Nimmt man die Berichterstattung in den Medien zum Maßstab, hängt das weltgesellschaftliche Wohl und Wehe vor allem von zwei Faktoren ab: Der Börse und den Bombenanschlägen islamistischer Terroristen. Im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte und vor allem nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes hat die Bedeutung des gegenwärtigen Kapitalismus und des Fundamentalismus tatsächlich zugenommen: Ihre Bedrohungen sind näher gerückt.
Dass der Fundamentalismus besonders in Ländern wie Saudi-Arabien, Ägypten, Algerien und Nigeria zu politischem Einfluss gekommen ist, also in Ländern, die der westlichen Welt historisch, gesellschaftlich oder wirtschaftlich eher nahe stehen, ist sicher kein Zufall: Fundamentalismus als kulturelle Defensive braucht eine kulturelle Offensive, auf die er reagieren kann.
Mit zwei Theorien über den Fundamentalismus will sich diese Arbeit kritisch auseinandersetzen: Zum einen mit der Erklärung, Fundamentalisten seien Klassenkämpfer, die den Nord-Süd-Konflikt als ökonomischen Konflikt betrachten und den Fundamentalismus als ideologisches Vehikel nutzen, um wirtschaftliche Machtverhältnisse umzukehren. Zum anderen mit der Annahme, Fundamentalisten seien bärtige Traditionalisten, die sich die Welt des Mittelalters in einem Aufstand gegen Aufklärung und Moderne zurückerkämpfen.
Stattdessen soll der Fundamentalismus als Milieu mit seinen sozialen Ursachen dargestellt werden und auf seine Funktion für den Einzelnen befragt werden. Diese Perspektive kann sein Auftreten sowohl in den Industrienationen als auch in den Ländern der Dritten Welt erhellen, unabhängig von der jeweiligen Religion seiner Anhänger.
In einem zweiten Schritt soll die islamische Welt als paradigmatischer Fall für den Fundamentalismus der Dritten Welt und als dringendstes Beispiel für die Bedrohungen durch den Fundamentalismus dargestellt werden.
Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse über revitalisierte, politisierte und radikalisierte Religion in einen weltgesellschaftlichen Rahmen gestellt, um die Zusammenhänge zwischen Nord-Süd-Konflikt und religiösem Fundamentalismus deutlicher zu machen.
Ein "Angriff auf die gesamte zivilisierte Welt" wurden die Anschläge islamistischer Fundamentalisten von 11. September 2001 genannt. Sich diese Welt zum Feind zu machen, bedarf für einen Menschen entweder guter Gründe oder starker Ursachen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Sozialprofil fundamentalistischer Bewegungen
- a.) Marginalisierte Mittelschichten
- b.) Intellektuelle
- c.) Unterschichten
- d.) Die Kritik an der bestehenden Gesellschaft und der „Feind“
- III. Allgemeine Merkmale des fundamentalistischen Kulturmilieus
- a.) Autoritäre und patriarchale Herrschaftsstrukturen
- b.) Klassenheterogenes Kulturmilieu
- c.) Apokalyptisches Geschichtsverständnis
- d.) Politische Ambitionen
- e.) Fazit
- IV. Der Fundamentalismus der islamischen Welt
- a) Historische Perspektive: Der Sechs-Tage-Krieg
- b) Die politische Krise der islamischen Welt: Innere und äußere Konflikte
- c) Die sozioökonomische Krise: Sozialer Wandel
- d) Die kulturelle Krise und die Revitalisierung des Islam
- V. Fundamentalismus und Nord-Süd-Konflikt
- a) Globale Revitalisierung von Religion
- b) Globalisierung von Kultur und Revitalisierung von lokaler Kultur
- c) Die globalisierte Kultur des Nordens und die kulturelle Defensive des Südens
- VI. Schluss
- VII. Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Fundamentalismus als ein Phänomen, das sowohl in den Industrienationen als auch in den Ländern der Dritten Welt auftritt. Die Arbeit hinterfragt die gängigen Theorien, die den Fundamentalismus als klassenspezifisches Phänomen oder als Reaktion auf die Moderne interpretieren. Stattdessen betrachtet sie den Fundamentalismus als ein Milieu mit eigenen sozialen Ursachen und Funktionen für den Einzelnen.
- Das soziale Profil fundamentalistischer Bewegungen und ihre Zusammensetzung aus verschiedenen sozioökonomischen Schichten.
- Die allgemeinen Merkmale des fundamentalistischen Kulturmilieus, wie autoritäre Herrschaftsstrukturen, ein klassenheterogenes Umfeld und ein apokalyptisches Geschichtsverständnis.
- Der Fundamentalismus der islamischen Welt als Beispiel für die Herausforderungen, die der Fundamentalismus für die Gesellschaft und die politische Ordnung stellt.
- Der Zusammenhang zwischen Fundamentalismus und dem Nord-Süd-Konflikt, mit Fokus auf die Revitalisierung von Religion, die Globalisierung von Kultur und die kulturelle Defensive des Südens.
- Die Funktion des Fundamentalismus für den Einzelnen und sein Einfluss auf die Handlungsfähigkeit von Staaten.
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung stellt den religiösen Fundamentalismus als ein Symptom der Krise des Südens dar, gleichzeitig aber auch als Ursache vieler Probleme auf dem Weg zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Gesundung. Es wird deutlich, dass der Fundamentalismus eine gesellschaftliche Bewegung ist, die die Handlungsfähigkeit von Staaten unterminiert. Die Arbeit setzt sich kritisch mit zwei gängigen Theorien über den Fundamentalismus auseinander und kündigt eine Analyse des Phänomens aus einer soziokulturellen Perspektive an.
II. Sozialprofil fundamentalistischer Bewegungen
Dieses Kapitel zeigt, dass Fundamentalismus nicht einfach als klassenspezifisches Phänomen verstanden werden kann. Die Bewegungen rekrutieren ihre Mitglieder aus verschiedenen sozioökonomischen Schichten und lassen sich nicht auf eine einheitliche ökonomische Klassenlage reduzieren. Die Arbeit argumentiert, dass kulturelle Ideale im Fundamentalismus eine größere Rolle spielen als ökonomische Interessen. Drei wichtige soziale Schichten, die "marginalisierte Mitte", proletarisierte Intellektuelle und die Unterschichten, werden als typische Mitglieder fundamentalistischer Bewegungen dargestellt.
III. Allgemeine Merkmale des fundamentalistischen Kulturmilieus
Das Kapitel beschreibt die charakteristischen Merkmale des fundamentalistischen Kulturmilieus. Es werden autoritäre und patriarchale Herrschaftsstrukturen, ein klassenheterogenes Umfeld und ein apokalyptisches Geschichtsverständnis als wesentliche Merkmale identifiziert. Des Weiteren wird die Rolle politischer Ambitionen und das Fazit dieses Kapitels behandelt.
IV. Der Fundamentalismus der islamischen Welt
Dieses Kapitel betrachtet die islamische Welt als paradigmatischen Fall für den Fundamentalismus der Dritten Welt. Es analysiert die historischen Wurzeln des Fundamentalismus, insbesondere im Zusammenhang mit dem Sechs-Tage-Krieg. Die Arbeit beleuchtet die politische Krise der islamischen Welt, die sozioökonomische Krise und die kulturelle Krise, die zur Revitalisierung des Islam geführt hat.
V. Fundamentalismus und Nord-Süd-Konflikt
Das Kapitel stellt die Erkenntnisse über den Fundamentalismus in einen weltgesellschaftlichen Rahmen. Es zeigt die Zusammenhänge zwischen der globalen Revitalisierung von Religion, der Globalisierung von Kultur und der kulturellen Defensive des Südens auf. Die Arbeit analysiert, wie die globalisierte Kultur des Nordens die kulturelle Defensive des Südens beeinflusst und zum Aufstieg des Fundamentalismus beiträgt.
Schlüsselwörter
Religiöser Fundamentalismus, Nord-Süd-Konflikt, soziale Ungleichheit, Islamismus, kulturelle Defensive, globale Revitalisierung von Religion, soziokulturelle Ursachen, sozioökonomische Krise, politische Krise, Klassenstruktur, marginalisierte Mittelschichten, Intellektuelle, Unterschichten.
- Quote paper
- Eike Freese (Author), 2002, Fundamentalismus im Nord-Süd-Konflikt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74285