Betrachtet man das Gesamtwerk Hermann Hesses, so stößt man unweigerlich auf den allgegenwärtigen Dualismus zwischen Weiblichem und Natur und Männlichem und Geist. Diese Problematik liegt tief in Hesses Lebenslauf verwurzelt und gewann durch seine Behandlung beim C. G. Jung Schüler Lang und die anschließende intensive Beschäftigung mit der Psychoanalyse zusätzliches Gewicht. So fand der Dualismusgedanke in immer wieder modifizierter Form Eingang in sein literarisches Schaffen und kann wohl als der berühmte rote Faden bezeichnet werden, an Hand dessen man Hesses Streben nach dem Ich und der Einheit mit der Welt nachvollziehen kann.
Ziel dieser Arbeit ist es, Hermann Hesses Suche nach einem Weg zur Überwindung des Dualismus an Hand seiner wichtigsten Werke nachzuzeichnen und zu erläutern. Zu diesem Zweck sollen nach einer kurzen Darstellung der psychoanalytischen Grundlagen, die für das Verständnis von Hesses Schaffen von Bedeutung sind, die einzelnen Werke in Hinblick auf Hesses Verständnis und Empfinden des Dualismus zum Zeitpunkt ihrer Entstehung interpretiert und in das Gesamtwerk eingeordnet werden.
Der Hauptakzent liegt dabei auf „Narziss und Goldmund“, da einige Teile der Forschung der Meinung sind, mit dieser Erzählung schließe Hesse die Natur-Geist Problematik endgültig ab. Dieser Frage soll in einer eingehenden Interpretation des Romans auf den Grund gegangen werden.
Die vorliegende Arbeit mag in einigen Punkten nicht mit der allgemeinen Forschungsmeinung konform gehen, doch es war ja Hesse selbst, der uns in vielen seiner Werke – auf die direkteste Weise schließlich im „Demian“ - lehrte, dass das Gegenteil von dem, was wir zu wissen glauben, ebenso wahr und richtig ist. So hofft diese Arbeit dem in mancherlei Hinsicht etwas eingefahrenen Forschungsdiskurs einige neue Anstöße geben und seinen Blick auf das Werk eines der wohl größten Autoren des 20. Jahrhunderts etwas erweitern zu können.
Inhalt
Einleitung
1. Hesses Dualismusprinzip und die drei Stufen der Menschwerdung
2. Hesses Erzählungen und ihre Bedeutung vor dem Hintergrund des Dualismus
2.1. Peter Camenzind
2.2. Unterm Rad
2.3. Demian
2.4. Klein und Wagner
2.5. Siddhartha
2.6. Der Steppenwolf
3. Narziß und Goldmund – Lösung des Konfliktes?
3.1. Narziß und Goldmund – gegensätzliche Pole und Verwirklichung der Einheit?
3.2. Hesses Verbindung zu Narziß und Goldmund
4. Das Glasperlenspiel
5. Fazit
Literatur
Einleitung
Betrachtet man das Gesamtwerk Hermann Hesses, so stößt man unweigerlich auf den allgegenwärtigen Dualismus zwischen Weiblichem und Natur und Männlichem und Geist. Diese Problematik liegt tief in Hesses Lebenslauf verwurzelt und gewann durch seine Behandlung beim C. G. Jung Schüler Lang und die anschließende intensive Beschäftigung mit der Psychoanalyse zusätzliches Gewicht. So fand der Dualismusgedanke in immer wieder modifizierter Form Eingang in sein literarisches Schaffen und kann wohl als der berühmte rote Faden bezeichnet werden, an Hand dessen man Hesses Streben nach dem Ich und der Einheit mit der Welt nachvollziehen kann.
Ziel dieser Arbeit ist es, Hermann Hesses Suche nach einem Weg zur Überwindung des Dualismus an Hand seiner wichtigsten Werke nachzuzeichnen und zu erläutern. Zu diesem Zweck sollen nach einer kurzen Darstellung der psychoanalytischen Grundlagen, die für das Verständnis von Hesses Schaffen von Bedeutung sind, die einzelnen Werke in Hinblick auf Hesses Verständnis und Empfinden des Dualismus zum Zeitpunkt ihrer Entstehung interpretiert und in das Gesamtwerk eingeordnet werden.
Der Hauptakzent liegt dabei auf „Narziss und Goldmund“, da einige Teile der Forschung der Meinung sind, mit dieser Erzählung schließe Hesse die Natur-Geist Problematik endgültig ab. Dieser Frage soll in einer eingehenden Interpretation des Romans auf den Grund gegangen werden.
Die vorliegende Arbeit mag in einigen Punkten nicht mit der allgemeinen Forschungsmeinung konform gehen, doch es war ja Hesse selbst, der uns in vielen seiner Werke – auf die direkteste Weise schließlich im „Demian“ - lehrte, dass das Gegenteil von dem, was wir zu wissen glauben, ebenso wahr und richtig ist. So hofft diese Arbeit dem in mancherlei Hinsicht etwas eingefahrenen Forschungsdiskurs einige neue Anstöße geben und seinen Blick auf das Werk eines der wohl größten Autoren des 20. Jahrhunderts etwas erweitern zu können.
1. Hesses Dualismusprinzip und die drei Stufen der Menschwerdung
Die Bezeichnungen für den allgegenwärtigen Dualismus variieren bei Hesse oft von Werk zu Werk, doch immer steht er für das gleiche Prinzip: die Zerrissenheit des Menschen in zwei einander scheinbar unvereinbar gegenüberstehende Teile, die jeder des anderen Gegensatz sind, die jedoch trotz ihrer Unvereinbarkeit beide ihren Anteil am Leben des Menschen einfordern. Der Versuch einer Unterdrückung eines dieser Aspekte führt bei Hesse fast notwendig in den Untergang.
Die männliche Seite steht für das Väterliche, den Geist, das Bewusstsein und die Vernunft, sie ist das Helle, hier findet sich auch Freuds „Über-Ich“. Auch Gott, Religion und Askese lassen sich unter dem Begriff der männlichen Aspekte einordnen. Zu Beginn von Hesses Schaffen könnte man hier auch das Bürgertum erwähnen, doch dies erfährt im Lauf seiner Karriere eine Umpositionierung, weshalb man es nicht eindeutig zuordnen kann.
Die weibliche Seite bezeichnet hingegen das Mütterliche, Triebhafte, Unterbewusste, das Gefühl. Emil Sinclair nennt sie die „dunkle Welt“, sie ist schön, anziehend und geheimnisvoll aber auch sündig, grausam und gewissenlos, ist der Teufel, ist die Natur und das Leben und das Freudsche „Es“.
Es mag verwundern, dass Jungs Anima und Animus in dieser Liste nicht auftauchen, da sie ja eigentlich bei Jung nur andere Namen für Natur- und Geistseite im Menschen sein sollten. Doch nach Jungs Theorie existiert die Anima nur beim Mann, der Animus nur bei der Frau, jeweils als klassische Attribute, die eigentlich dem anderen Geschlecht zugeschrieben werden. Dieses traditionelle Muster scheint m.E. auf Hesses modifizierten Dualismus nicht vorbehaltlos anwendbar, daher fehlen diese Begriffe in den Charakterisierungen der beiden Pole ganz bewusst.
Wichtig für das Verständnis der Literatur Hesses sind hingegen der Begriff des Selbst und des damit verbundenen Individuationsprozesses. Das Selbst entwickelt sich durch die Bewusstmachung von Unbewusstem und die Integration dieses Unbewussten in das Selbst. So schreitet der Individuationsprozess beständig voran, ist jedoch niemals vollständig abgeschlossen.
Hesses „Urmutter“ ist die Vereinigung all der Gegensätze von Natur und Geist, der Einklang mit sich selbst und der Welt. Dabei erscheint sie manchmal als Lebensspenderin, doch genauso ist sie Tod und dunkles Geheimnis. Auch der Begriff „Urmutter“ wird nicht in allen Werken Hesses verwandt, im Demian ist ihr Name der des Gottes Abraxas, bisweilen ist einfach nur die Rede vom „All“. Auf sie zielt Hesses ganzes Streben, alle seine Protagonisten sind bewusst oder unbewusst auf der Suche nach ihr, sie verkörpert das Gleichgewicht zwischen den Polen, das so viele von Hesses Helden verloren haben. Mit dem Finden dieser „Urmutter“ des inneren Friedens schlösse sich erst der Prozess ab, den Hesse Menschwerdung nennt.
Er teilt diese eigentliche Menschwerdung bis zur Vollendung in drei Stufen ein. Die erste Stufe ist das unschuldige Paradies der Kindheit, in dem der junge Mensch noch frei vom Konflikt des Dualismus leben kann. Dies ändert sich auf der zweiten Stufe, mit der die Erkenntnis einsetzt. Hesse bezeichnet den Übergang von der ersten zur zweiten Stufe gern als „erstes Erwachen“. Mit der Erkenntnis der Dualismusproblematik ist ein Schritt zurück ins Kindheitsparadies nicht mehr möglich. Zwar scheinen einige von Hesses Romangestalten, z. B. Knulp, den Weg zurück in die Unschuld zu finden, doch ist dies höchstens eine Art von Schauspielerei und Lüge gegen sich selbst. Die meisten Charaktere jedoch verbleiben als im Innern Zerrissene auf der zweiten Stufe, die für die Suche nach dem Ich steht, meist verbunden mit einem Hinausziehen in die Welt und dem wirklichen Erfahren der Gegensätze. Sie schaffen es wenn überhaupt erst im Tod, den Dualismus zu überwinden, also auf die dritte Stufe zu gelangen, die Hesse das „dritte Reich des Geistes“ nennt.
Diese Weltsicht Hesses ist eng verbunden mit den Theorien der Psychoanalyse von Freud und Jung, und doch wäre es zu einfach, sie bloß auf die Psychoanalyse zu reduzieren. Mileck hat wohl die passenden Worte gefunden, um Hesses Verhältnis zur Psychoanalyse zu beschreiben:
Auf seine übliche eklektische Weise entlehnte er von beiden Analytikern und von andern, was immer ihn reizte und ihm von Nutzen sein konnte, und wie üblich modifizierte er alles, was er sich aneignete, so, daß es sich seinen eigenen Gedankengängen anpaßte und seinen Absichten diente. Hesse begann nicht, eine neue Kunst auszuüben; er integrierte die Psychoanalyse einfach in sein Werk, wie er es mit allen Erfahrungen tat.[1]
Dass Hesse die Idee der Zerrissenheit des Menschen nicht einfach aus der Psychoanalyse importierte, zeigt sich auch daran, dass er sich bereits in den Werken mit dieser Problematik auseinandersetzte, die noch lange vor seiner Beschäftigung mit den psychoanalytischen Theorien entstanden. Und schon in den früheren Werken wie „Peter Camenzind“ und „Unterm Rad“ inszenierte er offensichtlich autobiographische Aspekte in zwei Figuren innerhalb einer Erzählung, von denen oftmals jeweils eine ihn darstellte, wie er sich selbst sah, während die andere alles das verkörperte, was er sich zu sein wünschte.[2]
2. Hesses Erzählungen und ihre Bedeutung vor dem Hintergrund des Dualismus
2.1. Peter Camenzind
Der Anfang 1904 erschienene „Peter Camenzind“ bedeutete für Hesse nicht nur den wirtschaftlichen Durchbruch, sondern auch den ersten kleinen Erfolg auf dem Weg zu sich selbst. Man darf hier wohl analog zu Mileck behaupten, dass die Erzählung einen Ausdruck von Hesses damaliger Erkenntnis darstellt, dass er sich aus seinen Komplexen befreien und seinen Mitmenschen öffnen musste, um seiner träumerischen Einsamkeit zu entfliehen[3]. Auch Karstedt ist dieser Ansicht, formuliert sie nur anders: „...die Auseinandersetzung mit der Realität [...] zeigt sich bereits in diesen kontroversen Diskussionen über ideale und die reale Frau.“[4] Da jedoch der einsiedlerische Dichter in ihm noch ebenso stark war, griff er zu dem Stilmittel der Darstellung seiner eigenen Person in zwei Charakteren: Peter Camenzind ist der Träumer, Richard der weltoffene Lebemensch. Camenzind zeigt eine ablehnende Haltung gegenüber Richards selbstverständlichem Umgang mit Frauen, da er selbst dazu neigt, Frauen zu bewundern und anzubeten, sie gleichsam zu Göttinnen zu stilisieren, wobei sich jedoch bei genauerer Betrachtung auch eine unbewusste Bewunderung für Richard erkennen lässt.[5] Karstedts Annahme, „Hesse durchleuchtete [...] sein eigenes Frauenbild, indem er Richard als Korrektor hinstellte“[6], ist hier also alles andere als abwegig. In dieses Bild passt auch der Tod Richards, der in einem „lächerlich kleinen süddeutschen Flüßchen“ ertrinkt: Camenzind hat sich selbst soweit entwickelt, dass dieses Alter Ego nicht mehr als Stütze und Vorbild notwendig ist.
Es wirkt in diesem Zusammenhang geradezu lächerlich, wenn Lüthi über Camenzind behauptet „Natur und Geist wirken in ihm freundlich, gleichsam verbündet miteinander“[7], womit er offensichtlich die Natur der Alpen in denen Camenzind aufwächst mit der menschlichen Naturseite gleichsetzt und sich durch dieses grobe Fehlverständnis selbst jeglicher weiterer Interpretationsmöglichkeiten beraubt. Lüthi übersieht vollends, dass die Entwicklung zu dem Camenzind, der sein franziskanisches Ideal schließlich in der Pflege des behinderten Boppi auszuleben in der Lage ist, ein langwieriger und von vielen schmerzhaften Enttäuschungen begleiteter Prozess ist. Dieser Prozess ist geprägt von den Frauengestalten, die Camenzind im Laufe seines Lebens begegnen. In seiner Jugend ist es Rosi, die er aus der Ferne anbetet, der er sich aber nicht traut, seine Liebe zu gestehen. Als Richard ihn mit der Malerin Erminia Aglietti bekannt macht, entspricht diese zunächst ganz und gar nicht seinem Idealbild einer Frau. In ihrer Lebensfreude und Individualität ist sie weit entfernt von einer Muse, wie Camenzind sie sich vorstellt. Denn genau das sucht er: eine Frau, die ihn inspiriert, dabei jedoch vollkommen schemenhaft und austauschbar bleibt, eine dichterische Anima, die er verklären kann, mit der er sich aber als Person nicht auseinandersetzen muss. Eine so reale und weltliche Frau wie „die Aglietti“ kann diesem Ideal nicht gerecht werden. Doch gerade da Erminia seinem Bild von der Frau als Muse nicht entspricht und eine Verklärung ausbleibt, wird es für Camenzind möglich, sich schließlich ernsthaft in sie zu verlieben. Nach der Enttäuschung durch Erminia ist Elisabeth die nächste Frau, zu der er sich hingezogen fühlt. Doch sie ist verlobt und so scheitert auch dieser Versuch, eine Frau zu gewinnen. Camenzind ist nun endgültig der Frauen überdrüssig und geht nach Italien, wo allerdings schon die nächste Frau auf ihn wartet. Hier ist die Situation umgekehrt: Die Gemüsehändlerin Annunziata möchte Camenzind nur zu gern heiraten, doch sie verkörpert in ihrer Naturhaftigkeit beinahe das genaue Gegenteil von dem, was Camenzind sucht, und so weist er sie zurück. Sie bereichert ihn jedoch um die Erkenntnis, wie es sich anfühlt an Stelle der des Zurückgewiesenen die ebenso schwierige Position des Zurückweisenden einzunehmen.
Die Frauenepisoden sind die markantesten Stellen in Camenzinds Lebenslauf, da jede von ihnen ihm eine neue Einsicht eröffnet und ihm neue Facetten der Liebe zeigt. Elisabeth bringt ihn schließlich zu der Erkenntnis, dass eine Frau, die er nicht besitzen kann – und schließlich auch nicht mehr besitzen will – ihn am besten inspiriert, da er alles in sie hineinprojizieren kann, was er gerade braucht. Zudem ermöglicht die endgültige Enttäuschung von der Liebe ihm ein ungestörtes Fortschreiten auf seinem Weg zum Dichter, denn er erkennt, dass es für diesen besser ist, seiner „höheren Bestimmung“ zu folgen, als eine bürgerliche Ehe anzustreben.
Camenzind sucht sein Leben lang sehr oft den Rausch des Weines, da dieser ihn an sein Unterbewusstsein heranführt. Diese bewusstseinserweiternde Wirkung schreibt Hesse später dem Alkohol auch noch in „Unterm Rad“ und außerdem Pablos psychedelischem Cocktail im „Steppenwolf“ zu, wie sich im Folgenden zeigen wird.
2.2. Unterm Rad
Der 1903 entstandene Roman „Unterm Rad“ thematisiert den Natur-Geist-Konflikt durch die Darstellung der Konsequenzen eines zu starken Übergewichts auf der geistigen Seite. Die Geschichte von Hans Giebenrath, der von seinem Vater und seinem Umfeld in ein geistiges Leben gezwungen wird, das nicht zu ihm passt und ihn schließlich zu Grunde richtet, zeigt eindrucksvoll die Konsequenzen, die sich aus der Nichtbeachtung der eigenen Anlagen ergeben.
Hans ist ohne Mutter aufgewachsen, somit wird die Vernachlässigung der mütterlichen Seite auch erzählerisch aufgenommen. Die einzigen Charaktere in der Erzählung, die auf der mütterlichen Seite anzusiedeln sind, und später versuchen, Hans das verlorene Gleichgewicht zurück zu bringen, sind der Schuhmacher Flaig in Hans´ Heimatdorf und sein Freund Hermann Heilner im Klosterseminar, letzterer ein Dichter und Vertreter der Mutterwelt, der schließlich jedoch mit seinen Bemühungen, Hans aus der vernichtenden Einseitigkeit der geistigen Orientierung herauszureißen, unglücklicherweise nur das Gegenteil erreicht: Zwar ist Hans die Freundschaft zu Heilner sehr wichtig, doch er versucht gleichzeitig, sein Arbeitspensum konstant zu halten, und so bewirkt die Inanspruchnahme durch Heilner für ihn Zeitverlust und zusätzlichen Stress. Trotzdem werden seine schulischen Leistungen schlechter und schließlich wird Hans aus dem Klosterseminar heim zu seinem Vater geschickt, wo er sich bald mit Selbstmordgedanken zu tragen beginnt. Eine kurze positive Wendung tritt ein, als er während der alljährlichen fröhlichen Mostzeit Emma kennen lernt, eine Nichte Flaigs und mit ihrer lebensbejahenden und sinnlichen Art eine Verkörperung des Archetypus des Mütterlichen. Er verliebt sich schnell und heftig in Emma, doch fehlt ihm - auf Grund des absoluten Mangels an „mütterlichem“ Einfluss - jegliches Wissen über die Liebe. „Denn er begriff zwar, dass er sich in die Heilbronnerin verliebt habe, aber das Arbeiten der erwachenden Männlichkeit in seinem Blute begriff er nur dunkel als einen ungewohnten, gereizten und müdemachenden Zustand.“[8] So steht er diesem neuen Gefühl hilflos gegenüber und ist von Emmas offenem Umgang mit Sexualität heillos überfordert:
„Da er so Puls und Atem des fremden Lebens heiß und nah erfühlte, stockte ihm der Herzschlag, und er glaubte sterben zu müssen, so schwer ging sein Atem. [...] Er fühlte nicht, dass sie auf dem Weg zum Gartenzaun ihn stützte und sich an ihn presste, und hörte nicht, daß sie Gutnacht sagte und hinter ihm das Türlein schloss. [...] Seine Hände waren kalt, in Brust und Kehle arbeitete stockend und sich überstürzend das Blut, verfinsterte ihm die Augen und rann wieder in plötzlicher Welle zum Herzen, den Kopf voll Schwindel lassend.“[9]
Nachdem seine Liebe kurzzeitig Erfüllung zu finden scheint, muss er am nächsten Tag erfahren, dass Emma abgereist ist und er für sie nicht mehr als ein Spielzeug war.
[...]
[1] Mileck, 1987, S 108
[2] s. z.B. Peter Camenzind und seine Bewunderung zu Richard, vgl auch Mileck, 1987, S 42f
[3] Mileck, 1987, S 38f
[4] Karstedt, 1983, S 139
[5] vgl bei Klein und Wagner Kleins Mischung aus Ablehnung und Bewunderung bei der ersten Begegnung mit Teresina
[6] Karstedt, 1983, S 139
[7] Lüthi, 1970, S 13
[8] UR, S 135
[9] UR, S 144f
- Arbeit zitieren
- Kathrin Fehrholz (Autor:in), 2007, Die Suche nach der "Urmutter" - Der Dualismus von Geist und Natur im Werk Hermann Hesses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76085
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