Soziale Arbeit im Faschismus ist nach wie vor ein mit dem Gefühl von Schuld behaftetes Kapitel unserer Zeitgeschichte. Das eigentliche Ziel sozialer Arbeit, nämlich dem hilfebedürftigen Individuum zu helfen, geriet mit der Machtergreifung Hitlers 1933 immer mehr aus dem Blickfeld.
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit den Grundgedanken nationalsozialistischer Fürsorgepolitik sowie der Entwicklung der Trägerlandschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. Es beschreibt u. a. die Situation schwer erziehbarer Jugendlicher von 1933- 1945 und veranschaulicht die Entwicklung der Profession des Familien- und Gesundheitsfürsorgers im Nationalsozialismus.
"Die Entwicklung der Sozialen Arbeit im Faschismus" schließt mit einem Exkurs zum Thema nationalsozialistische Sozialarbeit in Leipzig.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundgedanken nationalsozialistischer Fürsorgepolitik
2. 1 Volkswohl statt Einzelfürsorge
2. 2 Positive soziale Arbeit
2. 3 Unterstützungswürdiges und unterstützungsunwürdiges Klientel
3. Entwicklung freier und öffentlicher Träger in der Zeit des Nationalsozialismus
3. 1 Nationale Volkswohlfahrt (NSV)
3. 2 Entwicklung im Bereich der Jugend- und Gesundheitsämter
3. 3 Freie Wohlfahrtspflege
3. 4 Deutsches Rotes Kreuz (DRK)
3. 5 Zentralwohlfahrtstelle der Juden (ZWST)
3. 6 Innerer Mission und Caritas
4. Einzelne Arbeitsfelder während des Nationalsozialismus und damit einhergehende Entwicklung der Profession
4. 1 Veränderte Anforderungen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
4. 2 Familienpolitik und Familienfürsorge
4. 3 Entprofessionalisierung des Wohlfahrtspflegeberufes
4. 4 Emigration der Sozialarbeit
4. 5 Die Profession im Krieg
5. Die Lage des Klientel
5. 1 Schwer Erziehbare Jugendliche
5. 1. 2 Jugendschutzlager
5. 1. 3 Alltag im Lager Uckermark
6. Nationalsozialistische Sozialarbeit in Leipzig
7. Fazit / Ausblick
Literaturverzeichis
Internetquelle
1. Einleitung
Soziale Arbeit im Faschismus ist nach wie vor ein mit dem Gefühl von Schuld behaftetes Kapitel unserer Zeitgeschichte. Das eigentliche Ziel sozialer Arbeit, nämlich dem hilfebedürftigen Individuum zu helfen, geriet mit der Machtergreifung Hitlers 1933 immer mehr aus dem Blickfeld. Im Gegenteil, die Politik der Nationalsozialisten grenzte aus, sperrte weg, tötete, sterilisierte und quälte tausende „potentieller“ Klienten.
Mit Blick auf die Sozialpolitik der damaligen Zeit lässt sich sagen, dass die rasch durchgeführten sozialpolitischen Maßnahmen nach Hitlers Machtergreifung zunächst recht Erfolg versprechend schienen. Die NSDAP führte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch, erweiterte die Arbeitsgesetzgebung, führte neue Regelungen bezüglich des Arbeitsschutzes/ -zeitrechts, des Betriebsschutzes und der Gewerbehygiene ein. Weiterhin fand eine Umstrukturierung des Sozialversicherungssystems im nationalsozialistischen Sinne statt, es gab eine Vielzahl familienpolitischer Maßnahmen und Verbesserungen im Wohnungs- und Siedlungswesen. (vgl. Zeller, 1994, S. 133)
All diese Veränderungen hatten zur Folge, dass man die neue Politik zunehmend befürwortete. Die auf den ersten Blick erfolgreichen Maßnahmen gingen jedoch mit Manipulation einher- Eine neue erfolgreiche Wirtschaftspolitik gab es jedenfalls nicht. Die Einführung hoch subventionierter Beschäftigungsprogramme, eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht und der durch Prämien gesteuerte Rückzug der Frauen aus dem Erwerbsleben sowie eine Vielzahl von Notstandsarbeiten und neu geschaffenen Arbeitsplätze im Rahmen des Freiwilligen Arbeitsdienstes und des Landjahrs beeinflussten die Statistiken. (vgl. Hering/ Münchmeier, 2005, S. 160f.)
Dass sich Manipulation und erzwungene Veränderung nicht nur in diesem Bereich abspielte, zeigt sich auch und besonders am Beispiel der sozialen Arbeit von 1933- 1945. Es kam zur totalen Umstrukturierung der Trägerlandschaft sozialer Arbeit. Eine völlig veränderte Arbeitsweise und Gesinnung hielt in den Berufsalltag der Sozialarbeiter/ innen Einzug. Letztlich führten die Richtlinien der Nazidiktatur zu einer Stagnation der Entwicklung sozialer Arbeit.
Ziel dieser Hausarbeit ist es diese genannten Veränderungen darzustellen und ihre Ausprägungen im Anschluss daran auch im Leipziger Raum zu beleuchten. Abschließend möchte ich einen Ausblick geben.
2. Grundgedanken nationalsozialistischer Fürsorgepolitik
2. 1 Volkswohl statt Einzelfürsorge
Grundlegendes Ziel der nationalsozialistischen Politik und somit auch der Fürsorgepolitik war eine Durchstrukturierung der Volksgemeinschaft in allen Bereichen:
„Mit den organizistischen Vorstellungen von einer Volksgemeinschaft realisierte der Faschismus eine umfassende „community organization“ auf allen Ebenen hinunter zu den „Zellen“ seiner Einheitsverbände und der territorialen Durchstrukturierung des Überwachungsstaates bis zum „Block“, wo den Volksgenossen quasi als Gemeinwesenarbeiter ein „Blockwart“ vorgesetzt war.“ (Wendt, 1990, S. 252)
Die Organisation von Betriebsgemeinschaften, Dorfgemeinschaften, Hausgemeinschaften, dem Gemeinschaftswerk der Hitlerjugend oder der NS- Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KDF), diente dabei in erster Linie der totalen Kontrolle bis hinein in die Familien. Diese ermöglichte u. a. das Denken und Handeln aller Volksgenossen besser überschauen und natürlich vereinheitlichen zu können. Laut der deutschen Vertreter auf der Internationalen Konferenz für soziale Arbeit im Jahr 1936 in London, ließen sich „soziale Gegensätze… auf die Dauer in hochzivilisierten Ländern nicht durch Einzelfürsorge (case work) beheben“. (Wendt, 1990, S. 252) Aufgabe der Volkspfleger war es deshalb in erster Linie die Bildung solcher Gemeinschaften zu fördern indem sie sich um eine „allgemeine Ertüchtigung“ des Volkes bemühten. (Wendt, 1990, S. 252)
Die Monopolstellung der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) begründete man u. a. damit, dass „Der bisherige `Wohlfahrtsstaat` … das Verantwortungsgefühl gegenüber dem einzelnen Volksgenossen durch Züchtung von Unterstützungsempfängern [schwächte].“ (Wendt, 1990, S. 277) Auch nicht Not leidende Volksgenossen entzögen sich ihrer Verantwortung dem Nächsten gegenüber, weil allgemein vermittelt würde, dass nur das Wohlfahrtsamt sich um Hilfebedürftige kümmern müsse. Das Recht auf Unterstützung des Einzelnen dürfe nicht über dessen Pflicht der Volksgemeinschaft gegenüber stehen. Damit wurde auch die Verpflichtung eines jeden Hilfebedürftigen begründet in erster Linie selbst zur Besserung seines Zustandes beizutragen. (vgl. Wendt, 1990, S.277)
2. 2 Positive soziale Arbeit
Mit dem Ausdruck „positive Sozialarbeit“ verband man das Vermindern von Negativerlebnissen für den Volkspfleger bei der Arbeit mit Hilfebedürftigen. Da aber Rückschläge oder gar Stagnation bei der Arbeit mit sozialen Randgruppen (unheilbar Geisteskranke, Schwererziehbare etc.) nicht zu verhindern sind, führte dies zu der Schlussfolgerung solche Problemgruppen einfach auszumerzen. Dies war das Fundament für häufig angewandte Euthanasieprogramme an geistig und körperlich Behinderten, das Wegsperren schwererziehbarer Kinder, Gauner und Obdachloser und gezielter Eingriffe in die Familienplanung durch Zwangssterilisation. Hauptbegründung für solche Greultaten war das Ziel der Reinerhaltung der arischen Rasse. Die Rassenlehre wurde zum Prinzip der Lebensgestaltung für alle Volksangehörigen.
Organisationen und Einrichtungen wie etwa die deutsche Arbeitsfront, die Organisation „Kraft durch Freude“ (KDF) und das „Hilfswerk Mutter und Kind“ waren den Nationalsozialisten zu Folge wesentlich für einen Übergang zu einer positiven sozialen Arbeit. Die Sozialpolitik sollte nämlich bereits präventiv dafür sorgen, dass keiner der Volksangehörigen in Not gerät. (vgl. Wendt, 1990 S. 295, zit. nach Bargel, 1944, S. 16) Dies erreichte man durch die Gesunderhaltung des Volkes.
Dafür zuständig waren unter anderem die Organisation KDF und das Hilfswerk Mutter und Kind. KDF war eine politische Organisation mit der Aufgabe, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten. Das Ziel der Organisation war es, dem deutschen Volk (Leistungs-) Kraft zu verleihen um aus den Deutschen ein körperlich gesundes, kriegstüchtiges Volk zu machen.
Das Hilfswerk Mutter und Kind wurde 1934 gegründet und hatte die Aufgabe, werdende und junge Mütter und deren Nachwuchs zu betreuen und Hilfe gleich welcher Art zu leisten. Die Fürsorge für die werdende Mutter, die Wöchnerin und die ledige Mutter, durch Müttererholungsfürsorge, durch Einrichtung von Hilfsstellen sowie durch Mütterverschickung war ihr Hauptbetätigungsfeld.
Neben der Müttererholungsfürsorge sollten insbesondere die Jugenderholungspflege, die Wahrnehmung gesundheitlicher Aufgaben in den Kindertagesstätten und gesundheitliche Maßnahmen des Kleinkindes zur Gesundung des Volkes beitragen.
(www. wikipedia.de, 2006)
2. 3 Unterstützungswürdiges und unterstützungsunwürdiges Klientel
In der Frühphase Hitlers Herrschaft überließ man Arbeitslose und Hilfebedürftige den öffentlichen Wohlfahrtsämtern; die Pflege von Kranken wurde überwiegend von den christlichen Wohlfahrtsverbänden durchgeführt. Ideelle und materielle Unterstützung durch die NSDAP gab es lediglich für „ … Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung und andere Träger völkisch einwandfreier Normalbiographien….“ (Müller, 1999, S.211)
Das Interesse an der Vernichtung rassisch nicht verwendbaren Lebens war anfänglich noch nicht vordergründig.
Zunehmende Engpässe der Finanzen der Wohlfahrtsämter sowie rassenfeindliches Gedankengut führten jedoch bald zu einer Unterteilung in unterstützungswürdige und unterstützungsunwürdige Fürsorgeempfänger. Letztere waren in Gefahr als rassisch nicht verwendbar eingestuft und in den Konzentrationslagern vernichtet zu werden.
Das Gesamteinkommen sollte ausschließlich den gesunden Familien/ Hilfebedürftigen zugeführt werden. Nicht bestimmt waren die Ausgaben der öffentlichen Hand für Asoziale und im physischen sowie rassischen Sinne Minderwertige. (vgl. Zeller, 1994, S. 215)
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- Arbeit zitieren
- Monika Dittmar (Autor:in), 2006, Die Entwicklung der Sozialen Arbeit im Faschismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73440
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