Digitaler Raum - Vom Internet zur virtuellen Realität


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

2. Einleitung

3. Netzwelten
3.1 Spielräume postmoderner Identitäten
3.2 Neuer Raum für Alle

4. Virtuelle Realität
4.1 Immersive Bildwelten
4.2 Interface – der Schlüssel zum digitalen Raum
4.3 Der Körper tritt auf
4.4 Medienkunst

5. Von Medienutopien zum Holodeck?

6. Literaturverzeichnis

2. Einleitung

Philosophen, Soziologen, Künstler und Filmemacher befassen sich bereits seit einigen Jahren intensiv mit der Frage, was mit einer Gesellschaft geschieht, wenn die virtuelle Welt einst so real erlebt werden kann wie die Realität. Der kulturelle Kontext einer Gesellschaft befindet sich mit den technischen Neuentwicklungen immer in einem Interdependenzgeflecht. Durch die selbstverständlich gewordene Computernutzung entsteht eine Mensch-Maschine Schnittestelle, die die Standortfrage und Identität des Nutzers neu bewertet. Identitäten können im Internet frei gewählt werden. Der Nutzer konstruiert einen Netzkörper, der jegliche physische Authentizität aufhebt. Foren, Internetseiten, Mailinglisten und Kontaktbörsen lassen eine neue Form von Öffentlichkeit entstehen.

Die Struktur des Internets erhält räumlichen Charakter, wenn auch nur auf einer metaphorischen Ebene. Im Internet bleibt die Botschaft vom Körper getrennt.

Im Bereich der Medienkunst entstehen jedoch Installationen, Modelle und Environments, die ein multisensorisches Eintauchen in einen Datenraum ermöglichen. Mit Hilfe von Interfaces kann sich der User durch qualitativ neue Welten bewegen. Das entwicklen solcher Illusionstechnologien findet sich in der Menschheitsgeschichte immer wieder, so Oliver Grau. In den imersiven virtuellen Welten der Medienkunst enstehen digitale Räume, die nicht nur auditive und visuelle, sondern auch taktile Sinne erreichen. Digitale Technik lässt Räume entstehen, durch die sich der User nicht nur visuell bewegen kann, sondern solche die multidimensional wahrnehmbar werden. Ein radikaler (paradigmatischer) Wandel der bisherigen Wirklichkeitswahrnehmungen ist mit jedem neuen Medium eingetreten (Linearperspektive, Fotografie, Film u.s.w.). Welche Konsequenzen durch eine virtuelle Erweiterung der Wirklichkeit resultieren, ist noch nicht abzusehen. Ob ein agieren mit der Welt, zum agieren mit den Schnittstellen zur Welt wird, erscheint unter Berücksichtigung der alltäglichen Medienrezeption durchaus realistisch.

Mit dieser Arbeit versuche ich Schlagworte wie Identität, Interface, Körper und Raum in eine Entwicklungslinie zu integrieren, die ein Enstehen des „Digitalen Raums“, in dem reales Handeln simuliert werden kann, zu erklären versucht.

3. Netzwelten

Digitale Medien ermöglichen neue, bislang noch nicht gebräuchliche Formen der Informationsverarbeitung, - speicherung und - übertragung. Die digitale Technik hybridisiert alle vorangegangenen Medien und erzeugt neue Kommunikationsstrukturen. Diese Echtzeitkommunikation löst sich von der linearen Struktur der Broadcast-Medien, dem Sender-Empfänger-Schema, und erhebt Interaktivität zum Paradigma. Heute sind in Deutschland nahezu alle Haushalte verkabelt und besitzen somit theoretisch die Möglichkeit, sich Zugang zum Internet zu verschaffen. Unzählige Sozietätsmetaphern wie Globales Dorf, Cyberspace und Virtuelle Gemeinschaft verweisen auf die räumliche Struktur der neuen Medientechnologien, die zunehmend Akzeptanz breiter Bevölkerungsschichten finden. Jedoch sind die Erfahrungen, die in diesem computerprogrammierten, elektronischen, plötzlich neben die Realität tretenden Zusatzraum gemacht werden, qualitativ völlig neu.[1] Es entsteht eine Dopplung der Wirklichkeit in reale und virtuelle Realität. Der Körper ist im Netz nur noch als textlicher Entwurf vorhanden. Welche Konsequenzen können sich für die personale Identität sowie für den öffentlichen Raum ergeben, wenn dessen Funktionen in Netzwelten frei gewählt bzw. substituiert werden?

3.1 Spielräume postmoderner Identitäten

Der vormoderne Mensch ist fest eingebunden in traditionelle Bezüge. Ihm ist eine Reflexion über sich selbst, im Sinne eines individuellen Wesens mit persönlicher Identität noch fremd. Erst mit der Auflösung des traditionell gottzentrierten christlichen Weltbildes im Zuge der Aufklärung rückte der Mensch als soziales Wesen in den Mittelpunkt. Freiheit gewann gegenüber Traditionen und Konventionen an Bedeutung. Die in den 50er Jahren anbrechende Phase der Nachmoderne setzte die Menschen aus dem Sozialgeflecht – Klasse, Schicht, Geschlecht - der industriellen Gesellschaft frei, zugunsten individualisierter Existenzformen. Dieser Wegfall traditioneller Handlungsmuster führt zur Selbstorganisation des Lebenslaufes. Identität wird ein fortwährender Balanceakt des Subjekts, zwischen Verhaltenszumutungen, die von außen herangetragen werden, und Kontinuität, die man im eigenen Selbst aufrechterhalten möchte.[2]

Im Internet findet eine weitgehend hierarchiefreie Kommunikation statt. Der User wird zum Schöpfer eigener Online-Identitäten, da er nicht gezwungen ist, seine wahre soziale Identität preiszugeben. In einer gewöhnlichen face-to-face Situation beginnt man den Gegenüber zu kategorisieren anhand der unscharfen Informationen, die wir intuitiv wahrnehmen. Diese sozial ritualisierte Wahrnehmung äußerlicher Merkmale ist in der Netzkommunikation nun nicht mehr möglich. „Der materiale, geografische Raum als messbares, begeh- und erfahrbares Prüfungskriterium für Wirklichkeitsaussagen wird außer Kraft gesetzt.“[3] Person und Körper werden entkontextualisiert. Durch diesen erweiterten räumlichen Kommunikationsradius verlieren soziale Netzwerke ihre Begrenzung auf lokale Umfelde. Im Internet bestehen individuelle Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich sozialer Kontakte. Sherry Turkle beschreibt das Internet als Soziallabor für Experimente mit multiplen Identitätskonstruktionen.[4] „Heute müssen wir Identität in neuen Begriffen als einen Prozess der Identifizierung denken, und dies ist etwas anderes. Es ist etwas das sich mit der Zeit ereignet, das niemals völlig stabil ist, das dem Spiel der Geschichte und dem Spiel der Differenz unterliegt.“[5] Das Spiel mit Identität im Internet ist allerdings nicht neu. So kann man die Anonymität der Großstadt, in der man sein Selbst fragmentarisieren kann, die Maskierung in der Fastnacht, die eine zeitlich begrenzte Gegenwelt bildet, oder das Crossdressing als eine kulturelle Form des Andersseins betrachten. In den digitalen virtuellen Welten, die momentan noch weitgehend auf textzentrierter Ebene zu erkunden sind, befindet man sich in einem Zustand prozessualer Identität, die man mit jedem Knopfdruck beliebig verändern kann. „Wenn das moderne >Problem der Identität< darin bestand, eine Identität zu konstruieren und sie fest und stabil zu halten, dann besteht das postmoderne >Problem der Identität< darin, die Festlegung zu vermeiden und sich die Optionen offenzuhalten.“[6]

3.2 Neuer Raum für Alle

Anhand der Struktur und der Substanz des Internets lassen sich Merkmale digitaler Räume veranschaulichen. Versteht man das Internet als einen virtuellen Raum, so stellt sich die Frage woran sich dessen räumliche Struktur festmacht. Das durch die euklidische Geometrie geprägte menschliche Raumverständnis der realen Welt lässt sich auf die computergenerierten diskontinuierlichen Welten des Internets kaum anwenden. Dennoch musste sich der öffentliche Raum zunehmend Funktionen mit dem virtuellen Raum teilen, in dem sich eine Öffentlichkeit zu bilden begann.[7] Durch die digitale Vernetzung entsteht ein vereinfachter Informationsaustausch und eine weitgehende Ortsunabhängigkeit. „Computernetze eröffneten einen virtuellen Raum, in dem viele bisher an Ort und Zeit gebundene Funktionen einwandern konnten.“[8] Physikalische Größen, wie Beschleunigung und Geschwindigkeit entkoppeln sich in virtuellen Welten von dem Begriff Mobilität. Das Agieren im virtuellen Raum ist weniger an Konventionen und Formalitäten gebunden und besitzt im Gegensatz zur Realität eine geringere Komplexität. Soziale Einbindung wird flexibel und unverbindlich. Für die komplizierten Interaktionsansprüche im öffentlichen Raum, die gewisse sozial eingespielte Interaktionsregeln im Senden und Empfangen von Nachrichten voraussetzen, stellt die medial vermittelte Interaktion ein Hilfsmittel dar. In Chat- und Newsgroups lassen sich, im Gegensatz zum heterogenen öffentlichen Raum, einfacher Kontakte knüpfen. In dem riesigen Angebot von ausdifferenzierten Kommunikations­portalen finden sich Menschen mit ähnlichen Interessen in gesonderten Bereichen zusammen.

[...]


[1] Vgl. BAHL, Anke (2002): Zwischen On- und Offline: Identität und Selbstdarstellung im Internet; kopaed-Verl., München, S.12f

[2] Vgl. BAHL, Anke (2002): S.14

[3] BAHL, Anke (2002): S.8

[4] Vgl. WILLAND, Ilka (2002): Chatroom statt Marktplatz: Identität und Kommunikation zwischen Öffentlichkeit und Privatheit; kopaed-Verl., München 5.2

[5] HALL, Stuart(1999): Ethnizität: Identität und Differenz, in: Jan Engelmann (Hg.): Die kleinen Unterschiede. Der Cultural Studies Reader; FaM/NY, S.91

[6] BAUMANN, Zygmunt (1997): Flaneure, Spieler und Touristen: Essays zu postmodernen Lebensformen; Hamburger Edition, Hamburg, S.133

[7] Vgl. STRUPPEK, Mirjam (2002): Interaktionsfeld – Öffentlicher Raum im digitalen Zeitalter, Kaiserslautern, Universität, Diss, S.43

[8] STRUPPEK, Mirjam (2002): S.43

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Digitaler Raum - Vom Internet zur virtuellen Realität
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Neuere deutsche Literatur/Medien)
Veranstaltung
Medienumbruch Analog/Digital
Note
1,4
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V76787
ISBN (eBook)
9783638823425
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Digitaler, Raum, Internet, Realität, Medienumbruch, Analog/Digital
Arbeit zitieren
Simon Hebler (Autor:in), 2007, Digitaler Raum - Vom Internet zur virtuellen Realität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76787

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