Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Werkbeschreibung und Analyse
II. Die Bedeutung des Porträts im Goldenen Zeitalter
III. Die Porträtmalerei von Frans Hals
IV. Die Rezeptionsgeschichte des Bildes
I. Werkbeschreibung und Analyse
Aus dem ovalen Ölporträt auf Eichenholz aus dem Jahre 1638 blickt dem Betrachter der großformatige Bildausschnitt eines Mannes fortgeschrittenen Alters in rechter Ausrichtung entgegen, der in vornehmer Bürgerstracht gekleidet ist. Das Bild ist im Hochformat und als Halbkörperporträt gegeben, so daß die zentrale Figur den Rahmen in aufrechter Haltung durchweg zu füllen vermag und dem Betrachter somit näher gerückt - und in Anbetracht der Maße von 94,6 x 70,2 cm - lebensgroß und wichtig erscheint. Dabei strahlt die Figur eine überlegene Ruhe aus, die auf das neo-stoische Ideal der tranquillitas als Merkmal der gehobenen Klasse weist[1] und den imposanten Eindruck unterstreicht.
Die Dreiviertelansicht gibt uns einen Gesamteindruck über die Person und sorgt für Räumlichkeit, wenngleich der Hintergrund selbst ungestaltet und ohne räumlliche Tiefe dargestellt bleibt. Dies führt zur Betonung der Person und ihrer unbedingten wichtigen Individualität.
Das Porträt ist in schwarz-braun-grauer Farbe gehalten, die von weiß bzw. hautfarbenen Farbflächen der Person durchbrochen wird. Mit dieser überwiegend dunklen Farbgestaltung von Gewand und Hintergrund werden die helleren Gesichts-, Hand- und Kragenpartien betont, wodurch die individuellen Charaktermerkmale des Bürgers eine persönliche Note erhalten. Die dunkle Hintergrundfarbe enthält eine wechselnde Tönung bei der einfarbige Effekte entstehen, die den breitkrempigen schwarzen Hut des Mannes und seinen weichen Schatten erkennbar abheben lassen. Die Gestalt wird nicht einfarbig gerahmt, wie dies zur Gesicht- bzw. Handbetonung und deren Präsentation bei Hans Holbeins d. Ä. (1465-1524) „Bildnis eines Angehörigen der Augsburger Familie Weiß“ (1522) oder Lucas Cranachs d.J. (1515-1586) „Bildnis Phillip Melanchtons“ (1559) geschieht, sondern der Hintergrund erhält insbesondere für den gedämpften Licht- und Schatteneffekt Bedeutung, der sich auf ihm widerspiegelt und eine große Variationswiedergabe von dunklen Tönen aufweist.
Von der Ausdrucksmöglichkeit einer Farbe war wohl später selbst Vincent van Gogh beeindruckt, als er schrieb: „Frans Hals kennt wohl siebenundzwanzig Arten von Schwarz“[2].
Auf der rechten Seite und auf halber Bildhöhe ist die Inschrift: Aetat suae – Anno 1638 angebracht, die die dokumentarische Handschrift des Künstlers zu seinem Werk trägt. Der Mann trägt eine vornehme, spanische Regententracht mit breiter, weißer Halskrause, Manschetten (Pinjotten) und dazu einen farblich angepaßten, breitkrempiggen Hut, wie sie in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts durch die spanischen Einflüsse in Mode war[3].
Der schwarze Hut, der ein Pendant zur Kleidung in Farbigkeit und Ausmaß der Schulterbreite bildet, ist diagonal angeordnet, seine Ausrichtung von links oben nach rechts unten verläuft konträr zur gedrehten Schulterhaltung, so daß beide Diagonalen in dem hellen, vom Bildmittelpunkt leicht nach rechts verschobenen, theatralischen und diffusen Lichtfleck[4] zusammenzulaufen scheinen. Dieser kommt selbst aus einer Lichtquelle vom linken Bildrand.
Die Ausrichtung zum Lichtfleck wird von dem rechten zur Brust abgewinkelten Arm wiederaufgenommen, wobei dessen Hand auf die Brustmitte gelegt auf einer Linie mit der Hutkrempe, Lichtfleck und über dem von der weiteren Hand gehaltenen Handschuh angeordnet ist.
Mit der ockerfarbenen Tönung des Handschuhs wird eine farbliche Verbindung zum Lichtfleck geschaffen, wobei die Bildfläche an sich, welche aus den wenigen Farben schwarz-weiß-braun-ocker besteht, in sich abgerundet und geschlossen wirkt. Die geschlossene und gerade Körperhaltung und Komposition wird durch die den Körper senkrecht durchlaufende Gerade, die von der linken unteren Hand, über die rechte, an die Brust gelegte bis zum Gesicht gezogen werden kann, erreicht.
[...]
[1] Wayne Franits, Looking at Seventeenth-Century Dutch Art, Cambridge 1997, S. 167
[2] M. Pollatz, Frans Hals, Ausstellungskatalog, Haarlem 1962, S. 74
[3] Seymour Slive, Frans Hals, München/London 1989, S. 52
[4] Claus Grimm, Frans Hals. Entwicklung. Werkanalyse. Berlin 1972, S. 98
- Arbeit zitieren
- M.A. Martina Merten (Autor), 1999, Zu: Frans Hals - „Bildnis eines Mannes“ (1638), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75481
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