Haftungsrechtliche Fragen bei Meinungsportalen im Internet


Hausarbeit, 2006

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ansprüche des Betroffenen

3 Zulässigkeit von Produkt- und Dienstleistungsbewertungen
3.1 Werturteil vs. Tatsachenbehauptung
3.2 Rückgriff auf Warentests

4 Verantwortlichkeit des Portalbetreibers
4.1 Grundzüge der Verantwortlichkeitsverteilung nach TDG
4.2 Eigene und fremde Inhalte
4.3 „Zu Eigen machen“ der Inhalte
4.4 Verantwortlichkeit nach § 11 TDG
4.5 Verantwortung nach den Grundsätzen der Störerhaftung
4.6 Abmahnkosten

5 Auskunftsanspruch
5.1 Allgemeine Voraussetzungen
5.2 Datenschutz

6 Gestaltungsvorschläge zur Haftungsminderung
6.1 Disclaimer
6.2 Haftungsausschlüsse in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

7 Fazit

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Für Informations- und Kommunikationsdienste gelten sowohl das Teledienstegesetz (TDG) als auch der Mediendienstestaatsvertrag (MDStV). Die Aufspaltung der Mediendienste in Tele- und Mediendienste hat seinen Ursprung in den unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern, weil die Teledienste bundesrechtlich und die Mediendienste in den sechzehn Landesausführungsgesetzen geregelt sind.

Nach bisheriger Rechtslage sind sowohl Tele- als auch Mediendienste gegenüber den Telekommunikationsdiensten sowie gegenüber dem Rundfunk abzugrenzen, da beide Gesetze für diese Bereiche keine Geltung beanspruchen. Dem Begriff des Teledienstes unterfallen nach der Regelung des § 2 Abs.1 TDG alle elektronischen Informations- und Kommunikations­dienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder und Töne bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt. Unter den Begriff des Teledienstes werden folglich alle Inhaltsangebote subsumiert, bei denen die wirtschaftliche Betätigung im Vordergrund steht, so beispielsweise bei Webseiten eines Unternehmens oder auch E-Commerce-Plattformen.

Zu den Telediensten zählen folglich Internetportale mit Informations-, Kommunikations- und Transaktionsmöglichkeiten. Gleiches gilt für das Betreiben eines Meinungsportals im Internet.

Zwangsläufig stellt sich deshalb die Frage, ob und wem gegenüber sich Unternehmen gegen negative Bewertungen ihrer Produkte in Meinungsforen wehren können. Auf der anderen Seite ist es für Betreiber eines Meinungsportals von existenzieller Bedeutung, ob sie für Äußerungen ihrer Nutzer haftbar sind.

2 Ansprüche des Betroffenen

Dem Betroffenen wird es in erster Linie darauf ankommen, dass nachteilige Produkt- und Dienstleistungsbewertungen gelöscht und zukünftig unterlassen werden. Zu prüfen wäre auch die Geltendmachung eines Schadenersatz­anspruches.

Das UWG kommt hierfür als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, da die Bewertungen in der Regel nicht zum Zwecke der Förderung des Absatzes eigener oder fremder Produkte und Dienstleistungen vorgenommen werden.

Denkbar sind vielmehr Ansprüche aus den §§ 1004, 823 Abs.2 BGB i.V.m. verschiedenen Schutzgesetzen, wie etwa den §§ 185 ff. StGB, § 824 und § 826 BGB oder auch bei Werturteilen nach den §§ 1004, 823 Abs.1 BGB als Eingriff in den Gewerbebetrieb des Beurteilten.

Die Tatbestände der Beleidigung, Verleumdung oder auch der üblen Nachrede gem. §§ 185 ff. StGB sind bei Bewertungen eher als Ausnahme zu betrachten. Gleiches gilt für den Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB, dessen hohe Voraussetzungen selten erfüllt sein werden.

Deshalb kommt bei unwahren Tatsachenbehauptungen dem § 824 BGB eine zentrale Bedeutung zu. Dafür muss die unwahre Tatsachenbehauptung geeignet sein, den wirtschaftlichen Ruf des Betroffenen zu gefährden. Bezieht sie sich auf Produkte oder Dienstleistungen, wird eine solche Gefährdung angenommen.[1] Auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Betroffenheit liegt regelmäßig vor, da die behaupteten Tatsachen meist in enger Beziehung zum Betrieb oder zu der gewerblichen Leistung stehen.[2] Ist hingegen keine unwahre Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil gegeben, sind Ansprüche aus §§ 1004, 823 Abs.1 BGB denkbar, sofern das Werturteil die Grenzen des Erlaubten überschreitet.

Unabhängig davon, auf welche Anspruchsgrundlage ein Unterlassungs- oder Schadens­ersatz­anspruch gestützt werden soll, ist immer von zentraler Bedeutung, ob es sich bei der Produktbewertung um eine (unwahre) Tatsachenbehauptung oder um ein Werturteil handelt.

Während bei unwahren Tatsachenbehauptungen in vielen Fällen ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegeben ist, stehen Werturteile als Meinungsäußerung grundsätzlich unter dem Schutz von Art. 5 Abs.1 S1 GG.

3 Zulässigkeit von Produkt- und Dienstleistungsbewertungen

Gerade bei Produktbewertungen, die subjektive Bewertungen mit objektiven Fakten vermischen, fällt eine Einordnung in die Kategorien „Werturteile“ oder „Tatsachenbehauptungen“ oft schwer.

3.1 Werturteil vs. Tatsachenbehauptung

Die grundsätzliche Abgrenzung der Tatsachenbehauptung vom Werturteil erfolgt anhand der klassischen Definitionen: Tatsachenbehauptungen charakterisieren sich durch eine tatsächliche Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit,[3] sind also einer objektiven Klärung und damit dem Beweis zugänglich.[4]

Im Gegensatz dazu sind Werturteile durch eine subjektive Beziehung der Person zu der Aussage, durch Elemente der Stellungnahme, der Kritik oder des Dafürhaltens geprägt.[5] Bei Produktbewertungen in Meinungsportalen werden Erfahrungen mit den Produkten beschrieben und damit eine subjektive Beziehung der Person zum Produkt. Eindeutig ist die Abgrenzung aber selten, da die Bewertungen regelmäßig auch Angaben zu den Eigenschaften des Produkts - tatsächlichen Elementen - enthalten. Bei der Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil ist auf das Verständnis eines durchschnittlichen Adressaten abzustellen.[6]

Gelingt eine Abgrenzung zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung nicht, so ist wegen des aus Art. 5 Abs.1 S1 GG folgenden Schutzgedankens im Zweifel von einem Werturteil auszugehen.[7]

3.2 Rückgriff auf Warentests

Als Hilfestellung für die Abgrenzung kann sich ein Rückgriff auf Entscheidungen zu professionellen Warentests anbieten. Warentests sind eine besondere Form der Produktbewertung. Der BGH hat vergleichende Warentests - wie etwa die der Stiftung Warentest - meist insgesamt als wertende Meinungsäußerungen eingestuft, da die darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen den Testberichten nur als unselbstständige Wertungselemente untergeordnet seien.[8]

Nur bei selbstständig abtrennbaren Tatsachenbehauptungen könnten diese losgelöst vom restlichen Warentest bewertet werden.

Diese Grundsätze dürften auch für die rechtliche Beurteilung von Meinungs­portalen heranzuziehen sein: Wenn schon die verobjektivierten Wartentests à la Stiftung Warentest eher als Werturteile einzustufen sind, dann muss dies für die deutlich stärker durch subjektive Elemente und persönliches Erleben geprägten Äußerungen in Meinungsportalen erst recht gelten. Die hohen an Tatsachenbe­hauptungen anzulegenden Maßstäbe gelten daher nur dann, wenn eine klare Abgrenzung der Tatsachenbehauptung vom Rest der Produktbewertung möglich ist, oder wenn insgesamt klar die Tatsachenbehauptungen dominieren. Alle anderen Produktbewertungen - und damit der weit überwiegende Teil - sind als Werturteile zu behandeln.

Auch soweit Tatsachenbehauptungen inhaltlich vom Rest der Produktbe­wertung getrennt werden können, müssen die Interessen der Parteien auf Grundlage einer ausreichenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abgewogen werden.[9] Bei eBay-Bewertungen hat der Verkäufer z.B. eine Möglichkeit zur Gegendarstellung im Bewertungsforum. Um die Bewertungstätigkeit der Kunden nicht zu lähmen, kann in diesem Sonderfall ein Unterlassungsanspruch nur bei offensichtlich unwahren Tatsachenbehauptungen bestehen.

Wie schon ausgeführt, sind Werturteile - auch kritische - über Waren und Dienstleistungen grundsätzlich nach Art. 5 Abs.1 S1 GG zulässig. Verbraucheraufklärung zur Gewinnung von Markttransparenz liegt nicht nur im Interesse der Verbraucher, sondern dient auch dem Interesse der Hersteller und Anbieter.[10] Hieran ändern geschäftsschädigende Wirkungen solcher Äußerungen nichts, da sich jeder Gewerbetreibende der Kritik seiner Leistung stellen muss.[11]

Es gibt jedoch Grenzen: Werturteile lösen dann Ansprüche des Betroffenen aus, wenn sie einen stark herabsetzenden Inhalt haben und damit nicht mehr vom Schutz des Art. 5 Abs.1 S1 GG umfasst werden. Dies kann aber regelmäßig nur bei Schmähkritiken der Fall sein.[12]

Eine Schmähkritik liegt dann vor, wenn nicht mehr die Sache im Vordergrund steht, sondern nur noch die Diffamierung, Herabwürdigung und Schädigung des Betroffenen. Dazu muss aber die Äußerung jenseits polemischer und überspitzter Kritik sein.[13] Auf der anderen Seite setzt sachliche Kritik immer voraus, dass für den Leser erkennbar ist, auf welche tatsächlichen Umstände sie sich bezieht. Allgemein gehaltene Herabsetzungen, die keinen Bezug zur Sache aufweisen, erlauben dem Leser kein eigenes Urteil über Produkt oder Anbieter und können im Einzelfall der Schmähkritik gleichstehen. Bei auch nur halbwegs sachlichen Produktbewertungen dürften diese Voraussetzungen selten erfüllt sein. Ist die Grenze zur Schmähkritik jedoch überschritten, stehen dem Betroffenen genau wie bei unwahren Tatsachenbehauptungen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gem. der §§ 1004, 826 BGB oder §§ 1004, 823 Abs.1 BGB gegen den Verfasser zu.

4 Verantwortlichkeit des Portalbetreibers

4.1 Grundzüge der Verantwortlichkeitsverteilung nach TDG

Die Ansprüche gegen den Verfasser einer rechtswidrigen Produktbewertung sind meist ohne weiteres durchsetzbar - sofern er dem Anspruchsteller bekannt ist. Dies ist aber oft nicht der Fall. Produktbewertungen werden regelmäßig unter einem Pseudonym abgegeben. Es stellt sich daher die Frage, ob der Betroffene statt gegen den Verfasser gegen den Betreiber des Meinungsportals vorgehen kann.

[...]


[1] BGH NJW 1966, 2010.

[2] BGH NJW 1963, 1871.

[3] BVerfGE 33, 1 insbes. 14; BVerfG 90, 241 insbes. 247.

[4] BVerfG NJW 1999, 483.

[5] BVerfGE 61, 1 insbes. 9 (st. Rspr.).

[6] BVerfGE 93, 266 insbes. 295.

[7] BVerfGE 85, 1 insbes. 15.

[8] BGHZ 65, 325.

[9] LG Düsseldorf MMR 2005, 54.

[10] BGH NJW 1976, 620 insbes. 622.

[11] BGHZ 65, 325 insbes. 331.

[12] BGH NJW 1897, 1082.

[13] BVerfGE 82, 283.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Haftungsrechtliche Fragen bei Meinungsportalen im Internet
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
29
Katalognummer
V73627
ISBN (eBook)
9783638781114
ISBN (Buch)
9783656579731
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haftungsrechtliche, Fragen, Meinungsportalen, Internet
Arbeit zitieren
Dipl.Wirtschaftsjuristin (FH) Anja Herzberg (Autor:in), 2006, Haftungsrechtliche Fragen bei Meinungsportalen im Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73627

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