Die Geschichte der ukrainischen Wirtschaft zwischen den Weltkriegen kann grob in drei Phasen eingeteilt werden, in welchen mit unterschiedlichsten Methoden und Machtmitteln versucht wurde, die Rückständigkeit in den Industriesektoren aufzuheben und den Machteinfluß der bolschewistischen Regierung in allen Lebensbereichen auszubauen.
Zuerst soll kurz die Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft und der ukrainischen Städte bis 1918 im ersten Kapitel dargestellt werden. Das zweite Kapitel beschreibt dann die erste Phase der Wirtschaftsentwicklung in der Ukraine unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution. Diese Phase wird allgemein als „Kriegskommunismus“ bezeichnet und erstreckt sich von 1918 bis 1921.
Im März 1921 verkündete Lenin die Einführung der Neuen ökonomischen Politik. Sie ist der Bestandteil des dritten Kapitels. Ziel dieser neuen Politik war der Wiederaufbau der Industrie und der Landwirtschaft und es soll in diesem Kapitel auch auf das städtische Wachstum und die daraus resultierenden Folgen für die Gesellschaft in der Ukraine eingegangen werden. Mit der Machtübernahme Stalins kam es ab1928 zu einer Umkehr in der sowjetischen bzw. ukrainischen Wirtschaftspolitik. Das vierte Kapitel beleuchtet diese Politik, die auch als Stalinismus bezeichnet wird, anhand der Jahresberichte des Deutschen Generalkonsulates Charkov von 1931 und 1933. All diese Prozesse und Umwandlungen führten zu rasanten Entwicklungen und Veränderungen in der Arbeiterklasse, welche zusätzlich im vierten Kapitel geschildert werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Die Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft und der ukrainischen Städte bis 1918
II. Der Kriegskommunismus ( 1918 – 1921 )
III. Die Neue ökonomische Politik ( 1921 – 1928 )
1. Wiederaufbau der Industrie und der Landwirtschaft
2. Städtisches Wachstum und die Folgen für die Gesellschaft
IV. Der Stalinismus ( 1928 – 1939 )
Der erste Fünfjahresplan ( 1929- 1933 ) und die Situation der ukrainischen Wirtschaft, betrachtet durch die Jahresberichte des Deutschen Generalkonsulates Charkov von 1931 und 1933
Entwicklungen und Veränderungen in der Arbeiterklasse
Ziele und Ergebnisse der Wirtschaftspolitik in der Ukraine zwischen 1933 und 1939
Resümee
Literaturverzeichnis
Die Geschichte der ukrainischen Wirtschaft zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg (1918-1939)
Einleitung:
Die Geschichte der ukrainischen Wirtschaft zwischen den Weltkriegen kann grob in drei Phasen eingeteilt werden, in welchen mit unterschiedlichsten Methoden und Machtmitteln versucht wurde, die Rückständigkeit in den Industriesektoren aufzuheben und den Machteinfluß der bolschewistischen Regierung in allen Lebensbereichen auszubauen. Zuerst soll jedoch kurz die Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft und der ukrainischen Städte bis 1918 im ersten Kapitel dargestellt werden. Das zweite Kapitel beschreibt dann die erste Phase der Wirtschaftsentwicklung in der Ukraine unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution. Diese Phase wird allgemein als „Kriegskommunismus“ bezeichnet und erstreckt sich von 1918 bis 1921. Im März 1921 verkündete Lenin die Einführung der Neuen ökonomischen Politik. Sie ist der Bestandteil des dritten Kapitels. Ziel dieser neuen Politik war der Wiederaufbau der Industrie und der Landwirtschaft und es soll in diesem Kapitel auch auf das städtische Wachstum und die daraus resultierenden Folgen für die Gesellschaft in der Ukraine eingegangen werden. Mit der Machtübernahme Stalins kam es ab1928 zu einer Umkehr in der sowjetischen bzw. ukrainischen Wirtschaftspolitik. Das vierte Kapitel beleuchtet diese Politik, die auch als Stalinismus bezeichnet wird, anhand der Jahresberichte des Deutschen Generalkonsulates Charkov von 1931 und 1933. All diese Prozesse und Umwandlungen führten zu rasanten Entwicklungen und Veränderungen in der Arbeiterklasse, welche zusätzlich im vierten Kapitel geschildert werden sollen.
Als Hauptliteratur dieser Seminararbeit diente das 1992 erschienene Buch, „Soviet nationality policy, urban growth, and identity change in the Ukrainian SSR 1923-1934“ von George O. Liber.
Aus diesem Buch wurden hauptsächlich die Kapitel über die Entwicklung der Ukraine von 1861-1921 (The Ukrainian environment,1861-1921, S.11-26), über das städtische Wachstum und die nationale Identität (Urban growth and national identity, S.49-67), sowie über die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften (The working class and the trade unions, S.67-87) bearbeitet. Des Weiteren wurden die zahlreichen Tabellen zur Interpretation der wirtschaftlichen Entwicklung in der Ukraine herangezogen. Zwei weitere wichtige Quellen wurden aus dem 1988 erschienenen Buch, „Der ukrainische Hunger-Holocaust“ verwendet, welches von Dr. Dmytro Zlepko herausgegeben und eingeleitet wurde. Dabei wurden die Jahresberichte des Deutschen Generalkonsulates Charkov über die Wirtschaftslage der Ukraine von 1931 (S.50-95) und 1933 (S.210-245) an die Deutsche Botschaft in Moskau zur Interpretation genutzt. Weiter Literatur zu diesem Thema findet sich in folgenden Büchern:
- Touché, Burkhard, Wirtschaftspolitische Konzeptionen in der Sowjetunion im Wandel, Wiesbaden 1993.
- Kappeler, Andreas, Kleine Geschichte der Ukraine, München 1994, S. 187-206.
- Wladyslaw, A. Serczyk, Die sowjetische und die polnische Ukraine zwischen den Weltkriegen, in: Golczewski, Frank (Hrsg.), Geschichte der Ukraine, Göttingen 1993, S. 202-224.
- Torke, Hans-Joachim, Einführung in die Geschichte Rußlands, München 1997, S. 193-206.
I. Die Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft und der ukrainischen Städte bis 1918
Mit der Abschaffung der Leibeigenschaft 1861 konnte zunächst keine Verbesserung der Lebensverhältnisse der ukrainischen Bauern erreicht werden. In den ukrainischen Provinzen besaßen 94% aller Bauern weniger Land, als für das Existenzminimum notwendig war. Die herrschende Armut und die ländliche Übervölkerung veranlaßte viele ukrainische Bauern im spätem 19. Jahrhundert, ihre Höfe zu verlassen und nach Sibirien und Kasachstan auszuwandern. Am Ende des 19. Jahrhunderts stellte sich trotz aller Widrigkeiten eine schnelle wirtschaftliche und städtische Entwicklung ein. Die Industiezentren wuchsen unaufhaltsam, und trotzdem war die Ukraine zu dieser Zeit die sich am langsamsten entwickelte Industieregion im gesamten Russischen Reich. Die neuen Minen und Fabriken benötigten viele Arbeiter, und diese kamen meist aus den benachbarten russischen Regionen. So waren zum Beispiel 1897 74% aller Kohleminenarbeiter und 69% aller Metallarbeiter in der Ukraine russischer Abstammung. Die Industrialisierung spielte hauptsächlich in der südlichen Ukraine, dort wo sich die Mehrzahl der Fabriken befand, eine wichtige Rolle beim Städtewachstum. Die städtische Bevölkerung in der Ukraine wuchs von 512900 (1811) auf 2474030 (1897) auf schließlich 3735766 (1910), also um fast 600% in hundert Jahren. Die Ukrainer selbst waren jedoch an diesem Wachstumsprozeß kaum beteiligt. Ungefähr zwei Drittel aller Zuwanderer ließen sich in den Regionen der Steppe nieder, denn dort gab es größtenteils neuentwickelte Stahl-, Metall- und Chemieindustrien. Da sich viele der russischen Arbeiter in den städtischen Gebieten niederließen, setzte sich in den folgenden Jahren die russische Kultur und Sprache in den Industrie- und Stadtzentren der Ukraine durch[1].
II. Der Kriegskommunismus ( 1918 – 1921 )
Im Jahre 1918 stand die ukrainische Wirtschaft vor einem Scherbenhaufen. Nach sechs Jahren Krieg war die Industrie in der Ukraine fast vollständig zerstört und die Produktion auf ein Zehntel des Vorkriegsstandes zurückgegangen[2]. Um aus dieser wirtschaftlichen Notlage zu entkommen, wurde von der Regierung in Moskau der sogenannte „Kriegskommunismus“ als wirtschaftliches Notprogramm verkündet[3]. Ein Hauptziel dieser Politik war die Kontrolle über die Wirtschaft durch Organe der bolschewistischen Staatsmacht. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine vollständige Verstaatlichung der ganzen Industrie angestrebt und langfristig sollte mit einer gezielten Technisierung der Landwirtschaft das Ziel einer sozialistischen Organisation des Dorfes erreicht werden.
Im Agrarbereich wurde die entschädigungslose Enteignung von Grund und Boden der Gutsbesitzer angestrebt und 1918 wurde der freie Handel mit Getreide verboten. Die Konsumgütermärkte wurden aufgelöst, und als Folge der steigenden Inflation erhielten die Arbeiter ihren Lohn in Form von Naturalien und Lebensmitteln[4].Die ukrainischen Bauern mußten alle landwirtschaftlichen Produkte zwangsabliefern, doch diese Maßnahmen führten ausschließlich dazu, daß die Bauern weniger anbauten und es so zu einem drastischen Rückgang in der Agrarproduktion kam. Die landwirtschaftlichen Erträge gingen um bis zu 50% zurück[5].Schon bald zeigte sich, daß die direkten staatlichen Zwangsmittel des Kriegskommunismus zum Zusammenbruch der Industrie bzw. zu einem katastrophalen Zustand der ukrainischen Wirtschaft führten. So erbrachte 1921 die ukrainische Schwerindustrie nur noch 12% der Vorkriegsproduktion, die Kohleförderung sank von 28,7 Millionen Tonnen 1916 auf 4,1 Millionen 1920. Das Transportwesen der Ukraine war völlig ruiniert, und die wichtige Zuckerproduktion verringerte sich um 30%[6].
[...]
[1] Liber, George, The Ukrainian environment 1861-1921, in: Liber, George, Soviet nationality
policy, urban growth, and identity change in the Ukrainian SSR 1923-1934,Cambridge 1992, S.
11-15.
[2] Kappeler, Andreas, Kleine Geschichte der Ukraine, München 1994, S. 187.
[3] Torke, Hans Joachim, Einführung in die Geschichte Rußlands, München 1997, S. 198.
[4] Touché, Burkhard, Wirtschaftspolitische Konzeptionen in der Sowjetunion im Wandel,
Wiesbaden 1993, S. 39-43.
[5] Torke, Hans Joachim, a. a. O. Fn. 3, S. 199.
[6] Wladyslaw, A. Serczyk, Die sowjetische und die polnische Ukraine zwischen den Weltkriegen,
in: Golczewski, Frank (Hrsg.), Geschichte der Ukraine, Göttingen 1993, S. 206.
- Arbeit zitieren
- Matthias Schmid (Autor:in), 2000, Die Geschichte der ukrainischen Wirtschaft zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76134
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