Hannah Arendt: Kein Herz für die Emanzipation?


Seminararbeit, 2005

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Feministische Kritik an Hannah Arendt

3. Kritik Hannah Arendts an der Frauenbewegung

4. Zugeständnisse Hannah Arendts an die Frauenbewegung

5. ‚Vorreiterin’ wider Willen

6. Fazit

7. Ausblick

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang - Nachruf auf Hannah Arendt

1. Einleitung

Hannah Arendt war eine bekannte Philosophin, die sich selbst als ‚politische Theoretikerin’ sah.[1] Ihr Denken zeichnete sich durch Authentizität und Non-Konformität aus. Dies brachte ihr neben Anerkennung und Berühmtheit auch zum Teil heftige Kritik ein, wie es im Fall ihres Buches zum Eichmann-Prozess Eichmann in Jerusalem der Fall war. Auch von Seiten der Feministinnen erntete sie Kritik, da sie angeblich den „verschiedenen Formen der Ausgrenzung der Frauen in Kultur und Politik mit Ignoranz begegnet ist“[2] – ganz im Gegensatz zur Frage der jüdische Existenz zu Zeiten des Totalitarismus. Hatte Hannah Arendt die Frauenfrage komplett ausgeblendet oder nicht als wichtig erachtet?

Die Enttäuschung der Feministinnen muss umso größer gewesen sein, hatte doch gerade Arendt als Frau ein hohes Maß an Anerkennung in Bereichen erlangt, die als männlich konnotiert gelten - der Wissenschaft und Politik. Hätte Hannah Arendt also nicht eine von ihnen sein sollen? Wie kam es, dass sich eine solche Frau so gegen sie zu stellen schien?

In Anbetracht der Tatsache, dass in ihren Texten immer das Streben nach Freiheit und Pluralität mitschwingt, habe ich mich auf die Suche begeben: nach Anhaltspunkten wie Statements zu Frauen, der Frauenbewegung, Emanzipation, und Geschlechterverhältnissen.

Ziel dieser Arbeit ist es somit, diese zu analysieren und der Frage nachzugehen, worin genau die Kritik an Hannah Arendt seitens der Feministinnen bestand und ob sie in gewisser Weise berechtigt war, aber auch welchen Einstellungen und welchem Denken Hannah Arendts Äußerungen entstammt sein mögen.

2. Feministische Kritik an Hannah Arendt

„Für die zeitgenössische feministische Theorie bleibt Hannah Arendts Denken verwirrend, provokativ und bisweilen empörend.“[3] Mit diesen Worten leitete Seyla Benhabib im Oktober 2000 ihren Artikel Der empörende Unterschied in der schweizerischen Kulturzeitschrift du über Hannah Arendt und den Feminismus ein.

Wie bereits erwähnt fand die Empörung seitens der Feministinnen ihren Anstoß vor allem an Hannah Arendts wenig sensiblen Äußerungen zur Frauenbewegung. Die wohl bekannteste und oft zitierte Äußerung Hannah Arendts stammt aus einem Gespräch mit Günter Gaus vom 28.10.1964 in seiner Fernsehsensendung Zur Person. Aufgrund der Tatsache, dass Arendt als erste Frau in der Sendung eingeladen wurde, fragte er sie nach ihrer Einstellung zur Emanzipation der Frauen. Sie entgegnete daraufhin schlichtweg, für sie persönlich habe das Problem der Emanzipation nie eine Rolle gespielt. Sie habe einfach gemacht, was sie machen wollte.[4]

Durch solche Statements wirkte Hannah Arendt vor allem auf die ‚Altfeministinnen’ häufig arrogant, denn sie ging nicht näher auf die Frauenfrage ein und es schien sogar so, dass sie sie nicht ernst nahm. Auch Äußerungen Hannah Arendts wie „es sieht nicht gut aus, wenn eine Frau Befehle erteilt“[5] und „es gibt bestimmte Beschäftigungen, die Frauen nicht stehen“ schmerzten die ‚Altfeministinnen’ verständlicherweise sehr, scheint es bei oberflächlicher Betrachtung doch zu heißen, dass Arendt die Frauen in für sie als typisch geltende Berufe wie die der Krankenschwester verweist.[6]

Doch nicht nur diese Äußerungen Hannah Arendts zur Emanzipation, sondern auch Fragmente ihrer Theorien wurden zum Stein des Anstoßes bei den Feministinnen. Beispielsweise wenn Arendt fordert, „dass «jede menschliche Betätigung (…) einen ihr zugehörigen Ort in der Welt hat».“[7] Bedenkt man, dass Arendt sich in Vita activa auf die Antike bezieht und es – in dem Kontext - als selbstverständlich hinzunehmen scheint, dass es damals eine „historische Beschränkung von Frauen auf die private Sphäre des Haushalts und der reproduktiven Tätigkeit“[8] gab, die sie selbst als unfrei innerhalb eines von Herrschaftsstrukturen geprägten privaten Umfelds darstellt[9], so ist verständlich, warum die Feministinnen auf die Barrikaden gingen - zumal Hannah Arendt in diesem Buch nicht weiter speziell auf veränderte Rollenverständnisse von Männern und Frauen in der modernen Gesellschaft einging. Statt dessen scheint es so, „als ob für Arendt die Moderne auf einen Kategoriefehler, wenn nicht sogar eine ganze Reihe von Fehlern gegründet sei“[10] und als ob sie die „Arbeitsteilung der Geschlechter als unabänderliche Gegebenheit“[11] hinnehme, die den Frauen ganz natürlich die reproduktiven Tätigkeiten innerhalb der privaten, häuslichen Sphäre zuweist, die die Unterordnung gegenüber dem Mann impliziert.[12] Ihr Ausspruch, dass bestimmte Beschäftigungen Frauen nicht stünden, scheint diese Auffassung zu bestätigen.

Auch die von Arendt häufig und in verschiedenen Zusammenhängen postulierte Trennung von Privatem und Öffentlichkeit bzw. Sozialem und Politik sorgte für Zündstoff. Ist die Frauenfrage nicht auch eine soziale? Und hat sie allein dadurch nicht das Recht, Eingang in die Politik zu finden? Und schließlich kollidierte Arendts Postulat mit der Forderung der Frauenbewegung „Das Private in das Politische“[13] !

Die Verteidigung zumindest des privaten Bereichs scheint aber in anderer Hinsicht logisch, sogar wichtig. So schreibt Seyla Benhabib indem sie sich auf westliche Denker wie Theodor W. Adorno, Gertrud Himmelfarb und John Rawls beruft, dass „die Aufrechterhaltung wenigstens einiger Grenzen zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre wesentlich ist, will man die menschliche Freiheit erhalten.“

Benhabib fragt sie sich daher, ob nicht Arendts Denken sondern der Feminismus auf einem „Kategoriefehler“ beruhe und gerade der Versuch, das „Private zu «politisieren»“ dazu führen könnte, dass die „letzten Spuren menschlicher Freiheit“ verschwinden könnten und die Forderung, dass das Private das Politische werde, geradezu eine „Einladung zu einer Neuauflage autoritärer Politik“ sei.[14] Auch Schaad schließt ihren Artikel über Hannah Arendt in der Kulturzeitschrift du im Oktober 2000 mit der Feststellung: „Die Nichtkenntnisnahme [zwischen Arendt und den Feministinnen] muss gegenseitig gewesen sein“.[15]

Die Frage, die sich an dieser Stelle ergibt ist, ob es auch detaillierte Aussagen Hannah Arendts zu Frauenbewegung und Emanzipation gibt?

3. Kritik Hannah Arendts an der Frauenbewegung

Bereits in den Jahren 1931 und 1932 – als Hannah Arendt sich vermehrt der Politik zuwandte[16] - kam sie mit der Frauenfrage in Berührung. Zu dieser Zeit setzte sie sich häufig mit Kurt Blumenfeld über den Zionismus auseinander und traf sich häufig mit verschiedenen Professoren der Hochschule für Politik, die als eines der „unabhängigsten und kreativsten Zentren Deutschlands“ galt.[17] Auch begann sie Rezensionen für die Zeitschrift Die Gesellschaft zu schreiben. Hierdurch beschäftigte sie sich erstmalig mit einem zeitgenössischen politischen Thema: der Frauenfrage.[18] Es handelt sich dabei um eine Rezension des Buches Das Frauenproblem in der Gegenwart von Alice Rühle-Gerstel, aus der sich recht umfangreiche Erkenntnisse über Hannah Arendts Sicht auf die Frauenbewegung gewinnen lassen. Arendt äußert in dieser Rezension grundsätzlich ihr Verständnis für die schwierige Situation der Frauen in ihrer neuen – im Übrigen auch heute noch weitgehend gültigen - Rolle, indem sie über die Frau schreibt:

Nicht nur, dass sie trotz ihrer prinzipiellen Gleichberechtigung eine faktische Geringschätzung ihrer Leistung einstecken muss, sie hat außerdem noch Pflichten übrig behalten, die sich mit ihrem neuen Stand nicht mehr vereinbaren lassen und die teils auf gesellschaftlichen, teils auf biologischen Tatsachen basieren: sie soll neben dem Berufe noch einen Haushalt besorgen und für die Kinder sorgen.“[19]

[...]


[1] Hahn. S. 267.

[2] Hahn. S. 274.

[3] Benhabib. In: du. S. 40.

[4] Prinz. S. 257

[5] Schaad. In: du. S. 62.

[6] Schaad. In: du. S. 63.

[7] Benhabib. In: du. S. 40.

[8] Benhabib. In: du. S. 40.

[9] Vgl. Arendt. Vita activa. S. 40ff. Vgl. Aussagen Arendts zur Freiheit speziell von Männern: Vita activa. S. 23f.

[10] Benhabib. In: du. S. 40.

[11] Vgl. Benhabib. In: du. S. 40.

[12] Benhabib. In: du, S. 40.

[13] Benhabib. In: du, S. 40.

[14] Benhabib. In: du. S. 40.

[15] Schaad. In: du. S. 63.

[16] Young-Bruehl. S. 148.

[17] Young-Bruehl. S. 148.

[18] Young-Bruehl. S. 151.

[19] Young-Bruehl. S. 152.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Hannah Arendt: Kein Herz für die Emanzipation?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften)
Veranstaltung
Kulturwissenschaftliches Seminar: Zum Begriff der Natalität bei Hannah Arendt
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V73589
ISBN (eBook)
9783638636131
ISBN (Buch)
9783638794381
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hannah, Arendt, Kein, Herz, Emanzipation, Kulturwissenschaftliches, Seminar, Begriff, Natalität, Hannah, Arendt
Arbeit zitieren
Natalie Gorris (Autor:in), 2005, Hannah Arendt: Kein Herz für die Emanzipation?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73589

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