Ein Kennzeichen der modernen Wirtschaft liegt darin, dass weder der Ort der Produktion mit jenem des Konsums zusammenfällt, noch die Zeitpunkte beider Vorgänge unmittelbar aufeinander folgen. Die Aufgabe eines Distributionssystems ist daher die Transformation der Produktionsleistung des Herstellers in räumlicher, zeitlicher, quantitativer und qualitativer Sicht, um so den Bedürfnissen der Nachfrager zu genügen.
Dabei stellt sich das Verhältnis zwischen Hersteller und Handel im Absatzkanal nicht immer als konfliktfrei dar. Vor allem die unterschiedlichen Grundfunktionen von Hersteller und Handel haben die logische Konsequenz, dass auch die jeweiligen Marketingkonzeptionen weitreichende Differenzierungen aufweisen und es stellt sich die Frage, ob es nicht im Interesse beider Parteien sinnvoll wäre, die existierenden Konflikte und Konfrontationen zu überwinden und im Sinne einer konzentrierten Aktion stärker zu koordinieren.Dazu müssen vorhandene Konflikte identifiziert werden, um sie anschließend einer Lösung zuzuführen. Die Untersuchung von Konfliktfeldern zwischen Handel und Hersteller beginnt daher prinzipiell mit einer Analyse der Konfliktursachen, welche dann in die Methoden und Instrumente des Konfliktmanagements münden.
In dieser Arbeit werde nicht Entscheidungskalküle von Herstellern über die Wahl von alternativen Distributionswegen thematisiert, sondern vielmehr der indirekte Vertrieb über den Handel als Absatzmittler vorausgesetzt und problematisiert werden. Dabei sollen zunächst vorhandene und potentielle Konflikte untersucht und dargestellt werden. Anschließend sollen Methoden und Lösungswege skizziert werden, die im Rahmen eines Konfliktmanagements Anwendung finden können.
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
I. PROBLEMSTELLUNG
II. KONFLIKTE IM DISTRIBUTIONSKANAL
1. DAS KONZEPT DES KONFLIKTMANAGEMENTS
2. MACHTSTRUKTUREN IM DISTRIBUTIONSKANAL
III. KONFLIKTANALYSE
1. DIVERGIERENDE ZIELSYSTEME VON HERSTELLER UND HANDEL
2. VERTEILUNGSKONFLIKTE
3. INTERORGANISATIONALE ZIELKONFLIKTE
3.1. Produktpolitische Zielkonflikte
3.2. Distributionspolitische Zielkonflikte
3.3. Kommunikationspolitische Zielkonflikte
3.4. Kontrahierungspolitische Zielkonflikte
IV. KONFLIKTMANAGEMENT
1. MANAGEMENT DES VERTEILUNGSKONFLIKTS
1.1. Spieltheoretische Betrachtung des Verteilungskonflikts
1.2. Konflikthandhabung statt Konfliktlösung
2. MANAGEMENT DER INTERESSENKONFLIKTE
2.1. Spieltheoretische Betrachtung des Interessenkonflikts
2.2. Das Kooperationsdilemma
2.3. Konfliktlösung im Vertikales Marketing
2.3.1. Produktpolitische Zielkonflikte
2.3.2. Distributionspolitische Zielkonflikte
2.3.3. Kommunikationspolitische Zielkonflikte
2.3.4. Kontrahierungspolitische Zielkonflikte
V. FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
TABELLENVERZEICHNIS
TAB. 1: ZIELKONSTELLATIONEN IN DISTRIBUTIONSSYSTEMEN
TAB. 2: KONKURRENZ IM KONSTANTSUMMENSPIEL
TAB. 3: KONKURRENZ IM VARIABELSUMMENSPIEL
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. PROBLEMSTELLUNG
Ein Kennzeichen der modernen Wirtschaft liegt darin, dass weder der Ort der Produktion mit jenem des Konsums zusammenfällt, noch die Zeitpunkte beider Vorgänge unmittelbar aufeinanderfolgen. Die Aufgabe eines Distributionssystems ist daher die Transformation der Produktionsleistung des Herstellers in räumlicher, zeitlicher, quantitativer und qualitativer Sicht, um so den Bedürfnissen der Nachfrager zu genügen.1
Dabei stellt sich das Verhältnis zwischen Hersteller und Handel im Absatzkanal nicht immer als konfliktfrei dar. „Conflict is as pervasive a phenomen in distribution channels as it is in other interorganizational systems.“2 Vor allem die unterschiedlichen Grundfunktionen von Hersteller und Handel haben die logische Konsequenz, dass auch die jeweiligen Marketingkonzeptionen weitreichende Differenzierungen aufweisen und es stellt sich die Frage, ob es nicht im Interesse beider Parteien sinnvoll wäre, die existierenden Konflikte und Konfrontationen zu überwinden und im Sinne einer konzentrierten Aktion stärker zu koordinieren.3
Dazu müssen vorhandene Konflikte identifiziert werden, um sie anschließend einer Lösung zuzuführen. Die Untersuchung von Konflikfeldern zwischen Handel und Hersteller beginnt daher prinzipiell mit einer Analyse der Konfliktursachen, welche dann in die Methoden und Instrumente des Konfliktmanagements münden. In dieser Arbeit sollen nicht Entscheidungskalküle von Herstellern über die Wahl von alternativen Distributionswegen thematisiert werden, sondern es soll vielmehr der indirekte Vertrieb über den Handel als Absatzmittler vorausgesetzt und problematisiert werden.4 Dabei sollen zunächst vorhandene und potentielle Konflikte untersucht und dargestellt werden. Anschließend sollen Methoden und Lösungswege skizziert werden, die im Rahmen eines Konfliktmanagements Anwendung finden können.
II. KONFLIKTE IM DISTRIBUTIONSKANAL
1. DAS KONZEPT DES KONFLIKTMANAGEMENTS
In der sozialwissenschaftlichen Literatur haften dem Konfliktbegriff viele Definitions- versuche an. Ein betriebswirtschaftlich geeigneter, allgemein gefasster Konfliktbegriff kann sich an der Begriffsbestimmung nach Dahrendorf orientieren. Demnach sind „Konflikte allgemein Gegensätzlichkeiten in den Beziehungen zwischen Elementen“5. Eine auf Distributionskanäle bezogene Definition des Konflikts stellt somit einen Spannungszustand innerhalb des Distributionssystems dar, welcher durch inkompatible Verhaltensweisen im Hinblick auf die Zielerreichung des Herstellers und des Handels ausgelöst wird.6 „Each member of the marketing channel has his own goals. When the goals of two [...] of the members are incompatible, conflict can result. Incompatible goals often arise between channel members.“7 Konflikte entstehen folglich dadurch, dass die Handlungspläne von Hersteller und Handel aufgrund unterschiedlicher und sich z.T. auch ausschließenden Zielsetzungen miteinander konkurrieren.8
Unter Konfliktmanagement werden nun „alle Verhaltensweisen der Konfliktparteien bezeichnet, die darauf abzielen, einen Konflikt zu ‚bewältigen‘ und Streitpunkte zu beseitigen“9. Dies umfasst einerseits die Ermittlung der Entstehungsursachen und der Auswirkungen von Konflikten und andererseits die Entwicklung von Maßnahmen, wie bestehende Konflikte gehandhabt und überwunden werden können.10 Dabei determinieren vornehmlich die Machtstrukturen in einem Distributionskanal, d.h. das Verhältnis von Angebotsmacht des Herstellers zur Nachfragemacht des Handels, die Ausgestaltung und Formen des Konfliktmanagements und haben entscheidenden Einfluss darauf, welche Interessen sich letztendlich durchsetzten werden.
2. MACHTSTRUKTUREN IM DISTRIBUTIONSKANAL
„Power has to do with the capacity of one party to control or influence the behavior of another party.“11 Machtbeziehungen kennzeichnen die Fähigkeit eines Individuums, ein anderes Individuum zu einem Verhalten zu veranlassen, das es sonst nicht ergreifen würde. Sie spiegeln folglich die Bereitschaft des Beeinflussten wider, „fremde“ Entscheidungsprämissen zu akzeptieren.12
Bisher wurden die Absatzkanäle im Allgemeinen durch die Angebotsmacht der Hersteller dominiert, während der Handel eine untergeordnete Rolle spielte. Unter dieser Konstellation der asymmetrischen Machtverteilung zugunsten des Herstellers hatte sich der Handel den Zielen seines im Distributionskanal vorgelagerten Marktpartners anzupassen. Hierbei traf der Hersteller seine Entscheidungen autonom, der Distributionskanal wurde von den Interessen des Herstellers beherrscht. Staudacher beschreibt diesen Sachverhalt mit der Autonomieund Beherrschungsstrategie.13 Prinzipiell gilt immer das Prinzip, dass diejenige Marktseite in der Hersteller-Handel-Beziehung mit dem größeren Machtpotential der anderen Marktseite ihr Konzept aufzwingen und bestimmte Konditionen festsetzen kann.
Jedoch hat sich die Machtasymmetrie durch eine Steigerung der Nachfragemacht als Folge von Kooperations- und Konzentrationstendenzen im Handel zunehmend ausgeglichen, sodass heute von einem ausgewogenen Machtverhältnis zwischen Hersteller und Handel gesprochen werden kann.14 Internationale Expansionen durch Einkaufskooperationen im Zuge der Öffnung der europäischen Märkte fördern diesen Trend.15 So beherrschen bspw. die 30 größten deutschen Unternehmen des Lebensmittelhandels eine Marktanteil von über 95%, auf europäischer und weltweiter Ebene nehmen diese Daten sogar noch extremere Dimensionen an.16 Das Selbstverständnis des Handels hat sich infolge dieser Prozesse vom Status des „reinen Warenverteilers“ oder „passiven Erfüllungsgehilfen“ hin zum „gleichberechtigten Partner“ entwickelt.17
Nach Kotler lassen sich drei Erscheinungsformen der vertikalen Beziehung zwischen Hersteller und Handel unterscheiden:18 machtstellungsgebundene, eigentumsgebundene und vertragsgebundene (freiwillige) Kooperation. Die Darstellung der machtstellungs- gebundenen Variante ist aufgrund des dargestellten Machtausgleichs hinfällig, ebenso kann davon ausgegangen werden, dass der Zustand des „common ownership“19 im Absatzkanal kein explizites Konfliktmanagement erfordert. Deshalb sollen im Folgenden Konflikte und deren Lösungsansätze nur auf eine freiwillig eingegangene und eventuell vertraglich fixierte vertikale Kooperation zwischen Hersteller und Handel bezogen werden.
III. KONFLIKTANALYSE
1. DIVERGIERENDE ZIELSYSTEME VON HERSTELLER UND HANDEL
„Differences over goals are probably the most serious source of conflict.“20 Bei der Untersuchung von Konfliktursachen müssen nach Steffenhagen die Dimensionen der Zielsetzung und der Zielerreichung gegenübergestellt und verglichen werden. Die Zielsetzungen von Hersteller und Handel können sich entweder entsprechen oder widersprechen, sodass zwischen Zielentsprechung bzw. Zieldivergenz differenziert werden kann. Dagegen sind in der Dimension der Zielerreichung die Zustände der Zielverträglichkeit und der Zielkonkurrenz möglich. Die Verträglichkeit und Konkurrenz von Zielen beziehen sich auf die Konsequenzen hinsichtlich der Zielerreichungsgrade, wenn identische oder divergente Ziele vom Hersteller und Handel verfolgt werden. Zielkonkurrenz liegt vor, wenn die Erhöhung des Zielerreichungsgrades der einen Seite nur zu Lasten der anderen möglich ist. Wenn sich diese Erhöhung aber sowohl auf der Seite des Herstellers, als auch auf der des Handels vollzieht, dann wird von Zielverträglichkeit gesprochen.21
Tab. 1: Zielkonstellationen in Distributionssystemen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Steffenhagen, 1975, S. 78.
Wenn Hersteller und Handel identische Ziele verfolgen und sich diese im Grad der Zielerreichung nicht negativ beeinflussen, dann entspricht das der Zielkonstellation des Feldes (1). Unter diesen Bedingungen scheinen schwerwiegende Konflikte unwahrscheinlich zu sein. Auch unter der Zielkonstellation in Feld (2) sind Konflikte eher nicht zu erwarten. Zwar verfolgen Hersteller und Handel hier formal unterschiedliche Ziele, jedoch konkurrieren die Ziele nicht. Folglich sind die Fälle der Zielverträglichkeit irrelevant für eine Konfliktanalyse, welche primär die Zielkonstellationen der Felder (3) und (4) fokusieren muss.22
2. VERTEILUNGSKONFLIKTE
Die in Feld (3) vorherrschende Konstellation wird in der Literatur meist als Verteilungskonflikt bezeichnet. Dieser entsteht immer dann, wenn knappe Mittel zwischen verschiedenen Parteien aufgeteilt werden müssen.23
Hersteller und Handel verfolgen zum einen identische oder zumindest ähnliche Ziele, sog. „superordinate goals”24, jedoch herrscht Konkurrenz im Zielerreichungsgrad. „All firms in a distribution channel have similar general goals: profitability, acess to goods and services, efficient distribution, and customer loyalty.”25 In Distributionssystemen äußert sich der Verteilungskonflikt darin, wie die im Absatzkanal erwirtschafteten Gewinne, Umsätze und entstandene Kosten zwischen Hersteller und Handel aufzuteilen sind. Streitpunkte sind dabei die Konditionsforderungen des Handels an die Hersteller, der Streit um Werbungskostenzuschüsse, Rabattstaffeln, Plazierungsprämien usw..26
3. INTERORGANISATIONALE ZIELKONFLIKTE
Die Zielkonstellation im Feld (4) umfasst alle diejenigen Fälle, in denen eine Beeinträchtigung der Zielerreichung einer Partei erfolgt, weil Hersteller und Handel divergente Ziele verfolgen. Sie stellen die interorganisationalen Zielkonflikte dar, da davon ausgegangen werden muss, dass Hersteller und Handel nicht nur übereinstimmende Unternehmensziele verfolgen. Noch deutlicher wird das mögliche Konfliktpotential, wenn spezifische „Marketing-Subziele“ betrachtet werden, die weiter in produkt-, preis-, distributions- und kommunikationspolitische Teilziele untergliedert werden können.27
[...]
1 Vgl. Barth, 1999, S. 1; Wöhe, 1996, S. 716; Nieschlag et al., 1994, S. 426.
2 Stern et al., 1973, S. 169.
3 Vgl. Thies, 1976, S. 17.
4 Zur optimalen Wahl des Absatzweges vgl. das Optimierungsmodell von Montgomery/Urban, 1972.
5 Dahrendorf, 1961, S. 201.
6 Vgl. Specht, 1998, S. 285.
7 Rosenbloom, 1978, S. 72.
8 Vgl. Jost, 1999, S. 12; Kroeber-Riel/Weinberg, 1972, S. 527.
9 Steffenhagen, 1975, S. 27.
10 Vgl. Wöhe, 1996, S. 87; Steffenhagen, 1975, S. 29.
11 Rosenbloom, 1978, S. 84f.
12 Vgl. Steffenhagen, 1975, S. 48.
13 Vgl. Staudacher, 1993, S. 38.
14 Vgl. Barth, 1999, S. 6f.; Specht, 1998, S. 215f.; Pepels, 1995, S. 46; Staudacher, 1993, S. 30f.; Steffenhagen, 1983, S. 92; Thies, 1976, S. 38.
15 Vgl. Irrgang, 1993, S. 22.
16 Vgl. Die Lebensmittelzeitung - Internet Edition, 2001.
17 Vgl. Nieschlag et al., 1994, S. 426; Klein, 1993, S. 122; Staudacher, 1993, S. 30.
18 Vgl. Kotler/Bliemel, 1999, S. 846ff.
19 Buzzell/Ortmeyer, 1995, S. 86.
20 Mallen, 1977, S. 234.
21 Vgl. Steffenhagen, 1975, S. 76ff.
22 Vgl. ebenda, S. 78.
23 Vgl. Tröndle, 1987, S. 138ff.; Steffenhagen, 1983, S. 93; Krüger, 1981, S. 913; Kroeber-Riel/Weinberg, 1972, S. 529.
24 Stern/Sternthal/Craig, 1973, S. 170.
25 Evans/Berman, 1997, S. 424.
26 Vgl. Steffenhagen, 1983, S. 93.
27 Vgl. Specht, 1998, S. 286; Thies, 1976, S. 40; Steffenhagen, 1975, S. 25 und S. 74.
- Arbeit zitieren
- Dr. rer. pol. Michael Ruf (Autor:in), 2002, Konfliktmanagement zwischen Hersteller und Handel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72920