Einleitung
„Mein liebster treuer Freund, Ja! Jetzt geht’s aufs Ganze. Schade, dass es so spät kam – gut, dass es nicht später gekommen ist.(1)“ Schrieb Feldmarschall von der Goltz kurz nach dem Kriegsausbruch an einen Kameraden. Wie auch schon Heinrich Mann in seinem Werk „Der Untertan“ (1918) kritisiert, wurde vor allem in der Zeit Wilhelm II. die freiheitlich-demokratischen Prinzipien aufgrund von Weltmachtsbestrebungen und Militarismus missachtet. Offensichtlich bestand nach dem ersten Weltkrieg ein enormer Bedarf an Aufklä-rung in Bezug auf die Rolle des Militärs innerhalb der Gesellschaft, was die Verkaufszah-len von „Der Untertan“ - 100 000 Exemplare in den ersten sechs Wochen – belegen(2).
Mit seiner Einstellung war von der Goltz nicht allein. Viele Mitglieder des Offizierkorps teilten seine Meinung, hatten sie doch die lange Zeit des Zuwartens auf den Krieg gehasst. Hinter dieser Einstellung stand das tiefgreifende Welterklärungsmodell des Sozialdarwinismus. Es basiert auf der Überzeugung, dass sich jedes Volk in einem ständigen „Kampf ums Dasein“ befindet und nur das stärkste überleben könne(3). Der Schweizer Historiker Burckhardt verstand den Krieg als eine „Völkercrisis“, als ein „notwendiges Moment höherer Entwicklung“ und das Volk lerne „seine volle Nationalkraft nur im Kriege […] kennen“(4). Der Krieg wurde demnach als „biologische Notwendigkeit“ gesehen, der „biologisch gerecht entscheidet“(5), wie Friedrich von Bernhardi emphatisch feststellte.
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(1) Zitiert nach: Wette, Wolfram (Hg): Schule der Gewalt. Militarismus in Deutschland 1871 bis 1945, (Berlin 2005), Seite 53
(2) Ulrich, Bernd/ Jakob Vogel / Benjamin Ziemann (Hg): Untertan in Uniform. Militär und Militarismus im Kaiserreich 1871 – 1914. Quellen und Dokumente (Frankfurt am Main 2001), Seite 9 - 10
(3) Wette, Schule der Gewalt, Seite 56
(4) Jansen, Christian (Hg): Der Bürger als Soldat. Die Militarisierung europäischer Gesellschaften im langen 19. Jahrhundert: ein internationaler Vergleich, Frieden und Krieg, Beiträge zur historischen Friedensforschung, Band 3 (Essen 2004), Seite 26
(5) Zitiert nach: De Jong, Albert/ Müller-Lehning, Arthur: Die soziale Revolution und die antimilitaristische Taktik, o.O. 1987, Seite 53 in: Wette, Schule der Gewalt, Seite 53
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Formen des Militarismus
- 1. Der konservative Militarismus
- 2. Der bürgerliche Militarismus
- III. Von Preußen über das Kaiserreich in den Krieg: Die Militarisierung der Bevölkerung
- IV. Der wilhelminische Militarismus in der Kunst: Der Hauptmann von Köpenick
- V. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Phänomen des Militarismus im Deutschen Kaiserreich und analysiert die Militarisierung der Gesellschaft bis zum Ersten Weltkrieg. Sie konzentriert sich auf die verschiedenen Formen des Militarismus, die Auswirkungen der Wehrpflicht und die Rolle des Nationalismus in diesem Prozess. Die Arbeit vermeidet eine umfassende Begriffsdefinition und fokussiert stattdessen auf die konkreten Auswirkungen auf die Gesellschaft.
- Formen des Militarismus im Kaiserreich (konservativer und bürgerlicher Militarismus)
- Auswirkungen der allgemeinen Wehrpflicht auf die Bevölkerung
- Rolle des Nationalismus in der Militarisierung des Zivillebens
- Militärische Strukturen und Denkweisen im zivilen Leben
- Darstellung des wilhelminischen Militarismus in der Kunst
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung beleuchtet den Kontext des Militarismus im Deutschen Kaiserreich, insbesondere die Zeit um den Ersten Weltkrieg. Sie verweist auf kritische Stimmen wie Heinrich Mann und Feldmarschall von der Goltz, die die freiheitlich-demokratischen Prinzipien als durch Weltmachtambitionen und Militarismus beeinträchtigt beschreiben. Die Einleitung hebt die breite Rezeption von Werken wie „Der Untertan“ hervor und führt in die Problematik der Definition von „Militarismus“ ein, die von Kriegsgegnern instrumentalisiert wurde. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Militarisierung der Gesellschaft bis zum Ersten Weltkrieg, wobei die zeitliche Eingrenzung auf 1800-1914 und der Fokus auf Preußen als maßgeblicher Faktor der Kaiserreichsgründung betont wird. Die Einleitung kritisiert bisherige Forschungsansätze, die sich zu sehr auf Begriffsdefinitionen konzentrierten und die gesellschaftlichen Ursachen und Effekte zu kurz kommen ließen.
II. Formen des Militarismus: Dieses Kapitel analysiert verschiedene Formen des Militarismus im Kaiserreich. Es unterscheidet zwischen konservativen und bürgerlichen Formen, die beide das Ziel verfolgten, die Armee effektiv einzusetzen, um den Monarchen vor Putschen und das Reich vor äußeren Bedrohungen zu schützen. Es wird die politische Instrumentalisierung und die unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs Militarismus eingehend beleuchtet. Der Schwerpunkt liegt auf den unterschiedlichen politischen Intentionen hinter den verschiedenen Formen des Militarismus und deren Auswirkungen auf das politische System.
III. Von Preußen über das Kaiserreich in den Krieg: Die Militarisierung der Bevölkerung: Dieses Kapitel untersucht die weitreichenden Folgen der allgemeinen Wehrpflicht im Deutschen Kaiserreich. Es analysiert, wie die Rekrutierung, Ausbildung und Erziehung junger Männer die „Wehrkraft“ Deutschlands sichern sollte und wie sich militärische Strukturen und Denkweisen in die Gesellschaft und das zivile Leben integrierten. Der Fokus liegt auf der umfassenden Untersuchung der Auswirkung der Wehrpflicht auf die gesamte Gesellschaft und nicht nur auf das Militär selbst. Hier werden die konkreten Mechanismen, durch die die Wehrpflicht die Gesellschaft militarisierte, detailliert dargelegt.
IV. Der wilhelminische Militarismus in der Kunst: Der Hauptmann von Köpenick: Dieses Kapitel verwendet das Beispiel des zeitgenössischen Werkes „Der Hauptmann von Köpenick“, um die Effekte militärischer Denkweisen und die Überdominanz der Armee im Kaiserreich zu veranschaulichen. Die Analyse dieses Werkes soll die gesellschaftlichen Auswirkungen des Militarismus verdeutlichen und aufzeigen, wie militärische Strukturen und Denkweisen sich in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens manifestierten. Es wird untersucht, inwiefern das Werk als Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Auswirkungen des Militarismus dient.
Schlüsselwörter
Militarismus, Kaiserreich, Preußen, Wehrpflicht, Nationalismus, konservativer Militarismus, bürgerlicher Militarismus, „Der Hauptmann von Köpenick“, Volkserziehung, Sozialdarwinismus, Weltmachtstreben.
Häufig gestellte Fragen zum Text: Militarismus im Deutschen Kaiserreich
Was ist der Gegenstand dieses Textes?
Der Text untersucht das Phänomen des Militarismus im Deutschen Kaiserreich, insbesondere in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg (1800-1914). Er analysiert verschiedene Formen des Militarismus, die Auswirkungen der Wehrpflicht auf die Gesellschaft und die Rolle des Nationalismus in diesem Prozess. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Militarisierung der Gesellschaft und weniger auf abstrakten Begriffsdefinitionen.
Welche Formen des Militarismus werden behandelt?
Der Text unterscheidet zwischen konservativen und bürgerlichen Formen des Militarismus. Beide zielten auf die effektive Nutzung der Armee zum Schutz des Monarchen und des Reiches ab, unterschieden sich aber in ihren politischen Intentionen und Auswirkungen auf das politische System.
Welche Rolle spielt die Wehrpflicht?
Die allgemeine Wehrpflicht wird als ein zentraler Faktor für die Militarisierung der Gesellschaft betrachtet. Der Text analysiert, wie Rekrutierung, Ausbildung und Erziehung junger Männer die "Wehrkraft" Deutschlands sichern sollten und wie militärische Strukturen und Denkweisen in das zivile Leben integriert wurden.
Welche Bedeutung hat der Nationalismus?
Der Text untersucht die Rolle des Nationalismus im Prozess der Militarisierung. Wie trug der Nationalismus zur Akzeptanz und Verbreitung militärischer Denkweisen und Strukturen in der Bevölkerung bei?
Wie wird der wilhelminische Militarismus dargestellt?
Der wilhelminische Militarismus wird anhand des Beispiels des Theaterstücks "Der Hauptmann von Köpenick" analysiert. Die Analyse dieses Werkes soll die gesellschaftlichen Auswirkungen des Militarismus veranschaulichen und zeigen, wie sich militärische Strukturen und Denkweisen im Alltag manifestierten.
Welche Kapitel umfasst der Text?
Der Text gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Formen des Militarismus, Von Preußen über das Kaiserreich in den Krieg: Die Militarisierung der Bevölkerung, Der wilhelminische Militarismus in der Kunst: Der Hauptmann von Köpenick und Schluss.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Text?
Schlüsselwörter sind: Militarismus, Kaiserreich, Preußen, Wehrpflicht, Nationalismus, konservativer Militarismus, bürgerlicher Militarismus, „Der Hauptmann von Köpenick“, Volkserziehung, Sozialdarwinismus, Weltmachtstreben.
Welche Forschungslücke schließt der Text?
Der Text kritisiert frühere Forschungsansätze, die sich zu stark auf Begriffsdefinitionen konzentrierten und die gesellschaftlichen Ursachen und Effekte des Militarismus zu kurz kommen ließen. Er fokussiert stattdessen auf die konkreten Auswirkungen des Militarismus auf die Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Peter Karin (Autor:in), 2006, Die Militarisierung der Bevölkerung im Kaiserreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74166