n der chemiedidaktischen Literatur werden toxikologische Fragestellungen in anderen Zusammenhängen oft theoretisch mitbehandelt, aber eine für den Unterricht geeignete experimentelle Erschließung der Toxikologie und besonders ihrer Grundlagen hat bisher nicht stattgefunden. Meistens werden nur spezielle Aspekte, einzelne Gifte oder Stoffgruppen betrachtet. Vielfach publiziert sind die Enzymhemmung durch Schwermetalle und Nachweisreaktionen für Gifte. Die medizinische Behandlung von Schwermetallvergiftung wurde auch schon thematisiert. Wendet man sich der Biologiedidaktik zu, so ist festzustellen, dass dort abgesehen von der Enzymhemmung und Nachweisen ebenso wenig Experimente zur Toxikologie vorgestellt werden. Es finden sich neben der genauso vorhandenen theoretischen Behandlung vor allem Unterrichtsmaterialien zu Giftpflanzen und –tieren.
Doch auch für das Thema „Toxikologie“ gilt selbstverständlich, dass die experimentelle Behandlung im Unterricht einer rein theoretischen Erarbeitung vorzuziehen ist. Empirische Untersuchungen belegen, dass der Chemieunterricht von den Schülern eher als positiv erlebt wird, wenn experimentiert wird. Im Rahmen dieser Arbeit wurden deshalb Experimente entwickelt, mit deren Hilfe im Chemieunterricht ein Basiswissen zur Toxikologie erarbeitet werden kann. Insbesondere können den Schülern anhand der Versuche Antworten auf folgende Fragen gegeben werden: Was ist ein Gift? Wie reagiert ein Organismus auf ein Gift? Was bewirkt ein Gift im Organismus? Wie kann eine Vergiftung behandelt werden und worauf sollte dabei geachtet werden?
Zunächst werden daher theoretische Grundlagen erarbeitet, wobei die aufgeführten Fragen im Mittelpunkt stehen (Kapitel2). Im Folgenden werden dann methodisch-didaktische Überlegungen angestellt. Ausdrücklich wird darauf eingegangen, welche Bezüge die Toxikologie zur Erfahrungswelt der Schüler hat, was für und was gegen eine Behandlung im Unterricht spricht und an welchen Stellen die Versuche im Lehrplan eingeordnet werden können (Kapitel3). Im Anschluss daran werden die Versuche vorgestellt, die sich als im Unterricht einsetzbar erwiesen haben, um das Thema „Toxikologie“ experimentell zu erarbeiten (Kapitel4). Zum Abschluss werden Anregungen zur weiteren Vertiefung des Themas im Rahmen fachdidaktischer Arbeiten gegeben und die gefundenen Ergebnisse sowohl zusammengefasst als auch kritisch bewertet (Kapitel5).
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Theoretische Grundlagen
- 2.1 Allgemeines
- 2.1.1 Toxikologie – eine Definition
- 2.1.2 Gift – eine Annäherung
- 2.1.3 Aufgaben der Toxikologie
- 2.1.4 Quellen der toxikologischen Erkenntnis
- 2.1.5 Häufigkeit von Vergiftungen und Vergiftungsmöglichkeiten
- 2.2 Toxikokinetik
- 2.2.1 Invasion
- 2.2.1.1 Liberation
- 2.2.1.2 Resorption
- 2.2.1.2.1 Eintrittspforten
- 2.2.1.2.2 Resorptionsmechanismen
- 2.2.1.2.3 Einflussfaktoren
- 2.2.1.2.4 Resorptionsmodelle
- 2.2.2 Distribution
- 2.2.3 Evasion
- 2.2.3.1 Exkretion
- 2.2.3.2 Biotransformation
- 2.2.3.2.1 Phase-I-Reaktionen
- 2.2.3.2.2 Phase-II-Reaktionen
- 2.2.3.2.3 Biotransformation von Acetylsalicylsäure
- 2.2.3.2.4 Beeinflussung der Biotransformation
- 2.2.3.2.5 Entgiftung und Giftung
- 2.3 Toxikodynamik
- 2.3.1 Einteilung toxischer Wirkungen
- 2.3.2 Auswirkungen von Mischintoxikationen
- 2.3.3 Wirkungsmechanismen von Giften
- 2.3.4 Zusammenfassung toxischer Wirkungen
- 2.4 Therapie der Vergiftungen
- 2.4.1 Allgemeines Vorgehen
- 2.4.2 Primäre Giftentfernung
- 2.4.2.1 Vergiftung durch Inhalation
- 2.4.2.2 Vergiftung durch Hautkontamination
- 2.4.2.3 Orale Vergiftung
- 2.4.2.3.1 Induzierte Emesis
- 2.4.2.3.2 Magenspülung
- 2.4.2.3.3 Adsorbentien
- 2.4.2.3.4 Forcierte Diarrhö
- 2.4.2.3.5 Ortho- und anterograde Darmspülung
- 2.4.2.3.6 Lokalantidote
- 2.4.3 Sekundäre Giftentfernung
- 2.4.3.1 Hyperventilation
- 2.4.3.2 Forcierte Diurese
- 2.4.3.3 Hämodialyse
- 2.4.3.4 Hämofiltration
- 2.4.3.5 Hämodiafiltration
- 2.4.3.6 Hämoperfusion
- 2.4.3.7 Plasmapherese
- 2.4.3.8 Plasmaperfusion
- 2.4.3.9 Austauschtransfusion
- 2.4.3.10 Peritonealdialyse
- 2.4.3.11 Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs
- 2.4.4 Antidote
- 3 Fachdidaktischer Teil
- 3.1 Toxikologie im Chemieunterricht – Pro und Kontra
- 3.2 Fachdidaktischer Kommentar zu den Experimenten
- 3.3 Einordnung in den Lehrplan des Landes Hessen
- 4 Experimenteller Teil
- 4.1 Grundlagen der Toxikologie
- 4.1.1 Herstellung von Nähragarplatten
- 4.1.2 Hemmung des Wachstums von Milchsäurebakterien auf Nähragarplatten
- 4.1.3 Hemmung des Wachstums von Milchsäurebakterien in einer Nährlösung in Abhängigkeit von der Konzentration
- 4.2 Toxikokinetik
- 4.2.1 Herstellung der 1-Dodecanol-Collodium-Membranen
- 4.2.2 Untersuchung von starken und schwachen Elektrolyten mit dem Permeationsmodell nach FÜRST und NEUBERT
- 4.2.3 Untersuchung von Nicotin in saurer und alkalischer Lösung mit dem Permeationsmodell
- 4.2.4 Nachweis von Ammoniumionen in Zigarettentabak, unbehandeltem Tabak und verschiedenen Rohtabaken
- 4.2.5 Dünnschichtchromatographie von Acetylsalicylsäure und ihrer Hauptmetaboliten Salicylsäure und Salicylursäure
- 4.2.6 Erstellung von Eichkurven
- 4.2.7 Bestimmung der Übertrittsgeschwindigkeiten von Acetylsalicylsäure und ihrer Hauptmetaboliten Salicylsäure und Salicylursäure mit dem Permeationsmodell
- 4.2.8 Bestimmung der Übertrittsgeschwindigkeiten von Benzoesäure und Hippursäure mit dem Permeationsmodell
- 4.3 Toxikodynamik
- 4.3.1 Katalasehemmung durch Kupfer
- 4.3.2 Ureasehemmung durch Schwermetalle
- 4.3.3 Modellversuch zur Störung der Blutgerinnung
- 4.3.4 Vergiftung durch Methämoglobinbildner
- 4.4 Therapie der Vergiftungen
- 4.4.1 Nachweis von Amanitinen
- 4.4.2 Milch als Lokalantidot
- 4.4.3 Kaliumhexacyanoferrat(II) als Antidot bei Vergiftungen mit Kupfer(II)-salzen
- 4.4.4 Herstellung von „Aktivkohle“
- 4.4.5 Therapie der Methämoglobinvergiftung
- 4.4.6 EDTA als Antidot bei Schwermetallvergiftungen
- 4.4.7 Modellversuch zur Hämodialyse
- 4.4.8 Modellversuch zur Hämoperfusion
- 4.4.9 Modellversuch zur forcierten Diurese
- 4.4.10 Gefährdung durch eine falsche Antidottherapie (schnelle Variante)
- 4.4.11 Gefährdung durch eine falsche Antidottherapie (langsame Variante)
- 4.4.12 Modellversuch zur Magenperforation durch eine falsche Antidottherapie
- 5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen
- 6 Messwerte
- 6.1 Messwerte aus Versuch 4.2.7
- 6.1.1 Acetylsalicylsäure (Messung 1)
- 6.1.2 Acetylsalicylsäure (Messung 2)
- 6.1.3 Salicylsäure (Messung 1)
- 6.1.4 Salicylsäure (Messung 2)
- 6.1.5 Salicylursäure (Messung 1)
- 6.1.6 Salicylursäure (Messung 2)
- 6.2 Messwerte aus Versuch 4.2.8
- 6.2.1 Benzoesäure (Messung 1)
- 6.2.2 Benzoesäure (Messung 2)
- 6.2.3 Hippursäure (Messung 1)
- 6.2.4 Hippursäure (Messung 2)
- 6.3 Messwerte aus Versuch 0
- 6.3.1 Salicylsäure (c = 5,00 mmol/L) (Messung 1)
- 6.3.2 Salicylsäure (c = 5,00 mmol/L) (Messung 2)
- 6.3.3 Salicylsäure (c = 1,07 mmol/L) (Messung 1)
- 6.3.4 Salicylsäure (c = 1,07 mmol/L) (Messung 2)
- 7 Abbildungsverzeichnis
- 8 Tabellenverzeichnis
- 9 Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit hat zum Ziel, experimentelle Basisversuche zur Toxikologie für den Chemieunterricht zu entwickeln und deren didaktische Einsetzbarkeit zu evaluieren. Die Arbeit untersucht, wie das Thema Toxikologie im Chemieunterricht behandelt werden kann, ohne dabei ethische Bedenken zu verletzen.
- Definition und Aspekte der Toxikologie
- Toxikokinetik: Resorption, Distribution, Elimination
- Toxikodynamik: Wirkungsmechanismen von Giften
- Therapie von Vergiftungen: Primäre und sekundäre Giftentfernung, Antidote
- Didaktische Überlegungen zum Einsatz im Chemieunterricht
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung thematisiert das negative Image der Chemie in der Gesellschaft und bei Schülern. Sie argumentiert für die Einbeziehung toxikologischer Inhalte im Chemieunterricht zur Reduktion von Ängsten und zur Vermittlung eines sachgerechten Umgangs mit Chemikalien. Es wird die Notwendigkeit einer experimentellen Behandlung toxikologischer Fragestellungen im Chemieunterricht hervorgehoben, und der Mangel an geeignetem experimentellem Material in der didaktischen Literatur kritisiert. Die Arbeit präsentiert daraufhin selbstentwickelte Experimente zur experimentellen Erarbeitung von Basiswissen in der Toxikologie.
2 Theoretische Grundlagen: Dieser Abschnitt legt die theoretischen Grundlagen dar, die für die im experimentellen Teil präsentierten Versuche relevant sind und bietet gleichzeitig ein kompaktes Hintergrundwissen zur Toxikologie. Er behandelt allgemeine Begriffe wie Toxikologie und Gift, beschreibt die Aufgaben der Toxikologie und deren Erkenntnisquellen, beleuchtet die Häufigkeit von Vergiftungen und die verschiedenen Aufnahmewege von Giften. Ausführlich werden die Toxikokinetik (Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Giften) und die Toxikodynamik (Wirkungsmechanismen und Schädigungen durch Gifte) erörtert. Abschließend befasst sich das Kapitel mit der Therapie von Vergiftungen, inklusive primärer und sekundärer Giftentfernung sowie dem Einsatz von Antidoten.
3 Fachdidaktischer Teil: Dieser Teil diskutiert die Vor- und Nachteile der Behandlung von Toxikologie im Chemieunterricht. Es werden ethische Aspekte berücksichtigt und die Motivierungspotenziale des Themas für Schüler anhand von Bezugspunkten zum Alltag und den Medien beleuchtet. Der fachdidaktische Kommentar zu den Experimenten begründet die Auswahl der verwendeten Stoffe und bewertet die Experimente nach fachdidaktischen Kriterien. Die Einordnung der Versuche in den hessischen Lehrplan zeigt die Anknüpfungspunkte an verschiedene curriculare Inhalte.
Schlüsselwörter
Toxikologie, Gift, Toxikokinetik, Toxikodynamik, Resorption, Distribution, Elimination, Biotransformation, Phase-I-Reaktionen, Phase-II-Reaktionen, Vergiftung, Therapie, Antidot, Chemieunterricht, Didaktik, Experimente.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Experimentelle Basisversuche zur Toxikologie für den Chemieunterricht
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit entwickelt und evaluiert experimentelle Basisversuche zur Toxikologie für den Chemieunterricht. Sie untersucht die didaktische Einsetzbarkeit dieser Versuche und beleuchtet, wie das Thema Toxikologie ethisch vertretbar im Chemieunterricht behandelt werden kann. Die Arbeit beinhaltet eine Einleitung, theoretische Grundlagen der Toxikologie, einen fachdidaktischen Teil, einen experimentellen Teil mit detaillierten Versuchsanleitungen, eine Zusammenfassung, Messwerte, ein Abbildungs- und Tabellenverzeichnis sowie ein Literaturverzeichnis.
Welche Themen werden in den theoretischen Grundlagen behandelt?
Die theoretischen Grundlagen umfassen allgemeine Begriffe wie Toxikologie und Gift, die Aufgaben und Erkenntnisquellen der Toxikologie, die Häufigkeit von Vergiftungen und deren Aufnahmewege. Schwerpunkte sind die Toxikokinetik (Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Giften) und die Toxikodynamik (Wirkungsmechanismen und Schädigungen durch Gifte). Das Kapitel behandelt auch die Therapie von Vergiftungen, einschließlich primärer und sekundärer Giftentfernung sowie den Einsatz von Antidoten. Es bietet ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit einer tiefgehenden Gliederung der einzelnen Themenbereiche.
Welche Experimente werden in der Arbeit vorgestellt?
Der experimentelle Teil umfasst Versuche zu Grundlagen der Toxikologie (z.B. Hemmung von Bakterienwachstum), Toxikokinetik (z.B. Permeationsmodelle, Dünnschichtchromatographie), Toxikodynamik (z.B. Enzymhemmung, Blutgerinnung) und Therapie von Vergiftungen (z.B. Nachweis von Antidoten, Modellversuche zu Dialysemethoden). Die Experimente sind detailliert beschrieben und beinhalten Anleitungen zur Durchführung und Auswertung. Die Versuche beziehen sich auf diverse Substanzen wie Acetylsalicylsäure, Benzoesäure, Hippursäure und Schwermetalle.
Welche didaktischen Aspekte werden berücksichtigt?
Der fachdidaktische Teil diskutiert die Vor- und Nachteile der Behandlung von Toxikologie im Chemieunterricht, berücksichtigt ethische Aspekte und beleuchtet die Motivierungspotenziale des Themas für Schüler. Er enthält einen Kommentar zu den entwickelten Experimenten, bewertet sie nach fachdidaktischen Kriterien und zeigt die Einordnung der Versuche in den hessischen Lehrplan auf. Die Arbeit zielt darauf ab, das negative Image der Chemie zu verbessern und einen sachgerechten Umgang mit Chemikalien zu vermitteln.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter, die den Inhalt der Arbeit prägnant zusammenfassen, sind: Toxikologie, Gift, Toxikokinetik, Toxikodynamik, Resorption, Distribution, Elimination, Biotransformation, Phase-I-Reaktionen, Phase-II-Reaktionen, Vergiftung, Therapie, Antidot, Chemieunterricht, Didaktik, Experimente.
Wo finde ich die Messwerte der durchgeführten Experimente?
Die Messwerte der durchgeführten Experimente sind im Kapitel 6 "Messwerte" detailliert aufgeführt und nach Versuchsnummern gegliedert (z.B. Messwerte aus Versuch 4.2.7, 4.2.8 und 6.3). Die Daten sind für die Auswertung der Experimente und die wissenschaftliche Überprüfung der Ergebnisse relevant.
- Quote paper
- Thorsten Dollmetsch (Author), 2004, Toxikologie - Todsicher ein Thema für den Chemieunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73039