Ingeborg Bachmanns Fragment gebliebener „Todesarten“-Roman „Das Buch Franza“ ist grundiert mit einem Subtext intertextueller, mythologischer und religiöser Bezüge. Diese Art des „Zusammenhang-stiftenden Schreibens“ ist kennzeichnend für Ingeborg Bachmanns Werk. Christa Wolf entdeckt in Bachmans Schreiben eine Gewebestruktur, eine Verwobenheit der motivischen Fäden, die das Erzählte in andere, größere Zusammenhänge rückt. Vor allem zwischen dem altägyptischen Mythos von Isis und Osiris und dem „Buch Franza“ besteht ein ganzes System komplexer Bezüge. Vermittelt wird der Mythos auch – aber nicht ausschließlich - über intertextuelle Bezüge zu Robert Musils Gedicht „Isis und Osiris“ und über die Utopie eines „anderen Zustands“, die Musil in seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ entwirft. Diese Arbeit vertritt die These, dass Ingeborg Bachmann ihre Figuren bewusst so angelegt hat, dass sie sich zu den Protagonisten des alt-ägyptischen Mythos in Analogie setzen lassen, wobei die Autorin an entscheidenden Stellen eine genaue Umkehrung der mythischen Erzählung vornimmt. Einige dieser Parallelen zwischen dem Mythos und dem Buch Franza sollen in dieser Hausarbeit aufgezeigt werden, darunter auch solche, die bisher von der Forschung nicht oder wenig beachtet wurden.
Franza erscheint im Lichte des Mythos als die Vertreterin einer archaischen Vorzeit. Auch die Funktion Martins lässt sich über die Parallelen zu den altägyptischen Gottheiten Osiris und Horus erhellen. Über eine ikonographische Traditionslinie schließlich lässt sich das Motiv des Horus mit der Figur Moses verknüpfen. Über diese zahlreichen und komplexen Verbindungen ergibt sich eine Lesart des Textes, in der Franza zur Vertreterin einer „Gegenreligion“ wird. Um diese These zu belegen, untersucht diese Arbeit die genannten Bezüge. Dazu ist es nötig, auch mythologische Untersuchungen aus dem Bereich der Ägyptologie und der religionsgeschichtlichen Forschung als Quellen mit heranzuziehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Frantzals als Vertreterin einer mythischen Vorzeit
- Frantzals mythisches Denken in Bezug auf das Kind
- Die Mumifizierung des Kindes
- Verzehr des Herzens
- Frantzals „heidnischer“ Glaube
- Frantzals mythisches Denken in Bezug auf das Kind
- Bezug der Figuren zum Mythos von Isis und Osiris
- Franza als Isis
- Der untergegangene Tempel
- Das Bad im Nilschlamm
- Franza als mütterliche Isis
- Isis als Gegengöttin
- Martin als Osiris und Horus
- Ertrinkungstod, Rettung, Unterrichtung
- Aufforderung zur Rache
- Ambivalenz
- Blick, Sonne und Gerechtigkeit
- Jordan als Seth
- Verkörperung als Krokodil
- Franza als Isis
- Franza und der christliche Glaube
- Von Horus zu Moses
- Negierung der christlichen Religion
- Frantzals gescheiterte Gottesbegegnung
- Kritik an der Kirche
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Ingeborg Bachmanns Romanfragment „Das Buch Franza“ im Hinblick auf die darin enthaltenen mythologischen und religiösen Bezüge. Der Fokus liegt insbesondere auf der Verbindung des Romans zum altägyptischen Mythos von Isis und Osiris. Die Arbeit untersucht, wie Bachmann die Figuren des Romans bewusst als Analogien zu den Protagonisten des Mythos gestaltet und dabei die mythische Erzählung in entscheidenden Punkten umkehrt. Darüber hinaus werden die Bezüge zu Robert Musils „Isis und Osiris“ sowie zu seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ beleuchtet.
- Die Rolle von Mythen und Religion in Ingeborg Bachmanns „Das Buch Franza“
- Die Analogie zwischen den Figuren des Romans und den Gottheiten des altägyptischen Mythos
- Die Umkehrung der mythischen Erzählung durch Bachmann
- Die Bedeutung von Intertextualität und „Zusammenhang-stiftenden Schreibens“ in Bachmanns Werk
- Die Darstellung von „Gegenreligion“ in „Das Buch Franza“
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die These der Arbeit vor, dass Ingeborg Bachmann in ihrem Romanfragment „Das Buch Franza“ eine „Gegenreligion“ entwirft, die sich durch die Verbindung des Textes zum Mythos von Isis und Osiris manifestiert. Die Arbeit erläutert den Ansatz, der die Analyse der mythologischen und religiösen Bezüge in Bachmanns Text beleuchtet.
- Frantzals als Vertreterin einer mythischen Vorzeit: Dieses Kapitel untersucht die Darstellung von Franza als Vertreterin einer archaischen Vorzeit, die durch den Bezug zum Mythos von Isis und Osiris gekennzeichnet ist. Es wird analysiert, wie die Beziehung zwischen Franza und Martin durch den „Kult-Satz“ im Kontext des mythischen Geschwisterpaares Isis und Osiris verstanden werden kann.
- Bezug der Figuren zum Mythos von Isis und Osiris: Dieses Kapitel untersucht die komplexen Beziehungen zwischen den Figuren des Romans und den Gottheiten des altägyptischen Mythos. Es werden die Parallelen zwischen Franza und Isis, Martin und Osiris sowie Jordan und Seth analysiert, wobei die Umkehrung der mythischen Erzählung durch Bachmann hervorgehoben wird.
- Franza und der christliche Glaube: Dieses Kapitel betrachtet die Verbindung zwischen Frantzals Lebensgeschichte und dem christlichen Glauben. Es werden die Bezüge zu Moses, die Negierung der christlichen Religion und Frantzals gescheiterte Gottesbegegnung analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit Ingeborg Bachmanns „Das Buch Franza“, dem altägyptischen Mythos von Isis und Osiris, „Gegenreligion“, Intertextualität, „Zusammenhang-stiftenden Schreibens“, Robert Musils „Isis und Osiris“ und „Der Mann ohne Eigenschaften“, sowie dem Motiv des Horus.
- Arbeit zitieren
- Julia Büttner (Autor:in), 2006, Glaube, Mythos, Gegenreligion - Mythologische Bezüge in Ingeborg Bachmanns „Das Buch Franza“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73892