Die folgende Arbeit wird sich thematisch mit Hyperfictions bzw. Internetliteratur auseinandersetzen, eine Form der Literatur, die erst im Zuge der multimedialen, globalen Vernetzung durch das Internet zu Beginn der 90er Jahre entstand und sich fortan kontinuierlich weiterentwickelte.
Anhand dieser Tatsache kann ein kurzer historischer Rückblick nicht außen vor
bleiben, ebenso wenig die Thematisierung dieses neuartigen Genres im akademischen Bereich im Hinblick auf Rezeption und Theorien zu Kennzeichen wesentlicher Merkmale digitaler Literatur. Immer wieder werden auch die technische Darstellung, die Macken bzw. die Grenzen der Computertechnik und die Frontalkritik an digitaler Literatur als „Schund“ im Mittelpunkt stehen. Am Schluss wird die Frage aufgeworfen werden müssen, ob es überhaupt für ein derartiges Genre eine Zukunft geben kann bzw. wie sich diese mögliche zukünftige Rolle im Hinblick auf Vernetzung visueller und auditiver Elemente darstellen könnte.
Die Tatsache, dass hyperfiktionale, multimediale Literatur erst mit dem weltweiten Siegeszug des unter dem Schlagwort Internet möglich gewordenen weltweiten Daten-und Informationsaustauschs einherging, verweist darauf, dass der Ursprung dieser Literatur kaum länger als eine Dekade zurückliegt. Die Mehrheit der Bürger – abgesehen von einer kleinen eingeweihten Gemeinde von Hackern und Computerpionieren – wurde mit den Möglichkeiten des globalen Datenaustausches erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre konfrontiert, vorher waren dem Normalbürger die heute zum Allgemeinbegriff gewordenen Termini wie Homepage, Download, Email oder Chat gänzlich unbekannt. Selbst die meisten Homepages großer Unternehmen, Regierungsstellen oder mittlerweile bekannt gewordene Portale zu jedwedem Themengebiet sind nicht länger als zehn Jahre online. Im Jahr 1994 kamen in Deutschland auf 1000 Einwohner 2,44 Internetanschlüsse, bis 1997 vervierfachte sich diese Zahl auf 10,67 und laut statistischem Bundesamt verfügten Anfang 2003 bereits über 46% aller deutschen Haushalte über einen Zugang zum weltweiten Datennetz. Mittlerweile dürften diese Statistiken die 50%-Marke deutlich überschritten haben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Anfänge der deutschen Netzliteraturszene
3. Netzliteraturwettbewerbe - die eigentliche Geburtstunde der Hyperfictions
3.1 Der IBM-/ZEIT-Wettbewerb 1996 - Eine Premiere mit kritischen Untertönen
3.1.1 Martina Kieningers Siegerbeitrag Der Schrank. Die Schranke
3.2 Der IBM-/ZEIT-Wettbewerb 1997 bzw. 1998
3.3 Die Nachfolgewettbewerbe im Kontext wachsender Kritik und Ratlosigkeit der Juroren
4. Digitale Literatur im Kontext von Definition und Anforderungsprofil
4.1 Definitionsversuche
5. Hyperfictions unter dem Aspekt der geforderten Kriterien
5.1 Esther Hunzikers NORD
5.2 Heiko Paulheims Poetry°451
6. Hyperfictions in ihrer öffentlichen und akademischen Wahrnehmung
6.1 Die umstrittene Rolle der Feuilletons
6.2 Der akademische Bereich
7. Schluss und Ausblick in die Zukunft der digitalen Literatur
8. Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Die folgende Arbeit wird sich thematisch mit Hyperfictions bzw. Internetliteratur auseinan- dersetzen, eine Form der Literatur, die erst im Zuge der multimedialen, globalen Vernetzung durch das Internet zu Beginn der 90er Jahre entstand und sich fortan kontinuierlich weiter- entwickelte. Anhand dieser Tatsache kann ein kurzer historischer Rückblick nicht außen vor bleiben, ebenso wenig die Thematisierung dieses neuartigen Genres im akademischen Bereich im Hinblick auf Rezeption und Theorien zu Kennzeichen wesentlicher Merkmale digitaler Literatur. Immer wieder werden auch die technische Darstellung, die Macken bzw. die Gren- zen der Computertechnik und die Frontalkritik an digitaler Literatur als „Schund“ im Mittel- punkt stehen. Am Schluss wird die Frage aufgeworfen werden müssen, ob es überhaupt für ein derartiges Genre eine Zukunft geben kann bzw. wie sich diese mögliche zukünftige Rolle im Hinblick auf Vernetzung visueller und auditiver Elemente darstellen könnte.
Die Tatsache, dass hyperfiktionale, multimediale Literatur erst mit dem weltweiten Siegeszug des unter dem Schlagwort Internet möglich gewordenen weltweiten Daten- und Informations- austauschs einherging, verweist darauf, dass der Ursprung dieser Literatur kaum länger als eine Dekade zurückliegt. Die Mehrheit der Bürger - abgesehen von einer kleinen eingeweih- ten Gemeinde von Hackern und Computerpionieren - wurde mit den Möglichkeiten des glo- balen Datenaustausches erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre konfrontiert, vorher waren dem Normalbürger die heute zum Allgemeinbegriff gewordenen Termini wie Homepage, Download, Email oder Chat gänzlich unbekannt. Selbst die meisten Homepages großer Un- ternehmen, Regierungsstellen oder mittlerweile bekannt gewordene Portale zu jedwedem Themengebiet sind nicht länger als zehn Jahre online. Im Jahr 1994 kamen in Deutschland auf 1000 Einwohner 2,44 Internetanschlüsse, bis 1997 vervierfachte sich diese Zahl auf 10,671 und laut statistischem Bundesamt verfügten Anfang 2003 bereits über 46% aller deutschen Haushalte über einen Zugang zum weltweiten Datennetz.2 Mittlerweile dürften diese Statisti- ken die 50%-Marke deutlich überschritten haben. Diese Zahlen erklären, warum die Pioniere digitaler Literatur erst Mitte der 90er Jahre in Erscheinung traten. Ein weiteres zu berücksich- tigendes Element bei der Auseinandersetzung mit Internetliteratur muss der Fortschritt hin- sichtlich der Übertragungsgeschwindigkeit, der visuellen und auditiven Gestaltungsmöglich- keiten, der Verknüpfungselemente und der Programmierbarkeit sein. Die eigentliche fehler- freie Darstellung des geschaffenen multimedialen Literaturprojektes nicht nur im Bereich von digitalen Wettbewerben, sondern auch in der täglichen Arbeit der Netzliteraten, beruht auf einer im Idealfall perfekt funktionierenden Computertechnik - ein ,wie sich zeigen wird, nicht immer zu gewährleistender Umstand, der der Fortentwicklung multimedialer Literatur und deren Verbreitung im herkömmlichen, eher konservativ orientierten Literaturbetrieb immer im Wege stand. Ebenso wird zu thematisieren sein, inwieweit der Spagat zwischen den avant- gardistisch orientierten Protagonisten der bisweilen futuristisch anmutenden Netzliteratur hin- ein in den Literaturbetrieb der in der klassischen Buchform publizierenden Autoren bzw. in die akademischen Lehranstalten zu schaffen war bzw. inwiefern für Netzliteratur und deren Qualitätsbemessung bestimmte Normen aufgestellt werden müssen. Der Begriff der Schundli- teratur wird zur kritischen Disposition stehen, wenn digitale Literatur durch Reizüberflutun- gen und allzu übertriebene Verspieltheit mit den Möglichkeiten der technischen Darstellungen ihren eigentlichen Zweck zu verlieren, zu korrumpieren und damit sich selbst bloßzustellen droht. Daneben stellt sich die Frage, inwieweit der literaturinteressierte Normalbürger bislang mit den multimedialen Darstellungen in Kontakt treten konnte bzw. in welcher Weise sich die Medien in erster Linie im Printbereich der neuartigen Literatur widmeten. Die Vermittelbar- keit von digitaler Literatur über den herkömmlichen Printbereich, z.B. durch Thematisierung in den einschlägigen Feuilletons, so wird sich zeigen, stellt sich durchaus als Kernpunkt des „Kommunikationsproblems“ zwischen den Netzliteraten und dem potentiellen Neukonsumen- ten dar.
Netzliteraten publizierten in jüngster Vergangenheit oftmals in Kooperation mit Programmie- rern, die die literarischen Konzepte auch medientechnisch umzusetzen wussten. Konservative Literaturkritiker verwiesen allzu oft darauf, dass eine derartige Umsetzung verwaschen und nicht authentisch nach dem Grundkonzept des Literaten erfolgt sein könnte. Andererseits wurden im Zuge des gestiegenen Erwartungshorizonts z.B. bei digitalen Literaturwettbewer- ben hinsichtlich multimedialer Inszenierungen professionellere programmiertechnische Konzeptumsetzungen vorausgesetzt. Diese Schere zwischen der Umsetzung des Konzepts und der Kooperation mit einem Programmierexperten bzw. die Frage nach eventueller finanzieller Subventionierung derartiger Projekte soll ebenfalls kurz angesprochen werden.
Für die Auseinandersetzung mit Internetliteratur - der Name impliziert es bereits - ist das Internet als Quelle, zur Informationsorientierung und nicht zuletzt als Bühne unerlässlich. Viele komplexere Netzprojekte, die gerade in den letzten Jahren entworfen wurden, haben dabei den Nachteil, dass sie sich selbst im Falle einer autorisierten Genehmigung durch den Schöpfer nicht komplett herunterladen bzw. sich auf mobilen Datenträgern sichern lassen. Plugins, Java-Anwendungen, Flashs etc. lassen sich generell oftmals nicht herunterladen oder abspeichern, so dass im Laufe der Arbeit immer wieder auf die Quelle, d.h. die Internetseite, die das jeweilige Projekt beherbergt, verwiesen werden muss. Da die meisten Projekte entweder erst kürzlich mit Preisen ausgezeichnet wurden oder aber bereits als Klassiker der Netzliteratur gelten dürfen, bleibt zu erwarten, dass diese auch in absehbarer Zeit noch im Netz publiziert bleiben werden.
Ein eigentlicher Kanon, wie bei der herkömmlichen klassischen Literatur vorhanden - wenn auch immer wieder erneuert und zur Disposition gestellt - existiert im Bereich der Internetlite- ratur und der Hyperfictions (noch) nicht. Deswegen finden sich im Netz unzählige netzlitera- rische Projekte, vielfach ist es auch bei offensichtlichen Versuchen geblieben, über deren Qualität sicher auch im akademischen Bereich unterschiedlichste Meinungen herrschen. Die zu thematisierenden Projekte beruhen deswegen auf einem der wenigen, wenn überhaupt zu bemessenden Qualitätsaspekt, nämlich der Preisauszeichnung bei nationalen oder internatio- nalen digitalen Literaturwettbewerben. Derartige Wettbewerbe - Hyperfictionsausstellungen oder -messen finden nicht statt - sind bislang nahezu die einzige öffentliche Plattform geblie- ben, auf denen sich die Literaten dieses Genres der Öffentlichkeit präsentieren können.
Beschäftigt man sich in wie auch immer gearteter Form mit Netzliteratur, dürfen die beiden Ikonen der theoretischen Auseinandersetzung mit dieser Form des Schreibens nicht uner- wähnt bleiben, Beat Suter und Roberto Simanowski. Beide haben in unzähligen Aufsätzen und Essays ihre Standpunkte zur Rolle der interfiktionalen Literatur im heutigen Literaturbe- trieb, ihre Ansprüche an diese im Hinblick auf Interaktivität, Hypertextualität, Multimedialität bzw. Inszenierung und ihre Ausblicke in die Zukunft dieses Genres unter Berücksichtigung diverser Schwierigkeiten formuliert.
2. Die Anfänge der deutschen Netzliteraturszene
Mitte der neunziger Jahre tauchte im deutschen Sprachraum mit den Hyperfictions ein neues Literaturgenre auf, das eng verbunden war mit der Verbreitung des Internets und dessen wei- teren Funktionen und Diensten. Das World Wide Web eröffnete neuartige virtuelle Narrati- onsräume, d.h. das Geschichtenerzählen konnte sich fortan in ganz anderer Weise vollziehen als in den Jahrhunderten zuvor. Den Jungliteraten, die anfangs die Möglichkeiten der neuen Technologie austesteten, sahen in der Netzliteratur ein Experimentierfeld im Bereich narrati- ver Formen und versuchten die neuartigen Kommunikationsformen des Internets in den Be- reich der literarischen Strukturen zu integrieren. Beat Suter, ein 1962 geborener Schweizer Literaturwissenschaftler, der als einer der ersten Akademiker Internetliteratur und deren Wir- kung rezipierte und später gewisse noch zu thematisierende Qualitätsmerkmale an sie stellte, beschreibt in seinem Aufsatz „Multi User Dungeons. Die Anfänge deutschsprachiger Hyper- fiction“ auch die Schwierigkeiten, mit denen die Netzliteraturavantgardisten konfrontiert wurden. So wurde zum Beispiel das Projekt Interstory von Doris Köhler und Rolf Krause bei einem Systemwechsel an der Uni Hamburg unwiederbringlich gelöscht, spätere Projekte, wie Guido Grigats Webring bla, sowie sein aktuelles Projekt 23:40, in dem er seit 1997 die Nie- derschriften von Erinnerungen, die der Einsender an eine bestimmte Minute des Tagesablaufs hat, sammelt, und das 1999 beim Ettlinger Literaturwettbewerb prämiert wurde, wurden auf Druck des Providers vom Server genommen.3 Das Internet zeigt sich im Gegensatz zur her- kömmlichen Buchform als flüchtiges Medium, so dass die ersten hyperliterarischen Werke und Versuche mittlerweile nahezu komplett aus dem Web wieder verschwunden sind. Das Wissen um eine derartig kurze Existenz wirft die Frage nach der Halbwertszeit netzliterari- scher Projekte auf, bzw. ob die alten Werke lediglich als erste Gehversuche, antiquierte und damit dem Verfall preiszugebende Abnutzungsobjekte gewertet werden müssen oder ob gar die Werke drohen im Zuge immer fortschrittlicher werdender Anwendungen und Softwares irgendwann überhaupt nicht mehr dargestellt werden zu können. Parallel dazu sei verwiesen auf manch heute kultig anmutendes Computerspiel aus den Anfangszeiten des ATARI, das heutzutage auf den neuartigen Rechnern mit den progressiven Systemprogrammen gar nicht mehr zum Starten gebracht werden könnte.
Die ersten Versuche auf dem Feld der hyperfiktionalen Literatur beschränkten sich auf Ko- operationsprojekte, die zumeist in universitären Rechenzentren als sogenannte Mitschreibe- projekte, entlehnt an englischsprachige „Adventure Stories“, entstanden. Dazu zählen lässt sich auch Catherine de Courtens Schreibprojekt KaspaH´s Home, bei dem bereits der Titel auf die historische Figur Kaspar Hausers verweist. KaspaH stellt sich dabei selbst vor als interfik- tionale Person, der keine Rückerinnerung an seine eigene Vergangenheit besitzt und dessen Leben sich in den unendlichen Weiten des Cyberspace abspielt.4 40 Emails wurden dabei mit dem Zweck, KaspaH ein Gesicht, eine Persönlichkeit zukommen zu lassen, an bislang unbe- kannte Adressaten geschickt. Mit den fünf Personen, die die Emailanfragen beantworteten, entspannten sich Dialoge, durch die sich KaspaH selbstreflektierend beschrieb und anhand derer er begann, neue bislang unbekannte Seiten an sich selbst zu entdecken.
Während sich dieses Projekt, wie es der Titel bereits vermuten lässt in englischer Sprache entwickelte, lässt sich als deutschsprachiger Hyperfiction-Prototyp die sogenannte Imaginäre Bibliothek von Heiko Idensen und Matthias Krohn bezeichnen. Die beiden Netzliteraturpio- niere arbeiteten bereits 1990 für die Ars Electronica in Linz an dem Mammutprojekt, das sie ab 1994 für das World Wide Web konzipierten und es auch darin veröffentlichten. Dabei ent- stand eine Art Online-Bibliothek, basierend auf 460 Hypertextknoten und 2635 Hyperlinks. Diese Verlinkungen zielten mehr auf eine enzyklopädische Ausrichtung und waren weniger literarisch orientiert. Das Ziel sollte darin bestehen, den Konsumenten in ein Textnetzwerk zu führen - wobei das Lesen und Navigieren auf Link-Verzweigungen basierte - und ihm gegen- über eine Beteiligung an dem Vorstellungsraum einer Bibliothek zu simulieren.
Suter selbst tritt in der Folge nicht nur als Netzliteraturtheoretiker auf, seine Website Hyper- fiction bot bereits im September 1996 neben deutsch- und englischsprachigen Linklisten einen Fundus deutschsprachiger Hyperfiction-Literatur an. Oliver Gassner, selbst ein Netzliterat der frühesten Stunde, stellte ebenfalls 1996 eine Linksammlung zu Literaturprojekten online.
3. Netzliteraturwettbewerbe - die eigentliche Geburtstunde der Hyperfictions
3.1 Der IBM-/ZEIT-Wettbewerb 1996 - Eine Premiere mit kritischen Untertönen
Das Jahr 1996 begegnet uns auch in einem anderen Bereich als entscheidendes Fortschritts- jahr, was die hyperfiktionale Literatur anbelangt. Die Wochenzeitung ZEIT und der Compu- terbauer IBM entschlossen sich, trotz gegensätzlichster Unternehmensausrichtungen, in die- sem Jahr zum ersten mal einen Wettbewerb zur Thematik der Netzliteratur auszutragen.5 In der Ausschreibung wurde dazu aufgefordert, das „Spiel mit den Grenzen zwischen Schrift, Datensatz, Bild und Grafik“6 auszutesten und dabei die technischen Möglichkeiten der welt- weiten Computernetze kreativ zu nutzen. Bei den einzusendenden Beiträgen, das war das Hauptpostulat, müsse es sich dennoch weiterhin um Literatur handeln. Der Zusatz, „um wel- che Art von Literatur allerdings, ist völlig offen“7 offerierte der Netzautorenschaft allerdings einen Spielraum, der retrospektiv betrachtet gerade in der in dieser vagen Formulierung imp- lizierten künstlerischen Freiheit sich dafür hergab, das Interesse möglichst vieler zu wecken und somit eine deutsche Netzliteraturszene aus der Taufe zu heben. Die neue Themenstellung, die der Wettbewerb aufwarf, wurde prompt von 178 Einsendern als interessant genug, sich damit näher auseinander zu setzen, angenommen. Dennoch wurde die absolute Mehrzahl der Einsendungen von der Jury verworfen. Im Anschluss an das Ende des Wettbewerbs führte dies zu der kritischen Erkenntnis, dass nicht nur die Beiträge vielfach als qualitativ mangel- haft evaluiert werden mussten, sondern darüber hinaus zu der Ratlosigkeit, wie man die Krite- rien vermittelbar machen könnte. Der Literaturwissenschaftler Reinhard Baumgart bemerkte in seiner Laudatio an die Siegerin Martina Kieninger und deren Beitrag Der Schrank. Die Schranke, dass der Jux und die Lust am Spiel das eigentliche Ziel des Wettbewerbs habe in den Hintergrund treten lassen. Genau vermochte er aber auch nicht zu benennen, woran man die exakten Qualitätskriterien bemessen müsse oder worin denn die eigene Selbsterfahrung - in den Beiträgen vermisste er die Neugier an ihr allzu schmerzlich - bestünde. Schließlich stellte er fest, dass von der angestrebten literarischen Revolution nicht die Rede sein könne, stattdessen habe das Internet und dessen Literaturpioniere lediglich eine Fortsetzung der her- kömmlichen Literatur mit anderen Mitteln vollzogen. Festzuhalten an den Ersterfahrungen der Wettbewerbsaustragung blieb, dass die meisten eingesandten Beiträge mit dem digitalen Me- dium eigens nichts zu tun hatten, d.h. sie bestanden aus herkömmlichem Text und bisweilen wurde seitens der Autoren auf jeglichen Link verzichtet.8 Die Enttäuschung der Wettbe- werbsausrichter und so mancher Literaturwissenschaftler war also deutlich zu vernehmen. Dennoch sei im Nachhinein als Ehrenrettung an die Pioniere, die den Mut und den Willen zeigten, sich einem Selbstversuch hinsichtlich der Kombination von klassischer Literatur mit moderner technischer Darstellungsmittel zu unterziehen, angemerkt, dass die damaligen mul- timedialen Darstellungsmittel stark begrenzt waren. Die spärlich gesäten Internetseiten be- standen aus aus heutiger Sicht erschreckend einfach und bieder anmutendem reinem Text- komplex und dienten lediglich der Informationsvermittlung. Gemäß dem Motto „das Auge isst mit“ zeigte sich das Internet noch nicht als kulinarischer Genuss, auf den meisten Präsen- tationen war stattdessen „Schmalhans Küchenmeister“. Dabei sei aber auch verwiesen auf die damaligen Prozessorleistungen, den Mangel an zur Ausführung von multimedialen Anwen- dung geeigneten Programmen und nicht zuletzt an die Modemdatenübertragungsgeschwin- digkeiten, die nur einen Bruchteil von den heutigen Highspeed-Datenleistungen lieferten. Nicht zuletzt darf der psychologische Aspekt vergessen werden, nämlich dass potentielle Konsumenten von hyperfiktionaler Literatur bei langwierigen Aufbauprozessen sicher in vie- len Fällen die Geduld verloren hätten, ehe sie auf den kompletten Seitenaufbau gewartet hät- ten.
[...]
1 Vgl. http://www.europa-infoshop.de/Die_Union/Lander/EU-Mitgliedsstaaten/Deutschland/deutschland.html, angeschaut am 03.04.05 um 19.27 Uhr MESZ.
2 Vgl. http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2003/p4081221.htm, angeschaut am 03.04.05 um 19.31 Uhr MESZ.
3 Vgl. http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=878, angeschaut am 03.04.05 um 21:41 MESZ. Der angegebene Link bezieht sich auf den Essay Beat Suters zum Thema “ Multi User Dungeons. Die Anfänge deutschsprachiger Hyperfiction“.
4 Die Originalbegrüßung lautet : “Hi, I'm KaspaH! I don't know you and I don't know where I am. Actually I was found somewhere inside this world of bits. As my past is uncertain, I don't know much about myself and about life. What's the meaning of it all and what am I doing - I'm pretty curious!”, aus dem Essay Beat Suters zum Thema “ Multi User Dungeons. Die Anfänge deutschsprachiger Hyperfiction“.
5 Der Wettbewerb wird bis zum Bruch der beiden Hauptausrichter und der damit verbundenen Absetzung des Wettbewerbs nach 1998 zwischenzeitlich auch vom ARD-Portal ARD Online und von Radio Bremen mitgespon- sert.
6 Aus: Simanowski, Robert (Hrsg.), Literatur.digital. Formen und Wege einer neuen Literatur: Simanowski, Robert, Geburt und Entwicklung der digitalen Literatur, München 2002, S.57.
7 Aus: ebenda.
8 Vgl. ebenda, S.57/58.
- Arbeit zitieren
- Holger Hufer (Autor:in), 2005, Hyperfictions / Internetliteratur - Die Entwicklung einer deutschsprachigen Netzliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75321
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