Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch im öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleich


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Aufklärung, Beratung und Auskunft

3 Das Regelungsproblem im SGB I

4 Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs

5 Rechtsfolgen – Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch im Detail

6 Zusammenfassung und Fazit

7 Literaturverzeichnis

1 Einführung

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch stellt einen weiteren Baustein im System des öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs dar, das neben diesem einige weitere Entschädigungssysteme, wie etwa den Amtshaftungsanspruch oder den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch beinhaltet. (vgl. Benz 1998, S. 174).

Dieses System galt bis zur Entwicklung des sozialrechtlichen Herstell-ungsanpruchs als einzige Möglichkeit ein Fehlverhalten im Verwaltungshandeln auf Seiten der Sozialleistungsträger zu kompensieren. Die Wirksamkeit der bis dahin bestehenden Rechtsmittel im Sozialrecht kann allerdings als stark eingeschränkt angesehen werden was am Beispiel des Amtshaftungsanspruchs als auch des öffentlich-rechtlichen Folgen-beseitungsanspruchs deutlich wird.

Der Amtshaftungsanspruch als Rechtsmittel verlangt ein nachgewiesenes Verschulden des handelnden Beamten und gewährt den nötigen Schadensersatz ausschließlich in Form von Geldleistungen. Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch als weiterer Baustein zielt lediglich auf die Wiederherstellung des Zustandes ab, der vor der erfolgten Pflichtverletzung bestand. Dies bedeute zum Beispiel, dass eine verspätet erfolgte Antragstellung, ausgelöst durch eine fehlerhafte Beratung des Leistungsträgers, nicht kompensiert werden kann. Um eine Einschränkung durch die Schwächen dieser öffentlich-rechtlichen Ausgleichsansprüche zu vermeiden, wurde der sozialrechtliche Herstellungsanspruch eingeführt, um dem Leistungsberechtigten zu helfen seine Rechte im Wege der Naturalrestituion verwirklichen zu können, d. h. wenn die entstandenen Nachteile durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können. Die häufigste Anwendung findet der Herstellungsanspruch bei unterlassener oder falscher Beratung sowie Auskunft im Rahmen der §§ 14, 15 SGB I. (vgl. Gurgel / Otto 2007, S. 9). In den genannten Fällen geschieht dies vor allem bei der Aufhebung von rechtswidrigen Verwaltungsakten. (vgl. Benz 1998, S. 170).

Somit kann die Entwicklung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auf ein unzureichendes Haftungssystem im öffentlichen Recht zurückgeführt werden. (vgl. Kreßel 1994, S. 31). Einer genaueren Betrachtung möchte ich mich allerdings erst im weiteren Verlauf dieser Arbeit widmen.

Als wichtig für die Zuordnung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erachte ich die Tatsache, dass er in seiner Gestalt als Rechtsmittel gänzlich auf Richterrecht beruht, d. h. er findet keine Anwendung wenn für den vorliegenden Sachverhalt Klauseln oder Gesetze im Rahmen des Sozialgesetzbuches bestehen. Eine Sachverhaltskorrektur lässt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs auch nur dann vornehmen, wenn diese mit dem jeweiligen Gesetzestext im Einklang steht. Dies wird begründet durch die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, festgeschrieben in Art. 20 Abs. 3 GG, welcher einer Behörde rechtswidriges Handeln untersagt. (vgl. Benz 1998, S. 173).

Im Verlauf dieser Arbeit möchte ich darstellen, warum es zu Entstehung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gekommen ist. Im Rahmen dieser Fragestellung werde ich mich zunächst den §§ 13-15 SGB I widmen um die Beratungspflichten der Behörden gegenüber den Leistungsempfängern und Antragstellern darzustellen, welche die Grundlage für das Entstehen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bilden. Im Folgenden werde ich dann näher auf die Sachverhalte und Regelungsprobleme eingehen, welche schließlich konkret zur Entstehung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beigetragen haben, um anschließend die Voraussetzungen mit Bezug auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts näher zu betrachten. Schließen möchte ich mit einer detaillierten Beleuchtung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in seiner Anwendung im öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleich und einem zusammenfassenden Fazit.

2 Aufklärung, Beratung und Auskunft

Wie Gurgel / Otto in ihrem 2007 erschienen Werk bereits darstellten, findet der sozialrechtliche Herstellungsanspruch seine Anwendung am häufigsten bei einer unterlassenen oder falschen Beratung als auch Auskunft durch den zuständigen Leistungsträger. Diese dem Leistungsempfänger und Antragsteller gegenüber obliegenden Pflichten der Leistungsträger finden wir zusammengefasst in den §§ 13-15 SGB I. Unterschieden wird zwischen drei unterschiedlichen Formen der Beratungspflicht:

1. Die Aufklärung der Bevölkerung durch die zuständigen Leistungsträger, Verbände und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vereinigungen. Geregelt in § 13 SGB I.
2. Die Beratung über alle Rechte und Pflichten durch den jeweiligen Leistungsträger. Geregelt in § 14 SGB I.
3. Die Auskunft durch die nach Landesrecht zuständigen Stellen und Träger. Geregelt in § 15 SGB I.

Diese hier vollzogene Aufteilung der Beratungspflichten in Aufklärung, Beratung und Auskunft wird vom BSG jedoch nur selten verwandt. Vielmehr wird oft lediglich von der Pflicht zur Aufklärung oder Beratung gesprochen. (vgl. Funk 1994, S. 53).

Die in den §§ 13-15 SGB I geregelten Beratungspflichten möchte ich im Folgenden detaillierter darstellen:

1) § 13 SGB I ð Aufklärung

Hinter dem in § 13 SGB I zusammengefassten Begriff der Aufklärung verbirgt sich eine allgemeine Aufklärungspflicht der Gesamtbevölkerung, d. h. einer somit unbestimmten Menge von Personen die als solche nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Es besteht somit keine individuelle Aufklärungspflicht gegenüber einer bestimmten Person. Daher ist die Verwirklichung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im Rahmen des § 13 SGB I nur möglich aufgrund einer missverständlichen oder falschen Allgemeininformation, z. B. in einem vom Leistungsträger erstellten Info-Flyer. (vgl. Funk 1994, S. 53).

2) § 14 SGB I ð Beratung

Anders als im § 13 SGB I geregelt wird die Beratungspflicht im § 14 SGB I individuell auf eine bestimmte Person bezogen. Es handelt sich hier also um eine subjektive Beratungspflicht deren Anspruch sich auf natürliche und juristische Personen erstreckt.

a) Anlass der Beratung

Erster wichtiger Punkt im Bezug auf den § 14 SGB I ist die Notwendigkeit eines konkreten Beratungsanlasses bzw. eines berechtigten Interesses. Dies kann zum Beispiel das Beratungsbegehren des Antragstellers sein, welches sich aus den Umständen des Falls heraus ergibt. Dies bedeutet also, dass dieses Beratungsbedürfnis nicht nur vom Leistungsträger sondern auch vom Antragesteller selbst ausgehen kann, was die Behörde zur Beratung über die gesamten Zusammenhänge verpflichtet. Ein konkretes Beratungsbedürfnis besteht auch, wenn von Seiten des Leistungsträgers der Verdacht besteht, dass der Antragsteller einen Beratungswunsch äußern wird, ohne die Frage zu stellen ob er dies selbst tun kann.

b) Inhalt und Umfang der Beratung

Inhalt und Umfang der Beratung müssen dem Bedarf angepasst sein, welcher die Beratung ausgelöst hat. Sie muss zutreffend, vollständig und verständlich sein und kann sowohl in mündlicher, schriftlicher oder telefonischer Form erfolgen. Allerdings muss sie nicht alle erdenklichen Fallmöglichkeiten mit einbeziehen. Zum Beispiel ist der Leistungsträger nicht verpflichtet auf mögliche Nachteile hinzuweisen die entstehen, wenn der Leistungsnehmer von den zugeratenen Maßnahmen keinen Gebrauch macht. Zum Umfang der Beratung gehört auch, dass der Leistungsträger von seiner Amtsermittlungspflicht Gebrauch macht und den Leistungsempfänger

über alle klar zu Tage tretenden Gestaltungsmöglichkeiten des laufenden Verfahrens sowie ungeklärte Rechtslagen informiert, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und nicht nur seiner eigenen Rechtsauffassung zugrunde liegen.

c) Grenzen der Beratungspflicht

Die Beratungspflicht besteht nur innerhalb der rechtlichen Grenzen. Es findet zum Beispiel keine Belehrung über möglichen Missbrauch statt. Auch eine Belehrung über möglicherweise zukünftig in Kraft tretende Regelungen, zählt nicht zum Umfang der Beratungspflicht und verpflichtet den Leistungsträger nicht zum erneuten Aufgreifen des Verfahrens zugunsten des Leistungsempfängers. Des Weiteren ist der Leistungsträger ebenfalls nicht verpflichtet eine Beratung im Widerspruch zu den ihm vom Gesetzgeber auferlegten Aufgaben hinaus durchzuführen.

d) Beratung durch andere Stellen

Die Beratungspflicht ist nicht auf den Bereich des zuständigen Leistungsträgers beschränkt. D. h. Beratungspflichtverletzungen durch, arbeitsteilig in das Verwaltungsverfahren eingeschaltete Behörden oder Personen, können ebenfalls zum Entstehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führen. Man spricht hier von einer Funktionseinheit, zum Beispiel im Falle der Bundesagentur für Arbeit und dem Träger der Rentenversicherung, wenn der Wegfall oder eine Änderung der Leistungen für einen Arbeitslosen Auswirkungen auf dessen Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung haben können. (vgl. Funk 1994 S. 54-56; Benz 1998, S. 171-172; Gurgel / Otto 2007, S. 11)

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch im öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleich
Hochschule
Hochschule Fulda
Veranstaltung
Sozialrechtliche Grundlagen sozialen Handelns
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V77025
ISBN (eBook)
9783638815710
ISBN (Buch)
9783638816687
Dateigröße
397 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herstellungsanspruch, Nachteilsausgleich, Sozialrechtliche, Grundlagen, Handelns, Sozialrecht
Arbeit zitieren
Mathias Schäfer (Autor:in), 2007, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch im öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77025

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