„Es kennzeichnet die Deutschen, daß bei ihnen die Frage ‚Was ist deutsch?’ niemals ausstirbt.“1 Diese Einschätzung aus dem 19. Jh. erlangte an der Schwelle zum 21. Jh. wieder Aktualität, als sich nach dem Wahlsieg der rot-grünen Koalition der neu gewählte deutsche Bundestag im Jahre 1999 daran machte, das 86 Jahre alte Staatsangehörigkeitsrecht zu reformieren, das in seinen Grundzügen noch aus der Kaiserzeit herrührte.
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Im Mittelpunkt dieser Arbeit soll die Frage stehen, inwieweit die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts eine Neuformulierung des herkömmlichen deutschen nationalen Selbstverständnisses bedeutet. Dabei sollen die verschiedenen politischen Positionen der Parteien in der emotional geführten Debatte beleuchtet werden, insbesondere bei den beiden Schlüsselfragen der Integration der Ausländer in die deutsche Gesellschaft und der doppelten Staatsbürgerschaft.
Um die theoretischen Grundlagen für die weitere Diskussion zu legen, wird im ersten Teil der Arbeit gefragt, was überhaupt eine Nation ausmacht. Was ist eine Nation und was sind die Bestimmungsgründe für die Zugehörigkeit zu ihr? Es wird also der Begriff der Nation und die Definition der Staatsangehörigkeit gegeben. Nähert sich der erste Abschnitt dem Thema aus philosophisch-rechtlicher Perspektive, steht im zweiten Teil der historische Entstehungsprozess der deutschen Nation im Zentrum. Hier wird nach den besonderen Kennzeichen des deutschen Nationsverständnis als dem Gegenentwurf zum französischen Modell gefragt. Daneben wird mit dem sogenannten Etatismus eine weitere spezifisch deutsche Traditionslinie behandelt. Beide Linien, sowohl die ethno-nationale als auch die etatistische, finden schließlich ihren juristischen Niederschlag im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStG) von 1913, das für den Rest des Jahrhunderts maßgebend sein wird für die Bestimmung der Frage, wer Deutscher ist.
Im dritten Abschnitt schließlich geht es um die politische Debatte um die Staatsangehörigkeitsreform von 1999. Dabei wird versucht, bei der Untersuchung der beiden Kernstreitpunkte - der Integrationsfrage und der Mehrfachstaatigkeit - die zuvor gesammelten Erkenntnisse über Nation und Staatsangehörigkeit einfließen zu lassen. Abschließend befaße ich mich mit der Optionspflicht als Kompromißlösung und gehe auf einige Schwierigkeiten ein, welche dieser Ansatz mit sich bringt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Nation und Staatsangehörigkeit
- Ernest Renan: Was ist eine Nation?
- Bernard Yack: Der Mythos der Staatsnation
- Der Begriff der Staatsangehörigkeit
- Ius Sanguinis und Ius Soli
- Historische Traditionslinien
- Frankreich als Staatsnation
- Deutschland als Kulturnation
- Der Etatismus
- Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStG) von 1913
- Diskussion der Staatsangehörigkeitsreform
- Die Ausländer – von Gastarbeitern zu Einwanderern
- Integration ja - aber wie?
- Die doppelte Staatsangehörigkeit – integrationsfördernd oder integrationshemmend?
- Der zweite Pass – wann er Sinn macht und wann nicht.
- Die Optionspflicht
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 1999 und untersucht, inwiefern diese Reform eine Neuformulierung des herkömmlichen deutschen nationalen Selbstverständnisses darstellt.
- Die Bedeutung von Nation und Staatsangehörigkeit für die deutsche Identität.
- Der historische Entstehungsprozess der deutschen Nation im Vergleich zum französischen Modell.
- Die politische Debatte um die Staatsangehörigkeitsreform, insbesondere die Fragen der Integration und der doppelten Staatsbürgerschaft.
- Die Optionspflicht als Kompromisslösung und die damit verbundenen Schwierigkeiten.
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt den historischen Kontext der Staatsangehörigkeitsreform dar und skizziert die zentralen Fragestellungen der Arbeit.
- Das erste Kapitel befasst sich mit dem Begriff der Nation und der Staatsangehörigkeit. Hierbei werden die Ansätze von Ernest Renan und Bernard Yack vorgestellt und die verschiedenen Kriterien für die Zugehörigkeit zu einer Nation diskutiert.
- Im zweiten Kapitel wird der historische Entstehungsprozess der deutschen Nation im Vergleich zum französischen Modell analysiert. Die Bedeutung des Etatismus und die Entwicklung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStG) von 1913 werden beleuchtet.
- Das dritte Kapitel befasst sich mit der politischen Debatte um die Staatsangehörigkeitsreform von 1999. Es werden die Positionen der verschiedenen Parteien in Bezug auf die Integrationsfrage und die doppelte Staatsbürgerschaft untersucht.
Schlüsselwörter
Staatsangehörigkeitsreform, Nation, Staatsnation, Integration, doppelte Staatsbürgerschaft, Optionspflicht, Deutschland, Frankreich, Etatismus, Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStG), Ius Sanguinis, Ius Soli.
- Arbeit zitieren
- Holger Michiels (Autor:in), 2004, Die Staatsangehörigkeitsreform von 1999 im Spiegel der Fragen von Staat und Nation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74293