Amartya Sen stellt bei Beurteilungen gesellschaftlicher Probleme einen Faktor als grundlegend heraus, den es zu berücksichtigen gilt: Den Wert des menschlichen Lebens an sich. Er bewertet die Freiheiten und Fähigkeiten der Menschen, die es ermöglichen, ein Leben zu führen, welches wertgeschätzt werden kann. Sen entwirft damit eine Gerechtigkeitsvorstellung, die sich an den tatsächlichen Lebensbedingungen, an den Möglichkeiten und Fähigkeiten der Menschen orientiert. In diesem Zusammenhang bewertet er auch die Leistungen von Institutionen, die das Leben der Menschen prägen und begleiten.
Zum 1. Januar 2005 wurde in Deutschland mit dem „Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ („Hartz 4“) die grundlegende Reformierung und Neuausrichtung des Arbeitsmarktes Wirklichkeit. Mit der Einführung der „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ (ALG 2) wurde der Wechsel von einem fürsorgenden hin zu einem aktivierenden Sozialstaat vollzogen. Die meisten Betroffenen fühlen sich dabei zu stark in die Pflicht genommen. Andere Kritiker bemängeln, die Einschnitte und die Forderungen nach mehr Eigeninitiative der Erwebssuchenden gingen nicht weit genug. Es stellt sich somit die Frage, wie gerecht die neue Grundsicherung für Arbeitslose ist - wie gerecht ist das ALG 2 und Hartz IV?
Auf diese Fragen soll mit Hilfe von Amartya Sens Konzeption der Gerechtigkeit eine Antwort gegeben werden. Als Maßstab hierzu wird Sens Ansatz der Verwirklichungschancen zu Grunde gelegt und die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik daraufhin untersucht, ob sie den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten der Menschen genügend Freiraum lässt oder nicht. Dazu wird zunächst Sens Ansatz vorgestellt und begründet, warum dieser im Vergleich zu den Sichtweisen des Utilitarismus und des (radikalen) Liberalismus die breiteste Informationsbasis bietet. Es folgt eine Beschreibung und Einordnung der tatsächlichen Möglich- und Fähigkeiten in den Begriff des "Lebensstandards", den Sen als übergeordneten Bewertungsmaßstab definiert, und eine Zusammenfassung der Äußerungen, die Sen explizit zum Problem der Arbeitslosigkeit in Industrienationen gemacht hat.
Mit Blick auf das Phänomen der Globalisierung und deren Auswirkungen auf das deutsche Sozialsystem werden die Grundzüge der Reform der deutschen Arbeitsmarktpolitik vorgestellt. Auf Grundlage dieser Ausgangsbasis folgt die Analyse der Arbeitsmarktreform auf Übereinstimmung mit der Konzeption Sens.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Amartya Sen: Ökonomie für den Menschen
- Kritik an liberalen und utilitaristischen Gerechtigkeitsentwürfen
- Tatsächliche Möglichkeiten und Fähigkeiten als breite Informationsbasis
- Der Lebensstandard als Bewertungsmaßstab
- Sen und das Problem der Arbeitslosigkeit
- Der deutsche Sozialstaat unter den Bedingungen der Globalisierung
- Die Neuausrichtung der deutschen Arbeitsmarktpolitik
- Hartz 4 und das ALG 2
- ALG 2: Grundsicherung für Arbeitssuchende
- Der Grundsatz „Fördern und Fordern“ im Detail
- Ist die,,Neue Arbeitsmarktpolitik“ nach Sen gerecht?
- Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Möglichkeiten
- Zumutbarkeit und Gerechtigkeit
- Freiheit als Grundlage der Eigeninitiative
- Der Lebensstandard mit ALG 2
- Schlussfolgerungen
- Zusammenfassung
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Reform des deutschen Arbeitsmarktes, insbesondere die Einführung von Hartz 4 und ALG 2, unter dem Gerechtigkeitsgrundsatz von Amartya Sen. Sie analysiert, ob die neuen Arbeitsmarktpolitiken den individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten der Menschen genügend Freiraum lassen, und beleuchtet die Folgen und Auswirkungen der Globalisierung auf das deutsche Sozialsystem.
- Amartya Sens Fähigkeiten-Ansatz als Gerechtigkeitsmaßstab
- Kritik am Liberalismus und Utilitarismus
- Die Bedeutung des Lebensstandards und individueller Möglichkeiten
- Die Reform des deutschen Arbeitsmarktes und die Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG 2)
- Das Prinzip „Fördern und Fordern“ im Kontext der Arbeitsmarktpolitik
Zusammenfassung der Kapitel
- Das Vorwort stellt die zentralen Themen der Arbeit vor und führt in Amartya Sens Gerechtigkeitsansatz ein.
- Kapitel 2 beschäftigt sich mit Sens Kritik an traditionellen Gerechtigkeitsmodellen, wie dem Liberalismus und dem Utilitarismus. Es erläutert seinen Fähigkeiten-Ansatz und die Bedeutung des Lebensstandards für die Bewertung von Gerechtigkeit.
- Kapitel 3 diskutiert die Auswirkungen der Globalisierung auf das deutsche Sozialsystem und den deutschen Sozialstaat im Allgemeinen.
- Kapitel 4 beschreibt die Neuausrichtung der deutschen Arbeitsmarktpolitik mit der Einführung von Hartz 4 und ALG 2. Es beleuchtet die wichtigsten Elemente der Reform, wie die Grundsicherung für Arbeitssuchende und das Prinzip „Fördern und Fordern“.
- Kapitel 5 analysiert die Arbeitsmarktreform im Hinblick auf die Gerechtigkeitsvorstellungen Amartya Sens. Es bewertet die Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Möglichkeiten, die Zumutbarkeit der neuen Arbeitsmarktpolitik und die Rolle der Freiheit für die Eigeninitiative.
Schlüsselwörter
Amartya Sen, Fähigkeiten-Ansatz, Gerechtigkeitsgrundsatz, Arbeitslosigkeit, Hartz 4, ALG 2, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Globalisierung, Sozialstaat, deutsche Arbeitsmarktpolitik, Lebensstandard, Freiheit, Eigeninitiative, Zumutbarkeit.
- Arbeit zitieren
- Henry Mayer (Autor:in), 2006, Der Fähigkeiten-Ansatz Amartya Sens und das Problem der Arbeitslosigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75704