Literatur als Beitrag zum Geschichtsverständnis

Dargestellt am Beispiel von Heinrich Heines Gedicht "Die schlesischen Weber"


Hausarbeit, 2007

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Historischer Hintergrund zum Weberaufstand

2. Behandlung des Weberaufstandes in der Literatur
2.1 Analyse und Interpretation des Gedichts „Die schlesischen Weber“
2.2 Vergleiche mit anderen Werken
2.2.1 Ludwig Pfaus „Der Leineweber“
2.2.2 Adolf Schults’ „Ein neues Lied von den Webern“
2.3 Reaktionen zur Weberlyrik

3. Fazit: Rolle der Weberlyrik und weiterer Literatur im Geschichtsverständnis

Literaturverzeichnis

Anhang
Heinrich Heine, Die schlesischen Weber (1847)
Ludwig Pfau, Der Leineweber (1847)
Adolf Schults, Ein neues Lied von den Webern (1845)

1. Einleitung

Der Weberaufstand in Peterswaldau und Langenbilau im Juni 1844 hat einen literarischen und künstlerischen Widerhall gefunden wie kaum ein anderes Ereignis seiner Zeit. Wenn heute jedoch das Stichwort „Weberaufstand, 1844“ fällt, so erfolgt bei den meisten Menschen eine Assoziation mit Heinrich Heine oder Gerhart Hauptmann. In dieser Arbeit soll die Verknüpfung von Literatur und Geschichte anhand ausgewählter Dichtung analysiert werden.

Im ersten Teil der Arbeit wird der historische Hintergrund des Weberaufstandes erläutert, um das Verständnis der Lyrik zu ermöglichen. Der Hauptteil befasst sich zunächst mit der Analyse und der Interpretation des Gedichtes „Die schlesischen Weber“ von Heinrich Heine. Im weiteren Verlauf erfolgen zwei Vergleiche des Weber-Gedichts von Heine mit weiteren Werken der Weberlyrik. Es geht in den Vergleichen zum einen um den formalen Aufbau und den Inhalt der Gedichte und zum anderen um die unterschiedliche Methodik der Autoren, die Leser über die Problematik zu informieren und zum Denken und Handeln anzuregen. Anschließend wird analysiert, inwiefern sich die Wirkungen der Gedichte voneinander unterscheiden.

Die Auswahl der Gedichte begründet sich folgendermaßen: Das Gedicht „Der Leineweber“ von Ludwig Pfau wurde gewählt, da hier eine eindeutige Analogie zu Heines Gedicht zu erkennen ist. Es werden dabei die Parallelen und Unterschiede herausgearbeitet und die Frage geklärt, weshalb Heines Gedicht eine stärkere Eindringlichkeit als das von Pfau erreicht hat. Die Wahl des Gedichtes „Ein neues Lied von den Webern“ von Adolf Schults ist darauf zurückzuführen, dass Schults in diesem Gedicht einen komplett anderen Ansatz als Heine und die meisten anderen Autoren wählt, nämlich eine ironische sarkastische Darstellung der Problematik. Diese Methode, den Leser zu erreichen, macht das Gedicht und seine Wirkung sehr interessant. Anschließend werden mit Hilfe einiger Zitate und Stimmen zu Heines Gedicht die Reaktion und die Auswirkung des Gedichtes auf die Gesellschaft und die weitere politische Entwicklung erläutert. Im anschließenden Fazit wird die Frage behandelt, in welcher Form eine Verknüpfung und gegenseitige Beeinflussung von Literatur und Geschichte zu erkennen ist und auf welche Weise die Weberliteratur einen besseren Zugang zum Geschichtsverständnis liefert.

1.1 Historischer Hintergrund zum Weberaufstand

Für das weitere Verständnis und die Interpretation der Gedichte ist es zunächst erforderlich, sich mit dem historischen Hintergrund auseinanderzusetzen. Die Vorgeschichte sowie viele Ursache für das Elend der Weber in Schlesien finden ihren Ursprung bereits im 18. Jahrhundert.[1] Eine ausführliche Schilderung der geschichtlichen Entwicklung würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weshalb ich mich auf die Erläuterung der unmittelbaren Ursache und Wirkung des Aufstandes von Peterswaldau und Langenbielau im Jahre 1844 beschränken werde.

Die beginnende Industrialisierung in England sowie die damit einhergehenden technischen Fortschritte in der Textilproduktion zu Beginn des 19. Jahrhunderts machten die Weberei in Deutschland zunehmend konkurrenzunfähig, da sie sich aufgrund mangelnden Kapitals und eines Ausfuhrverbots mechanischer Webstühle aus England dem technischen Fortschritt und der Mechanisierung nicht anpassen konnte.[2]

Die Not war zu jener Zeit in Schlesien am größten, wo die höchste Säuglingssterberate sowie die niedrigste Lebenserwartung in ganz Mitteleuropa herrschten. Eine zusätzliche Erschwernis des Lebens der Weber in Schlesien bestand aus der Versklavung und der kapitalistischen Ausbeutung der Weber durch das dort herrschende Feudalsystem. Die schlesischen Weber verfügten über keinerlei Kapital und waren darauf angewiesen, ihr Garn bei Garnhändlern zu kaufen und die fertigen Produkte an den Leinenhändler ohne direkten Kontakt zum Verbraucher wieder zu verkaufen. Dabei konnten die Händler den wechselnden Marktpreis ausnutzen und die Ware von den Webern zu günstigen Konditionen erwerben und zu höheren Preisen verkaufen.[3] Durch den technischen Rückstand waren die Weber dazu gezwungen, mit der veralteten Handspindel zu arbeiten, wodurch die Qualität ihrer Produkte auf dem Markt deutlich sank. In ihrer Not versuchten die Weber die minderwertige Qualität ihrer Ware durch höhere Quantität auszugleichen, was zum einen zu längeren Arbeitszeiten und zum anderen zur Einbindung der Kinder in die Arbeit führte. Friedrich II versuchte das Problem dadurch zu lösen, dass er die Zahl der versklavten Weber erhöhte und jene noch härter zur Arbeit antreiben ließ. Um die Not der Weber zumindest ein wenig zu lindern, zwang er Händler und Kaufleute, die minderqualitative Ware zu kaufen. Jenen, die sich weigerten, drohte er mit Festungsstrafen. Eine wirkliche Lösung des Problems wäre jedoch lediglich die Abschaffung der Unfreiheit der Weber sowie eine technische Reformation gewesen, welche zu jener Zeit nicht in Angriff genommen wurde.[4]

Im Januar des Jahres 1844 sammelten in Langenbilau zwei Weber Unterschriften für eine Resolution. Es folgten Beschwerden bezüglich der Beschäftigung auswärtiger Arbeiter sowie über die erniedrigende Behandlung der Gehilfen der Fabrikanten. Des Weiteren wurde auf die desolaten Zustände der Weber hingewiesen. Schließlich kam es zwischen dem 3. und 6. Juni 1844 zu den Aufständen in Peterswaldau und Langenbilau.[5] Am 4. Juni wurde von mehreren Hundert halbverhungerten Webern das Gebäude ihres Arbeitgebers, des Fabrikanten Zwanziger, demoliert. Bereits einen Tag später beteiligten sich an dem Aufstand in Langenbilau schon dreitausend Weber. Es wurden zwei Kompanien preußischen Militärs herbeigerufen und vor dem Handelshaus der Dierigs positioniert. Die aufständischen Weber waren jedoch nicht einzuschüchtern, drängten das Militär zurück und besetzten das Anwesen der Dierigs. Es wurde jedoch von Seiten des Militärs brutal auf die Weber geschossen. Unter den Angreifern kam es zu elf Toten und etlichen Verwundeten, unter denen sich auch Frauen und Kinder befanden.[6]

Die darauf folgende Darstellung der Presse von den Geschehnissen erfolgte sehr unterschiedlich. In Breslau berichtete die „Priviligierte Schlesische Zeitung“ von den „bedauerlichen Exzessen in Peterswaldau und Langenbilau“. In Schlesien selbst wurde der Presse verboten, Berichte über die Ereignisse zu veröffentlichen. Außerhalb von Schlesien wurden Nachrichten über die „Weber-Revolte in ganz Deutschland“ verbreitet.[7]

Es bleibt die Frage offen, ob der Weberaufstand dennoch als Erfolg gesehen werden kann, obwohl der Aufstand sofort brutal niedergeschlagen und sich die Zustände der Weber bezüglich ihrer Arbeitsbedingungen und Entlohnungen daraufhin nicht verbesserten. Trotz dieser Tatsachen wird von der Verbreitung einer neuen revolutionären Theorie gesprochen. So lauten die Worte eines Eisenbahnarbeiters aus einem Bericht, welchen Wilhelm Wolff übermittelte:

Einen Vorteil hat’s für uns. Wir sind zu Tausenden zusammengeströmt, haben einander kennen gelernt, und in dem gegenseitigen langen Verkehr sind die meisten von uns gescheiter geworden. […] Wir haben jetzt verteufelt wenig Respekt mehr vor den vornehmen und reichen Leuten. Was einer zu Hause kaum im stillen gedacht, das sprechen wir jetzt unter uns laut aus, dass wir die eigentlichen Erhalter der Reichen sind […] wenn die Weber nur länger ausgehalten hätten, so wäre es bald sehr unruhig geworden.[8]

Aus diesem Zitat ist zu erkennen, dass die Weber zwar nicht formal, jedoch in ihren Köpfen freier geworden sind, dass der Zusammenhalt sich gestärkt hat sowie die Tatsache, dass Denkweisen über die Macht der Armen ansatzweise verbreitet wurden. Ob der Weberaufstand als ein Vorbote der Revolution 1848 gesehen werden kann, ist umstritten.

2. Behandlung des Weberaufstandes in der Literatur

2.1 Analyse und Interpretation des Gedichts „Die schlesischen Weber“

Heinrich Heine erfuhr wenige Tage nach dem Aufstand durch die Presse von der brutalen Niederschlagung. Eine erste vierstrophige Variante Heines Webergedichtes erschien als unmittelbare Reaktion auf das Ereignis bereits am Mittwoch, den 10. Juli 1844 auf der Titelseite des Pariser „Vorwärts“ unter dem Titel „Der arme Weber“. Auch in Deutschland wurde das Gedicht auf Flugblättern verbreitet. Die endgültige Fassung[10] erschien erst im Jahre 1847 in Püttmanns Lyrikanthologie „Album“ unter dem Titel „Die schlesischen Weber“ mit dem Untertitel „vom Autor revidiert“.[11][9]

[...]


[1] Wehner, Walther „Heinrich Heine und andere Texte zum Weberelend“ S.14 ff

[2] Kronberger, Lutz/ Schlosser, Rolf „Weber-Revolte 1844, Der schlesische Weberaufstand im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik und Literatur“ S. 21

[3] Kronberger / Schlosser „Weber-Revolte 1844“ S. 19

[4] ebd. S. 14

[5] Wehner, Walther „Heinrich Heine und andere Texte zum Weberelend“ S. 17

[6] Reich-Ranicki, Marcel „Heinrich Heine, Ich hab im Traum geweinet, 44 Gedichte und Interpretationen“ S. 147 f

[7] Kronberger, Lutz/ Schlosser, Rolf „Weber-Revolte 1844“ S. 17

[8] Wehner, Walther „Heinrich Heine und andere Texte zum Weberelend“ S. 19

[9] Alle drei in dieser Arbeit behandelten Gedichte sind im Anhang zu finden

[10] Im weiteren Verlauf der Arbeit beziehe ich mich ausschließlich auf die neuere, revidierte Fassung

[11] Reich-Ranicki, Marcel „Heinrich Heine, Ich hab im Traum geweinet, 44 Gedichte und Interpretationen“ S. 147 f

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Literatur als Beitrag zum Geschichtsverständnis
Untertitel
Dargestellt am Beispiel von Heinrich Heines Gedicht "Die schlesischen Weber"
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V75731
ISBN (eBook)
9783638803984
ISBN (Buch)
9783638807234
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Literatur, Beitrag, Geschichtsverständnis
Arbeit zitieren
Lena Klenner (Autor:in), 2007, Literatur als Beitrag zum Geschichtsverständnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75731

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Literatur als Beitrag zum Geschichtsverständnis



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden