Munoz Molina - El Invierno En Lisboa und Der Harte Krimi


Seminararbeit, 2001

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Über den Autor

3. Inhaltsangabe

4. Der harte Krimi - Entstehung und Charakterisierung
4.1 Die Vorreiter des hard-boiled Krimi
4.2 Die Sprache der harten Krimis

5. El invierno en Lisboa - Ein harter Krimi?
5.1 Die Charaktere und ihre Welt
5.2 Die Sprache

6. Schlußfolgerung

7. Anhang
7.1 Auszug aus einem Hard-Boiled Slang Dictionnary:
7.2 Bilder

1. Einleitung

Antonio Muñoz Molina gehört der Schriftstellergeneration nach 1975 an. Diese Zeit, die mit dem Tod Francos eingeleitet wurde, stellt ein kulturelles Phänomen in Spanien dar. Dem spanische Schriftsteller fiel eine neue Rolle zu. Er sollte die Veränderungen, die sich durch den Tod Francos ergaben, in seinen Werken verarbeiten. Die Gegenwart, die Politik, die Rolle der Frau, die Gesellschaft und nicht zuletzt die Erholung von der Vergangenheit sollten Themen seiner Werke sein. Es entstand eine neue Generation von Autoren, in die sich neben Eduardo Mendoza oder Juan José Millás auch Antonio Muñoz Molina als jüngster Verfasser einreiht.

Antonio Muñoz Molina schreibt Romane mit verschiedensten Inhalten. In Der Putsch, der nie stattfand beschreibt er beispielsweise die Situation Spaniens gegen Ende des Francoregimes, während Los misterios de Madrid eine Parodie auf den Kriminalroman ist, um nur zwei Beispiele für die Vielseitigkeit von Muñoz Molina zu nennen. Der Roman El invierno en Lisboa ist eine Verbindung aus Krimi und Liebesgeschichte. Er beinhaltet Strukturen des sogenannten harten Krimis, der als eine Subgattung des Thrillers verstanden werden kann, und ist doch stilistisch eigenständig. El invierno en Lisboa, der außerdem als Hommage an den Film und die Jazzmusik gilt, wurde mit zwei Preisen ausgezeichnet und in Spanien als Ereignis gefeiert.

Im nun Folgenden soll der Roman vor dem Hintergrund des harten Krimis, wie er von Hammett und Chandler geschrieben wurde, genauer untersucht werden.

2. Über den Autor

Antonio Muñoz Molina wurde 1956 in Úbeda, Andalusien in Spanien geboren und studierte zunächst neben Kunstgeschichte Journalismus in Madrid. Er arbeitete als Verwaltungsbeamter und Journalist. 1986 wurde er durch seinen Roman Beatus Ille bekannt, welcher den Premio Icaro erhielt. Sein Werk El invierno en Lisboa wurde 1987 mit dem Premio de la Critica und dem Premio Nacional de Literatura ausgezeichnet. El invierno de Lisboa und Beltenebros wurden durch Pilar Miró verfilmt. Zwei weitere Preise erhielt er für das Buch El jinete polaco im Jahre 1991 und 1992.

In der verglichenermaßen kurzen Zeit seiner Tätigkeit als Schriftsteller von 14 Jahren hat es Antonio Muñoz Molina geschafft, eine einzigartige Karriere zu machen und zu einem der bedeutendsten und meistgelesenen Autor der neuen spanischen Schriftstellergeneration zu werden. Mit 39 Jahren wurde er in die Real Academia de las Letras Españoles aufgenommen. Er, der sich selbst als Anhänger Edgar Allen Poes bezeichnet, ist einer der größten europäischen Krimiautoren der heutigen Zeit.[1] Seine Werke erhielten in Argentinien und Frankreich besonders große Anerkennung und wurden in viele verschiedene Sprachen übersetzt.

Derzeit verfolgt der fünfundvierzigjährige Antonio Muñoz Molina wieder seine Karriere als Journalist, lebt in Granada und schreibt wöchentliche Beiträge für die spanische Zeitung El Pais.

Weitere Werke von ihm sind u.a.: Pleniluni, Carlota Fainberg,
Beatus Ille, Los misterios de Madrid, Pura alegría und Beltenbros.

3. Inhaltsangabe

Santiago Biralbo, ein begnadeter Jazzpianist, trifft in einer Bar in Madrid einen alten Saufkumpanen, wieder. Dieser erfährt nach und nach, was Biralbo in den letzten Jahren erlebt hat.

Biralbo hatte in San Sebastián in einer Bar gespielt und dort eine Frau, Lucrecia, kennengelernt. Nach einer kurzen Affäre geht Lucrecia mit ihrem Mann Malcolm, einem zwiespältigen Bilderhändler, nach Berlin. Der Kontakt zwischen ihr und Biralbo reißt ab, aber nach zwei Jahren steht sie wieder vor Biralbos Tür mit der Bitte, sie nach Lissabon zu bringen, was Biralbo auch tut. Danach bricht der Kontakt erneut ab. Erst als Biralbo seinen Freund, den berühmten Trompeter Billy Swann, in Lissabon im Krankenhaus besucht, sieht er Lucrecia scheinbar zufällig in einem Zug sitzen; sie beachtet ihn jedoch nicht. Dann tauchen Malcolm und sein Komplize Morton mit seiner Sekretärin Daphne auf und verfolgen Biralbo. Sie verdächtigen ihn, über ein Bild im Wert von eineinhalb Millionen Dollar Bescheid zu wissen, welches Lucrecia aus einem Büro entwendet hatte. Da er weder über das Bild Bescheid weiß, noch Lucrecias Aufenthaltsort kennt, flieht Biralbo.

Billy Swann teilt Biralbo Lucrecias Aufenthaltsort mit. Er fährt mit der Straßenbahn dorthin. Unterwegs taucht Malcolm wieder auf. Es kommt zum Kampf, in dem Biralbo Malcolm tötet. Lucrecia, die tatsächlich das Bild entwendet und zu Bargeld gemacht hatte, verhilft Biralbo zu einem falschen Paß, mit dem er der Verfolgung von Malcolms Komplizen entkommen kann. Auch Lucrecia taucht unter.

Nachdem der anonyme Saufkumpane die ganze Geschichte erfahren hat, verschwindet Biralbo, der nun Giacomo Dolphin heißt, urplötzlich. Lucrecia erscheint und fragt den Freund nach ihm. Dann verschwindet auch sie, denn Morton und Daphne sind ihnen wieder auf den Fersen.

4. Der harte Krimi - Entstehung und Charakterisierung

Vor 1920 waren die meisten der sogenannten Pulpautoren mehr oder weniger Imitatoren der englischen Pioniere. Die meisten ihrer Geschichten entstanden auf Basis stereotypischer Elemente im Stil der Sherlock Holmes Romane. Brillante Detektive lösten Fälle, die für die Polizei zu knifflig und verstrickt waren.[2]

Der harte Krimi, oder auch Kriminalroman der hard-boiled school genannt, entstand mit der Gründung des Pulpmagazines Black Mask durch Henry L. Mencken und George J. Nathan im Jahre 1920. Der hard-boiled Krimi entwickelte sich ähnlich wie der Spionageroman aus dem Heftromankrimi. Heftromane gab es in den USA seit etwa 1860. Im Gegensatz zu den vorausgegangenen Kolportageromanen, die als Handlungsort die Prairie hatten und dessen Helden Westernfiguren wie beispielsweise Buffalo Bill waren, wurde für den Heftromankrimi die Handlung in die Stadt verlegt. Helden wie Nick Carter oder der aus der neueren Generation dieser Krimihefte stammende Jerry Cotton dürften weitläufig bekannt sein.

Der harte Krimi formte nun ein neues Heldenbild, welches sich bald nach der Gründung des Magazines herauskristallisierte und was sich als publikumswirksam erwies. Die Leser konnten sich mit der Umwelt des Helden gut identifizieren, denn er war für sie Teil ihrer eigenen Realität, die sich in von Gangsterbanden regierten Städten abspielte, die voller sozialer Probleme war und in der das Individuum auf der Suche seiner Identität ist. Der Wunsch nach einem moralisch sauberen Held war groß, so konnte dieses neue Heldenbild des "tough guys" (harten Kerls) sich schnell durchsetzen.[3]

Früher wie heute erfreut sich der harte Krimi der Verehrung einer großen Kultgemeinde, besonders im deutschen Sprachgebiet. Aber auch die literarische Kritik begegnet ihm mit besonderem Respekt, was bedeutet, daß er alles andere als nur triviale Lektüre ist. Dennoch gibt es kaum eine Art von Kriminalgeschichte über die soviel Gutes als auch Schlechtes gesagt wird. Oft wird der Vorwurf der Brutalisierung und dem Aufruf an die niederen Instinkte durch Gewaltverherrlichung und unmoralischem Verhalten laut, der sich aber zumeist weniger an die Begründer dieses Genres als an deren Nachfolger richtet.[4] Heute gibt es neben dem klassischen harten Krimi eine Reihe von Nachahmungen, aber auch Abwandlungen, die allesamt im Kontrast zum konventionellen Detektivroman stehen. In diese neuere Generation des harten Krimis reiht sich auch El invierno en Lisboa ein.

4.1 Die Vorreiter des hard-boiled Krimi

"Play with murder enough and it gets you one of two ways. It makes you sick, or you get to like it." [5]

Als Vorreiter dieser neuen Form des Krimis, welche sich in nur sehr kurzer Zeit entwickelte, sind Dashiell Hammet und später Raymond Chandler zu nennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dashiell Hammet wurde 1894 in S. Mary's County, Maryland geboren und starb 1961 in New York. Bei ihm sind biographische Einflüsse in sein Werk in großem Umfang enthalten. Nachdem er schon früh die Schule verlassen hatte, und sich dann mit mehreren Jobs über Wasser hielt, begann er für die amerikanische Agentur Pinkerton als Privatdetektiv zu arbeiten. Nach der Gründung von Black Mask schrieb er dann regelmäßig für dieses Magazin Kriminalgeschichten, und ab 1929 in kurzer Zeit eine Reihe von Romanen wie z.B. The Maltese Falcon oder The Thin Man, die

für ihn den literarischen Durchbruch bedeuten.

Inhaltlich beschäftigen sich die Werke Hammetts mit solchen Dingen wie beispielsweise Korruption. Die Stadt ist meist Ort der Handlung, und Geschehnisse werden realistisch dargestellt. Häufige Charaktere sind neben Politikern auch Frauen oder Gangsterbanden. Dem Detektiv kommt eine besondere Rolle zu. Im Gegensatz zu den Detektiven im Stil eines Sherlock Holmes ist der Detektiv Hammetts von stark veränderlicher Natur. Selbst in verschiedenen Romanen und Geschichten wiederkehrende Charaktere wie z.B. Mr. Continental weisen von Geschichte zu Geschichte so unterschiedliche Merkmale auf, daß man glauben könnte, es handele sich um verschiedene Personen. Mal ist der Detektiv Hammets ehrbarer Privatier und Ehemann, mal Mitarbeiter eines zweifelhaften Lokalpolitikers. Dies ist Teil des Grundkonzeptes des harten Krimis, in der alle Personen und Gegebenheiten als unbestimmbar und z.T. auch mysteriös dargestellt werden.[6] Der Großteil der Personen des Plots ist schwer einschätzbar, übertritt die Gesetze, lügt, betrügt und ist nicht zuletzt häufig auch käuflich, was sich in den Handlungen und Beziehungen unter- bzw. zueinander zeigt. Dennoch hat der Detektiv seine Prinzipien, die ihn ehrbar machen. Sam Spade, ein weiterer Romanheld Hammetts, ist beispielsweise absolut kundenloyal und der Justiz treu.

Die Welt von Hammetts Krimis ist nicht in Ordnung und gilt von Anfang an als unveränderlich. Hier hat der tough guy, der Held, die Aufgabe, die Verhältnisse zu ordnen. Dabei wird alles Dingliche zum einzigen Festen und Gewissen. Die Orte der Handlung haben kaum etwas Privates, sondern sind vorwiegend öffentlich und unpersönlich. Hotelzimmer, Büros oder Kneipen sind öfter zu finden, als ein trautes Heim, und es werden fast nur Gebrauchsgegenstände beschrieben. Auch was die Personen betrifft beschränken sich Beschreibungen auf Äußerliches wie Kleidung oder die Art sich eine Zigarette zu drehen.

Die Sprache ist eher nebensächlich, die Äußerungen und Beziehungen der Personen untereinander eher körperlicher Natur und haben als Inhalt vor allem Dinge wie Schlagen, Bedrohen, Miteinandertrinken oder Miteinanderschlafen.[7]

Der zweite wichtige Vertreter der Gattung des hard-boiled Krimis ist Raymond Chandler, der aus Chicago stammt und von 1888 bis 1959 lebte. Er wurde vor allem durch seine gesellschaftskritischen Romane bekannt und war außerdem Drehbuchautor u.a. für die Filme von Alfred Hitchcock. Eins von Chandlers Zielen war es, "[...] den Detektivroman zu ernstzunehmender Literatur zu machen."[8] Der in England aufgewachsene Autor wird damals wie heute jedoch von vielen Lesern als zu düster empfunden. Für andere ist diese Düsterkeit aber genau das, was ihnen großen Lesespaß bedeutet. Auch wird ihm oft vorgeworfen, daß seine Plots unstrukturiert und ohne Logik und Zusammenhang seien. Dies bestätigt auch Chandler selbst. Allerdings wird er sehr oft wegen seines brillanten Schreibstils und seiner bemerkenswerten Fähigkeit, sich in der englischen Sprache auszudrücken gelobt. Seine Beschreibungen, Dialoge und Reflexionen über das Leben gelten als besonders lebhaft.[9]

Eines von Chandlers bekanntesten Werken ist The Big Sleep aus dem Jahre 1939. Sein Aufsatz The Simple Art Of Murder, der 1950 erschien, ist eine "polemische Attacke auf den Detektivroman klassischen Typs"[10]. Chandler beschreibt in diesem Aufsatz nicht nur den Einfluß Edgar Allen Poes auf den modernen Kriminalroman, sondern auch den idealen Detektiv, der als Held und Erlöser in den Krimis der harten Schule auftritt. Das Genre des harten Krimis ist für ihn "a sort of demonic anti-pastoral in which "laws" of probability are continually defied, and its primary truth of the human heart is that men and women, though more frequently women (if they are beautiful), are rotten to the core."[11] Der Held, also der Detektiv, der Geschichte soll in erster Linie ehrlich sein. Er darf nicht böse bzw. bösartig sein und weder Angst haben, noch ein beflecktes Wesen haben. Er muß gewöhnlich und doch ungewöhnlich zugleich und der beste Mann in seinem Umfeld sein. Er darf nicht käuflich sein, aber stolz und vor allem einsam. Er soll als Traumbild des männlichen Lesers gelten und die weibliche Fantasie anregen, jedoch nicht als räuberischer Verführer auftreten.

[...]


[1] Vgl.: Sherzer, William: "Muñoz Molina o la persistencia del Robinzon Urbano", http://www.web2mil.com/marcha/oct98.html, 1998.

[2] The Pulp Page, http://www.columbia.edu/~mfs10/pulp_hard.html, 1999.

[3] Vgl.: Nusser, Peter: Der Kriminalroman. In: Sammlung Metzler, Realien zur Literatur, Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart-Weimar, 1992, S. 126-127.

[4] Vgl.: Suerbaum, Ulrich: Krimi - Eine Analyse der Gattung, Reclam, Stuttgart, 1984, S. 127-131.

[5] Dashiel Hammet, Hard Boiled Mysteries, The Pulp Page, http://www.columbia.edu/~mfs10/pulp_hard.html, 1999.

[6] Vgl.: Suerbaum, Ulrich: Krimi - Eine Analyse der Gattung, Reclam, Stuttgart, 1984, S. 131-132.

[7] Vgl.: Suerbaum, Ulrich: Krimi - Eine Analyse der Gattung, Reclam, Stuttgart, 1984, S. 137.

[8] Vgl.: Suerbaum, Ulrich: Krimi, S. 140.

[9] Vgl.: Grost, Michael E., A Guide to Classic Mystery and Detection, http://members.aol.com/mg4273/chandler.htm, Detroit, 1996-2001.

[10] Suerbaum, Ulrich: Krimi, S. 140.

[11] Oates, Joyce C., The Simple Art of Murder: The Novels of Raymond Chandler, http://www.usis.usemb.se/sft/142/sf14213.htm, 1995, The New York Review of Books.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Munoz Molina - El Invierno En Lisboa und Der Harte Krimi
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Romanische Philologie)
Veranstaltung
Proseminar Munoz Molina
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
24
Katalognummer
V7672
ISBN (eBook)
9783638148474
Dateigröße
824 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Roman El invierno en Lisboa ist eine Verbindung aus Krimi und Liebesgeschichte. Er beinhaltet Strukturen des sogenannten harten Krimis, der als eine Subgattung des Thrillers verstanden werden kann, und ist doch stilistisch eigenständig. El invierno en Lisboa , der außerdem als Hommage an den Film und die Jazzmusik gilt, wurde mit zwei Preisen ausgezeichnet und in Spanien als Ereignis gefeiert. In dieser Hausarbeit soll der Roman vor dem Hintergrund des harten Krimis, wie er von Hammett und Chandler geschrieben wurde, genauer untersucht werden. 431 KB
Schlagworte
Munoz Molina, harter Krimi, hardboiled crime, femme fatale, Chandler, Hammett, Krimi, Winter in Lissabon
Arbeit zitieren
Marion Musch (Autor:in), 2001, Munoz Molina - El Invierno En Lisboa und Der Harte Krimi, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7672

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