Schon im Alten Testament wird das Volk Gottes „als ein Reich von Priestern“ bezeichnet, und auch im Neuen Testament wird gesagt, die Kirche sei „eine königliche Priesterschaft“. Der Begriff des gemein-samen Priestertums der Gläubigen, der im Kirchenbild des Zweiten Vatikanums eine wesentliche Bedeu-tung hat, ist also bereits biblisch grundgelegt und von Anfang an ein Wesensmerkmal der Kirche. Alle Getauften sind Priester, weil sie durch Jesus Christus im Heiligen Geist direkten Zugang zum Vater haben und daher niemanden brauchen, der zwischen ihnen und Gott vermittelt.
Jahrhundertelang wurde dies jedoch fast vergessen, weil die Kirche im Lauf der Zeit immer stärker auf das Amt hin zentriert wurde. Mehr und mehr Aufgaben in der Kirche wurden den Amtsträgern reserviert. Zudem zeigte sich eine Tendenz, den priesterlichen Lebensstil als den höherwertigeren anzusehen. Da-durch wurden die Laien zunehmend in eine passive Rolle gedrängt, so dass sie in der Kirche immer weni-ger Bedeutung hatten. In der katholischen Kirche kam es erst durch das Zweite Vatikanische Konzil zu einem neuen Bewusstsein über das gemeinsame Priestertum. Das Konzil stellte heraus, dass alle Gläubi-gen durch die Taufe Anteil an dem einen Priestertum Jesu Christi haben und so ein priesterliches Volk bilden.
Dieses Kirchenbild ist allerdings bis heute eher ein theoretisches. Faktisch ist die Kirche nach wie vor klerikal und priesterzentriert. Hier läge also eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.
In dieser Arbeit wird zunächst die biblische Grundlegung des gemeinsamen Priestertums anhand des neutestamentlichen Priesterbildes und der neutestamentlichen Gemeindeorganisation dargelegt und ge-zeigt, dass die neutestamentliche Theologie das Priestertum eigentlich abschaffen wollte und dass es in der Kirche anfangs noch keine Priester gab.
Im Anschluss daran folgt eine Erörterung der geschichtlichen Ereignisse, die zur Wiedereinführung des Priestertums und zu einer immer weiter fortschreitenden Trennung der Kirche in den Priester- und den Laienstand geführt haben. Danach soll, ausgehend vom Zweiten Vatikanischen Konzil, die Bedeutung des gemeinsamen Priestertums sowie der Unterschied zum Priestertum des Dienstes erläutert werden. Den Abschluss der Arbeit bildet ein kurzes Kapitel über Schwierigkeiten, die es bei der Verwirklichung des gemeinsamen Priestertums noch gibt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 EINLEITUNG
- 2 DIE BIBLISCHE GRUNDLEGUNG DES GEMEINSAMEN PRIESTERTUMS
- 2.1 DER BEGRIFF „PRIESTER“ IM NEUEN TESTAMENT
- 2.2 DAS VERHÄLTNIS JESU ZUM PRIESTERTUM
- 2.3 AMTSSTRUKTUREN IN DEN NEUTESTAMENTLICHEN GEMEINDEN
- 2.3.1 Die charismatische Struktur der paulinischen Gemeinden
- 2.3.2 Institutionalisierte Gemeindestrukturen innerhalb des Neuen Testaments
- 2.4 FOLGERUNGEN FÜR DIE AMTSTHEOLOGIE
- 3 DIE ZUNEHMENDE TRENNUNG ZWISCHEN KLERIKERN UND LAIEN
- 3.1 DIE STRUKTURELLE ENTWICKLUNG: ENTSTEHUNG DES MONEPISKOPATS
- 3.1.1 Gründe für diese Entwicklung
- 3.2 DIE SPIRITUELLE ENTWICKLUNG: AUSBILDUNG VON ZWEI STÄNDEN
- 3.3 DIE FOLGE: ÜBERBETONUNG DES AMTES
- 3.4 GEGENBEWEGUNGEN
- 3.4.1 Das Beispiel der Waldenser
- 3.4.2 Die Reformation
- 3.4.3 Christlich-soziale Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts
- 4 EIN NEUES VERSTÄNDNIS: DIE AUFHEBUNG DER TRENNUNG
- 4.1 DAS KIRCHENBILD VOM „VOLK GOTTES“
- 4.2 DAS WESEN DES GEMEINSAMEN PRIESTERTUMS
- 4.2.1 Aktive Teilnahme an sakramentalen und liturgischen Handlungen
- 4.2.2 Weltdienst
- 4.2.2.1 Das Zeugnis des christlichen Lebens
- 4.2.2.2 Das Zeugnis des Wortes
- 4.2.2.3 Der Weltdienst in Verbindung mit dem Heilsdienst
- 4.2.2.4 Die den Laien eigene Sendung
- 4.3 DAS PRIESTERTUM DES DIENSTES IM UNTERSCHIED ZUM GEMEINSAMEN PRIESTERTUM DER GLÄUBIGEN
- 4.3.1 Begriffe
- 4.3.2 Grundsätzliche Unterscheidung
- 4.3.3 Das neue Amtsverständnis
- 4.3.4 Die Bedeutung des Amtes
- 5 PROBLEME BEI DER VERWIRKLICHUNG DES GEMEINSAMEN PRIESTERTUMS
- 5.1 DIE TRENNUNG ZWISCHEN KLERIKERN UND LAIEN IST NOCH NICHT AUFGEHOBEN
- 5.2 MANGELNDE VORAUSSETZUNGEN DER LAIEN
- 6 SCHLUSSBEMERKUNGEN
- 7 QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
- 7.1 QUELLEN
- 7.2 LITERATUR
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit dem Konzept des gemeinsamen Priestertums der Gläubigen in der katholischen Kirche. Sie untersucht die biblische Grundlage dieses Priestertums, die historische Entwicklung der Trennung zwischen Klerikern und Laien sowie die Bemühungen um eine Neudefinition des Priestertums im Sinne einer aufgehobenen Trennung. Das Ziel der Arbeit ist es, das gemeinsame Priestertum in seiner Bedeutung für die Kirche und das Leben der Gläubigen zu beleuchten.
- Die biblische Grundlage des gemeinsamen Priestertums
- Die historische Entwicklung der Trennung zwischen Klerikern und Laien
- Das neue Verständnis des Priestertums im Zweiten Vatikanischen Konzil
- Die Bedeutung des gemeinsamen Priestertums für die Kirche und das Leben der Gläubigen
- Herausforderungen bei der Umsetzung des gemeinsamen Priestertums
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1 bietet eine Einleitung in das Thema, beleuchtet die Relevanz des gemeinsamen Priestertums und skizziert den Aufbau der Arbeit.
- Kapitel 2 untersucht die biblische Grundlage des gemeinsamen Priestertums, indem es den Begriff "Priester" im Neuen Testament analysiert, das Verhältnis Jesu zum Priestertum betrachtet und die Amtsstrukturen in den neutestamentlichen Gemeinden untersucht.
- Kapitel 3 beleuchtet die historische Entwicklung der zunehmenden Trennung zwischen Klerikern und Laien. Es analysiert die strukturelle Entwicklung zur Entstehung des Monepiscopats, die spirituelle Entwicklung zur Ausbildung von zwei Ständen und die daraus resultierende Überbetonung des Amtes. Darüber hinaus werden Gegenbewegungen wie das Beispiel der Waldenser, die Reformation und christlich-soziale Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts betrachtet.
- Kapitel 4 widmet sich dem neuen Verständnis des Priestertums, das im Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert wurde. Es beschreibt das Kirchenbild vom "Volk Gottes" und analysiert das Wesen des gemeinsamen Priestertums, das sowohl die aktive Teilnahme an sakramentalen und liturgischen Handlungen als auch den Weltdienst umfasst.
- Kapitel 5 untersucht die Probleme bei der Verwirklichung des gemeinsamen Priestertums, insbesondere die anhaltende Trennung zwischen Klerikern und Laien und die mangelnden Voraussetzungen der Laien.
Schlüsselwörter
Gemeinsames Priestertum, Klerus, Laien, Zweites Vatikanisches Konzil, Volk Gottes, Amtsverständnis, Weltdienst, Liturgie, Sakramente, Heilsdienst, Trennung, Herausforderungen.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Theol. (Univ.) Markus Schäfler (Autor:in), 1998, Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und seine Bedeutung in der Kirche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75082