Der 1509 anonym erschienene Fortunatus bietet als einer der ersten deutschen Prosaromane eine Fülle von potentiellen Interpretationsansätzen. Autorfrage, Topographie, Motivgeschichte, Erzählstruktur, theologische Momente und Wirtschaftsgeschichte bilden einen gewaltigen Komplex möglicher wissenschaftlicher Annäherung. Größere, von dem Schwerpunkt dieser Arbeit weitgehend unabhängige Motivkomplexe, sollen jedoch zum Zwecke der detailgetreuen Figurenanalyse vernachlässigt werden. Untersuchungsgegenstände wie die Fortuna-Thematik, die These vom Glücksrad, die Anlehnung an Literarische Gattungen, die Herkunft der Märchenmotive oder die Bedeutung christlicher Motive im Roman können daher keine oder nur geringe Beachtung erfahren. Der Sozialgeschichte muss allerdings – wenn auch in begrenztem Rahmen – gewisse Zuwendung zukommen, da die beiden Haupthandlungsträger Fortunatus und Andolosia gerade im Umgang mit ihrem aus dem Kontext der Entstehungszeit des Fortunatus entlehnten gesellschaftlichen Umfeld ihre konträren Verhaltensweisen zum Vorschein bringen. Im Zuge der Epochenwende vom Spätmittel-alter zur Frühen Neuzeit wurden durch neue Produktions- und Wirtschaftsformen die Grenzen der alten Ständeordnung zunehmend dünner. Aufstrebende bürgerliche Familien konnten durch Etablierung einer scheinbar grenzenlosen finanziellen Macht das Repräsentationsverhalten des Adels adaptieren und provozierten auf diese Weise einen Konflikt zwischen politischer und ökonomischer Potenz. Fortunatus und Andolosia erfahren in dieser Gesellschaft verschiedene Schicksale. Es wird aufzuzeigen sein, dass die Gegensätzlichkeit ihrer Motivationen und Handlungen besonders anschaulich in Dichotomien wie Integration – Isolation, Aggression – Repression, Konstruktion – Destruktion etc. umschrieben werden kann. Um die Nuancen und Pointen der Gegensätzlichkeit herauszustellen und die These der antitypischen Gestaltung zu untermauern, soll der Handlungsverlauf raffend verfolgt und die für den Arbeitsauftrag weniger bedeutenden Erzählabschnitte übersprungen werden.
Das Hauptaugenmerk wird darauf gerichtet sein, in vergleichbaren Situationen bzw. Episoden des Romans die unterschiedlichen Handlungsmotive der beiden Protagonisten auf Ursprung und Konsequenz zu untersuchen. Dabei werde ich diverse Interpretationen der Forschungsliteratur kritisch mit einbeziehen, einander gegenüberstellen und auf ihren Gehalt bezüglich der Textdeutung überprüfen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Figurenvergleich Andolosia – Fortunatus
- Beginn der Reisen: Aufbruchsmotivationen
- Reisen im Kontext der Zeit
- Fortunati Aufbruch
- Andolosias Aufbruch
- Die antitypische Gestaltung der Protagonisten
- Erste Aktionen – erste Reaktionen
- Einsichten und Absichten
- Integration durch Repression
- Isolation durch Omnipotenzwahn
- Beginn der Reisen: Aufbruchsmotivationen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Figuren Fortunatus und Andolosia im Roman "Fortunatus" und untersucht ihre antitypische Gestaltung im Kontext des gesellschaftlichen Wandels zu Beginn der Frühen Neuzeit. Sie betrachtet die Aufbruchsmotivationen der beiden Figuren, ihre Handlungsmotive, sowie die Folgen ihrer Entscheidungen im Spannungsfeld von Integration und Isolation, Aggression und Repression.
- Die antitypische Gestaltung der Figuren Fortunatus und Andolosia
- Die Bedeutung des gesellschaftlichen Wandels zur Zeit der Frühen Neuzeit für die Figuren
- Die Unterschiede in den Handlungs- und Denkweisen der beiden Figuren
- Der Einfluss von Glück und Reichtum auf die Entwicklung der Figuren
- Die Folgen von Integration und Isolation für die Figuren
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den "Fortunatus" als frühen deutschen Prosaroman vor und skizziert die Relevanz von Sozialgeschichte für die Figurenanalyse. Der Fokus der Arbeit liegt auf dem Vergleich der Handlungsmotive und Verhaltensweisen von Fortunatus und Andolosia im Kontext des gesellschaftlichen Wandels.
- Figurenvergleich: Andolosia-Fortunatus: Dieses Kapitel untersucht die Aufbruchsmotivationen der beiden Figuren und setzt sie in den Kontext der Reisetätigkeit im Spätmittelalter und der beginnenden Frühen Neuzeit. Die Analyse beleuchtet die unterschiedlichen Hintergründe, Intentionen und Ziele der Reisen von Fortunatus und Andolosia.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit Themen wie Figurenvergleich, Antitypen, Fortunatus, Andolosia, gesellschaftlicher Wandel, Frühe Neuzeit, Integration, Isolation, Aggression, Repression, Aufbruchsmotivationen, Handlungsmotive, Sozialgeschichte, Reisetätigkeit, Spätmittelalter, und Kontextualisierung.
- Quote paper
- Moritz Ahrens (Author), 2005, Andolosia als Gegentypus zu Fortunatus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75045