Verwandtschaftsbezeichnungen im kolumbianischen Spanisch


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Themenauswahl und Zielsetzung
1.2 Atlas Lingüístico-etnográfico de Colombia

2 Die Situation des Spanischen und der indigenen Sprachen in Kolumbien

3 Auswertung der Karten im ALEC
3.1 Karte 54 (abuela)
3.1.1 Wortbildung: Diminutive
3.1.2 Entwicklung und Gebrauch von Diminutiven
3.2 Karte 58 (hijo menor)
3.2.1 Morphosyntaktische Merkmale
3.2.2 Metaphorische Besonderheiten
3.2.3 Gesamtbetrachtung
3.3 Karte 61 (hijo ilegítimo)
3.3.1 Metaphorik: Pejorative
3.3.2 Wertneutrale Bezeichnungen ?
3.3.3 Positive Bewertung des Begriffs
3.3.4 Gesamtbetrachtung

4 Schlussbemerkung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Themenauswahl und Zielsetzung

Im Verlauf dieser Arbeit werde ich die lexikalischen Besonderheiten des lateinamerikanischen Spanisch am Beispiel von Verwandtschaftsbezeichnungen in Kolumbien herausstellen und erörtern. Um diesen verhältnismäßig weitläufigen Themenbereich einzugrenzen, beschränkt sich das von mir untersuchte Korpus auf die im Atlas Lingüístico-etnográfico de Colombia aufgeführten Anredeformen für abuela sowie für hijo menor und hijo ilegítimo.

Ausgehend von der linguistischen Analyse dieser Sprachkarten verfolge ich mit dieser Arbeit die Absicht, Unterschiede zwischen der Benennung von zwei verschiedenen Generationen innerhalb der Familie sowie einen eventuellen Kontrast zwischen traditionellen und unkonventionellen Familienverhältnissen aus den im Sprachatlas verzeichneten Antworten herzuleiten. Hierbei werde ich die Analyse nicht primär nach den jeweils auftretenden sprachlichen Merkmalen gliedern, die Grobgliederung erfolgt vielmehr nach den einzelnen oben aufgeführten Bezeichnungen, um die gegebenen hierarchischen Strukturen, wie beispielsweise Respekts- und Zuneigungsverhältnisse, nicht zu vermischen, da meine Ausführungen dahin zielen, einzelne sprachliche Phänomene in Relation zu familiären Verhältnisstrukturen zu setzen. Dabei stellt sich die Frage nach eventuellen besonderen Formulierungen des Respekts gegenüber älteren Familienmitgliedern sowie die Frage, in welchem Verhältnis die älteren Mitglieder der Familie gegenüber den Jüngeren stehen. Des Weiteren ist zu klären, wie die kolmbianischen Sprecher mit dem Tabubereich der unehelichen Kinder umgehen. Diese Fragen versuche ich mittels meiner Untersuchung zu klären.

1.2 Atlas Lingüístico-etnográfico de Colombia

Die Auswertung verschiedener Karten aus dem Atlas lingüístico-etnográfico de Colombia (ALEC) stellt die Grundlage meiner Arbeit dar.

Dieser Sprachatlas wurde als erstes der areallinguistischen Forschungsprojekte Lateinamerikas abgeschlossen. Für die Erstellung des Atlasses erarbeitete eine Forschungsgruppe des Instituto Caro y Cuervo in Bogotá unter der Leitung von Luis Flórez Fragestellungen zu 16 Sachbereichen.

Zunächst wurde das Gebiet Kolumbiens in fünf geographische Zonen eingeteilt, die insgesamt 262 Aufnahmeorte umfassen. Während der Datenerhebung wurden 2234 Personen im Alter von 30 bis 60 Jahren befragt, bei denen es sich hauptsächlich um Personen mit geringer Schulbildung oder Analphabeten handelte, die zudem den Großteil ihres Lebens in dem jeweiligen Aufnahmeort verbracht haben mussten. Diese Maßnahme wurde getroffen, um die eventuelle Vermischung regionaler Dialekte zu vermeiden, da man darum bemüht war, den Sprachatlas möglichst repräsentativ zu gestalten.

Der Erfolg dieser Bemühungen ist jedoch aus folgenden Gründen, die oft auch maßgeblich für fast alle Sprachatlanten sind, in Frage zu stellen:

Erstens wurden auch nur selten gegebene Antworten aufgezeichnet, die das Gesamtbild verfälschen können. Zweitens wurden, wie bereits oben erwähnt, nur wenig gebildete Personen befragt, so dass die einzelnen Sprachkarten kein differenziertes Panorama der Gesamtbevölkerung wiedergeben können. Drittens memorierten die Exploratoren die Fragen vor dem Gespräch und ließen sie in das frei geführte Interview einfließen, was zwar den Vorteil hat, dass die Antworten unter weniger künstlichen Bedingungen gegeben wurden, was aber grundsätzlich die Gefahr in sich birgt, dass die Befragenden einzelne Fragen vergessen, „ganz abgesehen davon, dass die Antworten nicht absolut vergleichbar sind, wenn die Fragen nicht standardisiert sind“ (vgl. Lausberg/Winkelmann, 2001, S.1049). Und letztlich ist die Aktualität eines solchen Sprachatlanten nur für kurze Zeit gewährleistet, da dessen Erstellung ein langwieriger Prozess ist (die Datenerhebung für den ALEC erstreckte sich über 17 Jahre) und da sich die Sprache zu schnell entwickelt, als dass immer wieder neue Ausgaben erstellt werden können.

All diese Kriterien für einen möglichen Mangel an Repräsentativität sind bei der Untersuchung der Sprachkarten zu berücksichtigen.

2 Die Situation des Spanischen und der indigenen Sprachen in Kolumbien

Kolumbien ist zwar flächenmäßig der viertgrößte Staat Lateinamerikas, nimmt jedoch bevölkerungsmäßig mit ca. 36 Millionen Einwohnern die zweite Position in Südamerika ein. Sprachpolitisch betrachtet ist im Laufe der Zeit ein starker Rückgang der indigenen Sprachen zu verzeichnen. Waren es vor Kolumbiens Kolonialzeit noch schätzungsweise 300 existierende amerindische Sprachen, so sind es heute nur noch 67 Sprachen, die von nicht mehr als 2 % der Bevölkerung gesprochen werden. Während das Spanische für 98% der Bevölkerung sowohl Vernakulär- als auch Verkehrssprache ist, ist in den indigenen Gebieten die jeweilige amerindische Sprache Vernakulärsprache und das Spanische ermöglicht die Kommunikation mit der außerindianischen Welt. Von den Spanischsprechern werden die indigenen Sprachen jedoch als minderwertig betrachtet. Dieser Zustand wurde erst in den 1980er Jahren von der Politik versucht zu beheben.

Mit der Verfassung von 1991 bricht Kolumbien mit der bisherigen antiindianischen Politik und setzt sich mit der Garantie, die indigenen Kulturen zu schützen, und der Erklärung der amerindischen Sprachen zu kooffiziellen Sprachen an die Spitze der seit einigen Jahren auch in anderen Ländern beobachtbaren politischen Änderungen zugunsten der autochthonen Völker. In Artikel 7 heißt es:

“El estado reconoce y protoge la diversidad étnica y cultural de la nación colombiana.”

Und Artikel 10 bestimmt den kooffiziellen Status der indigenen Sprachen und die verfassungsrechtliche Vorgabe der bilingualen

Erziehung:

“El castellano es el idioma oficial de Colombia. Las lenguas y dialectos

de los grupos étnicos son también oficiales en sus territorios. La enseñanza que se imparta en lascomunidades con tradiciones lingüísticas propias será bilingüe.” (vgl. Zimmermann, 1997, S.394)

Was das Spanisch in Kolumbien betrifft, so ist eine allgemeine Orientierung an Spanien, dem ehemaligen Mutterland, festzustellen. Diese basiert auf dem Bestreben, die Gültigkeit eines nicht allzu diversifizierten Spanisch als internationales Kommunikationsmittel zu gewährleisten. Die vom Instituto Caro y Cuervo herausgegebenen Grammatiken orientieren sich an der Sprache Cervantes, da es die Befürchtung gab, dass sich die einzelnen Dialekte des Spanischen in Lateinamerika derart herausbilden könnten, dass eine grenzüberschreitende Verständigung bald nicht mehr möglich sei, was zugleich die Einheit des amerikanischen Subkontinents gefährden könnte. Eine andere Ursache für die Orientierung am europäischen Spanisch liegt darin, dass die spanische Sprache aus dem siglo de oro für prestigeträchtiger gehalten wird als das Spanisch, das sich in Lateinamerika herausgebildet hat (vgl. Cuervo, 1872, S.6 ff.)

Da sich die Frage stellt, ob nun das Spanisch in Kolumbien durch den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz indigener Sprachen von eben diesen beeinflusst wird oder ob die Sprache gänzlich vom Vorbild des peninsulanischen Spanisch geprägt wird, wird sich die folgende Untersuchung der Sprachkarten auch auf den Aspekt des Einflusses der amerindischen Sprachen konzentrieren.

3 Auswertung der Karten im ALEC

3.1 Karte 54 (abuela)

Die beiden Karten der Bezeichnungen für abuelo und abuela unterscheiden sich nur im Bezug auf ihre geschlechterspezifischen Suffixe, weswegen ich an dieser Stelle lediglich die folgenden im ALEC angegebenen Bezeichnungen für abuela anführe:

abuelita, abuela, mamá señora, mamita señora, mamita, mama abuelita, mamá, mamá (Fulana), mamá abuela, mamacita, nona, mamá nona, abue, amá, güela, ita, lolita, madrecita, madrecita señora, mamá grande, mamá vieja, mamá viejita, mami, mi madre señora, mita, mi viejita, nana, vieja, viejita, nonita, por el nombre

Aufgrund der Tatsache, dass sich bei dieser Auflistung weder Metaphern noch Lehnbildungen oder Neologismen (Neubildungen) feststellen lassen, werde ich mich bei der weiteren Betrachtung auf das wesentliche gemeinsame lexikalische Merkmal der Diminutive konzentrieren, die hier 35% der gegebenen Antworten ausmachen, und die Karte im Hinblick auf Wortbildung analysieren.

3.1.1 Wortbildung: Diminutive

Nach P. W. Scholpp (2000, S. 78) sind – ito/ita sowie – ico/ica die in Kolumbien am häufigsten verwendeten Diminutivsuffixe. Die Suffigierung der Substantive hat folgende Funktionen:

Zunächst kann ein Diminutivsuffix die Zuneigung des Sprechers zum anwesenden oder nicht anwesenden Objekt ausdrücken. Dies ist die wichtigste und zugleich am häufigsten gebrauchte Funktion. Außerdem ist der Diminutiv ein sprachliches Mittel der Emphase, das sowohl die emotionale Verstärkung einer Handlung als auch die wertbezogene Hervorhebung eines Objektes ausdrücken kann. Als drittes führt Scholpp den Aspekt der Höflichkeit auf, die jedoch nur bei besonderen, tiefgehenden Beziehungen - vordringlich innerfamiliär - durch Diminutivsuffixe zum Ausdruck kommt. Des Weiteren wird der Diminutiv als sprachliches Mittel für einen Superlativ verwendet und, diesem entgegengesetzt, für Verkleinerungen, welches die ursprüngliche Bedeutung dieses sprachlichen Mittels ist. Der Aspekt der Verkleinerung spielt in der Praxis jedoch eine eher unwichtige Rolle. Als letzten Punkt nennt Scholpp die Funktion der Abwertung, zum Beispiel bei Berufsbezeichnungen.

Diese hier aufgeführten Funktionen können sich auch überschneiden. Im Falle der Variationen von abuela (abuelita, mamita, mamá abuelita, mamacita, ita, madrecita, madrecita señora, mamá viejita, mita, mi viejita, nonita) handelt es sich zum Beispiel um Zuneigung und Höflichkeit, die durch Gebrauch eines Diminutivsuffixes gleichzeitig vom Sprecher ausgedrückt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Verwandtschaftsbezeichnungen im kolumbianischen Spanisch
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V76985
ISBN (eBook)
9783638813020
ISBN (Buch)
9783640859917
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verwandtschaftsbezeichnungen, Spanisch
Arbeit zitieren
Judith Breuer (Autor:in), 2004, Verwandtschaftsbezeichnungen im kolumbianischen Spanisch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76985

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