Die mögliche Genese der Photographie aus dem christlichen und jüdischen Verständnis zur Seh- und Bildkultur


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

26 Seiten, Note: noch keine


Leseprobe


Gliederung

A. Einleitung

B. Verschiedene Positionen in der Wissenschaft

C. Diverse Dimensionen des Sehens und der Definition des Auges in Bibel, Talmud und der rabbinischen Theologie
I. Vorbemerkungen
II. Die göttliche Dimension: Das prophetische Sehen
II.1. Christliche Prophetie
II.2. Das jüdische Verständnis
III. Die menschliche Ebene: das Auge
III:1. Das Neue Testament
III. 2. Der Talmud
III.3. Die rabbinische Reflexion
III.4. Das Verhältnis Wort und Bild im Judentum

D. Ausblick

Bemerkungen

Literaturliste

A. Einleitung

Die neue Macht des Auges. Mit diesen Worten kennzeichnete Gero von Randow seinen Artikel, den er am 31.März 1995 in der “Zeit” veröffentlichte. Kritisch setzte er sich mit dem Gegenstand Bilderwelt in der Wissenschaft auseinander. Er betonte die Dreierdimension, in der sich Wissen heutzutage präsentiert: Sätze, Ziffern und Bilder. Diese Dimensionen zeichnen sich durch Dynamik und Facettenreichtum wie auch subtile Nuancierung aus., wobei die drittaufgeführte Dimension Bild die Priorität erhält. Mit dem Begriff Bild definierte Gero von Randow nicht gemalte Objekte oder Kunst, sondern Aufnahmen. Gleichzeitig verwies er in dieser Betrachtung auf die neue Machtdimension der Wissenschaft, die diese neuartige Kommunikationsebene miteinschließt. Gemeint ist das Verhältnis Bild zu Wissen und umgekehrt. Genau hier setzt ein neuer Wissenschaftszweig Imaging Science ein, der in Chicago begründet wurde und in deutscher Übersetzung Visualistik oder Abbildungswissenschaft genannt werden kann. Historisch betrachtet ergaben sich in der Frage nach dem geschichtlichen Ursprung und Verlauf dieser neuen visuellen Kultur seltsame Widersprüche, die sich nicht auflösten, sondern nebeneinander existierten. Der eine Pol sieht ein ständiges Misstrauen gegenüber Bildern in der europäischen Geschichte vor. Die Domäne ist die Zahl und das Wort. Gegenpolartig erfährt gerade die neuzeitliche Wissenschaft einen relevanten Aufschwung durch die visuellen Objekte. Gero von Randow erkannte in der Renaissance den Wendepunkt zu dieser neuen Entwicklung . Sehr dramatisch beurteilte er erste Sehtechniken wie Mikroskop und Teleskop. Die Photographie , ebenfalls eine Errungenschaft neuer Sehtechniken, wirkte seiner Ansicht nach wie ein Treibfeuer besonders durch ihre Sonderformen der Langzeit- und Kurzzeitphotographien. Das bisher Unsichtbare wurde dem Auge zugänglich gemacht.(1). Gero von Randow beurteilte in positiver Grundhaltung die neue Entwicklung dieser Visualistik. Es finden sich kaum kritische Ansätze zur Herausbildung dieser Sehkultur, die so eng mit der Photographie verknüpft ist. Geros Kritik setzte erst bei der ethischen Fragestellung zu Inhalt, Ausdruck und Nutzung dieser Aufnahmen ein. Auf diese wird im letzten Punkt verwiesen werden.

Geros Grundeinstellung zur Entstehung der neuen visuellen Kultur basiert auf Änderungen während der Renaissance. Kann Gero von Randow diese Epoche als den alleinigen Katalysator für diese Entwicklung verantwortlich machen? Ist diese Sichtweise nicht zu kurz gefasst? Negiert er nicht wesentliche Elemente der christlichen und jüdischen Tradition, die entscheidende Einflüsse auf die Entwicklung unserer Kultur haben und hatten?

Diese Arbeit versucht der Fragestellung nach einer Kontanten in der religiösen Dimension des Christen- und Judentums im bezug auf Sehen und Auge in seiner Bedeutung für die Entwicklung der neuen Sehkultur miteingeschlossen die Photographie nachzuspüren. Existiert eine derartige Konstante? Ist die Entwicklung nicht eher durch Brüche und Diskontinuitäten gekennzeichnet?

Bereits im ersten Gliederungspunkt wird der Diskonsens in der historischen Betrachtung zur Genese der Photographie dargelegt, indem einige ausgewählte Positionen vorgestellt werden.

Ein zweiter Punkt befasst sich mit dem Sehen und Auge in verschiedenen Dimensionen analysiert anhand von Bibel, Talmud und in der rabbinischen Theologie als eine mögliche Basis für die einsetzende Entwicklung zur Sehkutltur in ihrer heutigen Physiognomie.

Im Ausblick stehen wissenschaftliche Folgen im Mittelpunkt. Die Arbeit wird mit der Fragestellung nach dem Einfluss der religiösen Dimension in ihrer Relation zur Sehkultur schließen:

B. Verschiedene Positionen in der Wissenschaft

“Die Genauigkeit der photographischen Bildwiedergabe ist nicht als neue Seherfahrung zu bewerten, die den idealen Schleier vor der Wirklichkeit zerfallen lässt und neue Sehweisen erzwingt- sie ist vielmehr das Produkt einer Zeitströmung, deren geistige und ästhetische Grundauffassung vom Ideal der exakten Gegenstands- und Welterfassung geprägt ist.”(1).

Diese These vertritt die Photographie- Historikerin Ursula Peters in ihrem 1979 edierten Buch “Stilgeschichte der Photographie” und deutet mit knappen Worten den Folienhintergrund an, auf dem sich die Erfindung der Photographie vollzieht. Sie definiert diese Entwicklung als Kind ihrer Zeit und nicht als Faktum einer Erfindung eines Genies.. In Negation klammert sie mögliche Traditionsstränge aus der religiösen Kulturgeschichte aus.

Die Photographie steht in einem neuen Koordinatensystem, in der sie sich selbst ihre eigenen Achsen ,Zeit und Raumdimension, zeichnet. Sie ist der Koordinatennullpunkt, aus welchem beide Achsen entspringen. (2).

Patricia Anna Hämmerle beginnt ihr Buch ”Schattenriss der Zeit” mit einer Geschichte aus Ovids Metamorphosen “Die Göttin Im Bade” oder auch “Aktäon”. (3). Ihrer Beurteilung nach ist die Photographie eine Fortführung der antiken mythischen Welt der Metamorphosen von Ovid.

Zentral sieht sie diese Geschichte von Aktäon, die relevante Maßstäbe für den Umgang mit Sehen erkennen lässt. In der Analyse dieser Geschichte, bei der Menschen in Angst gestürzt wurden durch das Unsichtbare und Unbekannte dargelegt an Aktäon, der Diana beim Bade sieht und deren unerträglicher Zorn ihn trifft, verweist Hämmerle auf die Ideenwelt Platons. Die Augen werden als die sonnenähnlichsten unter unseren Sinnen definiert. Doch genügt diese Sichtweise nicht. Platon gebietet in seinen Schriften diesen zu misstrauen.

“Im Gegenteil: sie seien in gewisser Weise sogar hinderlich, denn sie verhelfen nur scheinbar zur Erkenntnis. In der Art, wie sie die Wirklichkeit zeigen, liege daher etwas Trügerisches und wir tun gut daran ,ihnen zu mißtrauen, sagt Platon.

So auch Schippergas, aus der Lichtfülle des Paradieses herausgefallen, er sei gestürzt, geblendet, verdüstert, getrübt, umstaltet, seitdem machen uns unsere Augen etwas vor; sie blenden und täuschen uns.”(4).

Dies veranlasste Nietzsche zu folgender Bemerkung:

“Wie? Immer in der gleichen Komödie sitzen, in der gleichen Komödie spielen? Niemals aus andern als aus diesen Augen sehen können?” (4)

In dem Bewusstsein um die Ausweglosigkeit seiner Situation übertrug der Mensch seine Sehfähigkeit auf Apparate. Die Wahrnehmung sollte dadurch verlagert und objektiviert werden. Das Fernrohr, die Kamera, die Teleskope wurden zu Hilfsmitteln um diesem dunkel zu entfliehen. Es zeigt ein hoffnungsvolles Bemühen um die richtige Erkenntnis des Sehens. Das menschliche Auge in seiner Erkenntnisfunktion wurde vom Körper

isoliert und im Falle der Photographie auf die Kamera übertragen. (5).

Heinz Haberkorn entwickelt in seinem Buch ”Anfänge der Photographie”

die Genese der Photographie aus Aristoteles Theorie zum Prinzip der Camera obscura. Als Begründung dieser These setzt Haberkorn beim Begriff Photographie und deren Bedeutungsinhalt an. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet in Übersetzung soviel wie Lichtzeichnung oder Lichtbild. Die Konstante in der Entwicklung von der Antike zur Photographie der Neuzeit erkennt Haberkorn im Jahrtausendelangem Wunschtraum der Menschheit, sich selbst zu schaffen, sich selbst abzubilden, sich selbst zu betrachten. Durch die Lichtbrechung im Wasser oder auf dem Metall war es schon immer möglich, Bruchteile, Schattenrisse von sich selbst wahrzunehmen. Die Photographie stellt eine ständige Verfeinerung dieser ursprünglichen Spiegelung dar. Die Entwicklung zur Photographie basiert auf einen kollektiven Traum der Menschheit. (6).

Erwin Köppen variiert diesen kollektiven Traum zu einer Vorstellung der Faszination des Bildes an sich, das die gesamte Menschheitsgeschichte durchzieht. Er sieht den treibenden Motor dieser Faszination auch bei religiösen Abbildungen, kultischen Vorstellungen und magischen Praktiken. In einer magischen Beziehung zum Bild ist nichts Erstaunliches. Von der Primitivität eindimensionaler Darstellungen wandelt sich die Abbildung durch die Anstrengung von menschlichem Auge, menschlichem Geiste und menschlicher Hand zu differenzierten dreidimensionalen Abbildungen. Um wirkliche Abbilder von Menschen, Tieren und Gegenstände zu schaffen ,entstand in einer Epoche des magisch- religiösen Weltverständnisses dein Bilderkult kultureller religiöser spezifischer Prägung . In diesen religiösen Horizont wurden die Abbildungen natürlichkeitsgetreu eingefügt. Die Photographie heute hatte ihre Genese in einem technisch aufgeklärtem Zeitalter, das zwar einen Gott und eine göttliche Ordnung anerkennt, aber nicht mehr an die Magie der Dinge und Bilder glaubt. Nur durch die Überwindung des magisch- religiösen Geistes ist die Photographie möglich. Die Welt der Materie und der abzubildenden Objekte werden im Ablichten durch Apparate leer, gefühl- und seelenlos. Sie sind wissenschaftlichen staatlichen künstlerischen Zwecken ausgeliefert. Doch verstanden Zeitgenossen während der Erfindung der Photographie diese durchaus nicht als technischen Fortschritt., sondern interpretierten diese als Kunst, die von der kulturellen Prägung und der Religiosität her konnotiert werden. Die Photographie ist religiösen und kulturellen Parametern unterworfen. Das Indiz dafür erkennt Köppen im Umgang mit der Photographie in der Literatur .(7).

Diese vier Positionen, die exemplarisch für weitere stehen, zeigen verschiedene Varianten und Perspektiven in der Entstehung der Photographie auf. Die griechische antike Welt erweist sich als Domäne im Photographieverständnis. Sie ist eingebettet in den Dialog Antike Ideengeschichte und neuzeitliches Technikverständnis. In dieser Spagatstellung wird sie an diesen beiden Polen , die Schau des Unsichtbaren zum Möglichen und des technisch möglichen Repertoires möglicher Abbildungen aufgehängt. Religiöse und kulturelle Konnotationen wirken wie hemmende Mechanismen.

[...]

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Details

Titel
Die mögliche Genese der Photographie aus dem christlichen und jüdischen Verständnis zur Seh- und Bildkultur
Hochschule
Universität Augsburg  (Institut für Didaktik der Geschichte)
Note
noch keine
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V7458
ISBN (eBook)
9783638147187
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
diverse dimensionen des sehens und Auges in Talmud, bibel, rabbinischer Theologie
Arbeit zitieren
Philumena Reiser (Autor:in), 2002, Die mögliche Genese der Photographie aus dem christlichen und jüdischen Verständnis zur Seh- und Bildkultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7458

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