Der Streit um den Victoriaaltar und die Argumentation des Bischofs Ambrosius von Mailand


Seminararbeit, 2007

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Anlass der Auseinandersetzung: Die 3. Relatio des Symmachus

3. Zur Argumentation des Bischofs Ambrosius im 72. Brief

4. Der 73. Brief als argumentative Reaktion auf die 3. Relatio des Symmachus

5. Zusammenfassung und Ergebnis_

6. Literatur und Quellen
6.1 Literatur
6.2 Quellen

7. Abkürzungsverzeichnis und Erläuterungen

1. Einführung

Am Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. wurde in der Regierungszeit Theodosius’ das Christentum zur Staatsreligion erhoben. Nachdem die so genannte „Konstantinische Wende“ 313 zunächst das Ende der Unterdrückung des christlichen Glaubens darstellte, sollte es noch rund 80 Jahre dauern, bis der christliche Glaube als alleinige Religion die altrömischen Kulte aus dem öffentlichen Leben verdrängte. Diese Zeit ist geprägt von ideologischen und politischen Auseinandersetzungen christlicher und heidnischer Vertreter. Letztere wollten vor allem ihre über Jahrhunderte währende Stellung im Reich aufrechterhalten. Eine der bedeutendsten intellektuellen Auseinandersetzungen fand in den 80er Jahren des 4. Jahrhunderts statt. Sie handelte von dem Streit um den Victoria-Altar. Hintergrund ist die Entfernung eines heidnischen, der Siegesgöttin Victoria gewidmeten Altars aus dem Sitzungsgebäudes des Senats Curia Julia durch Kaiser Gratian im Jahre 382.[1] Aus Sicht der Anhänger des römischen Paganismus konnte diese Maßnahme, die in Verbindung mit weiteren Einschränkungen – wie beispielsweise der Streichung von finanziellen Privilegien – zu sehen ist, nicht hingenommen werden. Die Proteste der Heiden äußerten sich daher bereits sehr früh: eine Gesandtschaft unter Führung des späteren Stadtpräfekten und überzeugten Anhänger der römischen Kulte. Symmachus reiste nach Mailand, dem Residenzort des Kaisers, um die Rücknahme der Beschlüsse zu erreichen. Allerdings scheiterte dieser erste Versuch, den Victoriaaltar wieder an seinen alten Platz zu befördern, an der Intervention des Bischofs Ambrosius von Mailand, der mit dem Papst Damasus und den christlichen Mitgliedern des Senats durchsetzen konnte, dass die heidnische Gesandtschaft nicht zum Kaiser vorgelassen wurde. Symmachus und Ambrosius sind die zentralen Personen, die beiden wichtigsten Kontrahenten in diesem Streit. Nach dem Tode Gratians unternahm Symmachus erneut den Versuch, den Kaiser – nun dessen Halbbruder Valentinian II.- umzustimmen, indem er diesem seine 3. Relatio zukommen ließ, in der er die Notwendigkeit erläutert, dem Heidentum die alten Privilegien zuzugestehen und den Victoriaaltar an seinen ursprünglichen Platz zu stellen. Erneut intervenierte Bischof Ambrosius mit zwei Briefen an den kaiserlichen Hof, und zwar wieder mit Erfolg. Der in Trier geborene Kirchenvater erreichte es, den wankelmütigen Valentinian endgültig auf seine Linie zu bringen: mit dem Ergebnis, dass der Kaiser die Bitten Symmachus’ und damit die Anliegen der Heiden ausschlug.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen bei der näheren Betrachtung dieses Streits die 3. Relatio Symmachus’ und die sich darauf beziehenden Briefe 72 und 73[2] von Ambrosius, die den Streit dokumentieren. Da Ambrosius letztlich überzeugender auf den jungen Kaiser Valentinian II. und seine Berater gewirkt haben muss, soll in dieser Seminararbeit die Argumentation Ambrosius’ in seinen beiden Schreiben an Valentinian untersucht werden. Besonders wird der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert der christliche Glaube bei den Erläuterungen des Bischofs einnimmt. Abschließend sollen in einem kurzen Fazit die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammengefasst werden.

Beginnen wird die Studie mit einer inhaltlichen Zusammenfassung der 3. Relatio Symmachus’, da Ambrosius Antwort somit verständlicher und die Bearbeitung seiner Argumentation nachvollziehbarer wird. Anschließend – im Hauptteil dieser Seminararbeit – sollen die beiden Briefe Ambrosius’ unter dem Aspekt der Fragestellung untersucht werden.

2. Anlass der Auseinandersetzung: Die 3. Relatio des Symmachus

In seinem Schreiben an den Kaiser, der sog. 3. Relatio, erinnerte Symmachus, der zu diesem Zeitpunkt Stadtpräfekt Roms war, daran, dass er bereits einmal versucht hatte, bei Gratian Gehör für sein Anliegen zu finden, was allerdings von „schlechten Leuten“ hintertrieben worden sei.[3] Gemeint sind hiermit offenbar Ambrosius und der Bischof von Rom, Pontifex Damasus, die verhinderten, dass die Gesandtschaft unter Führung Symmachus’, die kurz nach der Entscheidung Gratians bei diesem vorsprechen wollte, am Mailänder Hof vorgelassen wird.

Anschließend kommt Symmachus bereits auf den Streitgegenstand, den Victoriaaltar, zu sprechen. Er betont die Verdienste und den Nutzen der Göttin Victoria für das Römische Reich, bevor er auf die eigentliche Funktion des Altars aus Sicht der Heiden eingeht: dieser sichere, so Symmachus, die Eintracht aller Senatsmitglieder und verhindere Meineide. Es wird weiterhin deutlich, dass im heidnischen Verständnis vor dem Altar ein Eid von den Mitgliedern abzulegen sei- Symmachus scheint hier keine Ausnahme bei den christlichen Senatoren zu machen, im Gegenteil: er gebraucht mehrfach das Wort „omnia“ (alle)- diese Aussage wird Ambrosius später als ein wesentlicher Angriffspunkt und der Argumentation gegen diesen Altar dienen. Weiterhin ermahnt Symmachus den Kaiser, aus dem „lapsus“[4], dem Fehltritt, des Constantius (II.) zu lernen. Er will hiermit offensichtlich daran erinnern, dass bereits dieser Herrscher den Victoriaaltar entfernt habe, und zwar während eines Rom-Besuchs im Jahre 357.[5] Dieser Fehler dürfe sich nicht wiederholen, stattdessen solle der Empfänger der Schrift[6], Kaiser Valentinian, sich andere Taten des Constantius zum Vorbild nehmen. Dieser habe beispielsweise auf die Streichung von Privilegien (wie sie Gratian vorgenommen hat, Anmerkung d. Verfassers) verzichtet. Schließlich erläutert Symmachus die Notwendigkeit der Privilegien für heidnische Priester. Seiner Ansicht nach resultiert aus der Streichung der Vorrechte der Verlust des Wohlwollens der Götter, der zu Missernten und Hungersnöten führte.

Abschließend fordert er den Kaiser nachdrücklich auf, die Beschlüsse des Bruders Gratian zu korrigieren.

3. Zur Argumentation des Bischofs Ambrosius im 72. Brief

Schon in der Begrüßungsformel des 72. Briefes, der Anrede, wird deutlich, worauf sich Ambrosius’ Argumentation im Wesentlichen stützen wird: auf den christlichen Glauben und die Hoffnung, dass dieser bei dem Empfänger des Schreibens so sehr verinnerlicht ist, dass die glaubensorientierten Argumente des Bischofs bei Valentinian auf fruchtbaren Boden stoßen werden. Ambrosius bezeichnet den jüngeren Bruder Gratians als den „christianissimo imperatori“[7], den „christlichsten Kaiser“ –man beachte den Superlativ-, womit gleich zu Beginn des Briefes eine Erwartungshaltung des Kirchenvaters deutlich wird: er setzt voraus, dass Valentinian ein christlicher Herrscher ist und als solcher auch im Namen des Christentums regiert.

Die Vermutung, dass christliche Argumente bei den Überzeugungsversuchen Ambrosius’ eine wesentliche Rolle spielen werden, bestätigt sich bereits im ersten Absatz des Briefes. Der Kaiser diene dem allmächtigen Gott und dem heiligen Glauben, so Ambrosius. Des Bischofs ablehnende Haltung zum heidnischen Glauben kommt ebenfalls schon im ersten Abschnitt des Briefes zum Ausdruck, wo dieser aus dem Psalm 95 zitiert; dort heißt es, dass die Götter der Heiden Dämonen seien. Dieses Bibelzitat bleibt kein Einzelfall, Ambrosius wird noch weitere Male in beiden Briefen den Rückgriff auf die Heilige Schrift vornehmen. Dieser Teil seiner Argumentation ist von großer Bedeutung, da er zeigt, dass der Bischof tatsächlich in erster Linie als überzeugter Christ argumentiert. In diesem Fall macht er dies, indem er sich auf die entscheidenden Autoritäten des Christentums beruft und – im christlichen Verständnis – aus dem in der Bibel dargelegten „Wort Gottes“ zitiert.[8] Ein wahrer Christ – so äußert Ambrosius schließlich dem Sinne nach – könne unmöglich akzeptieren, dass die Heiden ihre Götterbilder verehren und ihren Kulten nachgehen. Aus dieser Aussage könnte man schlussfolgern, dass es aus der Sicht des Bischofs erst recht völlig inakzeptabel wäre, wenn der Kaiser sich dem Willen der Heiden beugt und die in der 3. Relatio Symmachus’ geäußerten Wünsche umsetzt. Die Tendenz des Schreibens wird schon an dieser Stelle deutlich: Ambrosius spricht sich selbstverständlich gegen den Willen der Anhänger der altrömischen Religion aus. Er findet es auch geradezu absurd, dass – und nun bezieht er sich zum ersten Mal auf die Relatio Symmachus’- angesichts des christlichen Glaubens Valentinians die Heiden erwarten, dass dieser die heidnischen Altäre wiedererrichtet und die von Gratian abgeschafften Privilegien wieder einführt. Ambrosius reagiert also in seinem ersten Brief mit scheinbarer Verständnislosigkeit auf die Forderungen der Heiden – und hofft offensichtlich, dass er Ähnliches bei Valentinian auslösen kann. Als nächstes Argument führt er die Christenverfolgungen an und bringt dabei sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass ausgerechnet jene, die nicht davor zurückschreckten, Christen zu töten und deren Kirchen zu zerstören, nun über den Verlust eigener Privilegien klagen und die Aufhebung von Gratians Maßnahmen verlangen. Als Exemplum[9] für den Christen unlängst geschehenes großes Unrecht nennt Ambrosius das von Kaiser Julian erlassene Rhetorenedikt. Dieses Gesetz belegte christliche Lehrer der Disziplinen Grammatik und Rhetorik mit einem Berufsverbot.[10] Der Bischof unterstellt Symmachus und seinen Gefolgsleuten somit eine gewisse Frivolität und Maßlosigkeit, da sich die Täter von einst in der Opferrolle glauben und vom Kaiser erwarten, dass ihre Forderungen erfüllt werden. Aus Sicht von Ambrosius – so könnte man schlussfolgern – ist dies ein weiterer Grund, auf die Bitten der Heiden nicht einzugehen.

Schließlich bringt Ambrosius ein weiteres Motiv in die Diskussion ein, das später noch wiederkehren wird: die Treue zu Valentinians bereits verstorbenen Bruder Gratian. An dieser Stelle spekuliert der Verfasser offensichtlich darauf, Valentinian emotional zu bewegen und ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen, nicht von den religionspolitischen Grundsätzen des Bruders abzuweichen. Als nächstes sprachliches Mittel, das der Überzeugung Valentinians dienen soll, wählt Ambrosius einen Vergleich, und zwar zwischen einer Kriegssituation, in der der Ratschlag eines erfahrenen Mannes erforderlich sei, und Religionsangelegenheiten, bei denen die Besinnung auf Gott gefragt ist.[11] Dieser Vergleich könnte dahingehend interpretiert werden, dass Ambrosius den Streit mit den Heiden als erbitterten Kampf sieht –möglicherweise will er Valentinian auch den Ernst der Lage verdeutlichen und klarstellen, dass für den Fall der Nachgiebigkeit in dieser Angelegenheit eine Renaissance des heidnischen Glaubens drohen könnte. Bemerkenswert ist die sich daran anschließende Äußerung, die einen etwas versöhnlicheren Ton gegenüber Symmachus erkennen lässt. Er gesteht dem römischen Stadtpräfekten immerhin Religionsfreiheit zu. Der Toleranzgedanke scheint bei Ambrosius eine wichtige Rolle zu spielen trotz aller Abneigung gegen die heidnische Religion und der Ablehnung ihrer Forderungen. Möglicherweise sollen diese vergleichsweise milden Aussagen dem Zweck dienen, es Valentinian leichter zu machen, den Wünschen des Bischofs zu entsprechen, indem dieser sich als Mann des Ausgleichs präsentiert und nicht als radikaler christlicher Heidenbekämpfer in Erscheinung tritt. Ambrosius lehnt den altrömischen Glauben zwar rigoros ab, will mit Sicherheit aber auch den Eindruck vermeiden, er sei jemand, der Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden schüre. Die Bitten eines Fundamentalisten zu bewilligen, käme für Valentinian sicherlich weniger in Frage, als die Vorschläge eines besonnen Geistlichen zu akzeptieren. Insofern sind die Avancen gegenüber Symmachus wohl eher taktischer Natur.

[...]


[1] Wytzes, J.: Der letzte Kampf des Heidentums in Rom. Leiden 1977, S. 4

[2] Nach neuer Nummerierung, vorher 17 (72) und 18 (73)

[3] Nach der Übersetzung von Wytzes, S. 201

[4] Vgl. Rel. Symm. In: Wytzes, S. 202 (lateinischer Originaltext)

[5] Vgl. Dassmann, Ernst: Ambrosius von Mailand. Leben und Werk. Stuttgart 2004, S. 84

[6] Laut Dassmann ist es unklar, ob Symmachus die Bittschrift persönlich vortrug o. nur überreichen konnte. Dassmann, S. 84

[7] Ep. 72 (17). In: Richard Klein: Der Streit um den Victoriaaltar. Die dritte Relatio des Symmachus und die Briefe 17, 18 und 57 des Bischofs Ambrosius von Mailand. Einführung, Text und Erläuterungen. Darmstadt 1972, S. 117

[8] Vgl. hierzu die Ausführungen zum Rückgriff auf Autoritäten bei der Argumentation. In: Schlüter, Hermann: Grundkurs der Rhetorik. München 1994, S. 51

[9] Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft. Stuttgart 1990, S. 699

[10] Bringmann, Klaus: Kaiser Julian. Darmstadt 2004, S. 123 f.

[11] Ep. 72, 7

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Streit um den Victoriaaltar und die Argumentation des Bischofs Ambrosius von Mailand
Hochschule
Universität Rostock  (Heinrich--Schliemann-Institut für Altertumswissenschaften Rostock)
Veranstaltung
Reichskrise der Spätantike- Theodosius und seine Nachfolger
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V72995
ISBN (eBook)
9783638719070
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Arbeit wird der Streit um den Victoriaaltar 383 unter besonderer Berücksichtigung der Argumentation des Bischofs Ambrosius von Mailand untersucht. Diese Auseinandersetzung wird auch als der "letzte Kampf des Heidentums im Römischen Reich" (Wytzes) betrachtet und ist für die Entwicklung der christlichen Religion in Europa von besonders großer Bedeutung. Widersacher des Bischofs und Kirchenvaters Ambrosius war der römische Stadtpräfekt und Vertreter der heidnischen Kulte Symmachus.
Schlagworte
Streit, Victoriaaltar, Argumentation, Bischofs, Ambrosius, Mailand, Reichskrise, Spätantike-, Theodosius, Nachfolger
Arbeit zitieren
Robert Liniek (Autor:in), 2007, Der Streit um den Victoriaaltar und die Argumentation des Bischofs Ambrosius von Mailand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72995

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