Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Institutionsbeschreibung
2.1 Entstehung, Aufbau und Struktur
2.2 Lebenshilfe Bad GandersheimSeesen e.V.
2.3 Tagesbildungsstätte
3. Meine praktischen Tätigkeiten
3.1 Allgemeine Aufgaben
3.2 Fallbeispiel P. P.
3.2.1 Vorgeschichte
3.2.2 Beobachtung und Förderung
3.2.3 Reflexion des Schwerpunktthmeas
3.3 Kooperationsprojekt „Werkstatt“
4. Abschlussgedanken
Literaturangaben
Anlage
1. Einleitung
Mein Berufspraktikum habe ich bei der Lebenshilfe Seesen-Bad-Gandersheim e.V. absolviert. In dieser Zeit arbeitete ich in der Tagesbildungsstätte für geistig Behinderte. Während meines Studiums hatte ich mich mit dem Bereich Arbeit mit Behinderten nur sehr wenig beschäftigt. Daher stellte sich für mich die Frage, was überhaupt Behinderung bedeutet.
Als geistig behindert gilt, „wer infolge einer organisch-genetischen oder anderweitigen Schädigung in seiner psychischen Gesamtentwicklung und in seiner Lernfähigkeit so sehr beeinträchtigt ist, dass er voraussichtlich lebenslanger sozialer und pädagogischer Hilfen bedarf. Mit der kognitiven Beeinträchtigung gehen solche der sprachlichen, sozialen, emotionalen und motorischen Entwicklung einher“ (KANTER 1977, S. 242). Eine klare Zuordnung ist aber erst ab dem Schulalter möglich. Der Anteil geistig behinderter Kinder an der Gesamtzahl der Kinder eines Jahrganges wird auf 0,6% geschätzt (OERTER/MONTADA 1998, S. 928).
BACH ( 1982, S. 138) charakterisiert geistige Behinderung als ein stark abweichendes, längerfristiges Vorherrschen anschaulich-vollziehendes Denkens, das durch noch wenig ausgeprägte Vorstellungen von Gegenständen und ihren Beziehungen gekennzeichnet ist.
Im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) heißt es: „Geistig wesentlich behindert ... sind Personen, bei denen in Folge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte die Fähigkeiten zur Eingliederung in die Gesellschaft in erheblichen Umfang beeinträchtigt ist.“
In der Medizin gibt es hierfür den Begriff Oligophrenie, also psychische Zustände, die vererbt oder frühzeitig erworben wurden und hauptsächlich die Intelligenz betreffen. Die Psychologie achtet hierbei vor allem auf die Retadierung der Intelligenz (IQ unter 65), dabei wird jedoch außer acht gelassen, dass bei einer geistigen Behinderung nicht immer eine allgemeine Retardierung vorliegt, sondern manchmal auch nur bestimmte geistige Fähigkeiten betroffen sind.
Die Ursachen geistiger Behinderung sind eher organische Ursachen (ca. 71%), hierbei bilden die Chromosomanomalien die größte Gruppe (20-40%). Weitere Ursachen können u.a. Infektionen und Vergiftungen, Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen, unbekannte pränatale Einflüsse, Traumata und physische Schädigungen, grobe Hirnerkrankungen, Umwelteinflüsse oder andere Ursachen sein (vgl. HENSLE 2000, S. 136f).
Im folgenden werde ich die Einrichtung Lebenshilfe e.V. und die Rahmenbedingungen für die Arbeit mit geistig Behinderten darstellen. Im dritten Teil berichte ich über meine eigenen Erfahrungen während meines Praktikums und reflektiere sie anschließend.
2. Institutionenbeschreibung
2.1 Entstehung, Aufbau und Struktur
Der Verein der Lebenshilfe wurde erstmalig 1958 in Marburg von 15 Ärzten, Eltern und Freunden geistig behinderter Menschen gegründet mit der Zielsetzung, die Lebensbedingungen geistig behinderter Menschen zu verbessern. Dieses Prinzip der Selbsthilfe prägt noch heute die Arbeit der Lebenshilfe; aus einer Initiative von nur 15 Menschen, die die Lebenshilfe als Selbsthilfeorganisation gründeten, ist eine staatlich anerkannte Vereinigung geworden, die sich durch Landesverbände und Ortsvereinigungen über ganz Deutschland ausbreitete (vgl. 25 Jahre Lebenshilfe, Rückblick-Ausblick, 1983).
Heute ist die Lebenshilfe aufgegliedert in eine Bundesvereinigung, 16 Landesverbände und 532 örtliche Vereinigungen.
Die Bundesvereinigung der Lebenshilfe befindet sich in Marburg und ist für die gesamte Vertretung aller Lebenshilfeverbände und –vereinigungen in Deutschland und auf internationaler Ebene zuständig. Die Landesverbände und die örtlichen Vereinigungen sind Mitglieder der Bundesvereinigung. Sie funktioniert als Kommunikations-, Informations-, Dokumentations- und Beratungsstelle. Außerdem entwickelt sie die gemeinsamen Grundlagen zur Förderung geistig behinderter Menschen.
Die 16 Landesverbände verteilen sich auf unsere 16 Bundesländer. Ihre wesentlichen Aufgaben bestehen aus:
- Interessensvertretung der Lebenshilfe gegenüber der Landespolitik
- Schaffung von notwendigen Förderungsangeboten für geistig behinderte Menschen
- Öffentlichkeitsarbeit
- Unterstützung und Beratung der örtlichen Lebenshilfevereinigungen
Die örtlichen Vereinigungen sind im allgemeinen Mitglieder der Landesverbände; sie sind eingetragene Vereine, die ihre Arbeit in eigener Verantwortlichkeit ausführen. Ihre Zuständigkeit bezieht sich u. a. auf Trägerschaften von Einrichtungen (z. B. Kindergärten, Tagesbildungsstätten, Frühförderungen, Werkstätten), Beratung von Eltern und der Schaffung von Freizeitangeboten für geistig behinderte Menschen (Lebenshilfe-Bröschüre, ohne Jahresangabe, S. 9).
2.2 Lebenshilfe Bad Gandersheim-Seesen e.V.
Das Ziel der Lebenshilfe war seit dessen Gründung, geistig behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Deshalb ersieht es die Lebenshilfe als wichtig, geistig behinderte Menschen zu fördern, um ihnen bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu helfen, auf ihre Eingliederung in die Gesellschaft hinzuwirken und vielfältige Hilfen für ihre Familien bereitzustellen (vgl. GRUNDSATZPROGARMM DER LEBENSHILFE, 1990). Aus dieser Motivation heraus wurde 1966 die örtliche Lebenshilfe in Seesen gegründet. Die Lebenshilfe verstand sich damals als Elterninitiative, heute ist die Lebenshilfe eine staatlich anerkannte Einrichtung, die von dem eigentlichen Verein „Lebenshilfe für geistig Behinderte Bad Gandersheim-Seesen e.V.“ getragen wird.
Die Lebenshilfe bietet eine große Auswahl sozialer Dienste an:
- die staatlich anerkannte Tagesbildungsstätte,
- den Heilpädagogischen Kindergarten,
- den Sprachheilkindergarten,
- den Regelkindergarten mit Integrationskindergarten
- den Integrationskindergarten,
- den Familienentlastenden Dienst und
- das Frühförderungsteam
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
- Praxis für Physiotherapie
- Praxis für Ergotherapie
Die nachfolgende Skizze stellt den Aufbau und die Struktur der örtlichen Lebenshilfevereinigung in Seesen dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zivildienstleitende/Praktikanten
Der Vorstand der örtlichen Lebenshilfe in Seesen setzt sich aus dem 1. und 2. Vorsitzenden, einem Schriftführer und bis zu sechs Beisitzern zusammen. Es handelt sich hierbei um ehrenamtliche Mitglieder. Der Vorstand verwaltet das Vereinsguthaben sowie die Senden. Durch ihn wurden in Seesen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt.
Der Geschäftführer ist dem Vorstand untergeordnet. Der Vorstand überträgt ihm die Führung der laufenden Geschäfte. Der Geschäftsführer ist verantwortlich für die wirtschaftlichen Belange und die Verwaltung der Pflegesätze. Bis zu einem bestimmten finanziellen Betrag kann er frei entscheiden, darüber hinaus benötigt er das Einverständnis des Vorstandes.
Der Pädagogische Leiter kümmert sich um die inhaltlichen Belange der pädagogischen Arbeit. Aufgrund der Einrichtungsgröße in Seesen sind der Geschäftsführer und der Pädagogische Leiter eine Person. Dieser Person weiter untergeordnet sind die 1. Gruppenkraft, die die offizielle Gruppenleitung hat und die 2. Gruppenkraft. Am Ende der Hierarchie stehen die Zivildienstleistenden und die Praktikanten. Die Fachberatungen (z.B. Krankengymnastik, Ergotherapie) sind als eigenständige Personen in der Lebenshilfe tätig, daher tauchen sie nicht in der Hierarchie auf.
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