Pippin der Ältere - Urahn der Karolinger


Seminararbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Erben des weströmischen Reiches
1. Die Merowinger
2. Der Fall Brunichildes

III. Die Arnulfinger-Pippiniden
1. Pippin der Ältere
2. Bischof Arnulf von Metz
3. Karolingische Stammlandschaften

IV. Ergebnisse

Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Gedruckte Quellen
II. Literatur

I. Einleitung

Der Aufstieg der karolingischen Familie vom austrasischen Adelsgeschlecht zum dominierenden Element fränkischer Königsherrschaft und die damit verbundene Schwächung und endgültige Ablösung der merowingischen Dynastie, zählen zu den bedeutendsten und bemerkenswertesten Vorgängen des gesamten Mittelalters. Die karolingischen Könige prägten und formten die frühmittelalterliche europäische Landkarte wie kein anderes Herrschergeschlecht dieser Zeit und hinterließen als ihr Erbe ein fränkisches Großreich, welches nachhaltig die politische, kulturelle und religiöse Identität des europäischen Kontinents verändert hatte. Die Wiederbelebung des Kaiserkultes und die Kaiserkrönung Karls des Großen (800) standen dabei ohne Zweifel an der Spitze des karolingischen Aufstiegs und Hegemonialanspruchs. Weitere staatstragende Ereignisse dieser Epoche, vorrangig die Entstehung des Kirchenstaats (756), der karolingische „Staatsstreich“ (751) sowie die Eindämmung arabisch-muslimischer Ausdehnung (732) sind namentlich in den Karolingerkönigen Pippin dem Jüngeren bzw. Karl Martell fassbar und ebenfalls von großer Bedeutung für die spätere politische Entwicklung. Auch schon Jahrzehnte zuvor, in Zeiten nomineller Merowingerherrschaft, schien die karolingische Tradition mit Pippin dem Mittleren[1] ihren vermeintlich ersten großen „princeps Francorum“[2] vorweisen zu können, da er die Begründung der karolingischen Vorherrschaft im gesamten Frankenreich überhaupt erst möglich machte (687)[3]. Der augenscheinlich bemerkenswerte Aufstieg der Karolinger verlief jedoch nicht so geradlinig und etappenweise wie sich die bedeutendsten Ereignisse in Eckdaten ausdrücken lassen. Dem Erfolg standen zweifelsohne Rückschläge entgegen, die den Prozess des Erstarkens wieder verlangsamten und die Aussicht auf eine langfristige Machterhaltung schmälerten[4]. Jahrzehnte vor dem erfolgreichen Auftreten Pippins d. Mittleren, im frühen 7. Jahrhundert, tauchten erstmals die ältesten Stammväter der Karolinger auf: Bischof Arnulf von Metz und Pippin „der Ältere“. Durch die Heirat ihrer Kinder wurden zwei der einflussreichsten und bedeutendsten Familien Austrasiens, die Arnulfinger und die Pippiniden, dauerhaft miteinander verbunden und das karolingische Geschlecht überhaupt erst erschaffen[5]. Pippins und Arnulfs Schicksal kann jedoch nicht durch detailliert beschriebene Einzeldaten nachgezeichnet werden wie das bei ihren Nachkommen der Fall ist, da ihre unmittelbare Vergangenheit weitestgehend im Dunkel der Geschichte verborgen liegt. Die dürftige Quellenlage erlaubt urkundliches und erzählendes Wissen zusammenzutragen, doch der genauere Verlauf von einzelnen Ereignissen bleibt lückenhaft. Neben einer personengeschichtlichen Forschung wurde im Falle der beiden karolingischen Urahnen deshalb stets auch eine stark genealogisch-besitzgeschichtliche Interpretation hinzugezogen, um neue Erkenntnisse über die Besitzverhältnisse in bestimmten Teilen Austrasiens zu gewinnen. Die Frage nach den karolingischen Stammlandschaften stand dabei vereinzelt im Vordergrund wissenschaftlicher Interessen, da man den Einflussbereich und den Ursprung der Arnulfinger-Pippiniden zurückverfolgen wollte. Es lässt sich dabei deutlich erkennen, dass eine wichtige Machtgrundlage der beiden Spitzenahnen streubesitzähnliche Güter und Ländereien im austrasischen Teilreich waren. Weiterhin deuten Untersuchungen darauf hin, dass Arnulf und Pippin trotz üblicher Adelsfehden, wohl generell auf eine breite Unterstützung in ebenfalls begüterten Adelskreisen bauen konnten und dies der zweite Grund ihrer fabelhaften Ausgangsposition gewesen sei.

Auf den folgenden Seiten soll nach einer kurzen Hinführung, die den Auf- und Abstieg des merowingischen Geschlechts thematisiert, die politische Geschichte und das Schicksal Pippins d. Älteren zusammengefasst werden. Sinnvollerweise findet die Geschichte Arnulfs von Metz in groben Zügen ebenfalls Erwähnung, da beide Austrasier zusammen den ersten Grundstein für die Entstehung und den Aufstieg der karolingischen Dynastie legten und beide als Spitzenahnen gelten dürfen. Weiterhin sollen landschaftliche Beziehungen der Arnulfinger-Pippiniden zu ihren vermeintlichen Stammlandschaften mit in die Erläuterungen einfließen, um Stellung, Besitz und Herkunft Pippins genauer zu klären.

II. Die Erben des weströmischen Reiches

1. Die Merowinger

Die fränkische Geschichte ist für das Werden europäischer Reiche und Nationen wie beispielsweise Burgund, Frankreich oder Italien von essentieller Bedeutung. Die Franken gelten als Erben der „weströmischen Herrschaft in Gallien“[6] und standen vermittelnd zwischen Spätantike und Mittelalter. Sie transformierten und konservierten römische Einflüsse und waren ihr Reich war wohl das bedeutendste frühmittelalterliche Großreich. Die erste fränkische Dynastie, die der Merowinger, entstand aus einem Zusammenschluss von ehemals „unterworfenen, von Rom abhängigen Klientelstaaten“[7], die unter einer königlichen Instanz zusammengefasst waren. Der Ausgangspunkt des frühfränkischen Merowingerreichs liegt im heutigen Nordfrankreich wo die Salier die Herrschaft über die Stämme der Franken übernahmen. Chlodwig I., salfränkischer König und römischer Kommandant in der Provinz Belgica II, hatte 486/7 den Romanen Syagrius und damit die letzte römische Herrschaft in seinem Gebiet beseitigt. Er herrschte zwischen Somme und Loire, vereinte die fränkischen Stämme und war nach einem Teilerfolg über die Goten zum Christentum konvertiert. Chlodwig begründete, ausgehend von der salischen Stammesdominanz, durch eine beachtliche Expansivpolitik allmählich ein einheitliches fränkisches Großreich unter seiner alleinigen Herrschaft[8]. Das geschaffene Großreich spielte eine ebenbürtige Rolle gegenüber Westgoten und Ostgoten. Durch die Christianisierung und die Offenheit gegenüber der römischen Kultur war eine Verschmelzung von Gallorömern und Franken möglich, außerdem sicherte die Taufe die Unterstützung der gallischen Bischöfe. Gallorömische Traditionen, Rechts-, Militär- und Verwaltungsstrukturen wurden größtenteils übernommen und auch die Adelsschicht hatte in etwa die gleiche Struktur wie diejenige des untergegangenen Imperiums. Das fränkische Gebiet wurde somit romanisiert. Ähnlich wie bei den senatorischen Geschlechtern kristallisierte sich ein durch Reichtum, politische Macht und ererbten Status charakterisierter fränkischer Adel heraus, den es entweder schon vor der merowingischen Dynastie Chlodwigs gab oder der sich etwa zur selben Zeit entwickelt hatte.

Nach dem Tod Chlodwigs 511 wurde sein Erbe unter seinen Söhnen aufgeteilt. Diese Teilungsprozedur war von nun an jahrhundertelang geltendes Recht und wie sich herausstellen sollte ein folgenschwerer Präzedenzfall, da Erbstreitigkeiten und Neid die Herrschaft der folgenden Thronanwärter charakterisierten. Die Söhne Chlodwigs I. konnten zwar das Reich durch eine stabile Außenpolitik stark vergrößern, im Innern häuften sich allerdings familiäre Streitigkeiten um territorialen Machtzuwachs. Die Prätendenten waren sogar gewillt Brudermord zu begehen, um das eigene Teilreich zu vergrößern. Obwohl in mehrere Königreiche aufgeteilt, galt das Reich trotzdem als ein einziges gesamtes Herrschaftsgebiet, als „regnum Francorum“[9]. Drei Königreiche bildeten sich Mitte des 6. Jahrhunderts aus dem gesamtfränkischen Reich als lokale Machtzentren heraus: Austrasien, Neustrien und Burgund. Im, für diese Erörterung wichtigen, nordöstlichen Austrasien, einem Herrschaftsgebiet, dass sich zwischen Rhein und Maas bis in Teile der Champagne sowie Mittel- und Südgalliens erstreckte, kulminierte im 6. Jahrhundert die römische Kultur und der römische Einfluss war deutlich zu spüren. Trotzdem wurde Austrasien auch stark „germanisiert“ und die zentrale Macht lag vielmehr bei den adligen Landbesitzen als in den Städten. Die Stadt Metz bildete jedoch ein wichtiges geistiges und kulturelles Zentrum. Kennzeichnend für das 6. Jahrhundert, allerdings nicht nur für Austrasien, war das Erstarken des Adels, egal ob römischer oder germanischer Abstammung. Die Merowingerkönige Austrasiens waren durch diese Umstände in starkem Maße von Adelstendenzen konfrontiert, eine Kluft zwischen Adel und Königtum schien sich aufzutun[10].

2. Der Fall Brunichildes

Wirkten sich Differenzen zwischen Adel und Königtum oft unvorteilhaft für staatspolitische Entwicklungen oder etwa steuerpolitische Entscheidungen aus, wogen blutige Fehden und privater Streit innerhalb des Adels mindestens genauso schwer. Bei den Erzählungen des Gregor von Tours findet man jedenfalls keine Unterscheidung „(...)zwischen persönlichen und politischen Motiven(...)“[11] bei Fehden zwischen rivalisierenden Adelsparteien. Diese Kämpfe um Familienehre und Machtpolitik zeigen zum einen, dass man mit diesen Machenschaften nicht nur positive römische Einflüsse übernahm, zum anderen sind sie Indiz für die Unkontrollierbarkeit des Adels durch die Herrschaftsgewalt. Jedoch spielte eine dynastische Fehde innerhalb der Königsfamilie für den späteren Verlauf der merowinigischen Geschichte eine entscheidende Rolle und stürzte die Dynastie in eine tiefe Krise. Mit dem Tod des merowingischen Königs Chlothar I. im Jahr 560 war der letzte Sohn des großen Chlodwigs I. gestorben. Wie üblich wurde das Reich unter seinen Söhnen aufgeteilt, aber sogleich entbrannte ein über drei Generationen fortwährender Machtkampf um Familienehren sowie politische und territoriale Interessen. Namentlich war es ein blutiger Konflikt zwischen dem neustrischen König Chilperich I. (561-584) und seinem austrasischen Bruder König Sigibert I. (561-575), sowie nachfolgend ihren Söhnen. Vornehmlich ging es um das Erbe eines weiteren verstorbenen Bruders, doch die spätere Witwe Sigiberts namens Brunichilde und Chilperichs Frau Fredegund trugen ebenfalls einen intriganten Konflikt aus, der sich zunehmend ausweitete und schließlich eine Bedrohung für die Existenz der ganzen Familie der Merowinger darstellte. Brunichilde, die Tochter eines Westgotenherrschers, versuchte in diesem Krieg auf unbeugsame Art und Weise ihren dynastischen Willen gegen die Brüder ihres verstorbenen Ehegatten und zugleich gegen den erstarkten Adel durchzusetzen. Nicht zuletzt auf ihre Initiative hin fanden bis zum Ende des Familienkrieges 10 Merowingerkönige den Tod. Inmitten dieser Wirren treten Pippin d. Ä. und Arnulf von Metz erstmals aus dem Dunkel der Geschichte hervor. Die so genannte Chronik des Fredegar vermerkt nämlich wie es zum Ende des merowingischen Dynastiestreites kam: „Chlotharius factione Arnulfo et Pippino vel citeris procerebus Auster ingreditur“[12]. Pippin, Arnulf und „andere Große“ riefen demnach den neustrischen Teilherrscher Chlothar II. nach Austrasien, um in ihrer Adelsopposition gegen die Tyrannin Brunichilde Unterstützung zu erhalten. Brunichilde hatte zuvor Austrasien und Burgund unter ihre Kontrolle gebracht und dort als Regentin für ihre minderjährigen Enkel geherrscht. Der Widerstand gegen sie glückte und endete mit dem Tod Brunichildes, die letztlich auf grausame Art von Chlothar hingerichtet worden war. Der austrasische Adel unter Führung von Arnulf und Pippin hatte die merowingischen Thronkämpfe damit stark beeinflusst und entscheidend am Schicksal der merowingischen Dynastie mitgewirkt. Offenbar sind Pippins und Arnulfs Schicksale auch eng miteinander verknüpft gewesen, weil sie beide als austrasische Führungspersönlichkeiten in der Fredegarchronik angesprochen werden und somit in etwa den gleichen hervorragenden Status gehabt haben dürften. Sie scheinen sich gegen die monarchische Last Brunichildes verbündet zu haben. Aus dem Hilferuf nach Chlothar sollte jedoch nicht der Effekt einer erneuten monarchischen Dominanz resultieren. Beide wollten keinen neuen Tyrannen, der uneingeschränkt die Aristokratie in die Knie zwingt, sie wollten mehr Einfluss, mehr Mitspracherecht und mehr Freiheit. Ihre autonomen Bestrebungen konnten sich dynamischer entwickeln, nachdem mit Brunichilde die letzte Kraft des merowingischen Königtums verwirkt war. Mit ihrem Tod war die Vorherrschaft der merowingischen Dynastie langfristig dem Untergang geweiht. In Folge des Sieges der oppositionellen Oberen erließ Chlothar zügig ein Edikt, das die traditionellen Rechte des austrasischen Adels sicherte, denn er war zweifelsohne auf ihre Unterstützung angewiesen. Dieses „Pariser Edikt“[13] von 614 wurde als voller Erfolg für die erstarkten Adelsfamilien, allen voran die Arnulfinger und die Pippiniden, gewertet. Sie wurden vor neustrischer Überfremdung geschützt und konnten ein neues Selbstverständnis für ihre autonome Bestrebung und lokale Grundstruktur entwickeln[14]. Ein weiterer Absatz des Edikts schrieb die Beibehaltung des Hausmeieramtes in allen drei Teilreichen fest. Das Amt des „maior domus“ hatte sich seit dem 6. Jahrhundert zum wichtigsten Amt am merowingischen Königshof entwickelt: Aus der traditionellen „persönlichen Vertrauensstellung zum jeweiligen Herrscher“[15] resultierte eine immer festere Bindung zur Herrschaft, die in der Verwaltung des Königshofes und letztendlich sogar in der respektablen Leitung der Regierungsgewalt gipfelte. Das Hausmeieramt wurde schließlich erblich und konnte nicht mehr entzogen werden.

[...]


[1] Pippin „der Mittlere“ ist identisch mit Pippin II., vgl. Pippin „der Ältere“ ist gleichzusetzen mit Pippin I.

[2] Schieffer, Rudolf: Die Karolinger. 3., überarb. Auflage. Stuttgart, Berlin, Köln 2000, S. 28.

[3] In der Schlacht bei Tertry wurde 687 der innerfränkische Kampf zw. den Regionen Austrasien und Neustrien zugunsten des austrasischen karolingischen Adelsgeschlechts entschieden.

[4] Erwähnt sei hier der gescheiterte „Staatsstreich“ des Grimoald, Sohn Pippins des Älteren.

[5] Die Arnulfinger-Pippiniden wurden später in Karolinger umgetauft.

[6] Schneider, Reinhard: Das Frankenreich (OGG Bd. 2). 2., überarb. u. erw. Auflage. München 1990, S.1.

[7] Geary, Patrick J.: Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen. 2. Auflage. München 2003, S. 85.

[8] Vgl. Schneider, S. 12f.

[9] Geary, S. 122.

[10] Vgl. Geary, S. 124 ff.

[11] Geary, S. 126.

[12] Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici libri IV cum Continuationibus, ed. B. Krusch (MGH SS rer. Merov. 2, Hannover 1888, S. 140).

[13] Das Edikt befasste sich weiterhin mit klerikalen und administrativen Fragen.

[14] Vgl. Schieffer, S. 12 ff. und Geary, S.154-157.

[15] Schieffer, S.15.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Pippin der Ältere - Urahn der Karolinger
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Historisches Seminar - Abteilung für Mittelalterliche Geschichte)
Veranstaltung
PS Der Aufstieg der Karolinger (7./8. Jahrhundert)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V76890
ISBN (eBook)
9783638823920
ISBN (Buch)
9783638827188
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pippin, Urahn, Karolinger, Aufstieg, Karolinger, Jahrhundert)
Arbeit zitieren
Tobias Deppler (Autor:in), 2005, Pippin der Ältere - Urahn der Karolinger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76890

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