Studiert man heutzutage Geschichte, lernt man, die historischen Erkenntnisse der Geschichtswissenschaftler kritisch zu betrachten, unterschiedliche Theorien gegeneinander abzuwägen, sie gründlich anhand der Quellen auf Realität zu überprüfen, um dann daraus im besten Falle eine neue Theorie zu konstruieren. Das Ziel der historischen Wissenschaft ist zwar unverändert: es geht darum, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, ‚ „sagen, wie es eigentlich gewesen’ “;1 doch alle Wege und Richtungen, die der Historiker einschlägt, scheinen nie endgültig zum Ziel zu führen. Alte Theorien werden durch neue ersetzt; begleitet von ständig wechselnden Sichtweisen, mit denen die Historiker die zu rekonstruierenden Ereignisse als die wahren historischen Fakten darstellen. Doch woher nimmt jeder Historiker die Sicherheit, gerade seine Ergebnisse als die endgültig wahren zu bezeichnen?
„ ‚Historische Fakten sind Dinge, die in der Geschichte geschehen sind und die als solche anhand der überlieferten Spuren überprüft werden können’.“ 2
Und genau diese Spuren sind mitunter dürftig. Doch auch dann, wenn die Quellen nur geringfügige Informationen über vergangene Ereignisse bieten, gelingt den Historikern eine theoretische Rekonstruktion der Ereignisse, die, nach ihrer Veröffentlichung, von der Welt der Geschichtswissenschaftler untersucht, zerlegt, neu verwertet oder vernichtet wird. Kann das die „echte“ Wahrheit sein?
In dieser Arbeit soll, bezugnehmend auf diesen Konflikt, ein historisches Beispiel untersucht werden, dessen Rekonstruktion besondere Schwierigkeit darstellt. Es handelt sich um die Absetzung Herzog Adalberos II. von Kärnten, der 1035 von dem Salierkaiser Konrad II. auf einem Hoftag zu Bamberg scheinbar grundlos seines Amtes entmachtet wurde. Dazu existieren zahlreiche Vermutungen über die Gründe und Hintergrundgeschehnisse dieser Absetzung. Im Folgenden sollen die bisher bestehenden Forschungsergebnisse dargestellt, hinterfragt und (zum Teil) neu ausgelegt werden.
1 L.v. Ranke; zit. nach: Oexle, O.G.; Von Fakten und Fiktionen. Zu einigen Grundsatzfragen der historischen Erkenntnis; in: J. Laudage; Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdarstellungen und ihre kritische Aufarbeitung; Köln u.a. 2003; S. 8; Z. 3 f.
2 Evans, R. J.; zit. nach: Oexle, O.G.; Im Archiv der Fiktionen; in: R.M. Kiesow; Auf der Suche nach der verlorenen Wahrheit. Zum Grundlagenstreit in der Geschichtswissenschaft; Frankfurt a. Main 2000; S. 89; Z. 8 f.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Quellen
- Die ältere Wormser Briefsammlung: Brief Nr. 27
- Weitere Quellen
- Die Absetzung Herzog Adalberos II. von Kärnten
- Der Verlauf der Absetzung nach der Quelle
- Die Gründe der Absetzung
- Die Fehde von 1019
- Die Folgen der Fehde und der Konflikt um die Erbfolge
- Die eigenmächtige Ost- und Südostpolitik Adalberos II.
- Die Ost- und Südostpolitik Konrads II.
- Die Grenzpolitik Adalberos II. im Osten
- Die Expansionspolitik Adalberos II. im Süden
- Die Beziehungen zwischen Konrad II. und Adalbero II. nach 1024
- Die Belehnung der Beatrix 1025
- Der Schwertträgerdienst Adalberos 1027
- Die Nennung Adalberos auf den kaiserlichen Urkunden 1027/28
- Die Bewertung des Absetzungsverfahrens
- Die Ohnmacht Konrads
- Der Fußfall Konrads
- Die Rolle des Fürstengerichts
- Der Eid
- Der Anlass und die Folgen des Eides
- Die Rolle Egilberts von Freising
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die Absetzung Herzog Adalberos II. von Kärnten im Jahr 1035 durch Kaiser Konrad II. Ziel ist es, die Hintergründe und Umstände dieses Ereignisses anhand der verfügbaren Quellen zu rekonstruieren und zu analysieren. Die Arbeit beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven und Interpretationen dieses historischen Ereignisses und zeigt auf, wie komplex und vielschichtig die Bewertung historischer Ereignisse sein kann.
- Die Rolle der Quellenkritik in der Geschichtswissenschaft
- Die Ursachen und Folgen der Absetzung Herzog Adalberos II.
- Die Beziehungen zwischen Kaiser Konrad II. und Herzog Adalbero II.
- Die Bedeutung des Fürstengerichts im salischen Reich
- Die politische Machtstruktur im 11. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die Herausforderungen der historischen Forschung und die Schwierigkeit, objektive Wahrheiten zu rekonstruieren. Sie stellt die Absetzung Herzog Adalberos II. als Beispiel für ein historisches Ereignis mit komplexen und widersprüchlichen Interpretationen dar.
- Quellen: Das Kapitel analysiert die verfügbaren Quellen zur Absetzung Adalberos II., insbesondere den Brief eines anonymen Wormser Klerikers. Es beleuchtet die Stärken und Schwächen der Quellen und die Herausforderungen, die sich aus der mangelnden Quellendichte ergeben.
- Die Absetzung Herzog Adalberos II. von Kärnten: Dieses Kapitel beschreibt den Verlauf der Absetzung Adalberos II. nach der Quelle. Es untersucht die verschiedenen Gründe für die Absetzung, darunter die Fehde von 1019, den Konflikt um die Erbfolge und die eigenmächtige Ost- und Südostpolitik Adalberos II. Die Kapitel analysiert auch die Beziehungen zwischen Konrad II. und Adalbero II. nach 1024, einschließlich der Belehnung der Beatrix, des Schwertträgerdienstes Adalberos und der Nennung Adalberos auf den kaiserlichen Urkunden.
- Die Bewertung des Absetzungsverfahrens: Dieser Teil der Arbeit widmet sich der Bewertung des Absetzungsverfahrens. Es analysiert die Ohnmacht Konrads, den Fußfall Konrads und die Rolle des Fürstengerichts.
- Der Eid: Dieses Kapitel untersucht den Eid, den Adalbero II. nach seiner Absetzung ablegen musste. Es beleuchtet den Anlass und die Folgen des Eides und die Rolle Egilberts von Freising.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Absetzung, Herzog Adalbero II., Kaiser Konrad II., Salier, Kärnten, Fürstengericht, Quellenkritik, Historiographie, Politik, Macht, Konflikt, Fehde, Ost- und Südostpolitik, Stammbaum, Wormser Briefsammlung.
- Arbeit zitieren
- Caroline Hauke (Autor:in), 2006, Der Herrscher fällt in Ohnmacht: Konrad II. und die Absetzung Herzog Adalberos II. von Kärnten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75390