Fürstenwalde - Vom Ackerbürgerstädtchen zur Industriestadt


Hausarbeit, 2002

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Fürstenwalde, die Eisenbahn und das Pintschwerk - eine Erfolgsgeschichte
2.1. Fürstenwalde vor dem Bau der Eisenbahn
2.2. Die Eisenbahn kommt nach Fürstenwalde - Entwicklung der Berlin-Frankfurter und der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn
2.3. Fürstenwalde zwischen Bahnanschluß und Entstehung des Pintschzweigwerkes
2.4. Die Firma Pintsch
2.5. Nach der Ansiedlung des Pintschwerkes

3. Fazit
3.1. Zusammenfassung
3.2. Schlussfolgerungen

4. Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1. Quellen
4.2. Literatur

1. Einleitung

Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang Fürstenwalde an der Spree der Entwicklungssprung vom Ackerbürgerstädtchen, wie es von Peter Cheret charakterisiert wird, zu einem bedeutenden Industriestandort. Meine Arbeit widmet sich der Frage, wie es zu diesem Aufstieg kam und welche Faktoren dabei die größte Rolle spielen. Dazu werde ich insbesondere auf den Bau der Eisenbahnlinie und die Errichtung des Pintschwerkes in Fürstenwalde eingehen. Zwar gab es noch eine Vielzahl kleinerer Einflussgrößen, doch ihnen im einzelnen nachzuforschen, hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt.

Um zu Antworten auf die oben gestellten Fragen zu kommen, werde ich die Problematik aus drei unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Die erste ist die Perspektive der Stadt Fürstenwalde, welche zugleich den roten Faden der Arbeit bilden wird. Die anderen beiden, die Perspektive der Eisenbahngesellschaften und die der Firma Pintsch, werden dagegen als Exkurse in die Arbeit eingeflochten. Dabei werden Stadt-, Verkehrs- und Wirtschaftsgeschichte miteinander verknüpft.

Die Literaturlage ist im Falle Fürstenwaldes vergleichsweise gut. Besondere Erwähnung verdienen dabei die wirtschaftshistorisch orientierte Stadtgeschichte Peter Cherets und die von Peter Bley verfasste Geschichte der Eisenbahn zwischen Berlin und Frankfurt. Darüber hinaus existiert noch Reihe kleinerer Festschriften anlässlich von Jubiläen der Stadt, sowie Literatur über die Industriepioniere des 19. Jahrhunderts, die auch Julius Pintsch eines eigenen Artikels würdigen.

Die Quellen, sofern sie nicht im Krieg zerstört wurden, sind zumeist unveröffentlicht und werden daher nur nach der Literatur zitiert. Hier sind vor allem die Unterlagen des Fürstenwalder Stadtarchivs und die Berichte der Eisenbahngesellschaften zu nennen, die auch Cheret und Bley als Grundlage dienten.

2. Fürstenwalde, die Eisenbahn und das Pintschwerk - eine Erfolgsgeschichte

2.1. Fürstenwalde vor dem Bau der Eisenbahn

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unterschied sich Fürstenwalde kaum von anderen Kleinstädten Brandenburgs. Es war agrarisch geprägt und verfügte über keine nennenswerte Industrie. Die Einwohnerzahl betrug 1841 knapp 4.000. Lediglich als Getreidehandelsplatz und Mühlenstandort hatte die Stadt einige Bedeutung.

Das beginnende Industriezeitalter hatte vorerst hauptsächlich negative Auswirkungen auf Fürstenwalde. Die kleineren Handwerksbetriebe konnten nicht mit den aufstrebenden Fabriken konkurrieren, die ihre Produkte preisgünstiger und überregional verkauften. Die Produktion konzentrierte sich auf wenige Orte und Betriebe.1 Dem gegenüber wurden die Vorteile des technischen Fortschritts in Fürstenwalde nur langsam sichtbar: Eine erste, noch sehr bescheidene Straßenbeleuchtung ging 1832 in Betrieb.2 Die mittelalterliche Spreemühlenanlage wurde 1837 nach modernen Prinzipien als massiver Backsteinbau neu errichtet. Das führte zu einer Erhöhung der Produktion, so dass nun jährlich insgesamt 7.500 t Mehl nach Berlin und Frankfurt geliefert werden konnten.3

Der Hauptgrund für die nur langsame wirtschaftliche Entwicklung Fürstenwaldes war der Mangel an freiem Kapital. Die Wurzeln dieses Problems reichten bis in die Mitte des vorangegangenen Jahrhunderts zurück. Die wirtschaftliche Belastung der Stadt wurde durch den preußischen Staat stetig vergrößert, indem er immer höhere Abgaben forderte, zugleich aber die Rechte der Stadt beschnitt. 1754/55 beispielsweise wurde Fürstenwalde durch den Staat verpflichtet, zinslose Darlehen zur Stützung der königlichen Wollmagazine auszuzahlen. Diese Darlehen wurden nie vollständig zurückgezahlt.4 Nicht zuletzt war auch die französische Besatzung 1806-1809 mit wirtschaftlichen Lasten verbunden, die sich nachteilig auf die Entwicklung Fürstenwaldes auswirkten.

Ein ebenfalls sehr bedeutender Faktor für die Entwicklung Fürstenwaldes war seine Lage im Verkehrsnetz, denn die Entwicklung jeder Stadt hängt immer auch von der Anbindung an andere, vor allem größere Städte ab. Fürstenwalde ist in dieser Hinsicht durch seine geographische Lage im Warschau-Berliner Urstromtal begünstigt, da es hier weder Berge noch andere natürliche Hindernisse zu überwinden gibt. Vielmehr befindet sich Fürstenwalde direkt an der Spree und verfügt damit über eine bequeme und belastbare Verbindung in Richtung Westen: nach Berlin, und weiter über die Havel bis zur Elbe.

Allerdings hatte Fürstenwalde von dieser Verbindung seit der Aufhebung des Niederlagerechts (mit der Einrichtung der Frankfurter Ablage auf halbem Weg zwischen Fürstenwalde und Frankfurt 1588) keinen besonderen Nutzen mehr, weil der Verkehr nun größtenteils an der Stadt vorbei lief.5 In östlicher Richtung war die Spree für die Schifffahrt nur wenig interessant, da sie bald hinter Fürstenwalde nach Süden abbiegt.

Im Straßennetz spielte Fürstenwalde keine besondere Rolle. Es lag schon im Mittelalter abseits größerer Handelsstraßen, die eher nördlich über Müncheberg und Tempelberg bzw. südlich über Mittenwalde und Beeskow verliefen.6 Auch der Bau der Chausseen im 18. Jahrhundert brachte hier keine Änderung, da auch sie Fürstenwalde nicht berührten.7

Im frühen 19. Jahrhundert brachte der technische Fortschritt ein neues Verkehrsmittel auf den Plan: die Eisenbahn. Mit dem Übergreifen der Industriellen Revolution auf Deutschland kam die Eisenbahn auch nach Preußen, wo die erste Strecke im Herbst 1838 zwischen Berlin und Potsdam in Dienst genommen wurde. Da der Betrieb von Eisenbahnen eine hohe Rendite einzubringen versprach, sollte die erste Strecke nicht die einzige bleiben.

2.2. Die Eisenbahn kommt nach Fürstenwalde - Entwicklung der Berlin-Frankfurter und der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn

Bereits im Sommer des Jahres 1836 gründete sich die Berlin-Frankfurter Eisenbahn-Gesellschaft (BFE). Sie setzte ihre Hoffnung vor allem auf den Verkehr zwischen den beiden Endbahnhöfen: man rechnete mit der wachsenden Bedeutung Frankfurts, insbesondere als Messestadt.

Die ersten Entwürfe wurden noch im selben Jahr entwickelt.8 Da die rechtlichen Grundlagen des Eisenbahnbaus erst im November 1838 mit dem Gesetzüber die Eisenbahn-Unternehmungen im Preu ß ischen Staate undüber die Verhältnisse der Eisenbahngesellschaften zum Staate und zum Publicum geschaffen wurden, kam es jedoch zu Verzögerungen, so dass erst am 15. Mai 1841 die endgültige Genehmigung durch den preußischen König erging.9 Der Bau der Strecke ging dann vergleichsweise schnell vonstatten, denn schon anderthalb Jahre später, am 23. Oktober 1842 wurde die Strecke - zunächst noch eingleisig - eröffnet. Haltepunkte waren Berlin, Köpenick, Erkner, Fürstenwalde, Briesen und Frankfurt.

Die BFE wies einige Besonderheiten auf, die sie von anderen Bahnen unterschieden. Der Fuhrpark entsprach nämlich - trotz englischer Spurbreite10 - dem amerikanischen Muster, da der leitende Ingenieur Christian Friedrich Zimpel seine Erfahrungen nicht in Europa, sondern in den USA gesammelt hatte. Aus demselben Grund verfügte die BFE zwar über leistungsstärkere Loks als andere Eisenbahnen, die Wagen allerdings galten als unbequemer. Außerdem gab es noch eine echte Kuriosität. Die BFE hatte nämlich zusätzlich zu den üblichen Wagenklassen noch einen weiteren Wagentyp zur Personenbeförderung eingeführt: einen offenen Stehwagen, der sich am ehesten mit einem Leiterwagen auf Schienen vergleichen ließ.11

[...]


1 Cheret, 54f. beschreibt diese Entwicklung am Beispiel des Hauptgewerbes Fürstenwaldes: der Tuchmacher, deren Anzahl sich von 1800-1837 um 80% verringerte. Ähnliche Vorgänge lassen sich in Fürstenwalde aber auch bei den Brauereien beobachten. Vgl. Cheret, 59f. u. 125.

2 Wilke (1992), 28. Sie bestand aus 17 hängenden Öllampen und 5 Armlaternen.

3 Cheret, 58f. Insbesondere war die Beförderung des Getreides und die Reinigung automatisiert. Der Antrieb wurde nicht auf Dampf umgestellt, sondern erfolgte weiterhin durch die reichlich vorhandene Wasserkraft.

4 Cheret, 30-35.

5 Cheret, 22f.

6 Vgl. Heinrich, Gerd: Handelsstraßen des Mittelalters. 1300 - 1375 - 1600. Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin, Nachträge, Heft 5, Berlin / New York 1980.

7 Genau genommen erhielt Fürstenwalde erst mit dem Bau der Autobahn 1934/35 den Anschluss an das überregionale Straßennetz.

8 Am 24. Dezember 1838 legte der Geheime Oberbaurat Dr. August Leopold Crelle, der bereits den Entwurf der Potsdam-Berliner Eisenbahn bearbeitet hatte einen Ü berschläglichen Entwurf zu einer Eisenbahn zwischen Berlin und Frankfurt an der Oder vor. Vgl. Bley, 6-11.

9 Insbesondere das Problem der Enteignung des Grundeigentums, auf dem die Bahn gebaut werden sollte, bedurfte einer zufriedenstellenden Lösung.

10 Die englische Spur von 1435 mm hatte sich in Westeuropa gegen die breitere und deshalb technisch bessere amerikanische Spur durchgesetzt.

11 Allerdings war die Wahl der 4. Klasse nicht unbedingt mit einer Geldersparnis verbunden, da der Wagen keinerlei Schutz vor fliegenden Funken bot, und somit die Gefahr bestand, sich die Kleidung zu versengen. (Köhler, 46 erwähnt einen Mann, der aus diesem Grund andere Fahrgäste vor einer Besteigung dieses Wagens warnt. Allerdings bezieht Köhler diese Warnung fälschlicherweise auf die offenen Plattformen an den Stirnseiten der normalen Wagen.)

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Fürstenwalde - Vom Ackerbürgerstädtchen zur Industriestadt
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V76806
ISBN (eBook)
9783638821421
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fürstenwalde, Ackerbürgerstädtchen, Industriestadt, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Martin Miehe (Autor:in), 2002, Fürstenwalde - Vom Ackerbürgerstädtchen zur Industriestadt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76806

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