Wie wird in den USA der Mythos von Gut und Böse zum Erhalt der nationalstaatlichen Identität und zum Aufbau von Feindbildern genutzt?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

30 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Prägung der nationalstaatlichen Identität der USA durch Mythen
2.1. Mythen in der Politik
2.2. Mythologische Identität der USA
2.3. Texanische Identität?

3. Politische Instrumentalisierung des Gut-und-Böse-Mythos zur Feindbildkonstruktion
3.1. Der Gut-und-Böse-Mythos
3.2. „We against Them“-Mentalität
3.3. Das neue Feindbild „Die Achse des Bösen”
3.4. Mythologische Identität der Alltagskultur

4. Rationale vs. Irrationale Politik

5. Literaturverzeichnis

Erklärung zur Hausarbeit

1. Einleitung

Wenn in der Politik Entscheidungen getroffen werden, dann sind diese nicht immer rational begründet. In der Regel sind sie von Ideologien, Einzel- oder Gruppeninteressen und Machtstreben der einzelnen Politiker beeinflusst. Dabei kommen sehr häufig Mythen zum Einsatz, um Entscheidungen und Handlungen durchzusetzen und zu rechtfertigen. Der verwendete Mythos muss für diesen Gebrauch allerdings in der Identität der Gesellschaft verfestigt sein oder werden.

Schaut man sich die politische Identität der Staaten ein, so ist auffällig, dass der so genannte „Mythos der Nation“ fast überall vorhanden ist.

In der vorliegenden Hausarbeit zeige ich zum einen die Verwendung von Mythen in der Politik auf. Zum anderen gehe beschreibe ich die spezielle mythologische Struktur der politischen Identität der USA am Beispiel des Mythos von Gut und Böse.

Dabei gehe ich auf die Fragen ein, welche Funktionen und Verankerungspunkte Mythen in der Politik der Vereinigten Staaten haben, wie der Gut-Böse-Mythos für die Konstruktion des Feindbildes instrumentalisiert wird, wie dadurch eine „We against Them“ Mentalität in der Gesellschaft gefördert und wie sich somit die USA einem rationalem Denken und Handeln in der Politik gegenüber versperrt.

Um diese Fragen zu beantworten, zeige ich zuerst den Zustand der mythologischen Prägung der nationalstaatlichen Identität der USA auf. Dabei gehe ich auf die allgemeine Bedeutung von Mythen, die historische und gesellschaftliche Entwicklung in den Vereinigten Staaten, sowie die vom Autor Michael Lind geprägte spezielle texanische Ausrichtung der aktuellen US-Politik ein. Um zu zeigen, wie der Mythos von Gut und Böse genutzt wird, um Feindbilder zu konstruieren, stütze ich mich auf Theorien über deren Entstehung, die Mythen als Vorurteile betiteln. In den USA hat sich aus der gefestigten „Wir gegen Sie“-Mentalität die Rhetorik der „Achse des Bösen“ entwickelt, die ich analysieren werde. Dass dieser Mythos funktioniert und warum zeige ich in seiner Verankerung in der amerikanischen Alltagskultur vor allem am Beispiel des Hollywood-Films. Abschließend zeige ich die durchaus rationalen Perspektiven einer „irrationalen“ Politik, diskutiere ihre Auswirkungen und warne vor Gefahren.

2. Prägung der nationalstaatlichen Identität der USA durch Mythen

2.1. Mythen in der Politik

Mythen sind mittlerweile nicht mehr nur für die Literaturwissenschaft interessant, sondern gewinnen auch in der Politikwissenschaft immer mehr an Bedeutung. Mit ihrer Hilfe und den in ihnen enthaltenen Symbolen, Ritualen und Traditionen wird versucht, politische Phänomene besser zu verstehen und zu erklären. Ich möchte hier nicht versuchen, eine befriedigende Definition von Mythos zu geben, da viele Autoren unterschiedliche Auffassung von Mythen haben. Beispielsweise Liebhardt unterscheidet in ihrer Dissertation zehn verschiedene Herangehensweisen zur Definition des Mythos, darunter auch eine politikwissenschaftliche; Brand betont hingegen eine Sichtweise, die über Produkte der Phantasie und des Wunschdenkens hinausgeht. Vielmehr als die Definition interessiert die mythische Unterwanderung der Politik. Mythen können allerdings nicht von vorne herein als illusorisch, vollkommen aus der Luft gegriffen oder falsch abgestempelt werden. Im Gegenteil, die absoluten, allumfassenden Mythen können sogar mit einem globalen Ordnungssystem vergleichen werden, die sowohl in der Geschichte als auch in der Gesellschaft Orientierungspunkte geben. Wenn man Wahrheit als etwas definiert, was als Übereinstimmung mit etwas anderen gesehen wird, sind Mythen also durchaus „wahr“, weil sie die Wirklichkeit selbst darstellen (vgl. Brand 1978: 150).

Der politische Mythos bildet unter den Mythen noch einmal eine spezielle Gattung, die ihre Spezialisierung im Bezug auf die Bearbeitung verschiedener Probleme in der politischen Kommunikation hat. Politische Mythen sind Erzählungen, die versuchen, durch die Benutzung von Symbolen eine Gemeinschaft in der Gesellschaft zu schaffen. Es handelt sich dabei um komplexe politische Symbole, deren Elemente erzählerisch entfaltet ist. Allerdings funktioniert das auch umgekehrt, viele politische Symbole sind auch als eine komprimierte Form von Mythen zu verstehen. Beispiele dafür sind unter anderem die Bastille, die als Symbol für ihre Erstürmung steht oder das Hakenkreuz, die auf den Mythos der national-sozialistischen „neuen Ordnung“ in Deutschland verweist (vgl. Dörner 1996: 43).

Mythen transportieren aus politikwissenschaftlicher Sicht viele Bedeutungen von generellen Machtkonstellationen, sowohl umfassend als auch nur implizit angedeutet. Mythischen Darstellungen können sowohl historischen als auch aktuellen politischen Handlungen, Ereignissen, Zusammenhängen und Strukturen Sinn geben und deuten, indem auf kollektive Traditionen zurückgreifen und die Gegenwart an eine sinnvoll gedeutete Vergangenheit binden.

Mythen haben aber auch eine entlastende Funktion. Sie vermindern Konflikte, weil sie auf Selbstverständliches oder natürlich Begründetes anspielen und so gruppenspezifische Identitätsangebote eröffnen. Der Mythos verbindet Gruppenmitglieder ideologisch untereinander und festigt deren Zusammenhalt innerhalb der Gruppe durch die Bindung an natürliche und überzeitliche Komponenten (vgl. Liebhart 1998: 53). Auch auf die politischen Mythen trifft das zu: sie verweisen auf kollektive Traditionen und können dadurch zur Identitätskonstruktion in sozialen Gruppen benutzt werden. Gerade, wenn es darum geht, nationale Identität zu stiften, ist die Rückbesinnung auf mythische Komponenten sinnvoll (vgl. Liebhart 1998: 51ff.). Mythen erlauben die Deutung von politischen Handlungen, ebenso stellen sie aber auch Quellen für politische Legitimität dar und sind Träger für Botschaften, die die Gesellschaft mobilisieren sollen. Zusammenfassend kann man also sagen, dass komplexe Zusammenhänge in Gesellschaft und Politik mit Hilfe von Mythen vereinfacht dargestellt werden können. Politische Mythen beziehen sich immer auf kollektive Traditionen, sind ein Ausdruck von Gemeinschaft und sozialer Identität und habe ihre Funktion in den politischen Identifikationsprozessen (vgl. Liebhart 1998: 4).

Hersch behauptet sogar, dass Politik unmöglich sei ohne eine Berufung auf Mythen, „die die Brücke schlagen von Vergangenheit zur gewünschten Zukunft, die Gegenwart aber als das belassen, was sie einem jeden ist: schwer zu begreifen und ein Spielraum von Spekulationen“ (zitiert nach Liebhart 1998: 64).

Politische Mythen sind vor allen Dingen Mythen von der Nation, der Heimat oder dem Feind. Diese Arbeit habe ich auf den Mythos von Gut und Böse gestützt, der als einer der ursprünglichsten Mythen gilt, allerdings in der wissenschaftlichen Literatur bisher doch eher vernachlässigt wurde. Die Spaltung der Welt wird von der Mythenforschung auf die Darstellung des Ursprungs zurück, in der sich sowohl die menschliche Existenz entzweite als auch in heilig und unheilig aufgeteilt wurde. Die Urspannung zwischen Heiligem und Unheiligem hat ihre exemplarische Entsprechung in Gut und Böse. Gut ist alles, was dem Leben zuträglich ist, Böse das genaue Gegenteil, also Gefahr und Bedrohung. Der Mythos vom Feind wird erst durch den von Gut und Böse ermöglicht.

2.2. Mythologische Identität der USA

Nach dem Kalten Krieg beschreibt der Politikwissenschaftler Samuel Huntington eine weltweite Identitätskrise. Für ihn werden die Entscheidungen, wer „Freund“ oder „Feind“ ist über die kulturelle Identität einer Nation entschieden. Seiner Meinung nach kann die Krise in der Identität durch Blut und Überzeugung, Glaube und Familie, Religion und Sprache, Werte und Institutionen überwunden werden (vgl. Huntington 1996: 193 ff.). „In der Welt nach dem Kalten Krieg zählen Flaggen und andere Symbole kultureller Identität wie Kreuze, Halbmonde und sogar Kopfbedeckungen; denn Kultur zählt, und kulturelle Identität hat für die meisten Menschen höchste Bedeutung“ (Huntington 1996: 18). Immer wieder betont er, dass Mythen eine identitätsstiftende Funktion besitzen. Zwar bezieht er sich in seinen Ausführungen immer auf alle Völker, ist aber sehr bemüht darum, dadurch gerade die Vorgänge nach der Beendigung des Kalten Krieges in den Vereinigten Staaten und ihre neu zu definierende Stellung in der Welt zu rechtfertigen.

Die Identität der USA ist von Mythen geprägt, die uns allen bekannt sind und häufig als Klischees abgestempelt werden: das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär, die Traumfabrik Hollywood, etc. Die politische und gesellschaftliche Identität der Vereinigten Staaten ist in historischen, sozialen, wirtschaftlichen, moralischen und nicht zuletzt in religiösen Mythen verankert.

Die USA sind ein sehr religiöses Land. Diese starke religiöse Prägung und die daraus resultierenden Orientierungen und Wertungen finden sich auch in der amerikanischen Politik wieder, nämlich im so genannten moralischen Absolutismus. Soziale und politische Auseinandersetzungen werden gerne als Kampf des Guten gehen das Böse oder sogar als Gefecht Gott gegen den Teufel interpretiert. Ronald Reagan nannte die ehemalige Sowjetunion das „Reich des Bösen“ und erreichte eine breite Zustimmung im Volk. Schenkt man den Vertretern der christlichen Rechten wie beispielsweise Pat Buchanan oder Pat Robertson Glauben, so sind sowohl Sozialprogramme als auch der säkulare Humanismus ein Werk des Teufels (vgl. Vorländer 1998: 290). Diese Rhetorik benutzt übersinnliche Motive und Bilder um die nationale Existenz in den Begriffen einer religiösen Symbolwelt zu interpretieren. Auch ist diese Art zu reden immer beständiger in der Alltagssprache der Amerikaner zu finden.

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Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Wie wird in den USA der Mythos von Gut und Böse zum Erhalt der nationalstaatlichen Identität und zum Aufbau von Feindbildern genutzt?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
30
Katalognummer
V73546
ISBN (eBook)
9783638743600
ISBN (Buch)
9783638744355
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mythos, Böse, Erhalt, Identität, Aufbau, Feindbildern
Arbeit zitieren
Catrin Knußmann (Autor:in), 2006, Wie wird in den USA der Mythos von Gut und Böse zum Erhalt der nationalstaatlichen Identität und zum Aufbau von Feindbildern genutzt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73546

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