Im Jahr 1997 formulierte die Gesellschaft Deutscher Chemiker in einer Mitteilung ihre Position zum naturwissenschaftlichen Unterricht:
„In einem Jahrhundert, dessen Weltbild von Naturwissenschaft und Technik geprägt ist, und in einem Land, dessen Wohlstand sehr von Innovation und Erfolg im naturwissenschaftlichen Bereich abhängt, muß eine stärkere naturwissenschaftliche Komponente zum Pflichtbereich aller Oberstufenschülerinnen und -schüler gehören.“ (Mitteilung der GDCH 1997, S. 28)
Sie bedenkt den naturwissenschaftlichen Unterricht also schon in der schulischen Ausbildung mit einer hohen Priorität. In diesen Bereich fällt natürlich auch der Chemieunterricht. Betrachtet man den Unterricht in der Chemie, so gibt es in der Didaktik diverse Ansätze um diesen zu verbessern und Vermittlungsprozesse zu fördern. Ein Ansatz ist die Evaluation von Vorstellungen der Schüler vor und nach Unterrichtsreihen zu bestimmten Themen. Eines dieser Themen ist der Bereich der Säuren und Basen, der in der Chemie mannigfaltige Anwendung findet und für ein Grundverständnis von dieser Naturwissenschaft unabdingbar ist. Neben den Säure - Base – Reaktionen selber, finden diese Stoffe eine Vielzahl von Anwendungen in anderen Themenfeldern, wie der organischen Chemie im Bereich der Carbonsäuren, als Katalysatoren oder Reaktionspartner. Ebenso sind die sauren und basischen Milieus für eine Vielzahl von RedOx – Reaktionen essentiell. Säuren und Basen stellen aber auch einen nicht geringen Anteil in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler dar. Ob nun die Problematik des sauren Regens oder die großtechnische Synthese und Anwendung von Säuren, wie z.B. Schwefelsäure, immer wieder sind bei Verfahren und Problemen Säuren und Basen ein wichtiger Bestandteil.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Säuren und Basen im Chemieunterricht. Vor allem soll erhoben werden, welche Vorstellungen bei den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe nach der Behandlung des Themas vorherrschen um zu sehen, welche Fehlvorstellungen ausgebildet werden können, oder wo Schwierigkeiten bzw. Missverständnisse liegen. Diese können dann als Basis für weitere Unterrichtskonzepte genutzt werden um den Unterricht zu verbessern und diesen entstandenen Fehlvorstellungen oder auch alternativen Vorstellungen vorzubeugen bzw. mit ihnen arbeiten zu können.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
2. Fachsystematische Grundlagen
2.1 Der historische Weg der Säure-Base-Theorie
2.2 Arrhenius´ „chemische Theorie der Elektrolyte“
2.3 Die Säure - Base –Theorie von Brönsted und Lowry
2.4 Das Konzept von Lewis und Pearson
2.4.1 Einführung
2.4.2 Die Theorie nach Lewis
2.4.3 Das Konzept nach Pearson
3. Säuren und Basen in der Schule
3. 1 Säuren und Basen in den Lehrplänen
3.1.1 Der Sekundarbereich I
3.1.2 Der Sekundarbereich II
3.1.3 Zusammenfassung
3.2 Säuren und Basen in der Schulbuchliteratur
3.2.1 Elemente – Chemie 1
3.2.2 Allgemeine Chemie
3.2.3 Chemie heute – Sekundarbereich II
3.2.4 Zusammenfassung
4. Schülervorstellungen
4.1 Lerntheoretische Grundlagen
4.1.1 Die Lernpsychologie Jean Piagets
4.1.2 Die Theorie des Conceptual Change
4.1.3 Zusammenfassung
4.2 Schülervorstellungen in der didaktischen Forschung
4.3 Schülervorstellungen zum Thema Säuren und Basen
4.3.1 Die Primarstufe
4.3.2 Die Sekundarstufe I
4.3.3 Die Sekundarstufe II
4.3.4 Internationale Studien
4.3.5 Folgerungen und Bewertungen
5 Die Untersuchung
5.1 Grundlage
5.2 Konzeption des Fragebogens
5.2.1 Zu Aufgabe 1
5.2.2 Zu Aufgabe 2
5.2.3 Zu Aufgabe 3
5.2.4 Zu Aufgabe 4
5.2.5 Zu Aufgabe 5
5.2.6 Zu Aufgabe 6
5.2.7 Zu Aufgabe 7
5.3 Design der Umfrage
5.4 Die Auswertung des Fragebogens
5.4.1 Vorgehensweise
5.4.3 Schülervorstellungen zum pH – Wert
5.4.4 Schülervorstellungen zur Neutralisation
5.4.5 Reine Säuren und Säurelösungen
5.4.6 Schülervorstellungen zu starken und schwachen Säuren
5.4.7 Schülervorstellungen zu Gleichgewichtsreaktionen
5.4.8 Einflussfaktoren auf das Antwortverhalten
5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.5.1 Die Ergebnisse aus der Befragung
5.5.2 Die Ergebnisse aus der Befragung im Vergleich zu den Ergebnissen der Literatur
5.6 Fazit
6. Ansätze zur Korrektur der Fehlvorstellungen
6.1 Mögliche Ursachen für die erhobenen Fehlvorstellungen
6.2 Vorschläge für den Unterricht
7. Diskussion der Arbeit
7.1 Reflexion der Arbeit
7.2 Ausblick
8. Literaturliste
9. Abbildungsverzeichnis
10. Anhänge
Anhang I: Säure- und Basenkonstanten
Anhang II: Lehrplan für die Sekundarstufe I
Anhang III: Ergebnisse aus den Kategorien „Sonstiges“ im Fragebogen
Anhang IV: Genannte Reaktionen aus Aufgabe 7.a) des Fragebogens
Anhang V – Einflussfaktoren auf das Antwortverhalten - Auswertung
Anhang VI – Der Fragebogen
11. Kabinettstückchen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
Im Jahr 1997 formulierte die Gesellschaft Deutscher Chemiker in einer Mitteilung ihre Position zum naturwissenschaftlichen Unterricht:
„ In einem Jahrhundert, dessen Weltbild von Naturwissenschaft und Technik geprägt ist, und in einem Land, dessen Wohlstand sehr von Innovation und Erfolg im naturwissenschaftlichen Bereich abhängt, muß eine stärkere naturwissenschaftliche Komponente zum Pflichtbereich aller Oberstufenschülerinnen und -schüler gehören. “ (Mitteilung der GDCH 1997, S. 28)
Sie bedenkt den naturwissenschaftlichen Unterricht also schon in der schulischen Ausbildung mit einer hohen Priorität. In diesen Bereich fällt natürlich auch der Chemieunterricht. Betrachtet man den Unterricht in der Chemie, so gibt es in der Didaktik diverse Ansätze um diesen zu verbessern und Vermittlungsprozesse zu fördern. Ein Ansatz ist die Evaluation von Vorstellungen der Schüler vor und nach Unterrichtsreihen zu bestimmten Themen. Eines dieser Themen ist der Bereich der Säuren und Basen, der in der Chemie mannigfaltige Anwendung findet und für ein Grundverständnis von dieser Naturwissenschaft unabdingbar ist. Neben den Säure - Base – Reaktionen selber, finden diese Stoffe eine Vielzahl von Anwendungen in anderen Themenfeldern, wie der organischen Chemie im Bereich der Carbonsäuren, als Katalysatoren oder Reaktionspartner. Ebenso sind die sauren und basischen Milieus für eine Vielzahl von RedOx – Reaktionen essentiell. Säuren und Basen stellen aber auch einen nicht geringen Anteil in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler dar. Ob nun die Problematik des sauren Regens oder die großtechnische Synthese und Anwendung von Säuren, wie z.B. Schwefelsäure, immer wieder sind bei Verfahren und Problemen Säuren und Basen ein wichtiger Bestandteil.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich nun mit den Säuren und Basen im Chemieunterricht. Vor allem soll erhoben werden, welche Vorstellungen bei den Schülerinnen und Schülern[1] der Oberstufe nach der Behandlung des Themas vorherrschen um zu sehen, welche Fehlvorstellungen ausgebildet werden können, oder wo Schwierigkeiten bzw. Missverständnisse liegen. Diese können dann als Basis für weitere Unterrichtskonzepte genutzt werden um den Unterricht zu verbessern und diesen entstandenen Fehlvorstellungen oder auch alternativen Vorstellungen vorzubeugen bzw. mit ihnen arbeiten zu können.
Säuren und Basen sind in der Theorie kein einzelnes, konsistentes Konzept, das auf die entsprechenden Substanzen angewandt werden kann. Sie sind Produkt einer begrifflichen Entwicklung über mehrere Jahrhunderte. Von der rein phänomenologischen Betrachtungsweise in der Antike und im Mittelalter, bis hin zu den drei großen Säure – Base Theorien von Arrhenius, Brönstedt und Lewis, die heute noch ihre Verwendung in den Fachwissenschaften finden. Aus diesem Grund werden in Kapitel zwei dieser Arbeit die historische Entwicklung des Begriffspaares nachgezeichnet und die drei wichtigsten Theorien in zusammengefasster Form dargestellt. In Kapitel drei wird anhand der Analyse der Niedersächsischen Rahmenrichtlinien und dreier Schulbücher dargestellt, wo die Schüler Säuren und Basen und den entsprechenden Konzepten im Unterricht begegnen und was genau aus den o.g. Theorien behandelt werden soll. Die Schulbuchanalyse beschränkt sich allerdings auf rein inhaltliche Kriterien. Didaktische Ansätze bezüglich einer weitergehenden Schulbuchanalyse werden bewusst ausgeklammert, da ausschließlich die Berührungspunkte und die Gewichtung von Säuren und Basen im Unterricht aufgezeigt werden sollen. Dies ist die Grundlage, auf der Schülervorstellungen ermittelt werden können, da es so in deren Evaluation nicht vorkommt, dass Wissen abgefragt wird, welches gar nicht vorhanden ist bzw. die Einschätzung über das Fehlen von Vorstellungen oder das Bewerten von existierenden Vorstellungen auf Basis der realen äußeren Gegebenheiten passiert.
Kapitel vier widmet sich den Schülervorstellungen allgemein. Wo liegen die kognitionspsychologischen und lerntheoretischen Grundlagen für die Bildung alternativer Vorstellungen? Wie funktioniert Lernen überhaupt und was für eine Definition des Lernens wird dieser Arbeit zu Grunde gelegt? Für diese Arbeit bildet ein konstruktivistischer Ansatz die Basis. Neben der Lernpsychologie Jean Piagets, die das Gerüst für die Altersentwicklung und die kognitiven Kompetenzen liefert, wird auch das Konzept des „Conceptual Change“ als Grundlage für die Bedingungen von Lernen allgemein beschrieben. Hierdurch sind einige der Vorstellungen vielleicht erklärbar. Zumindest aber die Konsequenzen für den Unterricht können durch Piagets Stufenmodell der kognitiven Fähigkeiten und die Rahmen für das Lernen nach dem Conceptual Change effektiver benannt werden.
Den Anschluss bilden Betrachtungen von Schülervorstellungen in der Didaktik der Chemie, ihre Bedeutung für den Unterricht und die didaktischen Ansätze, mit denen solche Vorstellungen betrachtet werden. Die Beschreibung der schon zusammengetragenen Ergebnisse aus dem Vorstellungsbereich „Säuren und Basen“ erfolgen als Grundlage für die eigene Arbeit in Kapitel 4.3. Vor allem Sumfleth und Geisler, aber auch Barke oder Kienast lieferten Arbeiten, die sich entweder direkt um Säure – Base – Vorstellungen der Schüler drehten oder diesen Themenbereich anschnitten. Als Vergleich werden noch internationale Studien, die von Barker in einem Bericht für die Royal Society of Chemistry Englands zusammengefasst wurden, beschrieben.
Auf diesen theoretischen Grundlagen ist die Untersuchung aufgebaut, deren Ergebnisse in Kapitel fünf beschrieben werden. In der Stichprobe wurden 109 Schüler befragt. Die Fragen dienten dabei der Erhebung von Schülervorstellungen zu den Bereichen pH – Wert, Neutralisationsreaktionen, reine und verdünnte Säuren und Basen, starke und schwache Säuren und Basen, sowie zum chemischen Gleichgewicht. Zudem werden die Säure – und Base – Konzepte, die bei den Schülern vorliegen, erhoben. Die Auswertung erfolgte mittels des Programms Grafstat. Hier wurden die vorliegenden Fehlvorstellungen aus den Einzelaufgaben, wie auch die Einflussfaktoren „Säure – Base – Konzept“ und „Art des Kurses“ auf das Antwortverhalten analysiert. Die nachfolgende Zusammenfassung beinhaltet sowohl die häufigsten Fehlvorstellungen in komprimierter Form, wie auch den Vergleich der erhobenen Daten mit den in vorherigen Untersuchungen ermittelten Vorstellungen (die in Kapitel 4.3 beschrieben wurden).
Den Abschluss der Arbeit bilden die möglichen Ursachen für die erhaltenen Fehlvorstellungen, die trotz eines lehrplankonformen Unterrichts doch in einer recht vielfältigen Form auftraten waren und Überlegungen bezüglich einiger Ansätze zu deren Vermeidung.
Dies mündet in eine abschließende Diskussion der Arbeit (Kapitel sieben), in der die Vorgehensweise bei der Untersuchung, wie auch die Arbeit selber einer Reflexion unterzogen und auch Vorschläge für weitere Forschungen an dem Thema unterbreitet werden.
2. Fachsystematische Grundlagen
In diesem Kapitel sollen die fachlichen Grundlagen im Bereich der Säure-Base-Theorien beschrieben werden. Neben einem eher oberflächlichen, historischen Abriss über die Entwicklung der wissenschaftlichen Vorstellungen von Säuren und Basen, sollen die vornehmlich genutzten Theorien, nämlich die Arrhenius´, Brönstedt/Lowrys und Lewis/Pearsons, genauer betrachtet werden. Dies soll vor allem auf den inhaltlichen Anforderungen des Fragebogens (s. Kapitel 5) erfolgen, der die Grundlage für die Untersuchung der Schülervorstellungen zu diesem Thema darstellt.
2.1 Der historische Weg der Säure-Base-Theorie
Der Weg der Säuren und Basen beginnt schon in der Antike. Sowohl bei den Griechen, als auch bei den Römern, war der Essig und seine ätzende Wirkung bekannt. Der damalige Sprachgebrauch setzte sogar die Begriffe Essig und Säure in ihrer Bedeutung synonym. Bereits in der Bibel fand dieser Erwähnung:
„ Wie einem traurigen Herzen böse Lieder singt, das ist wie ein zerrissenes Kleid im Winter und Essig auf der Kreide. “ Spr. 25,20 (in: Häusler 1987, S. 278)
„Wie der Essig den Zähnen und der Rauch den Augen tut, so tut der Faule denen, die ihn senden.“ Spr. 10,26 (in: Weißenhorn 1996, S.180)
Aber auch die sogenannten „Alkalien“[2] waren schon im Altertum bekannt. Aristoteles wird nachgesagt, er hätte sich schon in der Zubereitung von Pottasche (Kaliumcarbonat, K2CO3) verstanden, indem er Holzasche auslaugte. Der Name „Alkali“ hingegen soll aus dem arabischen Raum stammen und dort der Name einer Pflanze gewesen sein, die oft zur Pottaschegewinnung eingesetzt wurde.
Auch in den folgenden Jahrhunderten war nie die Rede von einer Systematisierung der bekannten Säuren. Zwar beschreibt Gerding (1869), dass zu Beginn der Zeitrechnung im arabischen Raum das Scheidewasser (Schwefelsäure) von Geber für die westliche Welt entdeckte wurde, und die Kenntnisse über Säuren stetig verbessert wurden, doch geschah dies vornehmlich in den Verfahren ihrer Gewinnung.
Der Beginn des 17. Jahrhunderts stellte den Anfang einer systematischen Betrachtung dar. Verschiedene organische Säuren wurden entdeckt (Benzoesäure durch Mayerne und Bernsteinsäure durch Oswald Kroll) und erste gerichtete Versuche wurden mit Säuren und Basen durchgeführt.
Als erster verschriftlichte Otto Tachenius „Säuren und Basen“ 1666 in seinem Werk „Hippokrates Chemicus“ als Gegensatzpaar. Er gründete dies auf Untersuchungen von van Helmont (1577 – 1644) und seinem Schüler Franciscus Sylvius (1614 – 1672), die Säure - Base – Reaktionen im Zusammenhang mit der Verdauung und später auch mit anderen Stoffwechselfunktionen annahmen. Ausgehend davon, dass Gallensaft basisch schmeckte, Speichel und Bauchspeichel eher sauer, sah Sylvius den Verdauungsakt als „ Krieg zwischen Säuren und Basen (...), der mit einer Neutralisation endete.“ (in: Brock 1997, S. 37). Zudem führte er später auch die Körperwärme auf diese Reaktion zurück. Durch Tachenius´ Veröffentlichung wurde diese Theorie populär. Ebenso definierte er, dass sich Säuren mit Alkalien zu Salzen verbänden. Ebendies nahm auch schon Glauber (1650) an.
Die erste wirklich systematische Betrachtung von Säuren und Basen stammt von Robert Boyle (1627 – 1691). Er experimentierte vornehmlich mit Pflanzenfarbstoffen. Und so definierte er auf einer phänomenologischen Basis Säure als Stoff, der die blaue Pflanzenfarbe in rot wandelte, die rote Pflanzenfarbe in hochrot, zudem „Schwefel aus Schwefelleber[3] “ ausfällte und mit Kreide unter Aufbrausen reagierte. Genau antonym definierte er die Basen, die die blaue Pflanzenfarbe grün werden ließen und unter Zugabe von Säure aufbrausten. Er beschrieb den Prozess der Neutralisation auch als das „Verlieren der Eigenschaften“ von Säuren und Basen bei der Zusammengabe. Es wird vermutet, dass Boyle mit wässrigen Lösungen von Pottasche oder Soda arbeitete.
Hätte er Natronlauge verwandt, hätten sich die Pflanzenfarbstoffe nicht grün, sondern gelb verfärbt. Andere Möglichkeiten als Pottasche oder Soda wären aber auch z.B. Calciumoxid gewesen.
Erste Ideen, die über die phänomenologische Beschreibung hinaus gingen, gab es zur Zeit der Phlogistoniker. Becher, der Begründer der von Stahl bekannt gemachten Phlogistontheorie[4], nahm an, dass es eine Ursäure gäbe, die in allen Säuren enthalten sei, nur in unterschiedlicher Konzentration. Dies wurde von Stahl unterstrichen, als er behauptete aus Schwefelsäure Salpetersäure gewonnen zu haben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Beschaffenheit auf molekularer Ebene wurde von Lémery (1754) in seinem Werk „Cursus Chemycus“ aufgegriffen und wie folgt beschrieben: „ Es beruhen die säuerliche Schärfe einer Flüssigkeit in den spitzen Teilchen, welche in Bewegung sind (...) Man darf sie nur schmecken, so wird man gleich urteilen, denn es verursacht auf der Zunge solche Stiche, welche man von ganz scharf zugespitzten Materialien empfängt.“ (in: Häusler 1987, S. 278) Basen hingegen besäßen feine Poren, so dass bei der Reaktion dieser beiden Teilchen ein abgestumpftes Teilchen entstünde (vgl. Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei seinen Forschungen bezüglich der Phlogistontheorie Stahls und Bechers, konnte
Lavoisier (1743 – 1794) bei Verbrennungsexperimenten nachweisen, dass „verbrannte Nichtmetalle“ in Wasser sauer, „verbrannte Metalle“ hingegen basisch reagierten (vgl. Abb. 3). Er schrieb dies einem Stoff in der Luft zu, den er „Oxygen“ nannte. Lavoisiers Greifswalder Übersetzer Hermbstädt übersetzte „oxygenique“ mit „säureerzeugend“ (vgl. de Vos 1999, S. 229). Lavoisier machte diesen Stoff Oxygen (Sauerstoff) für das saure bzw. basische Verhalten von Stoffen verantwortlich. Er beschrieb es 1777 in einem Essay wie folgt: „ Die reinste Luft, eminent atembare Luft ist das Prinzip der Säurebildung: dieses Prinzip ist allen Säuren gemein “ (in: Brock 1997, S. 69f). Somit war die erste chemische, nicht phänomenologische Theorie zu Säuren und Basen geboren. Ab 1779 setzte sich die Terminologie von Nichtmetallen, die saure Oxide bilden und Metallen, die basische Oxide bilden, durch. Lavoisier entdeckte zudem auch die Zusammensetzung des Wassers aus Sauerstoff und Wasserstoff, die er auf Arbeiten von Priestley (1781) und Cavendisch (1784) stützte. Nachdem diese Theorie durch die Bestätigung von Troostwijk und Deimann 1789 anerkannt wurde, konnte er auch die Reaktionen von Säuren und Basen erklären:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Allerdings erwies sich die Theorie Lavoisiers nicht auf Dauer als tragfähig. Davy, Gay-Lussac und Thénard wiederlegten die Theorie durch das Einleiten von Chlorwasserstoffgas (HCl(g)) in Wasser[5]. Da allerdings Lavoisiers Theorie so stark anerkannt war[6], wurde das Element Chlor als sauerstoffhaltige Verbindung deklariert. Weitere Zweifel wurden durch Davy 1810 evident, als er beweisen konnte, dass es sich bei Chlor nicht um eine Verbindung, sondern um ein Element handelte. Erst als Berzelius, der eigentlich ein großer Verfechter von Lavoisiers Erkenntnisse war, ähnliche Ergebnisse mit Cyanwasserstoff (HCN) in Wasser geleitet erhielt, wurde das „saure Prinzip“ des Sauerstoffs endgültig verworfen.
Auf dieser Grundlage entwickelte Liebig seine Theorie. Aus Untersuchungen mit verschiedensten Säuren stellte er fest, dass das einzige Element, das alle Säuren gemein hatten der Wasserstoff war. Durch Experimente mit unedlen Metallen, die mit Säure umgesetzt wurden und das Resultat, dass dadurch elementarer Wasserstoff frei wurde, definierte Liebig Säuren als Stoffe, die Wasserstoff enthalten, der durch Metalle ersetzt werden könne. Auch erkannte er, dass Säuren nach ihrer enthaltenen Menge an gebundenem Wasserstoff kategorisiert werden konnten . Er nannte dies „Mehrbasigkeit“[7]. Auf Liebig geht auch der Begriff Neutralisation zurück, als Prozess, an dessen Ende ein Salz steht, das „Neutralsalz“ genannt wurde.
2.2 Arrhenius´ „chemische Theorie der Elektrolyte“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Rahmen seiner Dissertation 1884 entwickelte Svante Arrhenius an der Universität von Uppsala die „chemische Theorie der Elektrolyte“. Ursprünglich wollte er nachweisen, ob man durch entsprechende Verdünnung und Mischung mit einem Salz bekannter Leitfähigkeit die Molmasse von Nichtelektrolyten[8] bestimmen kann. Allerdings konnte er lediglich Kohlrauschs Arbeit bestätigen, als er lediglich feststellen konnte, dass die Leitfähigkeit von Salzen mit steigender Verdünnung stieg. Er folgerte daraus: „ Alle Salze treten in Lösungen als komplexe Moleküle auf, die sich bei der Verdünnung teilweise zersetzen. Mit Hilfe dieser Vorstellung werden die Eigenschaften von Salzen in allen Verdünnungsreihen erklärbar, ebenso die Eigenschaften aller Elektrolyte in ausreichend hoher Konzentration “ (in: Brock 1997, S. 240). Auf dieser Grundlage entwickelte er seine entgültige Theorie.
Hiernach dissoziierten Moleküle in ihre Ionen. Entsprechend wurden seitdem auch Säuren und Basen interpretiert.
Nach Arrhenius dissoziierten Säuren in wässrigen Lösungen in positiv geladene Wasserstoff - Kationen (H+) (der Begriff Proton wurde von Sir Ernest Rutherford geprägt) und negative Säurerestionen. Die sauren Eigenschaften wurden dem Wasserstoffproton zugeschrieben. Analog dissoziierten Basen in Metallkationen und Hydroxidionen (OH-), wobei die basischen Eigenschaften dem Hydroxidion zugesprochen wurden
Die Ionen liegen dabei in einem hydratisierten Zustand vor. Da das Wasserstoffion sehr klein ist und die positive Ladung keine Abschirmung durch Elektronen erfährt, wirken elektrische Anziehungskräfte durch das freie Elekronenpaar des Wassermoleküls auf das Ion. Dadurch kommt es, dass sich H3O+ - Ionen bilden:
H2O + H+ Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten H3O+
Dieses Ion liegt weiterhin in hydratisierter Form vor. So kann es dazu kommen, dass weitere Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen gebunden werden. Eine Form die dadurch auftreten kann ist das H9O4- - Ion. Aus diesem Grund hat sich die Indizierung der Ionen mit „(aq)“ als Zeichen für die Hydratisierung entwickelt, so dass für die Dissoziation für Chlorwasserstoff (HCl) und Natriumhydroxid (NaOH) gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Bezug auf das hydratisierte Wasserstoffproton sind heutzutage beide Schreibweisen, also sowohl H+(aq), als auch H3O+, gebräuchlich.
Arrhenius veröffentlichte seine vollständige Theorie 1887 in dem Artikel „ Über die Dissociation der in Wasser gelösten Stoffe “ (vgl. Brock 1997, S.. 241). Hier führte er auch den Aktivitätskoeffizienten (a) ein. Dieser gab das Verhältnis der aktiven zu den nicht aktiven Molekülen wieder. Er war laut Arrhenius das Maß für die Stärke der Säuren. Heute spricht man in diesem Zusammenhang vom Dissoziationsgrad. Starke Säuren zerfallen zu 100% in Ionen. Hierzu gehören die Halogenwasserstoffe HCl, HBr und HI, wie auch Schwefelsäure (in der ersten Dissoziationsstufe[10] ) oder Perchlorsäure (HClO4). Schwache Säuren hingegen zerfallen nur zu einem gewissen Prozentsatz in ihre ionischen Bestandteile. So dissoziiert eine Essigsäurelösung mit der Konzentration von c = 1mol/L nur zu 0,4% in Hydronium – und Acetat – Ionen. Analog sind alle Metallhydroxide starke Basen, wohingegen z.B. Ammoniak (NH3) eine schwache Base ist (vgl. Mortimer 1996, S. 230).
Durch diese Definition wird klar, dass starke und schwache Säuren durch die Säurekonstante (Ks), nicht aber durch den pH – Wert definiert werden. Dieser kann nur bei äquimolaren Lösungen als Vergleichgröße genutzt werden. Aus der Betrachtung des Gleichgewichts für schwache Elektrolyte ergibt sich folgende Formel zur Berechnung des pH – Werts schwacher Säuren:
pH = ½ (pKs – log c0)
mit c0 = Konzentration der Säure
für starke Säuren (starke Elektrolyten) gilt, dass diese zu 100% dissoziieren, so dass pH und der negativ dekadische Logarithmus der Konzentration der Säure gleichgesetzt werden kann. Es gilt somit:
pH = - log c0
So besitzt eine 0,1 molare Essigsäurelösung einen pH - Wert von 2,8, eine 0,1 molare Salzsäurelösung einen pH – wert von 1. (vgl. Mortimer S. 2030f / 296ff / 283ff) (vgl. auch Kapitel 2.3 – hier stehen die Betrachtungen der Reaktionsgleichgewichte nach der Definition Brönsteds im Mittelpunkt).
Aus der Betrachtung des Dissoziationsgrades folgte zudem, dass das Ionenprodukt des Wassers bei 10–14 mol2/L2 läge, und somit eine Wasserstoffionenkonzentration von 10-7 mol/L implizierte[11].
Die Konzentration an Wasserstoff - Ionen wurde somit eine wichtige Größe bei der Bestimmung von Säurestärken. Die Definition des pH wurde 1909 vom Biochemiker Sören Sörensen eingeführt. Er ist der negativ dekadische Logarithmus der Konzentration an Wasserstoff - Ionen[12]. Durch diesen mathematischen Trick mussten Konzentrationen nicht mehr durch Potenzen angegeben werden. Für eine neutrale Lösung gilt also, dass bei einer Hydroniumionenkonzentration von 10-7 mol/L der pH – Wert bei 7 liegt. Die pH - Werte unter sieben indizieren eine saure, die pH - Werte über sieben eine alkalische Lösung. Diese pH – Skala hat bis heute Bestand.
Neben der rechnerischen Ermittlung des pH – Wertes besteht die Möglichkeit diesen mittels einer pH – Elektrode (erfunden gegen 1900) zu messen oder eine ungefähre Bestimmung mittels Farbindikatoren vorzunehmen (s. Abb. 7).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3 Die Säure - Base –Theorie von Brönstedt und Lowry
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1923 entwickelten Brönstedt (in Kopenhagen) und Lowry (in Cambridge) unabhängig von einander eine weitere Säure - Base - Theorie. Die Triebfeder war die Unzufriedenheit mit dem Säure-Base-Konzept von Svante Arrhenius. Dieses Konzept gilt zum einen nur für wässrige Lösungen und nicht für andere Lösungsmittel oder die reinen, undissoziierten Stoffe (z.B. reine Schwefelsäure) und zum anderen räumte es den Wasserstoff - und Hydroxid – Ionen eine herausragende Stellung in diesem Kontext ein. Brönstedt formulierte 1930 in der „Zeitschrift für angewandte Chemie“:
„ Eine Definition, die diese Forderung erfüllt und die in logischer und adäquater Weise das zum Ausdruck bringt, was typisch für Säuren und Basen angesehen werden muss, kann in dem Schema:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Säure Base Proton
zum Ausdruck gebracht werden “ (in: Häusler 1987, S. 281).
Nach dieser Aussage definierten Brönstedt und Lowry Säuren als Protonendonatoren (Teilchen[13], die Wasserstoff - Ionen abgeben können), Basen als Protonenakzeptoren (Teilchen, die Wasserstoff - Ionen aufnehmen können)[14]. Teilchen, die sowohl Protonen aufnehmen, als auch abgeben können, nannten sie „amphoter“[15]. Das oben angegebene Gleichgewicht stellt dabei die Essenz der Theorie dar. Nach dieser allgemeinen Form kann jede Säure-Base-Reaktion formuliert werden. Gleiches gilt für die Neutralisation:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Man bezeichnet dieses System als „protolytisch“. Hierbei wird die Säure (H3O+) in ihre konjugierte Base H2O, die Base (OH-) in ihre konjugierte Säure (H2O) überführt. Man spricht bei den einander entsprechenden Säuren und Basen von einem „Säure-Base-Paar“.
Dass dieses Konzept lösungsmittelunabhängig ist, zeigt die Reaktion von Chlorwasserstoff in Methanol.
An diesem Beispiel kann auch gesehen werden, dass nach dem Konzept von Brönstedt und Lowry nicht nur bestimmte, dissoziierende Moleküle (im Sinne Arrhenius´) Säuren und Basen darstellen können. Da die Begriffe nun nach ihren chemischen Eigenschaften, Protonen aufnehmen und abgeben zu können, kategorisiert sind, fallen auch verschiedene Ionen (z.B. Cl- als Anionenbase) oder weitere Teilchen, wie Ammoniak[16] (NH3) in dieses Muster.
Charakterisiert werden die Säuren durch ihre Säurekonstante bzw. analog die Basen durch die Basenkonstante (Ks bzw. Kb). Da Säure-Base-Reaktionen immer in einem Gleichgewicht zueinander vorliegen, kann für jede Dissoziation eine Gleichgewichtskonstante berechnet werden. Diese bestimmt sich von dem Punkt einer Reaktion, an dem sich die Geschwindigkeit von Hin- und Rückreaktion so weit angeglichen haben, dass sie gleich schnell verlaufen, also die Nettobilanz der Reaktion sich nicht mehr verändert. Man kennzeichnet solche Gleichgewichte mit einem Doppelpfeil. Mathematisch ergibt sich der Ks aus dem Quotienten der Stoffkonzentrationen von Produkt- und Eduktseite. Als Beispiel sei Salpetrige Säure genannt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da bei starken Säuren fast alle Moleküle mit Wasser reagieren (der Ks ~ 100), wird bei diesen Reaktionen auf den Doppelpfeil verzichtet, da das Gleichgewicht fast vollständig auf der rechten Seite der Gleichung liegt[17]. Das Besondere am Lösungsmittel Wasser ist, das Säuren und Basen immer zu H3O+ - bzw. OH- - Ionen dissoziieren. Somit stellen diese Ionen in wässriger Lösung die stärksten Säuren bzw. Basen dar. Man spricht vom nivellierenden Effekt des Wassers (vgl. Mortimer 1996, S. 284).
2.4 Das Konzept von Lewis und Pearson
2.4.1 Einführung
Gilbert N. Lewis´ Säure – Base - Konzept wurde 1923, also im gleichen Jahr wie das von Brönstedt, erstmals veröffentlicht. Bis 1939 wurde es von Lewis allerdings noch einmal überarbeitet. Durch ihn wurden die Definitionen von Säuren und Basen losgelöst von stofflichen Eigenschaften und Phänomenen betrachtet. Er betrachtete eher die Bindungen zwischen den verschiedenen Teilchen und verfolgte somit einen gänzlich anderen Weg als Brönstedt und Lowry. Wegbereiter für diese Theorie waren neben der Entdeckung des Elektrons 1895/1887 auch die Arbeiten von J.J. Thomson bezüglich der Valenz der Elektronen[18] bzw. die Einführung der Oktettregel[19], die Entdeckung der kovalenten Bindung[20] und Kossels Theorie über ionische Bindungen[21] (1915/1916).
2.4.2 Die Theorie nach Lewis
Lewis bezeichnet Säuren als Elektronenpaarakzeptoren. Darunter versteht er Teilchen, die auf ihrer Valenzschale[22] ein weiteres Elektronenpaar aufnehmen können bzw. Teilchen mit einem unbesetzten Orbital (Elektronenlücke). Somit fallen nicht nur die Brönstedt – Säuren unter diese Definition, sondern auch Metallatome, Metall-Kationen oder Komplexe mit ungesättigter Valenz (z.B. Zinn(IV)Chlorid, SnCl4). Basen hingegen sind nach Lewis als Elektronenpaardonatoren zu verstehen. Es sind also Teilchen mit freien Elektronenpaaren, die als Donatoren fungieren können. Hierzu zählen neben den Brönstedt – Basen auch Anionen und Moleküle mit freien Elektronenpaaren (z.B. Kohlenstoffmonoxid CO). Lewis – Basen können von einer definierten Anzahl an Nichtmetall - Atomen abgeleitet werden. Dazu gehören Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor, Arsen, Sauerstoff, Schwefel, Selen, aber auch die Halogene Fluor, Chlor, Brom und Iod. (vgl. Mortimer 1996, S. 287ff.)
Neben den einzelnen Teilchen gibt es aber auch Verbindungen, die im Lewis – Sinne amphoter wirken, also Säure und Base zugleich sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Dimerisierung, aus: Weißenhorn 1987, S. 285
Das metallische Zentrum ist in diesem Fall die Säure (Elektronenpaarakzeptor), das Halogen - Atom (in diesem Falle das Chlor - Atom) die Base (Elektronenpaardonator). Dieses Prinzip liegt z.B. der Dimerisierung von Aluminiumtrichlorid zu Grunde.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9.a : Dimerisierung von Aluminium (III)chlorid
Diese Art der Säure-Base-Theorie hat in der organischen Chemie eine starke Anwendung gefunden. Lewis – Basen werden dort als nucleophile Reagenzien, Lewis-Säuren als elektrophile Reagenzien bezeichnet.
Auch bei diesem Konzept gilt, dass bei der Reaktion von Säuren und Basen ein Neutralisationsprodukt entsteht. Ebenso gilt, dass die schwächere Base von einer stärkeren (analog gilt gleiches für Säuren) aus einer Verbindung verdrängt wird.
Dies kann z.B. auf typische Brönstedt – Säure-Base-Reaktionen angewandt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die schwache Base H2O wird nach Lewis von der stärkeren Base Cl- verdrängt. Allerdings schließt das Lewis - Konzept nicht nur die „klassischen“ Säure-Base-Reaktionen mit ein, sondern es kann auch auf nicht-ionische Reaktionen, wie Fällungsreaktionen oder Komplexbildungsreaktionen angewandt werden.
2.4.3 Das Konzept nach Pearson
Ein Hauptkritikpunkt an der Theorie Lewis´ war, dass sie wenig dazu geeignet war, die relative Säurestärke (bzw. die Lage des Gleichgewichtes) durch Maßzahlen auszudrücken (vgl. Weißenhorn 1987, S. 286). Der Amerikaner Pearson entwickelte 1963 die Theorie Lewis´ weiter. Basierend auf den neu gewonnenen Erkenntnissen über die Polarisierbarkeit[23] von Atomen und der Elektronegativität[24], erkannte er, dass immer dann stabile Produkte bei einer Reaktion auftraten, wenn die Reaktionspartner beide
a) eine hohe Elektronegativität bzw. geringe Polarisierbarkeit oder
b) eine geringe Elektronegativität und somit auch eine hohe Polarisierbarkeit
aufwiesen. Aus diesen Beobachtungen entwickelte er das HSAB – Prinzip (Principle of h ard and s oft a cids and b ases).
Pearson teilte Lewis - Säuren und - Basen in hart und weich ein. Harte Lewis – Säuren haben eine geringe Polarisierbarkeit (darunter fallen kleine, hoch geladene Kationen und Moleküle, deren elektronegativere Bindungspartner eine hohe positive Ladung am Zentralatom induzieren). Weiche Lewis – Säuren sind durch eine hohe Polarisierbarkeit charakterisierbar (Kationen niedriger Ladungen und Moleküle mit leicht entfernbaren Valenzelektronen).
Für Lewis – Basen gilt, dass harte Basen eine hohe Elektronegativität und geringe Polarisierbarkeit und weiche Basen eine hohe Polarisierbarkeit, aber geringe Elektronegativität aufweisen.
Für die Reaktionen von diesen Säuren und Basen gelten folgende Prinzipien:
1) Harte Säuren reagieren bevorzugt mit harten Basen, weiche Säuren mit weichen Basen.
2) Harte Säuren und Basen bilden meistens ionische, weiche Säuren und Basen eher kovalente Verbindungen.
3) Hart-Weich-Kombinationen bedingen unterschiedliche Bindungsweisen, die einhergehen mit verminderter Reaktionsfreudigkeit und geringerer Stabilität der Produkte (vgl. Weißenhorn 1987, S. 287).
3. Säuren und Basen in der Schule
3. 1 Säuren und Basen in den Lehrplänen
Dieser Betrachtung der vorgeschriebenen Unterrichtsinhalte liegen die Rahmenrichtlinien für den Chemieunterricht des Landes Niedersachsen zu Grunde. Es wurden die niedersächsischen Bestimmungen gewählt, da sich die Untersuchung in dieser Arbeit auf Osnabrücker – also Niedersächsische – Schulen bezieht und diese dort die Grundlage des Unterrichts darstellen.
3.1.1 Der Sekundarbereich I
Das Thema Säuren und Basen ist in Niedersachsen ab der Klasse zehn unterrichtsrelevant. Es ist eingebettet in das große Thema „ Ionen und Ionenverbindungen “. Diesem Themenkomplex wird ein Zeitrichtwert von 24 Unterrichtsstunden zugeordnet, was einem Anteil von 48% der Gesamtstundenanzahl entspricht (vgl. Anhang 2). Diesem Thema wird also schon in der Mittelstufe eine große Bedeutung zugemessen.
Säuren und Basen werden in der Mittelstufe als wässrige Lösungen betrachtet. Es wird also das Konzept von Arrhenius zu Grunde gelegt. Zu den obligaten Inhalten gehören dabei (vgl. (Niedersächsisches Kultusministerium 1997, Seite 33):
- Wasserstoff- und Hydroxid – Ionen in sauren Lösungen ((aq) – Schreibweise)
- die pH – Skala
- die Neutralisation
- der Konzentrationsbegriff
- Elektronenübergänge bei der Reaktion saurer Lösungen mit unedlen Metallen
-
Als optionale Anknüpfungspunkte an dieses Thema werden „Saurer Regen“, „Schwefelsäure“ und „Korrosion und Korrosionsschutz“ genannt. Grundsätzlich gilt für das Unterrichtsfach Chemie in der Mittelstufe: „ Der Chemieunterricht soll Einblicke in die Arbeits- und Denkweisen der Chemie geben und dabei grundlegende Vorstellungen vom Aufbau der Stoffe und von ihren Reaktionen vermitteln “ (Niedersächsisches Kultusministerium 1997, S. 7).
3.1.2 Der Sekundarbereich II
In der Kursstufe ist das Thema Säuren und Basen in verschiedenen Kontexten zu finden. Die grobe Einteilung in „1. Verlauf und Antrieb chemischer Reaktionen“, „2. Struktur- und Reaktionsmodelle“, wie „3. Chemie in Technik und Umwelt“ gibt in ihrer Binnendifferenzierung die obligaten Inhalte wieder.
Im Themenbereich 1 soll unter anderem das chemische Gleichgewicht behandelt werden. Darunter fallen die Säure-Base-evidenten Themen (Niedersächsisches Kultusministerium 1997b, S. 25):
- Bestimmung der Gleichgewichtskonstanten (Massenwirkungsgesetz),
- Säure-Base-Gleichgewicht und Ionenprodukt des Wassers, sowie Puffersysteme (anhand von Indikatoren, dem pH – Wert und Titrationskurven).
Im Themenbereich 2 treten Säuren und Basen gleich in zwei von drei Unterkategorien auf. In der Unterkategorie „Strukturmodelle zur Deutung von Stoffeigenschaften“ finden sich folgende Aspekte wieder (Niedersächsisches Kultusministerium 1997b, S. 28):
- Mesomerie/Mesomerer Effekt / Induktiver Effekt. In diesem Zusammenhang wird empfohlen, auch Säure- und Basenstärke zu thematisieren.
Die Unterkategorie „Donator – Akzeptor – Reaktionen“ (Niedersächsisches Kultusministerium 1997b, S. 29) beinhaltet folgende obligaten Inhalte:
- Brönstedt – Säuren und – Basen, Protolyse, pKs und pKb – Werte. Konkretisiert werden kann dies am korrespondierenden Säure – Base – Paar, Säurekatalyse und Protolyse in wässrigen Lösungen.
- Der pH – Wert in wässrigen Lösungen soll zusammen mit Säure-Base-Titrationen und Indikatoren behandelt werden.
Als optionale Anknüpfungspunkte werden die Theorie nach Lewis, genau so wie der Korrosionsschutz und die Ionenbeweglichkeit genannt.
Die oben angeführten Themen sind explizit für den Leistungskurs konzipiert. Für den Grundkurs wurde das Gesamtprogramm an Pflichtinhalten stark reduziert. Dies geschah jedoch vornehmlich bei allen anderen Themen, nicht aber im Säure-Base-Bereich. Die einzige Reduzierung wurde in den Anregungen zur Konkretisierung der Themen vorgenommen. Es wird dort auf die Titrationskurve und deren Interpretation verzichtet (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 1997b, S. 50ff).
3.1.3 Zusammenfassung
Aus den Inhalten und Vorgaben über den Chemieunterricht in Niedersachsen kann abgelesen werden, dass dieses Thema augenscheinlich eine hohe Priorität besitzt und recht ausführlich behandelt wird. Feststellzustellen ist eine Einführung des Begriffes, die sich stark an dessen historische Entwicklung anlehnt. Über wässrige Lösungen und den Säure-Base-Begriff nach Arrhenius, wird dieser in der Kursstufe durch den Brönstedt – Begriff und Gleichgewichtsbetrachtungen, wie auch pH – Wert – Berechnungen erweitert. Die Theorie von Pearson und Lewis stellt den Abschluss dar, der optional eingearbeitet werden kann.
3.2 Säuren und Basen in der Schulbuchliteratur
Die Grundlage für dieses Kapitel bilden drei Schulbücher, die auch heute noch in Schulen Niedersachsens Verwendung finden. Es handelt sich dabei um „Elemente – Chemie 1“, 1. Auflage aus dem Klett-Verlag 1986, „Allgemeine Chemie“, aus dem Jahr 1979, erschienen im Schroedel Schulbuchverlag und „Chemie heute – Sekundarbereich II“, aus dem Jahr 1998, ebenfalls im Schroedel Schulbuchverlag erschienen. Die Schulbücher sollen im Folgenden nach ihren Inhalten bezüglich Säuren und Basen untersucht werden. Dazu werden die Schulbücher einzeln betrachtet.
3.2.1 Elemente – Chemie 1
Von 23 Kapiteln in diesem Buch werden in fünf Säuren und Basen thematisiert. Von 299 Seiten werden diesen 54 gewidmet, was ca. ein Sechstel des Buches ausmacht. Noch bevor irgendeine Definition bekannt ist, kommen die Schüler im Kapitel über die Alkali- und Erdalkalimetalle (Kapitel acht) mit der Natronlauge in Berührung, der ein ganzes Kapitel gewidmet wird. Zwar wird der Unterschied zwischen festem Natriumhydroxid und Natronlauge erklärt, doch noch nicht auf die Dissoziation der Ionengitter in der Lösung eingegangen. Zudem wird in diesem Kapitel (S. 93) bereits der Begriff „alkalische Lösung“ anhand einer Natriumhydroxid - Lösung eingeführt, obwohl die Schüler noch gar nicht wissen können, wobei es sich bei einer solchen Lösung handelt. Schon hier findet der Einsatz eines Indikators (in diesem Fall Phenolphtalein) Anwendung. Erst über 50 Seiten später, auf Seite 161, finden die Schüler die Erklärung für den Begriff „alkalische Lösung“. Ähnlich wird mit der Einführung der Salzsäure verfahren. In Kapitel neun werden die Halogene und ihre Verbindungen besprochen. Salzsäure wird bereits hier als Reaktionsprodukt von Chlorwasserstoff mit Wasser beschrieben, die Reaktion selber aber nicht abgebildet. Es wird mehr auf die physikalischen Daten und die chemischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Halogenwasserstoffen eingegangen.
Das dritte Mal werden Säuren und Basen im Kapitel „ Saure und alkalische Lösungen “ (Kapitel 13) thematisiert. Hier werden Lösungen von Säuren und Laugen anhand einer modifizierten Definition von Arrhenius eingeführt, ohne dabei den Namen zu nennen. Demnach werden saure Lösungen über die Bildung von H3O+ - Ionen, alkalische Lösungen über die Bildung von OH- - Ionen beschrieben. Der entsprechende Merksatz lautet: „ Alkalische Lösungen enthalten Kationen und negativ geladene Hydroxidionen. Saure Lösungen enthalten Oxonium- und Säurerestionen. Hydroxid- und Oxoniumionen bewirken die charakteristischen Eigenschaften der jeweiligen Lösungen “ (S. 161). Im Fortlauf dieses Kapitels wird auf vier Seiten qualitativ wie quantitativ die Neutralisationsreaktion betrachtet. Weitere zwei Seiten beschreiben die Reaktionen von Metalloxiden und Metallen mit Säuren. Reaktionen von Basen werden nicht weiter aufgegriffen.
Das Kapitel „ Einige Grundprodukte der chemischen Industrie “ (Kapitel 15, S. 169ff) beschreibt technische Verfahren zur Synthese und die Verwendung verschiedener Säuren und Basen. Die besprochenen Stoffe sind dabei die schwefelige Säure, sowie die Schwefelsäure und deren Salze. Weiter werden Synthese, Formelermittlung und Reaktionen des Ammoniaks behandelt. Es fällt auf, dass Ammoniak zwar als alkalische Lösung beschrieben und die Reaktion in Wasser aufgezeigt wird, doch wird nicht explizit auf die Sonderstellung im Rahmen einer Interpretation nach Arrhenius hingewiesen[25]. Über die Oxidation von Ammoniak wird zur Salpetersäure übergeleitet. Es werden Syntheseformen, Verwendung, Eigenschaften und Reaktionen der Salpetersäure, sowie ihrer Salze, den Nitraten, dargestellt. Weitere Unterkapitel widmen sich der Luftverschmutzung, der Phosphorsäure und den Phosphaten, der Düngung und der Umweltbelastung durch Nitrate und Phosphate.
Das darauffolgende Kapitel trägt den Namen „ Säuren und Basen “. Zu Beginn wird der Brönsted´sche Säure – Base – Begriff eingeführt, die Begriffe also auf der Teilchenebene definiert. Entsprechend werden auch saure, basische und amphotere Reaktionen thematisiert und das „Säure – Base – Paar“ erklärt. Dies wird nur auf vier Seiten abgehandelt. Eine weitere Seite mit Aufgaben wird als Vertiefung und Überprüfung angeboten. Die Lewis – Definition ist in diesem Buch nicht enthalten. Der Name Lewis taucht nur im Zusammenhang mit der Oktettregel und der Lewisschreibweise von Verbindungen auf.
3.2.2 Allgemeine Chemie
Im Gegensatz zu „Elemente 1“ handelt es sich bei „Allgemeine Chemie“ um ein Buch für die Sekundarstufe II. Entsprechend wurde beim Layout auf die Vierfarbigkeit zu Gunsten der Zweifarbigkeit verzichtet. Ebenso sind die Texte wesentlich komplexer und umfassender. Sie sind zudem kleiner und wesentlich komprimierter als im Buch der Sekundarstufe I. Das Thema Säuren und Basen findet sich in zwei von zehn Kapiteln wieder. Diese umfassen insgesamt 31 von 188 Seiten - auch in etwa ein Sechstel des Buches.
Als erstes werden Säuren und Basen im Kapitel sieben („Das chemische Gleichgewicht“) zum Thema gemacht. Allerdings fungieren sie hier eher als Beispiele. So wird das Iodwasserstoffgleichgewicht als Beispiel für das Massenwirkungsgesetz angeführt. Allerdings wird dabei nicht auf die Acidität des Iodwasserstoffs eingegangen, sondern eher auf das Bildungsgleichgewicht. Ebenso finden die Schwefelsäure- und Ammoniaksynthese als Beispiele für die Anwendungen von Gleichgewichtsüberlegungen auf weiteren drei Seiten (S. 96 – 98) Platz.
Eine wirkliche Definition und eine entsprechende Behandlung erfahren Säuren und Basen im gleichnamigen Kapitel (S. 99 – 114). Anfangs werden Säuren nach Brönstedt definiert und im Anschluss durch die Erklärung von Säure – Base – Reaktionen (beschrieben durch korrespondierende Säure – Base – Paare) expliziert. Die Neutralisationsreaktion wird dabei als ausführliches Beispiel angeführt und mit der Leitfähigkeit in Verbindung gebracht. Darauf folgt im nächsten Unterkapitel die Autoprotolyse des Wassers und die Einführung des pH – Werts als negativ dekadischer Logarithmus des Zahlenwerts der H3O+ - Ionenkonzentration in mol x L-1(vgl. S. 103), sowie entsprechende Messmethoden zu dessen Erfassung. Unter der Überschrift „ Stärke von Säuren und Basen “, erfolgt auf vier Seiten die mathematische Behandlung der Ks und Kb – Werte für einprotonige und mehrprotonige Säuren und Basen. Im Anschluss folgen die Themen „Protolyse in Salzlösungen“ (S. 108), „Richtung von Säure – Base Reaktionen“ (S. 109) und „Indikatoren (S. 110), die jeweils nur auf einer Seite kurz beschrieben werden. Auf drei Seiten wird daraufhin die Säure – Base Titration als Methode zur Berechnung von pH – Werten bzw. zu deren experimenteller Ermittlung vorgestellt und beschrieben. Den Abschluss bilden Pufferlösungen, die zwei weitere Seiten in Anspruch nehmen.
Es ist in diesem Buch kein separater Aufgabenteil zu finden. Versuche und Vertiefungsaufgaben stehen jeweils – genau wie erklärende Graphen und Grafiken – am äußeren Rand der jeweiligen Seite. Auch in diesem Buch ist der einzige explizite Säure – Base – Ansatz der von Brönstedt. Trotz des Einsatzes des Buches in der Sekundarstufe II, ist der Ansatz von Lewis nicht enthalten.
3.2.3 Chemie heute – Sekundarbereich II
Bei diesem Buch handelt es sich um das Buch mit dem jüngsten Erscheinungsdatum der drei untersuchten. Auch in „Chemie heute“ treten Säuren und Basen in zwei Kapiteln (von insgesamt 20 Kapiteln auf 45 von 401 Seiten, was 11,2% der Seiten ausmacht) auf. Das vierfarbig gestaltete Buch zeigt an den jeweiligen Rändern der Seiten Graphen und Grafiken zur näheren Erklärung. Diese sind sowohl phänomenologischer – durch Abbildungen von Stoffen oder mit Indikatoren gefärbten Lösungen – wie auch schematischer Natur (z.B. durch Graphen). Zudem gibt es in diesem Buch im Vergleich zu „Allgemeine Chemie“ immer wieder Rückbezüge auf die Alltagswelt; Exkurse genannt. Versuche zu den entsprechenden Kapiteln sind auf einer separaten Seite nach dem jeweiligen Theorieteil abgedruckt. Sie werden „Praktikum“ genannt. Am Ende eines jeden Kapitels gibt es eine Kategorie „Aufgaben –Versuche – Probleme“, die Aufgaben zum Inhalt des vorausgegangenen Kapitels in Form von alltagsweltlich orientierten Problemen[26], sowie einige Versuche beinhaltet.
Das Kapitel „Das chemische Gleichgewicht“ bearbeitet Säuren und Basen als Phänomen nicht direkt. Sie finden ihre Anwendung in Beispielen für Gleichgewichtsreaktionen. Neben der Ammoniak- und Schwefelsäuresynthese, die auch in „Allgemeine Chemie“ und „Elemente 1“ genannt waren, werden hier das Problem des „Kesselsteins“[27] und das der Entsorgung von „Dünnsäure“[28] thematisiert.
Das eigentliche Kapitel, in dem es um Säuren und Basen geht, folgt auf das Kapitel über Gleichgewichte („ Säure/Base – Reaktionen “, S. 106 – 127). Als Einführung dient ein Abriss über die Geschichte der Säure – Base – Theorien. Unter dem Titel „Die pH – Skala“ (S. 107) wird kurz die Theorie von Arrhenius zusammengefasst und von da zum pH – Wert und seiner Definition übergeleitet. Arten der Berechnungen finden ihren Platz später. Die Theorie von Brönstedt wird als zweites eingeführt. Als Beispiele für die Säure – Base – Reaktionen, die durch die korrespondierenden Säure – Base –Paare definiert werden können, werden die allgemeine Protolyse, Wassermoleküle als Ampholyten und die Neutralisation angegeben. In einem „Exkurs“ wird die Problematik der Natronlauge im Brönstedt – Konzept[29] aufgegriffen und von dort aus werden die Differenzen zwischen den Theorien von Arrhenius und Brönstedt erläutert. Über die Autoprotolyse des Wassers und einem Exkurs zu Wasser als „dynamisches Gleichgewicht“, wird hinübergeleitet zur relativen Säure – bzw. Basenstärke. Das Kapitel enthält die mathematische Herleitung für Säure- und Basenkonstanten, wie auch die rechnerische Bestimmung des pH – Wertes für starke und schwache Säuren und Basen. Exkurse innerhalb dieses Themas sind die Protolyse der Phosphorsäure und der Protolysegrad mit dem Ostwald´schen Verdünnungsgesetz[30].
In einem weiteren Exkurs werden Haushaltschemikalien, wie Geschirrspülmittel oder Entkalker auf Säure- oder Basengehalt untersucht. Dem folgen Betrachtungen der Indikatoren und ihrer Wirkungsweise, ein Exkurs über Säuren und Basen in nicht – wässrigen Lösungen und zum Schluss ein ausführliches Kapitel über Säure – Base – Titrationen und deren Anwendung als chemisches Messverfahren, wie auch die Puffersysteme.
3.2.4 Zusammenfassung
Alle der genannten Bücher sind gemäß dem Lehrplan aufgebaut. Vor allem das Buch der Sekundarstufe I geht aber bei weitem darüber hinaus. Die Definition nach Brönstedt ist heutzutage erst für die Oberstufe vorgesehen. Trotz des Unterschiedes zwischen Sekundarstufe I und II – Büchern lässt sich in der zeitlichen Abfolge eine Änderung der Aufmachung erkennen. Das Buch „Allgemeine Chemie“ hat eher den Charakter eines Nachschlagewerkes, das sehr komprimiert viele Informationen liefert. Die anderen Bücher verfügen über mehr farbige Bilder und Modellabbildungen, wie auch über einen übersichtlicheren Aufbau. Vor allem das Buch „Chemie heute“ enthält einen großen Anteil an Alltagsrückbezügen, die sowohl in der didaktischen Forschung (z.B. Barke/Harsch 2001, S. 192) immer wieder gefordert werden, wie auch (mittlerweile) in den Rahmenrichtlinien gefordert sind. Inhaltlich fällt auf, dass das Säure – Base - Konzept nach Lewis keinen Einzug in irgendeines der Bücher finden konnte. Dies mag auch daran liegen, dass es nicht im obligaten Teil der durch die Rahmenrichtlinien vorgegebenen Inhalte festgeschrieben wurde.
Alles in allem wurde bei den Büchern inhaltlich das abgedeckt, was in den Rahmenrichtlinien vorgegeben ist, wie auch alles das, was der Untersuchung in dieser Arbeit zu Grunde liegt.
[...]
[1] Im Fortgang wird der Einfachheit halber nur noch von „Schülern“, also in der rein männlichen Form, gesprochen. Dies soll nicht beinhalten, dass Schülerinnen keine Rolle spielten, doch ist es für das Schreiben und Lesen der Arbeit einfacher nur eine Form zu wählen.
[2] Alkalien werden heutzutage Basen genannt. Der Name lässt sich aber noch bei den Metallen der ersten und zweiten Hauptgruppe (Alkali- und Erdalkalimetalle) finden. Ebenso werden basische Lösungen immer noch als „alkalisch“ bezeichnet.
[3] Schwefelleber ist ein Gemisch aus Kaliumpolysulfiden, Kaliumsulfat und Kaliumthiosulfat und wird durch das Zusammenschmelzen von Pottasche und Schwefel bei 250°C gewonnen. Dieses lederbraune Pigment wird zum Dunkelbeizen von Edelmetallen, zum Färben von Pelzen, wie auch zur Herstellung künstlicher Schwefelbäder verwendet. (vgl. kremer-pigmente.de).
[4] Die Phlogistontheorie besagte, dass bei der Verbrennung ein Teilchen, das Phlogiston, aus einem Stoff verschwände und bei der Reaktion mit Kohle wieder aufgenommen würde. Dieser Schluss ergab sich aus der Beobachtung von Verbrennungsvorgängen, da der entsprechende Stoff ja weniger wurde, wie man bei der Verbrennung von Holz ganz deutlich sieht. Die möglichen entstehenden Gase oder eine gravimetrische Messung von verbrannten Metallen wurden noch nicht zur Analyse hinzugezogen. (vgl. auch Barke/Harsch 2001, S. 12 f.)
[5] Die Lösung wurde „Kochsalzsäure“ genannt, da das Chlorwasserstoffgas durch Zutropfen von konzentrierter Schwefelsäure auf Kochsalz (NaCl) gewonnen wurde.
[6] Noch heute werden in der Fachwissenschaft die nach Lavoisiers Systematik eingeführten Trivialnamen, wie Phosphorsäure, Phosphorige Säure etc. verwandt (vgl. de Vos 1999, S. 230).
[7] So war Schwefelsäure (H2 SO4) z.B. eine zweibasige, „Kochsalzsäure“ (H Cl) nur eine einbasige Säure.
[8] Nichtelektrolyten stellen Stoffe dar, die in destilliertem Wasser nicht das Leiten des elektrischen Stroms fördert, wie z.B. Zucker.
[9] Die Indizes (s) und (g) stehen für den Aggregatzustand. Dabei bedeutet (s) solid (fest) und (g) gaseous (gasförmig).
[10] Schwefelsäure kann in zwei Stufen dissoziieren. Die erste Stufe dissoziiert in Hydronium - Ionen und Hydrogensulfat - Anionen. H2SO4 H+(aq) + HSO4- (aq)
[11] Für die Dissoziation des Wassers gilt die Gleichung H2O H+ + OH-. Das Ionenprodukt ist dabei das Produkt aus der Konzetration an Hydronium – und Hydroxid-Ionen. Im neutralen Bereich liegen diese im Verhältnis 1:1 vor, so dass von gleichen Anteilen ausgegangen werden kann. Man spricht auch vom Protolysegleichgewicht des Wassers.
[12] Bzw. der Konzentration H3O+ - Ionen.
[13] Der Begriff Teilchen wird im Fortgang immer dann verwendet, wenn verschiedene Arten von „kleinsten Teilchen“, also Atome, Ionen oder Moleküle/Verbindungen, unter einem Begriff zusammengefasst werden.
[14] Brönsted und Lowry nannten es protogene (Säuren) und protophile (Basen) Stoffe.
[15] So ist z.B. das Wasser ein Ampholyt, da es zu H+ und OH- - Ionen dissoziieren kann (Protonenabgabe), aber auch Protonen (unter Bildung von H3O+ - Ionen) aufnehmen kann.
[16] Ammoniak wirkt als schwache Base. Es reagiert mit Wasser unter Bildung von Wasser in folgender Art und Weise:
NH3 + H2O NH4+ + OH-
[17] Eine Liste verschiedener Säuren- und Basenkonstanten sind im Anhang 1 zu finden.
[18] Mit Valenz der Elektronen ist ihre Rolle bei der Theorie der chemischen Bindung (= Valenz) gemeint.
[19] „ Die Tendenz der Atome, eine stabile Außenschale von acht Elektronen zu erreichen, wird Oktettregel genannt “ (Riedel 1988, S. 82).
[20] Eine kovalente Bindung ist charakterisiert durch zwei Atome, die sich in einer Verbindung ein Elektronenpaar teilen (z.B. Chlorwasserstoff, HCl).
[21] „ Eine ionische Bindung bildet sich durch Übertragung von Elektronen von einem Atom auf ein anderes. Sie besteht in der anziehenden Wechselwirkung zwischen den Ionen, die infolge des Elektronenübergangs entstanden “ (Atkins 1993, S. 365).
[22] Als Valenzschale wird die äußerste, nicht voll besetzte Elektronenschale bezeichnet.
[23] Die Deformierbarkeit der Elektronenhülle der Atome.
[24] Elektronegativität bezeichnet die relative Fähigkeit von Atomen, Elektronen anderer Atome anzuziehen.
[25] Sonderstellung, da sich die Hydroxid – Ionen erst bilden und nicht durch reine Dissoziationsprozesse „in die Lösung kommen“.
[26] Für das Kapitel „Das chemische Gleichgewicht“ sind die Löslichkeit von Gips und die Lebensdauer von Halogenlampen (S. 104) solche Anknüpfungspunkte.
[27] Darunter werden Kalkablagerungen in der Waschmaschine oder in Wasserkochern verstanden.
[28] Bei Dünnsäure handelt es sich um verdünnte und verunreinigte Schwefelsäure, die als Abfallprodukt in der Industrie anfällt. In dem Buch wird das Problem der Entsorgung bzw. des „Recyclings“ dieser Säure unter Naturschutzaspekten betrachtet.
[29] Nach Arrhenius ist Natronlauge zwar eine Base, da sie OH- - Ionen abspaltet, doch nach Brönsted enthält sie nur die Base OH-.
[30] Das Ostwald´sche Verdünnungsgesetz besagt, dass der Protolysegrad eines Stoffes in wässriger Lösung proportional zu der Quadratwurzel der Verdünnung ist.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Musli (Autor:in), 2004, Säure–Base–Reaktionen: Empirische Erhebung zu Schülervorstellungen und Vorschläge zu deren Korrektur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76713
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