Molekulardynamische Simulation von beta-Lactoglobulin unter Hochdruck


Bachelorarbeit, 2006

67 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Liste der Formelzeichen

1. Einleitung

2. b-Lactoglobulin
2.1. Thermisch induzierte Veränderungen des b-Lactoglobulin
2.2. Druckinduzierte Veränderungen des b-Lactoglobulin
2.3. Modifikationen durch den pH-Wert
2.4. Experimentelle Untersuchungen.

3. Angewandte Untersuchungsmethode: Molecular Modelling
3.1. Ensembles und Ergodizität
3.2. Nichtbindende Kräfte
3.3. Kovalente Verknüpfungen
3.4. Berechnungsalgorithmen
3.5. MD-Simulationen
3.6. CHARMM
3.7. Vorbereitung und Starten der Simulation

4. Ergebnisse
4.1. Volumen- und Oberflächenänderungen des Proteins
4.2. Eindringen von Wassermolekülen in das Protein und Exponierung des Cystein
4.3. Radiale Wasserverteilung- Hydrathülle des Proteins
4.4. Gyrationsradius
4.5. Konformationsänderungen
4.6. Kompressibilität einzelner Strukturelemente

5. Zusammenfassung

6. Liste der Abbildungen

7. Anhang
A blg_build.inp
B blg_solv.inp
C blg_solv1.inp
D equilcpt_blg.inp
E contact.inp

8. Literaturverzeichnis

Liste der Formelzeichen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Hochdruck ist eine sehr interessante Möglichkeit Lebensmittel haltbar zu machen. Die derzeit übliche thermische Behandlung ist im Gegensatz zum Hochdruck mit einigen Nachteilen verbunden. Dazu zählen die Energiekosten, die oft unerwünschten chemischen und physikalischen Veränderung von Inhaltsstoffen sowie die Belastung des Biomaterials durch die Aufheizphase auf die gewünschte Temperatur. Druck hingegen herrscht sofort im gesamten Lebensmittel und ist insgesamt schonender. Um nun Aussagen auf molekularer Basis der Inhaltsstoffe, z.B. Proteine, treffen zu können verwendet man Molekülsimulationen.

In den letzten Jahren wurde viel auf dem Gebiet der Numerischen Simulation von Biomolekülen in verschiedenen Lösungsmitteln geforscht. Das liegt zum einen an der Entwicklung neuer Berechnungsalgorithmen und Modellen, zum anderen an der rapiden Zunahme an Rechenkapazität.

Eine der ersten molekulardynamischen Simulationen unter Hochdruck führten Kitchen et al. [1] im Jahr 1992 durch. Sie untersuchten BPTI (bovine pancreatic trypsin inhibitor) in Lösung bei einem Druck von 1000 MPa. Es gilt dabei zu bedenken, dass die damaligen Rechner nicht annähernd die Rechenleistung hatten wie die heutigen, und damit die Simulationszeiten im Bereich von 100 ps lagen. Sie beobachteten, dass keine druckinduzierte Denaturierung in dieser kurzen Zeitspanne zu erkennen war. Heutige Rechnernetzwerke bringen ein Vielfaches der Leistung damaliger Rechner, sodass Beobachtungszeitspannen von 10-100 ns möglich werden. Dabei liegen vielfältige Möglichkeiten der Beobachtung von Mittelwerten und Fluktuationen struktureller und energetischer Größen vor: Es können die Abstände einzelner Atome, deren Geschwindigkeiten, die mittlere Temperatur und der mittlere Druck, die potentielle Energien, uvm. berechnet werden.

In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss einer Hochdruckbehandlung auf hydratisiertes b-Lactoglobulin mit Hilfe des CHARMM Kraftfeldes untersucht. Dabei interessierten primär die Konformationsänderungen des Proteins, z.B. die Exponierung des freien, im Inneren des Proteins verborgenen Cystein121 und das Eindringen von Wassermolekülen in den hydrophoben Kern des Moleküls.

2. b-Lactoglobulin

b-Lactoglobulin (BLG) und a-Lactalbumin sind jedermann als „Milchhaut“ nach dem Kochen von Milch bekannt. BLG ist ein globuläres Protein mit 162 Aminosäuren und einem Molekulargewicht von ca. 18 kDa. Es kommt als Molkenprotein in der Kuhmilch, vornehmlich in den zwei genetischen Varianten A und B [2], vor. Dabei erweist sich die Isoform A in einigen Experimenten (jedoch nicht in Infrarotspektroskopie und Kleinwinkelröntgenstreuung [3]) als drucksensitiver [4]. Diese beiden Varianten unterscheiden sich nur in zwei Aminosäuren an den Stellen 64 und 118. An der Stelle 64 trägt die Variante A eine Asparaginsäure und B einen Glycinrest, während an der Stelle 118 Variante A Valin und B Alanin enthält. Zu bemerken gilt dabei, dass Asparaginsäure eine große polare Aminosäure, Glycin hingegen die kleinste und unpolare Aminosäure ist. Somit werden manche Eigenschaften des Moleküls allein durch diese Modifikation entschieden verändert. Des Weiteren gibt es noch die Variante C (Jersey Kühe), D (Montbeliarde Kühe) sowie ADr und BDr (australische Droughtmaster Kühe, die Proteinzusammensetzung unterscheidet sich nur im Kohlenhydratanteil der Milch) [5].

Das BLG besitzt einen Massenanteil von ca. 3,2 g pro kg Milch und hat seinen isoelektrischen Punkt, und somit auch seine geringste Löslichkeit, bei einem pH von 5,35-5,41 [5]. Das Protein bildet Oligomere nach folgendem Schema:

BLG ↔ BLG2 ↔ (BLG2)4 ↔ BLG2 ↔ BLG

pH<3,5 3,7<pH<5,1 pH>7,5

Dabei sei zu beachten, dass das Oktamere nur bei der Variante A existiert. Im pH Bereich > 8,6 erfolgt eine irreversible Denaturierung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Primär- und Sekundärstruktur des BLG. Gelbe Kugeln repräsentieren Cystein121

In der Primärstruktur findet man fünf Cysteinreste, die wie folgt Disulfidbrücken ausbilden: Cys66 - Cys160 und Cys106 - Cys119. Das Cys121 ist im Inneren der Struktur verborgen und hat unter physiologischen Bedingungen keinen Kontakt zum Lösungsmittel. Erst unter hohen Temperaturen oder hohen Drücken wird dieses Cystein für seine Umgebung zugänglich, und es entstehen so Disulfidbrücken mit anderen Proteinen, die für die Gelbildung verantwortlich gemacht werden [6]. Abbildung 1 zeigt die Primär- und Sekundärstruktur des BLG. Das linke Bild stammt aus [7]. Falls nicht anders vermerkt wurden alle Molekülbilder mit Rasmol Version 2.7.3 angefertigt.

2.1. Thermisch induzierte Veränderungen des b-Lactoglobulin

Das BLG erfährt, wie alle anderen Proteine auch, durch eine Erhöhung der Temperatur über einen gewissen Schwellenbereich hinaus, den sog. Schmelzpunkt, eine Veränderung seiner Tertiär- und ggf. Quartärstruktur. Die Sekundär- und später die Primärstruktur werden erst bei sehr hohen Temperaturanwendungen irreversibel zerstört. Da die beiden Varianten A und B in der Aminosäuresequenz weitestgehend übereinstimmen, ist auch ihr thermisches Verhalten nahezu identisch [8-10]. Die thermische Denaturierung von Proteinen hat zur Folge, dass hydrophobe Bereiche im Inneren der Moleküle nach außen gekehrt werden und so für Sekundärreaktionen zur Verfügung stehen. Ebenso geschieht dies auch beim BLG, bei dem während des Erwärmens zunächst bestehende Oligomere dissoziieren. Bei Temperaturen größer 50 °C findet eine partielle Auffaltung der Tertiärstruktur unter Exponierung hydrophober Bereiche statt [11], welche z.B. den Cysteinrest Cys121 enthalten. Diese Reaktion verläuft bis ca. 65 °C reversibel [12], darüber reagieren Cysteine mit anderen Thiolgruppen, sodass große Aggregate entstehen können.

Falls andere Proteine zur Verfügung stehen, wie z.B. Caseine in der Milch, so werden auch Disulfidbrücken mit diesen Molekülen ausgebildet. Das Ionenmilieu [13], der pH-Wert [9], [10], die Laktose [9], [10] und die Anwesenheit anderer reaktiver Stoffe wirken sich auf die einzelnen Schritte, und somit auf die gesamte Denaturierung sowie die Aggregation und Quervernetzung aus [14]. Hohe Lactosekonzentrationen genauso wie niedrige pH-Werte verzögern die Denaturierungsreaktion. Durch Zusatz von Calcium oder Natrium kann die Transparenz und Festigkeit der Proteingele gesteuert werden [11].

2.2. Druckinduzierte Veränderungen des b-Lactoglobulin

Die thermische Denaturierung unterscheidet sich von der durch Druck hervorgerufenen. Während bei der thermischen oder chemischen Denaturierung die native Struktur weitgehend zerstört wird, bleibt sie bei der Anwendung von hydrostatischem Druck besser erhalten [15]. Dabei müsste hoher Druck zur Verringerung des Volumens führen [16], der nach dem Prinzip von Le Chatelier die thermodynamische Stabilität erhöht, sodass Vdenaturiert < Vnativ.

Folgende aus der Arbeit von E. Paci [17] entnommene und bearbeitete Grafik (Abb.2) soll diesen Sachverhalt schematisch erklären. An der Ordinate ist die freie Energie angetragen und an der Abszisse eine willkürlich gewählte Faltungskoordinate.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 zeigt, dass bei physiologischer Temperatur und Atmosphärendruck (oberste Kurve) ein Energieminimum N im nativen Zustand vorliegt. Bei einer moderaten Erhöhung des Drucks (mittlere Kurve) verschiebt sich das Minimum nach N’. Diese Verschiebung kann als „elastisch“ betrachtet werden, da sich bei Entspannung wieder N einstellt und keine

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Faltungsenergetik eines Modellproteins

Denaturierung erfolgt. Bei starker Druckerhöhung verschiebt sich das Minimum weiter nach N’’. Zugleich entsteht ein neues Minimum in D. Dieser Zustand ist der denaturierte und der Übergang vom nativen in diesen geschieht langsamer als durch Temperatureinwirkung [16], [18] und wird als „plastisch“ bezeichnet.

Um Übergänge vom nativen zum denaturierten Zustand simulieren zu können wurden viele physikalische (z.B. Temperaturerhöhung) und nichtphysikalische Störungen verwendet um Energiebarrieren zu überwinden oder sie „abzuflachen“. So wurde das thermische Entfalten des Hühnereiweißlysozyms bei 500 K [18], dass von BPTI bei 423 K und 498 K [19] und des Proteins Barnase bei 498 K und 600 K [20], [21] simuliert. Da hoher Druck keine hinreichende Absenkung der Energiebarrieren bewirkt, sondern im Gegenteil die Kinetik verlangsamt, ist er offensichtlich nicht so effizient zur Entfaltung von Proteinstrukturen einsetzbar wie entsprechend hohe Temperaturen. Hochdrucksimulationen erlauben jedoch das Studium der elastischen Relaxation nach einem Drucksprung. Beobachtete Zeitintervalle für das Denaturieren liegen in der Größenordnung von Millisekunden, die heutzutage zugänglichen Simulationsintervalle hingegen im Bereich von 10-100 ns [19].

Der typische Aufbau globulärer Proteine ist ein hydrophober Kern im Inneren mit hydrophilen Aminosäuren in Kontakt mit dem wässrigen Lösungsmittel, vergleichbar mit einem Tropfen hydrophober Moleküle in Wasser, was zum „liquid-hydrocarbon model“ führt [12]. Dieses erklärt viele kalorimetrische Daten, nur versagt es bei der Erklärung der druckinduzierten Denaturierung [22]. Bei Drücken unter 100-200 MPa lässt sich eine positive Volumenänderung DV vom nativen zum entfalteten Protein beobachten, welche sich erst noch höheren Drücken ins Negative kehrt. Bringt man hingegen einen Kohlenwasserstoff in eine wässrige Umgebung und steigert den Druck, so wird zunächst eine negative Volumenänderung und dann eine positive beobachtet, also genau entgegengesetzt zu den Proteinen. Hummer et al. [23] führten Berechnungen mit zwei Methanmolekülen in Wasser durch und kamen zu dem Schluss, dass es bei höheren Drücken vom energetischen Gesichtspunkt immer weniger günstig ist Van-der-Waals (VdW) Wechselwirkungen miteinander einzugehen als Wechselwirkungen mit Wasser (siehe dazu Abb. 3)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Freie Energie zwischen Methanmolekülen

In dieser Abbildung von Hummer et al. [23] geben die Pfeile an, dass sich mit zunehmenden Druck auch W (freie Energie) in Einheit von kBT zu höheren Werten verschiebt. Man erkennt, dass am Punkt I, mit einem gegenseitigen Abstand der beiden Methanmoleküle von ca. 0,39 nm, der energetisch stabilste Zustand vorliegt (direkte Berührung wie bei VdW üblich) und der Zustand II, mit einem Abstand von ca. 0,73 nm,

hingegen auf einem höheren Energieniveau liegt (das ist der Fall mit eingelagertem Wasser zwischen den Methanmolekülen). Man beobachtet nun, dass mit steigendem Druck der Punkt I immer ungünstiger wird bezogen auf Punkt II. D.h., wie oben schon erwähnt, es wird für die Methanmoleküle energetisch immer weniger wahrscheinlich in direktem Kontakt zu bleiben, da mit sehr hohen Drücken die Energieniveaus I und II fast identisch hoch liegen.

Bei der Denaturierung durch Druck wird eine Verschiebung der NMR-Spektren beobachtet [24], [25], was sich als Zunahme der Wechselwirkungen zwischen hydrophoben Bereichen des Proteins und dem Lösungsmittel deuten lässt. Es ist bekannt, dass sich bei der thermischen Denaturierung hydrophobe Bereiche nach außen kehren mit der Folge, dass die native Struktur zerstört wird. Da man bei druckbehandelten Proteinen kaum eine Änderung des spezifischen Volumens misst, ist nun die Frage offen, woher der Anstieg an Wechselwirkung Protein-Wasser kommt. Die Lösung dieses Problems lieferten Hummer et al. mit dem Vorschlag, dass Wassermoleküle in den hydrophoben Kern der Proteine eindringen und sie so denaturieren.

2.3. Modifikationen durch den pH-Wert

Die physiologische Funktion des BLG bleibt noch immer ungeklärt. Eine Hypothese besagt, dass es aufgrund seiner Fähigkeit unpolare Moleküle wie Fettsäuren, Triglyceride, Retinol, etc. aufnehmen zu können [26], als eine Art „Schleußer“ durch den Magen fungiert. Dabei hilft die Tatsache, dass es im sauren pH Bereich in der „geschlossenen“ Form und im neutralen Bereich in der „offenen“ Form vorliegt [27]. Abbildung 4 zeigt dies sehr schön. Die Helizes sind rot, Faltblätter grün und die E‑F‑Loop blau gekennzeichnet. Es ist erkennbar wie die Loop den Eingang in den hydrophoben Kern verschließt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4: Offene und geschlossene Form des BLG

Das Zustandekommen dieser zwei Formen begründet sich auf der Tatsache, dass das Glu89, welches sich in der E-F Loop befindet, im Sauren protoniert und im Neutralen deprotoniert vorliegt. Durch die abstoßenden Kräfte gleichnamiger Ladungen kann diese Konformationsänderung entstehen. Und tatsächlich misst man vor dem Magen in der Milch einen pH von 6,5-6,75 („offene“ Position), im Magen von ca. 2 („geschlossene“ Position) und im Zwölffingerdarm einen leicht alkalischen pH von 7-8 (wieder „offene“ Position), sodass eingelagerte Fettsäuren wieder entlassen und vom Körper verwertet werden können [27]. Aber dies stellt, wie gesagt, nur eine Hypothese dar.

Funtenberger et al. [28] erkannten, dass die Denaturierung im wässrigen System schneller verläuft als im druckunempfindlicherem (pH verändert sich nur gering mit dem Druck) Tris‑Puffer. In mit bis zu 300 MPa behandelter Molkenproteinisolatlösung zerfielen die im Bereich zwischen pH 4 und 6 gebildeten Molkenproteinaggregate bei Neutralisierung und ein Rückgang des denaturierten BLG konnte festgestellt werden. Van Mil et al. [29] vermuteten, dass im genannten pH Bereich vermehrt nicht-kovalente Bindungen und nur wenige Disulfidbrücken die denaturierte Form stabilisieren. Bei pH 7 hingegen sind die Aggregate über Disulfidbindungen verbunden.

2.4. Experimentelle Untersuchungen

In den letzten Jahren wurden viele experimentelle Arbeiten zu BLG veröffentlicht. Als ideales Arbeitsinstrument erwies sich die Intrinsische Fluoreszenz-Emissions-Spektroskopie (IFE), da sie die Emission von Tryptophanresten als Sonde verwendet, welche von der Temperatur, dem Druck und der Hydrophobizität des Lösungsmittels abhängt und somit ideal für die Messung der Exponierung hydrophober Bereiche geeignet ist. Diese Exponierung wird durch eine Rotverschiebung des Emissionsspektrums begleitet. Valente-Mesquita et al. [30] verglichen das IFE Muster von druckbehandeltem mit dem durch das chaotrope Reagenz Guanidinhydrochlorid (GdnHCl) denaturierten BLG. Es ist bekannt, dass GdnHCl zur Dissoziation und Entfaltung von BLG führt. Durch den Vergleich der sehr ähnlichen Spektren kamen sie zu dem Schluss, dass dies auch bei einer Druckbehandlung geschehen muss. Natives BLG weist sein Absorptionsmaximum bei 332 nm auf. Nach der Behandlung mit GdnHCl wurde eine Rotverschiebung von ca. 11 nm festgestellt, wobei das ursprüngliche Maximum selbst nach Entspannung des Systems nicht mehr ganz erreicht wurde. Sie führten diesen Sachverhalt darauf zurück, dass nicht mehr 100% der Moleküle in ihre ursprünglich Konformation zurückkehrten, sondern dass ein Teil Faltungsschwierigkeiten hatte und teilweise Aggregate durch Disulfidbrücken entstanden, was wiederum durch andere Forschergruppen [24+25], [28], [31-35] bestätigt wurde. Ein Umstand der zu dieser Erkenntnis führte war, dass man bei mit b-Mercaptoethanol behandeltem BLG keine hochmolekularen Aggregate mehr nachweisen konnte. b-Mercaptoethanol reagiert spezifisch mit freien Thiolgruppen und blockiert diese somit für andere Reaktionen [28]. Ein anderer Grund für die Annahme der Existenz hochmolekularer Aggregate war der Anstieg des hydrodynamischen Radius [30]. Dufour et al. [26] führten Experimente mit der Fluoreszenz des BLG – Retinol – Komplexes bei pH 7,0 in 50 mM Tris‑Puffer durch, dessen Absorptionsmaximum bei ca. 450 nm liegt. Verschiedene Drücke wurden eingestellt und die Fluoreszenzintensität gemessen. Sie stellten einerseits fest, dass mit steigendem Druck auch die Intensität zunimmt, welche bei 150 MPa mit ca. 460 nm ihr Maximum erreicht. Andererseits ist mit weiter steigendem Druck eine Abnahme der Intensität verbunden, wobei sie bei 300 MPa gegen Null strebt. Als Begründung geben sie die Dissoziation des Komplexes an. Der Intensitätszuwachs soll durch die starke Änderung der hydrophoben Umgebung entstehen. Zu beachten gilt auch hier, dass nach einer Druckbehandlung von 300 MPa der Komplex nicht mehr vorliegt, was wiederum auf die Konformationsänderungen des BLG zurückgeführt wurde. Bei einer Druckanwendung von nur 200 MPa tauchte auch das ursprüngliche Absorptionsverhalten wieder auf, was sie mit der permanenten Erhaltung des Komplexes begründen.

Oft werden Experimente in der Anwesenheit mehrfacher Alkohole wie z.B. Glycerin durchgeführt. Man geht davon aus, dass sie durch ihre bevorzugte Hydratation im wässrigen Milieu Proteinstrukturen stabilisieren können. Dufour et al. [26] führten die schon oben erwähnten Experimente auch mit einer 40/60 v/v Glycerin/Tris-Puffer-Lösung durch. Hierbei stellten sie ein sehr ähnliches Verhalten gegenüber den Versuchen ohne Glycerin fest. Selbst die Hysterese der Rotverschiebung war zu beobachten. Sie folgerten daraus, dass Glycerin kaum stabilisierende Wirkung im hohen Druckintervall aufweist.

Des Weiteren bediente man sich auch anderer Analysemethoden, wie z.B. Zirkulardichroismus (CD) [24], [35], Fouriertransfomations-Infrarotspektroskopie (FTIR) [36] und Kernresonanz (NMR) [34], [36]. Deren Ergebnisse unterstützen die oben erwähnten Theorien.

Bei der Forschung zur Entstehung und den Eigenschaften von Proteingelen stellte man fest, dass sich durch die Behandlung einer Molkenproteinlösung mit Druck die Viskosität und die Wasserbindung erhöhten. Bei Proteinkonzentrationen größer 5 bis 10 % bildeten sich Gele [37-40], die im Vergleich zu thermischen Gelen eine porösere Struktur und geringere Festigkeit besaßen [41-43]. Die Festigkeit der thermischen Gele kann nochmals gesteigert werden, wenn man eine Druckbehandung vorschaltet [44]. Als Grund wird diskutiert, dass die Druckbehandlung Thiolgruppen wie z.B. Cystein121 freilegt, die anschließend die thermische Vernetzung fördern. Das steht aber im Widerspruch zu den Experimenten von Olsen et al. [39], die keinen Einfluss der Druckvorbehandlung auf die Festigkeit der Proteingele feststellten.

Hinsichtlich der Emulgiereigenschaften von druck- und hitzebehandelten Molkenproteinen lässt sich sagen, dass diese sich im Gegensatz zum nativen Protein verschlechtern. Ausgebildete Emulsionen hingegen werden durch die Druckbehandlung nicht beeinträchtigt [45].

3. Angewandte Untersuchungsmethode: Molecular Modelling

Ziel des Molecular Modelling ist die Beschreibung und Voraussage von Molekülbewegung auf atomarer Basis. Um dies mit den heutigen Rechnern sinnvoll bewerkstelligen zu können, werden einige Vereinfachung getroffen und Berechnungsalgorithmen geschaffen. Diese Vereinfachungen reduzieren die Komplexität der Wirklichkeit zwar stark, doch trotzdem lassen sich sinnvolle Ergebnisse mit ihnen gewinnen. Soweit nicht anders vermerkt stammen alle Ausführungen aus dem Vorlesungsskript für die Vorlesung "Grundlagen des Molecular Modelling" [46] von Dr. rer. nat. Christina Scharnagl am Lehrstuhl für Physik an der TU-München Weihenstephan, An der Saatzucht 5, 85354 Freising.

3.1. Ensembles und Ergodizität

In einer MD-Simulation beobachtet man eine Vielzahl von Mikrozuständen zu gegebenen externen Parametern (diese entsprechen dem Makrozustand). Je nachdem welche Größen gegeben sind, handelt es sich um die Ensembles [47-49]:

NVT: Zahl der Atome, das Volumen und die Temperatur werden konstant gehalten. Es wird als das "kanonisches Ensemble" bezeichnet.

NVE: Zahl der Atome, das Volumen und die Energie werden konstant gehalten. Es wird als das "mikrokanonische Ensemble" bezeichnet.

NPT: Zahl der Atome, der Druck und die Temperatur werden konstant gehalten. Es wird als das "isotherme-isobare Ensemble" bezeichnet.

Bei sehr langen Beobachtungszeiten kann davon ausgegangen werden, dass alle möglichen Mikrozustände realisiert sind. Man nennt diesen Zustand ergodisch. In diesem Fall ist der zeitliche Mittelwert gleich dem thermodynamischen Mittelwert für das Ensemble. In der zeitlich beschränkten MD wird jedoch nur ein Teil des Zustandraums durchlaufen. Tabelle 1 zeigt eine Zusammenfassung der Ensembles.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Zusammenfassung der Ensembles

Hierbei sind b=1/kbT, sowie Ei und Vi Energie und das Volumen der Mikrozustände. In der vorliegenden Arbeit wurde das NPT-Ensemble verwendet und soll deshalb auch als Erklärungsgrundlage dienen. Um die Temperatur eines Systems konstant zu halten bedient man sich folgender Überlegung:

Die Temperatur lässt sich thermodynamisch als die Summe der kinetischen Energien aller Teilchen nach folgender Formel deuten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierbei ist <K> die mittlere kinetische Energie des Systems, ½ mivi2 die kinetische Energie des Teilchens i, kb die Bolzmannkonstante, T die externe Temperatur und f die Zahl der Freiheitsgrade des Systems. Daraus lässt sich die instantane Temperatur Tinst ableiten, die momentan im System herrscht. Es ist zu erkennen, dass man die instantane Temperatur über die Geschwindigkeiten der Teilchen skalieren kann, sodass sie mit der makroskopisch vorgegebenen Temperatur T übereinstimmt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Molekulardynamische Simulation von beta-Lactoglobulin unter Hochdruck
Hochschule
Technische Universität München
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
67
Katalognummer
V75564
ISBN (eBook)
9783638716567
ISBN (Buch)
9783638725729
Dateigröße
1751 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Molekulardynamische, Simulation, Hochdruck
Arbeit zitieren
Alexander Kutter (Autor:in), 2006, Molekulardynamische Simulation von beta-Lactoglobulin unter Hochdruck, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75564

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