Gebilde die Legitimation ihrer Regierung.[6] Wahlen verdeutlichen de jure die Legitimitätsansprüche pluralistischer Systeme und verweisen zudem auf den Legitimitätsglauben des Volkes.[7] Den westlichen Ländern ist demnach gemein, dass in diesen staatlichen Gebilden Wahlen und Abstimmungen das wesentliche Element demokratischer Legitimation sind.[8] Im Vordergrund wird dabei die politische Partizipation des Volkes betrachtet. Zwar kann ein Bürger auch in Bürgerinitiativen, Verbänden und Parteien politische Interessen verfolgen, jedoch bleibt dies aufgrund der Höhe der Mitgliedsbeiträge und des Politikverständnisses häufig den gehoberen Schichten vorbehalten.[9] Darüber hinaus prägen gerade Wahlen und Abstimmungen den demokratischen Anspruch der Souveränität des Volkes.[10] Somit bleiben Wahlen das wichtigste Element der politischen Mitbestimmung.

Der Anspruch an Wahlen verdichtet sich allerdings nicht ausschließlich auf eine Funktion, sondern pluralisiert sich im Kontext eines komplexen Gebildes. Dies lässt sich anhand der verschiedenen Wahlbegriffe erkennen. Die Politik kennt drei entscheidende Faktoren, die den rechtlichen Anspruch und die politische Realität beeinflussen[11]: die gesellschaftlichen, politischen und institutionellen Bedingungen unterschiedlicher Länder, welche in ihrem Zusammenspiel die Variabilität der Funktionen von Wahlen in einem Land spezifisch werden lassen.

Die Funktionen müssen in Bezug auf die Durchführung von Wahlen vor jeder periodischen Abstimmung neu abgegrenzt und definiert werden. Diese Tatsache führt etwa zu leichten Veränderungen in der Programmatik der Parteien sowie Divergenzen in den Wahlergebnissen und beeinflusst somit direkt die Bildung der politischen Führung eines Landes.[12]

Auf die Bundesrepublik Deutschland bezogen ergeben sich folgende Funktionen des Bundeswahlsystems:

1.Legitimierung des politischen Systems und der Bundesregierung gemäß Art. 20 Abs. 2 GG,
2.Übertragung von Vertrauen und politischer Macht auf Personen und Parteien[13],
3.Interessenpluralismus, d.h. die Repräsentation von Meinungen und politischen Interessen im parlamentarischen System[14],
4.Schaffung von politischen Wettbewerb zwischen politischen Parteien unterschiedlicher Ideologien und
5.Erhöhung der Partizipation der Bevölkerung durch die Verdeutlichung politischer Probleme[15].

Um diesen Ansprüchen an ein kompetitives Wahlsystem gerecht zu werden, ist auf Bundesebene die Anwendung einer „mit der Personenwahl verbundene Mehrheitswahl“[16] gesetzlich geregelt.

Anhand der genannten Funktionen einer Wahl und beeinflussenden Faktoren wird im Weiteren geprüft, ob das deutsche Bundeswahlsystem den politischen und theoretischen Anforderungen genügt.

3. Voraussetzungen des Wahlsystems auf Bundesebene

3.1 Das demokratische Grundprinzip

Das demokratische Grundprinzip der Bundesrepublik Deutschland wird im Art. 20 Abs. 2 GG formuliert: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird von Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt.“

Somit wird auf Bundesebene überwiegend die indirekte Demokratie definiert, d.h. die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk beschränkt sich weitgehend auf die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an Wahlen.[17]

3.1.1 Wahlrecht nach Artikel 38 GG

Das demokratische Grundprinzip ist eng an das Wahlrecht nach Art. 38 Abs. 1 GG gebunden. Hier heißt es: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

[...]


[1] Zit. nach §1 Bundeswahlgesetz.

[2] Nohlen, Dieter: Wahlrecht und Parteien. Zur Theorie der Wahlsysteme. 4., korrigierte und aktualisierte Auflage, Opladen: 2004, S. 21.

[3] Ebd., S. 23f.

[4] Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. 7., aktualisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden: 2006, S. 161.

[5] Inwiefern das Bundeswahlsystem Deutschlands ein kompetitives Wahlsystem darstellt analysiert das Kapitel „Bedeutung und Funktion von Wahlen in pluralistischen Systemen“.

[6] Nohlen, S. 25.

[7] Schubert, Klaus; Klein, Martina: Politiklexikon. 4., aktualisiert Auflage, Bonn: 2006, S. 183.

[8] Nohlen, S. 26

[9] Ebd.

[10] Sontheimer, Kurt; Bleek, Wilheln: Grundzüge des politischen Systems Deutschlands. 11., aktualisierte Auflage, München: 2004, S. 271.

[11] Nohlen, S. 29.

[12] Rudzio, S. 167ff.

[13] Sontheimer, S. 271f.

[14] Nohlen, S. 30

[15] Beyme, Klaus von Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung. 10., aktualisierte Auflage, Wiesbaden: 2004, S. 83f.

[16] Zit. nach § 1 Bundswahlgesetz.

[17] Die genaue Praxis der Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk wird im Kapitel „Direkt- und Listenstimme“ dargestellt.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Das deutsche Bundeswahlsystem
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Das politische System der Bundesrepublik Deutschland
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
29
Katalognummer
V72752
ISBN (eBook)
9783638720700
ISBN (Buch)
9783638734615
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bundeswahlsystem, System, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Holger Skorupa (Autor:in), 2007, Das deutsche Bundeswahlsystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72752

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