Der Andere, das ist die Hölle


Hausarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Fragestellung und Aufbau der Arbeit

2. Begriffliche Erklärungen
2.1 Die Basis der Ontologie
2.2 An-Sich und Für-Sich
2.2.1 Die zwei Seinsmomente des Ego
2.2.2 Das thetische und das nicht thetische Bewusstsein
2.3 Die Zwiespältigkeit des Anderen
2.4 Herr-Knecht-Verhältnis

3. Höllenerfahrungen durch den Anderen
3.1 Die Konstitution durch den Anderen
3.2 Die konkrete Verbindung mit Anderen
3.3 Der Blick
3.3.1 Phase eins: Der Andere bricht in meine Welt ein
3.3.2 Phase zwei: Aus dem Objekt-Anderen wird ein Subjekt
3.3.3 Sich dem Erblickt-werden entziehen
3.4 Der Leib
3.5 Das Erstarren der Freiheit: Bei geschlossenen Türen
3.5.1 Die Unaufrichtigkeit
3.5.2 Der andere, das ist die Hölle!

4. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Fragestellung und Aufbau der Arbeit

„Der Andere, das ist die Hölle“ ist das Thema unserer schriftlichen Hausarbeit.

Aussagen wie: „Da stimmt die Chemie einfach nicht!“ oder „Wenn der nicht gewesen wäre, dann…“ sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinem fremd. Jeder hat sich zumindest schon einmal von einem Anderen in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt gefühlt. Nach unseren Erfahrungen und unserem Empfinden haben wir Grund zu der Annahme, dass wir dieser Beeinträchtigung durch den Anderen jeden Tag aufs Neue ausgesetzt sind. Warum, wenn nicht aus diesem Grund, gehen beispielsweise Studenten, die zu spät kommen, erst in der nächsten Pause mit all den anderen Studenten in die Vorlesung; doch wohl nur, um den vermeintlich kritischen Blicken von Studenten und Professoren zu entgehen. Es gibt wohl kaum eine Möglichkeit nicht mit dem Anderen sein Leben zu leben. Aber nicht allein die Tatsache, dass der Andere existiert, hindert mich an der unentwegten Entfaltung beziehungsweise Entwicklung meiner Selbst, sondern gerade die dadurch stattfindende oder auch nicht stattfindende Beziehung und Verbindung zu dem Anderen. Nicht umsonst kennt jeder folgenden Wunsch und hat ihn bestimmt auch schon einmal erbeten: „Am liebsten wäre ich jetzt auf einer einsamen Insel!“

Das Ziel der Arbeit ist eine eingehende Auseinandersetzung mit der existentialistischen Auffassung von Jean-Paul Sartre. Primär geht es jedoch dabei um die Darstellung der Problematik des Anderen, dass heißt was ist und bedeutet der Andere für mich und was stelle ich im Umkehrschluss für ihn da?

Im Kapitel 2 (Begriffliche Klärungen) wird auf die theoretische Bedeutung der Lehre des Seins sowie der daraus entspringenden Komponenten des An-Sich und des Für-Sich seins eingegangen. Nachdem die Frage nach dem Bewusstsein geklärt ist, zielen Ausführen im Zusammenhang mit dem Ego, auf den Anderen ab.

In Kapitel 3 (Höllenerfahrungen durch den Anderen) soll es konkret um die Beziehung zu und mit dem Anderen gehen. Das Ausmaß des Anderen, was auch zugleich der zentrale Untersuchungsgegenstand unserer Arbeit ist, wird in der Eindringlichkeit des Blickes, in der Interdependenz der Höllenbewohner in dem Theaterstück (huis clos) Bei geschlossenen Türen sowie der Bedeutung des Leibes deutlich.

Im Kapitel 4 gehen wir darauf ein inwieweit Sartres Ansichten der heutige Zeit entsprechen und geben ein sachliches und persönliches Fazit über die Problematik des Anderen.

2. Begriffliche Erklärungen

Um sich mit Sartres Ontologie zu beschäftigen, muss man auch wissen woher sie kommt und was sie will. Vorerst möchte ich erst einen kleinen Überblick über die Ontologie geben und darstellen wie andere Philosophen sie gesehen und verstanden haben. Anschließend werden die Elemente An-Sich und Für-Sich erörtert und in diesem Zusammenhang ein Einblick in die Seinsmomente und Bewusstintensitäten gewährt.

2.1 Die Basis der Ontologie

Ontologie stammt von den Griechischen Wörtern „onta“ = das Seiende und „logos“ = die Lehre und ist damit die Lehre vom Sein. Sie ist ein wichtiger Teilbereich der Philosophie. Manche Philosophen sehen in der Ontologie den Kernbereich der Philosophie, andere bestreiten sie. Ich möchte mich hier auf einige Philosophen berufen, die die Ontologie verschieden verstanden haben.

Bereits die antike Philosophie kannte die Frage nach dem „Sein des Seienden”. Aristoteles (384-322 v. Chr.) beeinflusste das ontologische Denken bis in die Neuzeit. Er betrachtete das sein als Ganzes, was später Metaphysik genannt wurde. Weiterhin verband Aristoteles die Frage nach dem Sein verbunden mit der der Frage nach dem höchsten Sein, nach Gott. So war Ontologie und Theologie identisch.

Martin Heidegger (1889-1976) war ein bedeutender ontologischer Denker in der jüngeren Zeit. Sein Werk „Sein und Zeit“ beschäftigte sich mit dem Sein des Menschen. Dies nannte er Fundamentalontologie. Für ihn gab es einen Unterschied zwischen Sein und Seiendem. Sein war für ihn zeitlich geprägt, während Aristoteles das Sein als etwas Unveränderliches (auch zeitlich) gesehen hat.

Ein weiterer ontologischer Denker war Jean-Paul Sartre (1905-1980). Auf ihn baut sich die hier vorliegende Arbeit auf. In einem seiner Werke, „Das Sein und das Nichts“ teilt er das Sein in zwei verschiedene Bereiche. In das „Für-sich-sein“ des Menschen, das durch Bewusstsein ausgezeichnet ist und das „An-sich-sein“ der Dinge, das bewusstlos und vom Bewusstsein unabhängig ist.

Sartre führt in „Der Existenzialismus ist ein Humanismus“ zusätzlich zu seiner in „Das Sein und das Nichts“ ausgeführten Philosophie den existentialistischen Humanismus ein. Es gibt bei Sartre, anders als bei Kant, kein allgemeines Sittengesetz, obwohl Sartres Formel dem sehr nahe kommt. Er baut auf Kants kategorischen Imperativ auf, ändert ihn jedoch: „(...)was wir wählen, ist immer das Gute, und nichts kann gut für uns sein, ohne es für alle zu sein.“ (Sarte 2002, S.151) Hat man die eigene Freiheit zum Ziel, hat man auch die der anderen zum Ziel. Harte Regeln, wie etwa die von Kant ausgeführte Unbedingtheit des Sollens, hält Sartre für zu starr, deswegen fehlt in seiner Philosophie ein allgemeines Sittengesetz. (vgl. Turki 1986, S.73)

2.2 An-Sich und Für-Sich

In Anlehnung an Hegel sieht Sartre zwei Seins-Momente des Menschen, die den Menschen grundsätzlich von anderen Lebewesen unterscheiden.

Das An-sich und das Für-sich. Bei jedem leblosen Gegenstand finden wir das An-sich wieder. Hier ist von der Seinspositivität die Rede. Der Mensch hat zunächst im An-sich eine bestimmte Haltung zu sich selbst, denn er hält sich für etwas, was er gar nicht ist. Gegensätzlich dazu ist das „Ding“, beispielsweise der Stein, in völliger Identität mit sich. Dem Stein bleibt nichts anderes übrig, als ein Stein zu sein, weil er nicht über sich selbst, als Stein, reflektieren kann. Aufgrund des Bewusstseins, ist der Mensch dazu zweifelsohne in der Lage. Beide Seiten, sowohl das An-Sich als auch das Für-Sich, vereinen sich innerhalb des Menschen. Man spricht hier von Seinsnegativität. „Der Mensch ist, was er nicht ist und ist nicht was er ist.“ (Hauck 1990, S. 68) Dieses Zitat ist dahingehend zu verstehen, dass der Mensch sein Sein auf die Zukunft hin ausrichtet und sein gegenwärtig noch leeres Für-sich mit etwas ausfüllt, was es nicht ist. Von Sartre wird es als „Mangel an Sein“ verstanden, weil es sich von einem Sein bestimmen lässt, was es nicht ist. Für Sartres’ Philosophie bildet dieser Seinsmangel die Grundlage. Anstatt alle ihm in den Sinn kommenden Möglichkeiten in Hinblick auf die Zukunft auszuleben, und somit Totalität zu sein, gibt es „einen Riss zwischen An-Sich und Für-Sich“ (Blech 2001, S. 60) Die folgenden Ausführungen zeigen, wie der Andere dem Ego ein Für-Sich verleiht, dass er eigentlich nicht ist.

Im Folgenden Beispiel geht ein Mensch hinter Stühlen in einem Park vorbei.

„Ich befinde mich in einem öffentlichen Park. Nicht weit von mir sehe ich einen Rasen und längs des Rasens Stühle. Ein Mensch geht an den Stühlen vorbei. Ich sehe diesen Menschen, ich erfasse ihn gleichzeitig als einen Gegenstand und als einen Menschen.“ (Sartre 1998, S.459)

Sartre fügt in diesem Beispiel bereits die zwei angesprochenen Aspekte des menschlichen Bewusstseins ein: Das An-Sich und das Für-Sich. Der Mensch im Park nimmt am Fußgänger eine objektive Seite wahr, das An-Sich, einen vorbeilaufenden Menschen, und eine subjektive Seite, das Für-Sich dieses Fremden, in das er nicht dringen kann. Das Bewusstsein des Ichs ist in diesem Moment noch ein die Welt setzendes Bewusstsein. Es schafft, nach Husserls Theorie der Monaden, zusammen mit den anderen Bewusstseinen eine objektive Welt. (vgl. Husserl 1977)

2.2.1 Die zwei Seinsmomente des Ego

Sartre kennt zwei Seinsmomente des Ego: Eine distanzierte und eine „distanzlose Organisation der Dinge meines Universums“ (Sartre 1998, S. 459). Während zwischen Objekten und dem Ego stets eine Distanz gewahrt wird, da Gegenstände, wie beispielsweise die Puppe ausschließlich einen additiven, aber keinen verändernden Charakter zum Stuhl haben und das Ego sich noch als Zentrum der Welt sieht, um das herum sich alles übrige aufbaut, wird die Distanz, sobald sich ein Alter Ego zwischen das Ego und den Stuhl begibt, aufgehoben. Das Ego ist nicht länger Zentrum seiner Welt, es verschiebt sich zugunsten des Alter Ego. Da das Alter Ego Möglichkeiten mit dem Stuhl hat, wird die einstige Distanz aufgehoben. In diesem Moment wird die Zentrierung seiner Welt zur Dezentrierung. Es kann nicht mehr zwischen den Mann und den Rasen dringen, weil er das neue Zentrum seiner Welt ist. Die erste und ursprüngliche Beziehung der Menschen zueinander ist der Blick. Es ist der Bezug des „Vom-anderen-gesehen-werden“ zueinander. Das Alter Ego muss dem Ich nicht konkret mit seinem Blick, seinen Augen begegnen. Es reicht der reine Verweis auf einen Menschen, der es ansieht.

„Jeder auf mich gerichtete Blick manifestiert sich in Verbindung mit dem Erscheinen einer sinnlichen Gestalt in unserem Wahrnehmungsfeld, aber im Gegensatz zu dem, was man glauben könnte, ist er an keine bestimmte Gestalt gebunden. Was am häufigsten einen Blick manifestiert, ist sicher das Sich-richten zweier Augäpfel auf mich. Aber er ist ebenso gut anlässlich eines Raschelns von Zweigen, eines von Stille gefolgen Geräuschs von Schritten, eines halboffenen Fensterladens, der leichten Bewegung eines Vorhangs gegeben.“ (ebd., S. 465)

2.2.2 Das thetische und das nicht thetische Bewusstsein

Im zweiten Schritt seiner Auslegung gibt Sartre ein weiteres Beispiel an:

„Nehmen wir an, ich sei aus Eifersucht, aus Neugier, aus Verdorbenheit soweit gekommen, mein Ohr an eine Tür zu legen, durch ein Schlüsselloch zu gucken.“ (ebd., S. 467) Hier unterscheidet Sartre zwei Bewusstseinszustände: Das thetische und das nicht-thetischen Bewusstsein. „Ich bin allein und auf der Ebene des nicht-thetischen Bewusstseins (von) mir.“ (ebd.) Hier reflektiert das Ich noch nicht über sich selbst als eine Person, die durch ein Schlüsselloch sieht. Sein Bewusstsein ist nicht-thetisch, nicht setzend. Es bestimmt sich einzig durch seine Handlungen und wird sich der Qualität seiner Handlungen nicht bewusst. Es befindet sich im reinen Vollzug „einer geradezu reflexartigen Überwindung von Hindernissen“. (Honneth 2003, S.146) „Jetzt habe ich Schritte auf dem Flur gehört: man sieht mich.“ (Sartre 1998, S. 469) Das ist der Moment, den Sartre mit „Situation“ bezeichnet. Wird das Ich durch ein reflexives Bewusstsein, das Alter Ego, erkannt, wird es gegenwärtig und erkennt seine Lage, es wird sich des Für-Andere-Seins bewusst, indem es sich in die Perspektive eines Anderen versetzt und sich selbst als Objekt vergegenwärtigt. (vgl. Hauck 1990, S. 27ff.) In diesem Moment wird das Ego auf eine Seinsart eingeschränkt. Der Andere hat nun die Möglichkeit es auf eine ganz bestimmte Weise – seiner Perspektive – zu betrachten. Da das Ich aber nicht weiss, als was der Andere ihn sieht, entsteht eine Scham, die es auf sich selbst verweist.

2.3 Die Zwiespältigkeit des Anderen

Der Andere ist also zwiespältig, er ist zugleich Bedrohung meiner Freiheit und ein Vermittler meiner Selbstgewissheit, wie es schon Hegel erkannt hat. (vgl. Blech 2001, S. 169ff.) Sartre spricht hier von einer doppelt umgekehrten Bestimmtheit der Welt: Es liegen in der Welt zwar frei zu erledigende Aufgaben für das Ich vor, diese Möglichkeiten sind ihm aber durch den Anderen eingeschränkt. Dies zeigt sich in den potentiellen Möglichkeiten, die das Ego nur durch den Anderen hat. Wohin der Andere dem Ego in unserer konkreten Situation folgen kann, sind seine potentiellen Möglichkeiten. „Zum Beispiel wird die Potentialität des dunklen Winkels einfach dadurch gegebene Möglichkeit, mich in dem Winkel zu verstecken, dass der andere sie auf seine Möglichkeit hin überschreiten kann, mit der Taschenlampe in diesen Winkel hineinzuleuchten. Sie ist da, diese Möglichkeit, ich erfasse sie, aber als abwesend, als im andern (...).“ (ebd., S, 457) Sartre sieht den „Blick des Anderen als das Auftauchen einer ekstatischen Seinsbeziehung (...). Ich

existiere darin „außer mir“.“ (Suhr 1987, S.73)

2.4 Herr-Knecht-Verhältnis

Sartre rückt die Beziehung des Ego zum Anderen in ein Herr-Knecht-Verhältnis. Das Ich ist nun „unerkennbaren Beurteilungen (...) insbesondere Wertur-teilungen“ (ebd., S.72) ausgeliefert und steht in einem „unüberwindbaren Knechtverhältnis“. (ebd.)

Hegel hält im Gegensatz zu Sartre dieses Knechtverhältnis für überwindbar. Der Herr hat die Macht über die Dingwelt inne, während die Dingwelt Macht über den Knecht hat. In der Arbeit wird sich der Knecht seiner selbst bewusst, indem er die Macht über die Dingwelt erlebt. Das Knecht-Sein füllt das Für-Sich-Sein des Knechtes dabei aus. Das Ego kann dem Herrn einerseits dankbar sein, denn es hat durch ihn zu sich selbst gefunden, andererseits hat es aber gar keinen Einfluss darauf, mit was es gefüllt wird, es ist abhängig vom Herrn, bei jeder Begegnung wieder. (vgl. Hauck 1990, S. 34)

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Andere, das ist die Hölle
Hochschule
Hochschule Fulda
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V75277
ISBN (eBook)
9783638798051
ISBN (Buch)
9783640256730
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Andere, Hölle
Arbeit zitieren
Heiko Klug (Autor:in), 2006, Der Andere, das ist die Hölle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75277

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