Katharina die Große und die Kirche: Segen oder Fluch?

Über die Auswirkungen ihrer Regierung auf das Kirchenwesen


Seminararbeit, 2003

24 Seiten, Note: unbenotet


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Situation vor Katharinas „Amtsantritt“
2.1 Stellung der Kirche und neue Religionen

3 Entwicklung unter Katharina
3.1 Protestanten, Katholiken und Juden unter Katharina
3.2 Katharinas „neue Gesetze“
3.3 Katharinas Schulpolitik

4 Kurzer Ausblick: die Zeit nach Katharina

5 Fazit

6 Literatur- und Quellenverzeichnis:

1 Einleitung

Sophie Friederike Auguste, später von Anhalt-Zerbst (Katharina 2., 1729 in Stettin geboren, ab hier Katharina) ist, vielleicht mit Ausnahme der Fürstin Olga (10.Jh.) , die einzige Frau, die die russische Kirchengeschichte nachhaltig beeinflußt hat. Wie war ihr Verhältnis eigentlich zur Kirche? Auf diese Frage soll versucht werden, eine Antwort zu finden.

Beim Begriff „Kirche“ ist es naheliegend, sich zunächst auf die russisch-orthodoxe Konfession zu beschränken, wie es auch viele Autoren tun. Hierzu läßt sich schließlich auch die meiste Literatur finden. Trotzdem soll versucht werden, auch die durchaus vorhandenen anderen Religionsgemeinschaften mit einzubeziehen. Gerade die deutschsprachige Literatur beschäftigt sich dabei recht viel mit dem Protestantismus.

Die russische orthodoxe Kirche selbst hat sich von Peter bis Katharina verändert. War die Kirche vor Peter dem Großen mit ihren Ländereien und Leibeigenen eine wirtschaftliche Macht, wurde diese vor allem durch die Säkularisation zugunsten des Staates verschoben. Unter Peter wurde an deren Spitze ein Kollegium gesetzt, das Heilige Synod, das den Patriarchen verdrängte. Das Verständnis des Zaren wandelte sich von einem „Verwalter“ hin zu einem „Oberhaupt“. Der Oberprokur, bei dem es sich nicht um einen Geistlichen handelte, erlangte zunehmend die Kontrolle über die Kirche. Die Kirche verlor in dieser Zeit endgültig ihre Unabhängigkeit.

Probleme zeigten sich nicht nur in einzelnen Begriffsdefinitionen, sondern auch an unterschiedlichen Zahlenangaben. Bei Zweifeln wurden die vertrauenswürdigsten und realistischsten bevorzugt. Über Katharina selbst wurde viel geschrieben, auch über ihre Beziehung zur Kirche. Relevante Aussagen treffen aber nur wenige Autoren. Im Vergleich zur russisch - orthodoxen Kirche und deutschen Glaubensrichtungen erfahren andere eine erheblich geringere Würdigung in der Literatur. Um einige Aspekte zum Thema besser verständlich zu machen, hielt ich es für nötig, Peter dem Großen eine recht große Aufmerksamkeit in einer Arbeit zu widmen, die sich eigentlich primär mit Katharina beschäftigen sollte. Möge es gelungen sein, vielleicht ein wenig mehr aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen.

2 Die Situation vor Katharinas „Amtsantritt“

Als Beginn des Christentums in Rußland zählt die Taufe des Großfürsten Wladimir zu Kiev im Jahre 988. Letztenendes war diese Taufe das Resultat eines Angriffes auf das damalige Byzanz, dessen kirchliche Wege sich einige Jahrzehnte später von Rom trennten. Die griechischen Bewohner „beantworteten“ diesen Angriff dann mit der Missionierung der Angreifer.[1] Im 15. Jh. schlug die russische orthodoxe Kirche dann einen Weg ohne Konstantinopel ein. Im 17. Jh. war der „eigene“, inzwischen vom Moskauer Patriarchen angeführte Weg dann für etwa 300 Jahre vorbei.

Im 16. und 17. Jh. ist nach russischem Verständnis der Zar für das Wohl der Kirche und seiner Untertanen verantwortlich.[2] An dieser Stelle herrscht in der Literatur weitgehend Einigkeit: Zwei russische Herrscher prägten im 18. Jh. die orthodoxe Kirche entscheidend, auch wenn es vor und nach ihnen ähnliche Entwicklungen gab.[3] Zum einen Katharina die Große, und zum anderen einer ihrer Vorgänger, Peter der Große. Von Peter wird berichtet, daß die meisten seiner Aktionen häufig sehr spontan waren. Er wollte seinem Land dienen und sich dabei auf notwendige Änderungen besinnen. Seine Herrschaft sah er als von Gott gegeben an.[4] Unter seiner Regentschaft gab es einige die orthodoxe Kirche betreffende Änderungen. Diese erhielten vor allem nach dem Nordischen Krieg (1700-1721) ihre Gültigkeit. Eine Ausnahme ist die „Bartsteuer“ aus dem Jahre 1699, wobei diese eher eine symbolische Bedeutung hatte als zur Finanzierung des folgenden Krieges zu dienen oder eine Religionsgemeinschaft zu drangsalieren.[5] Zusammenfassend können die Reformen als der Versuch bezeichnet werden, die Kontrolle über den „kirchlichen Verwaltungsapparat“ zu erlangen.[6] Generell bewirkte Peters fremdenfreundlichere Haltung eine Steigerung der Zahl der andersgläubigen Ausländer.[7] Bereits bei seiner Reise durch Westeuropa mit der Großen Gesandtschaft warb er scheinbar in der Tradition einiger Vorgänger mehr als 1000 Fachleute verschiedener Kategorien an, die fast ausschließlich protestantischen oder römisch - katholischen Glaubens waren.[8] Gegen Ende des 17. Jh. wurden vor allem beim Militär ausländische Spezialisten eingesetzt. Im Unterschied zu den russischen Offizieren in Moskau erhielten die nichtrussischen überwiegend keine Landgüter für ihre Dienste. Dieses Privileg kam nur denen zugute, die zum orthodoxen Glauben übertraten.[9]

Peters Vater, Aleksej Michailovič, hatte 1649 das Klosteramt eingerichtet und diesem die Verwaltung des Kirchenbesitzes übertragen, wogegen Patriarch Nikon erfolglos protestierte. Nach Michailovičs Tod wurde das Amt zwar abgeschafft, aber Peter führte es 1701 wieder ein. Zuvor hatte es nach dem Tode Patriarch Adrians 1699, der auch Kritiker der Vorrangstellung des Zaren war, keine Neuwahl mehr gegeben. Einige endgültige Regelungen sollte es erst geben, wenn es keine für ihn gefährliche Auseinandersetzung mehr geben konnte.[10] Einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der orthodoxen Kirche stellt Peters Geistliches Reglement vom 14. Februar 1721, verfaßt vom Ukrainer und Erzbischof Feofan Prokopovič, dar. Mit dem ukrainischen Prediger hatte Peter dabei zum ersten Mal einen qualifizierten Berater in kirchlichen Angelegenheiten zur Seite.[11]

Mit diesem Regelwerk sollte eine zweite Gewalt im Staate neben dem Zaren vermieden werden.[12] Die darin beschlossene Einführung einer Kollegialverwaltung für die russische orthodoxe Kirche anstelle des Patriarchen, dem heiligen Sinod, die zuvor rechtlich eigenständig war, erwies sich dabei im nachhinein als eine bedeutende Veränderung. In der Presse wird Peter zunehmend als Oberhaupt der russischen Kirche bezeichnet[13], wenngleich seine eigene Einschätzung weniger hoch greift.[14] Einen Beweis für seine Einstellung lieferte er 1723. Als Ämter der orthodoxen Kirche gegen die freie Religionsausübung evangelischer Christen protestierten, forderte Peter sie zur sofortigen Einigung auf.[15] Damit zeigt sich, welchen Machteinfluß er auf die Religion hat.

Als 1700 Patriarch Adrian starb, ließ Peter die eigentliche fällige Neuwahl nicht zu sondern ernannte den Metropoliten von Rjazan´ zum Stellvertreter. 1708 griff Peter mit seiner Kalenderreform in die Zeitrechnung der Kirche ein: Das Jahr null war nun nicht mehr die Schöpfung der Welt, sondern die Geburt Christi.[16] Im gleichen Jahr wurde auch das Klosteramt wieder eingeführt, nachdem es von 1649 bis 1679 schon einmal bestanden hatte. Danach bekamen alle Mönche den gleichen Betrag und erhielten dieselbe Getreidemenge. Gewinne aus der Nutzung der Klöster übergab die staatliche Behörde – dem Staat.[17]

Unter Peter begann auch der Niedergang der Klöster im 18. Jahrhundert. Um die Staatskasse zu entlasten zwang Peter diese gemäß ihrer Selbstverpflichtung zur Mildtätigkeit und dem Armutsgelübde Bedürftigen von ihrem Reichtum wesentlich mehr als zuvor abzugeben. Nach dem Schwedenkrieg wurden sie verpflichtet, Kranke und Verwundete aufzunehmen und zu betreuen, dann wurde die Einrichtung von Schulen angeordnet. Die Finanzierung sollte aus eigenen Mitteln erfolgen.[18] Dies stimmte mit Peters Plan überein, daß nur eine arme Kirche sich auf ihre Aufgaben besinnen würde. In erster Linie wollte er jedoch einfach die durch „viele Feldzüge und seine Reformmaßnahmen geleerte Staatskasse“ wieder auffüllen.[19]

Das Geistliche Reglement wurde zur gesetzlichen Grundlage für die obere Verwaltung der Russischen Kirche, der Heilige Synod zu einer staatlichen Institution. Zum ersten Mal schrieb der Staat der Kirche etwas vor, die psychologische Grenze, die eine „rechtliche Fixierung“[20] überflüssig gemacht hatte, war durchbrochen. Peter registriert im ersten Teil eine Kirche mit Mängeln und stellt fest, dass diese „vollkommene Männer“ nötig habe, die im Stande sein sollten, „sicher aus der Schrift zusammen zu suchen.“ Zur Verbesserung wird im neunten Punkt auch gefordert, dass jeder Bischof zur Verbesserung der Kirche eine Schule haben müsse[21], an der die benötigten Männer dann ausgebildet werden könnten. Da die wichtigste Aufgabe des Synods das Wachen über die „gesunde Lehre“ sei, müsse die Kenntnis der Bibel gefördert werden. Und da dies am besten durch Lesen möglich ist, sollten verstärkt Schulen eingerichtet und die Priester besser ausgebildet werden. Die bessere Priesterausbildung sollte auch die Kirche stärken.[22] Ab Seite 22 des Geistlichen Reglements werden die Pflichten eines Bischofs festgehalten. Es wird festgelegt, dass die Klöster zur Unterhaltung der neuen Schulen einen bestimmten Teil ihrer Einnahmen und ihrer Grundstücke abgeben sollen. Trotz der Einschränkungen bezeichnet Robert Stupperich den Reichtum der Klöster immer noch als „gewaltig“.[23] Um Klagen von seiten der Bischöfe über die Finanzierung vorzubeugen wird ihnen in Artikel 13 untersagt, „nicht übrig viel Bediente zu halten, außer den nutzbaren Gebäuden,..., keine unnütze Gebäude aufzuführen.“ Auch den Mönchen wird vorgeschrieben, wie sie leben sollen. Die entscheidendste Änderung ist aber die angedeutete Unterordnung der Kirche unter die staatliche Aufsicht der „collegialen Regierung“. Mit der Gründung des „Geistlichen Kollegiums“ 1721, später „Heiligster Dirigierender Sinod“ genannt, mußten die Bischöfe, die in den Heiligen Synod berufen wurden, einen Untertaneneid leisten.[24] Der Synod war unter Peter (1721-1725) neben der orthodoxen auch für andere christliche und nichtchristliche Konfessionen zuständig. Trotz der Bedeutung dieses Schriftwerks muss man sich aber auch die Relativierung Stupperichs vor Augen halten. Seiner Meinung nach war die Kirche auch davor schon staatlich bestimmt.[25]

Den Altgläubigen gegenüber zeigte sich Peters Haltung, die dem eines Menschen des Zeitalters der Aufklärung entsprach. Er lehnte Gewalt gegen diese wie auch gegen andere Absplitterungen der orthodoxen Kirche und andere Religionsgemeinschaften ab, hielt aber andererseits an der besonderen Stellung der Staatskirche fest indem er die Altgläubigen den doppelten Steuersatz zahlen ließ.[26] Den Ausländern, die er ins Land rief, vor allem protestantische, gewährte er Religions- und Versammlungsfreiheit. Beim Bau der neuen Hauptstadt St. Petersburg ließ er für diese Gruppe gleich eine Kirche mitbauen. Eine Maßnahme, die von einigen Russen durchaus mit Neid beobachtet wurde.[27]

1726 zeigte sich eine Teilung des Synods in ein Departement für Verwaltungsaufgaben, daß von „weltlichen“ Personen besetzt wurde und das ganze Kirchenvermögen kontrollierte. Das zweite Departement beschäftigte sich mit geistlichen Angelegenheiten. In diesem wirkten sechs Personen aus Kirchenkreisen. Ersteres Departement hieß ab der Regierungszeit Peters úú. „Ökonomiekollegium“. 1738 wurde das Amt dann als kirchliche Wirtschaftsverwaltung dem Staat endgültig untergeordnet.[28]

Die Bezeichnung des Zaren im Reglement als „christlichen“ anstatt „orthodoxen“ Zaren rief in Teilen des Volkes, besonders bei den Altgläubigen, Mißtrauen hervor. Von Katharina ú. bis Nikolaus ú. versuchte man diesen Eindruck dadurch zu beseitigen, dass man als „orthodoxer Herrscher“ um den Segen für das Amt bat. Katharina ú. legte aus diesem Grund fest, dass jeder russische Herrscher der orthodoxen Kirche angehören müsse. Damit hatte besonders Anna Ivanovna ein Problem, das sie geschickt mit Hilfe der „Geheimen Kanzlei“ löste. Der Druckmechanismus „Geheime Kanzlei“ trug dazu bei, die Machtposition ihrer Nachfolger vor der Kirche zu sichern.[29] Elisabeth richtete 1754 eine Gesetzgebende Kommission für die Abfassung eines Gesetzbuches ein, die auch Maßnahmen zum Schutz des Glaubens festhielt.[30] Peter der Dritte, Ehemann Katharinas der Großen, ließ in seiner kurzen Amtszeit unter anderem Ikonen aus Kirchen entfernen und Privatkapellen schließen und zeigte ansonsten eine eher ablehnende, überhebliche Einstellung gegenüber der Kirche.[31]

[...]


[1] vgl. Stricker, Gerd 1993, S. 10.

[2] Stupperich, Robert 1974, S. 54.

[3] vgl. Stupperich, Robert 1988, S. 371.

[4] Vgl. Stupperich, Robert 1974, S. 42f.

[5] Blome, Astrid 2000, S. 205.

[6] Stupperich, Robert 1988 S. 372.

[7] Amburger, Erik 1961, S. 38.

[8] Blome, Astrid 2000, S. 82 und 202.

[9] Dönninghaus, Victor 2002, S. 50.

[10] Stupperich, Robert 1974, S. 45.

[11] Stupperich, Robert 1974, S. 46 - 47.

[12] Smolitsch, Igor 1955, S. 139f.

[13] Blome, Astrid 2000, S. 290f.

[14] Stupperich, Robert 1988, S. 373.

[15] Blome, Astrid 2000, S. 293.

[16] Stupperich, Robert 1988, S. 377.

[17] Stupperich, Robert 1988, S. 380.

[18] Claus, C.L. 1961, S. 39-40.

[19] ebenda, S. 39.

[20] Blome, Astrid 2000, S. 142.

[21] „Geistliches Reglement“, 1724, S.19.

[22] vgl. Stupperich, Robert 1974, S. 50 + 53.

[23] ebenda, S. 53.

[24] Stupperich, Robert 1988, S. 373.

[25] Stupperich, Robert 1988, S. 389.

[26] Stupperich, Robert 1988, S. 422 –423.

[27] vgl. Schleuning, Johannes 1954, S. 23-24.

[28] vgl. Volokolamsk 1988, S. 39.

[29] Smolitsch, Igor 1955, S. 144f.

[30] Smolitsch, Igor 1991, S.74.

[31] Rimscha, Hans von 1961, S. 34.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Katharina die Große und die Kirche: Segen oder Fluch?
Untertitel
Über die Auswirkungen ihrer Regierung auf das Kirchenwesen
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar
Note
unbenotet
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V75040
ISBN (eBook)
9783638685740
ISBN (Buch)
9783638725613
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um eine Hausarbeit zu einem Proseminar im Sommersemester 2002. Sie wurde einmal überarbeitet.
Schlagworte
Katharina, Große, Kirche, Segen, Fluch, Proseminar
Arbeit zitieren
Nils Kickert (Autor:in), 2003, Katharina die Große und die Kirche: Segen oder Fluch?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75040

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