Sowohl bei Coetzees Disgrace als auch bei Nkosis Underground People wird deutlich, dass Klischees nicht zufällig bemüht werden, sondern, dass sie untrennbar mit der Darstellung von Machtverhältnissen verbunden sind. In diesem Zusammenhang liegt der Ironie bei beiden Autoren zweifelsfrei eine Kritik am sozialen Gefüge Südafrikas zugrunde, es jedoch bei einer solchen allgemeinen Deutung bewenden zu lassen, wäre zu einfach und würde wohl beiden Romanen nicht gerecht. Die Frage nach weiteren genauen Aussageabsichten der bewusst klischeebesetzten Darstellung lässt sich nicht für beide Romane gleichermaßen beantworten. Zur Lösung dieses Problems ist die angesprochene Ironie mit ihren teilweise komischen Aspekten in einem größeren Kontext zu betrachten.
War es zunächst mein Ziel gesetzt, die diskursive Darstellung Südafrikas mit seinen Unterschieden innerhalb der Bevölkerung repräsentativ anhand der Romane eines schwarzen sowie eines weißen Autors aufzuzeigen, so stellte sich während der Bearbeitung des Themas heraus, dass eine solche Analyse nicht allein aufgrund eines solchen ethnischen Unterscheidungskriteriums erfolge kann. Mit anderen Worten bedeutet das, dass es schlichtweg unmöglich ist, die Vermittlung eines ironischen beziehungsweise komischen Blickwinkels losgelöst von Genre und zeitlichen Handlungsrahmen zu betrachten. Hier liegt die Lösung für die zentrale Frage nach der Aussageintention beider Romane: Der ironische Unterton in Disgrace unterstreicht die zynische Reflexion des Protagonisten David Lurie, dessen trostlose Perspektive die einzige Sichtweise bleibt, der der Leser eine Vision vom vergangenen sowie vom neuen Südafrika nach der Apartheid entnehmen kann. Die Ironie in der Darstellung „europäischer“ Weißer und „afrikanischer“ Schwarzer ist nicht etwa Gegebstand einer Komödie, wie sie im Eingangszitat geschildert wird, sondern reflektiert, gefiltert durch Luries Zynismus, die ungeklärten Machtverhältnisse im ländlichen Südafrika und verweist somit auf eine ebenso ungeklärte Zukunft.
Die sparsame Verwendung solcher sprachlicher Bilder fügt sich in den subtilen Stil Coetzees ein; sie steht jedoch in keinem Verhältnis zu Nkosis ausführlichem Diskurs. Dieser quantitative Unterschied liegt in der Natur beider Romane, denn während bei Coetzee jedes sprachliche Bild die Hauptaussage von Disgrace, nämlich die Verschiebung der sozialen Machtverhältnisse, unterstützt, zeichnet Nkosi im Rückblick ein satirisches Bild Südafrikas während der Apartheid.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Fremde als Fiktion: Die sprachliche Darstellung des Unbekannten
- Lewis Nkosi: Underground People
- J.M. Coetzee: Disgrace
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Verwendung und Funktion stereotyper Vorstellungsbilder der schwarzen und weißen Bevölkerung Südafrikas in J.M. Coetzees Disgrace und Lewis Nkosis Underground People. Sie analysiert, wie diese Romane sprachliche Klischees zur Darstellung der ethnischen Unterschiede in Südafrika nutzen und welche Aussagen sie über die sozialen Machtverhältnisse in diesem Kontext treffen.
- Die Rolle des „Fremden“ in der sprachlichen Darstellung
- Die Bedeutung von Schein und Sein in der Komik der Romane
- Die Verbindung von Klischees mit Machtverhältnissen
- Die Ironie als Mittel der Kritik am sozialen Gefüge Südafrikas
- Der Einfluss von Genre und zeitlichen Handlungsrahmen auf die Darstellung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die zentralen Aspekte der Arbeit vor und führt die Thematik der Verwendung stereotyper Vorstellungsbilder in den beiden Romanen ein.
- Das Fremde als Fiktion: Dieses Kapitel diskutiert die Rolle der Sprache bei der Konstruktion des „Anderen“ und geht auf Edward Saids Analyse des Orientalismus ein.
- Lewis Nkosi: Underground People: Dieses Kapitel analysiert Nkosis Roman und untersucht, wie er stereotypische Bilder zur Darstellung der Machtverhältnisse in Südafrika einsetzt.
- J.M. Coetzee: Disgrace: Dieses Kapitel widmet sich Coetzees Roman und analysiert, wie er Klischees nutzt, um die Perspektive des weißen Protagonisten und die soziale Situation im neuen Südafrika zu beleuchten.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Südafrika, Apartheid, Stereotype, Klischees, Sprache, Ironie, Komik, Schein und Sein, Machtverhältnisse, soziale Strukturen, Disgrace, Underground People, Coetzee, Nkosi.
- Arbeit zitieren
- Judith Breuer (Autor:in), 2004, Südafrika im Diskurs: Zur Verwendung stereotyper Vorstellungsbilder in J. M. Coetzees "Disgrace" und Lewis Nkosis "Underground People", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76982