Zivilreligion in den USA und in Japan - ein Vergleich der Konzepte von Robert N. Bellah und Shmuel N. Eisenstadt


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Konzept der Zivilreligion

3. Zivilreligion in den USA
3.1 Gründungsmythos der USA
3.2 Die Gottesfigur der amerikanischen Zivilreligion
3.3 Der Bürgerkrieg als Zäsur und Erweiterung der Zivilreligion
3.4 „Third Time of Trial”

4. Zivilreligion in Japan
4.1 Japanische Zivilreligion nach dem Zweiten Weltkrieg
4.2 Der Yasukuni-Schrein als Stätte eines zivilreligiösen Rituals?

5. Amerikanische und japanische Zivilreligion im Vergleich

6. Kritische Bewertung der beiden Autoren

7. Literatur
7.1 Internet-Quellen

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll zuerst das Konzept einer Zivilreligion darstellen, die grundlegende Konzeption von Robert N. Bellah aufgreifend.

Im Hauptteil sollen einerseits zusammenfassend jeweils die Konzepte der Zivilreligion im amerikanischen und japanischen Fall vorgestellt werden, für den amerikanischen Fall im Wesentlichen basierend auf Bellahs Artikel On Civil Religion in America und Shmuel N. Eisenstadts Die Vielfalt der Moderne. Die japanische Zivilreligion wird basierend auf den relevanten Ausführungen aus letzterem und Eisenstadts Werk Japanese Civilization sowie Bellahs Tokugawa Religion analysiert.

Daran anschließend werden die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Zivilreligionen in einem zusammenfassenden Vergleich dargestellt.

Abschließend wird ein kurzer Vergleich des Vorgehens beider Autoren vorgenommen, eine kritische Bewertung einschließend.

2. Konzept der Zivilreligion

Robert Bellah liefert in seinem Artikel Civil Religion in America einen Ansatz zur Erklärung des Phänomens, das er mit Zivilreligion bezeichnet; hier speziell auf die USA bezogen. Der Begriff sowie das grundlegende Konzept gehen auf Jean-Jacques Rousseaus Contrat Social zurück, dessen Grundsätze einer Zivilreligion einfach gehalten sind: die Existenz Gottes, das Leben im Jenseits, die Belohnung von Tugend und die Sanktionierung von Untugend, sowie der Ausschluss religiöser Intoleranz.[1]

Zivilreligion steht für die religiöse Dimension (die laut Bellah in jedem Volk vorhanden ist) durch die die historische Erfahrung (der Nation bzw. des Volkes) im Licht transzendenter Realität interpretiert wird.[2]

Gegenüber nationaler Selbstanbetung will Bellah das Konzept abgegrenzt wissen, es bedeutet vielmehr die Unterordnung unter ethische Prinzipien, die Bewertungsmaßstäbe für das Handeln einer Nation darstellen (hier wieder bezogen auf den amerikanischen Fall).[3]

Die beiden untersuchten Fälle werden zeigen, wie unterschiedlich die Ausbildung dieser quasi-religiösen Dimension sich entwickeln kann. Es soll untersucht werden, auf welchen Grundlagen und unter welchen Umständen sich jeweils die entsprechende Nation, deren Selbstverständnis und die kollektive Identität entwickelt haben. Darauf aufbauend werden die Entwicklung und das Konzept der Zivilreligion beschrieben, ebenso die Beziehung zu den „herkömmlichen“ Religionen und zur Politik, und die Beziehung letzterer untereinander.

3. Zivilreligion in den USA

Die amerikanische Politik erscheint insbesondere Europäern oft religiös aufgeladen, nicht zuletzt, weil amerikanische Präsidenten und andere Politiker ihren Reden in der Regel die Schlussformel „God bless America“ folgen lassen oder einen ähnlichen Gottesbezug einbauen[4]. Das erscheint mit dem bekannten Grundsatz der strikten Trennung von Staat und Kirche auf den ersten Blick kaum vereinbar, Formeln wie das „In God We Trust“[5] auf Münzen und Noten sowie das im Pledge of Allegiance enthaltene „One Nation Under God“[6] sind auch in der zeitgenössischen Debatte in den USA selbst nicht unumstritten.[7]

Diese „wall of separation“ beschreibt Bellah aber als nicht undurchdringlich[8], der politischen Domäne wird eine religiöse Dimension nicht verwehrt.[9] Auf die Frage der Zulässigkeit der Benutzung des Gottesbegriffs von Seiten des Staats und des Präsidenten wird später eingegangen werden.

Bellah argumentiert in einem später veröffentlichten Aufsatz, dass die USA anfangs, trotz der möglicherweise vorhandenen Unvereinbarkeit zwischen einer republikanischen Regierung und dem Christentum, eine christliche Republik waren, obwohl sich beides gegenseitig ausgeschlossen hätte. Doch war das Christentum niemals die Staatsreligion, noch gab es eine Zivilreligion im strikten rousseauschen Sinn, woraus sich die Frage ergibt, was genau unter der Zivilreligion zu verstehen ist, sowohl in der Gründungszeit als auch im 20. Jahrhundert.[10]

Die Zivilreligion ist nicht mit der des Christentums gleichzusetzen und existiert als eigene Religion bzw. religiöse Dimension neben den Kirchen, als solche kann sie auch wie andere Religionen untersucht werden.[11]

3.1 Gründungsmythos der USA

Die Entwicklung dessen, was Bellah als Zivilreligion bezeichnet hat, liegt schon in den Umständen der Gründung der neuen Nation begründet: die Revolution schuf eine neue, als Republik konzipierte Nation, damit eine neue Kultur und eine neues (im Sinne der politischen und nationalen Einheit) Kollektiv.[12]

Diese einzigartige neue Konzeption und der damit verbundene Bruch mit vielen der „alten“ europäischen Traditionen ist zentral im amerikanischen Gründungsmythos[13], hier findet sich die erste Verbindung mit jüdisch-christlichen Symbolismen und Bildern: die Schaffung der neuen Nation wurde erklärt mit der Annahme, dass die Siedler ein auserwähltes Volk seien, und Amerika entsprechend ein „Paradies auf Erden“[14] oder das „versprochene Kanaan“[15]. So wurde der Versuch unternommen, das Zustandekommen der neuen Nation (bzw. der Kolonien) vor dem Hintergrund der Geschichte erklären zu können, doch erklärt das noch nicht den Sinn und die Legitimität der neuen Nation.

Letztere geht hervor aus der erfolgten „Gleichsetzung der Nation mit dem ‚Reich Gottes’“[16], zuerst manifestiert in der Declaration of Independence: das Recht der Nation auf Unabhängigkeit (und daraus resultierend auch auf die gesamte neue Ordnung) wird abgeleitet aus den „Laws of Nature and of Nature’s God“.[17]

3.2 Die Gottesfigur der amerikanischen Zivilreligion

Der Gottesbezug ist fundamentaler Bestandteil des Gründungsmythos und der Zivilreligion, aus ihm geht die Sinngebung der Nation ebenso hervor wie die drei zentralen Säulen, die der Zivilreligion und dem kollektiven Bewusstsein zu Grunde liegen: Freiheit, Gleichheit und Demokratie.

Bellah untersucht den Gottesbezug anhand der drei entsprechenden Nennungen in Kennedys Inauguration Address und weiterführend an den vier Stellen, an denen der Gottesbezug in der Declaration of Independence auftaucht.

Kennedys Amtseid lautete:

„For I have sworn before you and Almighty God the same solemn

oath our forebears prescribed nearly a century and three quarters ago”.[18]

Der Eid wird also nicht nur vor dem Volk geleistet, sondern auch Gott gegenüber, gleichzeitig wird ein Bezug zu den Gründervätern hergestellt, die Bedeutung des Eids ist über den erwähnten Zeitraum erhalten geblieben. Daraus leitet Bellah ab, dass zwar die ultimative Quelle der Souveränität im amerikanischen politischen System das Volk ist, darüber aber steht Gott, nicht der Wille des Volkes ist maßgeblich für eine Bewertung von richtig und falsch, sondern der höchste Beurteilungsmaßstab, das Volk ist fehlbar.[19]

Diese Annahme wird noch einmal dadurch betont, dass in der Rede die Menschenrechte ebenfalls nicht von der Großzügigkeit des Staates, sondern von der Hand Gottes gewährt werden.[20]

Schließlich spricht Kennedy aus, was laut Bellah schon lange tief in der amerikanischen Tradition und im Selbstverständnis verankert ist:

„[…] here on earth God’s work must truly be our own“.[21]

Damit wird der Nation auch ein Sinn verliehen, sie bekommt ein „messianisches Credo“[22], jedoch ist der utopische Charakter dieses „amerikanischen Mythos“[23] von Zeit und Geschichte losgelöst, so wurde eine erreichbare (teilweise auch schon erreichte) Utopie geschaffen.[24]

[...]


[1] Bellah, Robert: Civil Religion in America. In: Dædalus, Journal of the American Academy of Arts and Sciences. Winter 1967, Vol. 96, Nr. 1.

[2] Bellah, Robert: The Broken Covenant. American Civil Religion in Time of Trial. Second Edition. The University of Chicago Press. Chicago and London. 1992. S.3.

[3] Bellah, Robert: Civil Religion in America.

[4] So z.B. Nixon, Reagan und Hillary Clinton. Siehe Stüwe, Klaus und Stüwe, Birgit (Hrsg.): American Political Speeches. Philipp Reclam jun. Stuttgart. 2005. S. 90, 112 u. 130.

[5] United States Department of Treasury: Fact Sheets: Currency & Coins - History of 'In God We Trust'.

[6] Bellah: Civil Religion in America.

[7] CNN.com: Lawmakers blast Pledge ruling. June 27, 2002.

[8] Bellah: The Broken Covenant. S. viii.

[9] Bellah: Civil Religion in America.

[10] Bellah, Robert and Hammond, Phillip: Varieties of Civil Religion. Harper and Row Publishers. San Francisco. 1980. S.5.

[11] Bellah: Civil Religion in America.

[12] Eisenstadt, Shmuel: Die Vielfalt der Moderne. Velbrück Wissenschaft. Weilerswist. 2000.

S. 52-53.

[13] Ebenda. S. 58-59.

[14] Bellah: The Broken Covenant, S. 8. und Eisenstadt, Shmuel: Die Vielfalt der Moderne, S. 58.

[15] Ebenda.

[16] Eisenstadt: Die Vielfalt der Moderne, S. 58.

[17] Bellah: Civil Religion in America. S.4.

[18] Stüwe S. 65.

[19] Bellah, Robert: Civil Religion in America.

[20] Ebenda.

[21] Ebenda.

[22] Eisenstadt: Die Vielfalt der Moderne. S. 59.

[23] Ebenda. S. 60.

[24] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Zivilreligion in den USA und in Japan - ein Vergleich der Konzepte von Robert N. Bellah und Shmuel N. Eisenstadt
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltung
Hauptseminar: Politik und Religion in einer sich globalisierenden Welt
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V76605
ISBN (eBook)
9783638816984
ISBN (Buch)
9783638818346
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zivilreligion, Japan, Vergleich, Konzepte, Robert, Bellah, Shmuel, Eisenstadt, Hauptseminar, Politik, Religion, Welt
Arbeit zitieren
Nils Schnelle (Autor:in), 2007, Zivilreligion in den USA und in Japan - ein Vergleich der Konzepte von Robert N. Bellah und Shmuel N. Eisenstadt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76605

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