Wissensbasierte Weiterentwicklung durch internationale Integration - Chancen für Newly Industrialized Countries im globalen Innovationswettbewerb


Examensarbeit, 2007

114 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungen

Tabellen

Abkürzungen

1 Einleitung
1.1 Thematische Einführung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Inhalt und Gliederung der Arbeit

2 Globalisierung versus Regionalisierung
2.1 Der Begriff der Globalisierung
2.2 Rahmenbedingungen der Globalisierung
2.3 Globalisierungsprozesse
2.4 Standortorganisation im Rahmen der Globalisierung
2.5 Regionalisierung

3 Wissens- und innovationsbasierte Regional- und Nationalentwicklung: Theoretische Grundlagen
3.1 Die Bedeutung wissensbasierter Wettbewerbsvorteile für NICs
3.2 Wissen
3.3 Lernen
3.4 Innovation
3.4.1 Begriffsdefinition
3.4.2 Der systemische Charakter von Innovationen
3.4.3 Raumwirksamkeit von Innovationen
3.5 Konzeptionelle Diskussion
3.6 Innovationssysteme
3.6.1 Das Konzept des nationalen Innovationssystems
3.6.2 Regionale Innovationssysteme
3.6.3 Nationale bzw. regionale Innovationssysteme als Analyserahmen
3.7 Spezifische Merkmale von nationalen Innovationssystemen in NICs

4 Möglichkeiten einer wissensbasierten Weiterentwicklung durch internationale Integration
4.1 Wissensquellen im Innovationssystem
4.2 Ausländische multinationale Unternehmen als Schrittmacher der wissensbasierten Weiterentwicklung
4.3 Internationaler Wissenstransfer
4.3.1 Formen und Kanäle des Wissenstransfers
4.3.2 Intrafirmentransfer
4.3.3 Interfirmentransfer
4.4 Wirkungen des internationalen Wissenstransfers
4.4.1 Lernprozesse auf betrieblicher Ebene
4.4.2 Wissenszuwachs und langfristiger technischer Fortschritt
4.5 Spillover-Effekte
4.6 Regionale Weiterentwicklung durch lokale Lernprozesse
4.7 Einfluss der spezifischen Merkmale nationaler Innovationssysteme in NICs
4.7.1 Politische Rahmenbedingungen
4.7.2 Soziokulturelle Einflüsse auf die technologisch-wirtschaftliche Entwicklung

5 Wissensbasierte Weiterentwicklung durch internationale Integration in asiatischen NICs
5.1 Wissensbasierte Aufholprozesse in China
5.1.1 Rahmenbedingungen der wissensbasierten Wirtschaftsentwicklung im chinesischen NIS
5.1.2 Internationaler Wissenstransfer in China
5.1.3 Zusammenfassung
5.2 Wissensbasierte Aufholprozesse in Thailand
5.2.2 Rahmenbedingungen der wissensbasierten Wirtschaftsentwicklung im thailändischen NIS
5.2.2 Internationaler Wissenstransfer in Thailand
5.2.3 Zusammenfassung
5.3 Vergleich der Chancen Chinas und Thailands im globalen Innovationswettbewerb

6 Diskussion

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis

Abbildungen

Abb. 1: Entwicklung der weltweiten Direktinvestitionen im Vergleich zum Wachstum des BIPs und des Exports in realen Werten

Abb. 2: Schritte der Wissensdiffusion und des Lernens

Abb. 3: Lineares Modell des technologischen Wandels

Abb. 4: Interaktives Innovationsmodell

Abb. 5: Zusammenspiel verschiedener Faktoren regionaler Innovationssysteme

Abb. 6: Spezifika nationaler Innovationssysteme von (asiatischen) NICs

Abb. 7: Modell eines kleinen spätindustrialisierten nationalen Innovationssystems

Abb. 8: Determinanten des Wissenstransfers

Abb. 9: Absorptionskapazität und Wissensbasis im technologischen Aufholprozess

Abb. 10: Intra- und Interfirmentransfer

Abb. 11: Standortwahl in Wertschöpfungsketten

Abb. 12: Lohnveredelung in der Bekleidungsindustrie: von Faktorkostenvorteilen zu wissensbasierten Vorteilen

Abb. 13: Superior regional cycle of learning with foreign MNCs in information technology

Abb. 14: Veränderung des BIPs 1978-2002

Abb. 15: Entwicklung der Exporte und Importe (Gesamtwerte in Mrd. US $)

Abb. 16: Ausländischer Kapitaltransfer nach China

Abb. 17: Motive zur Anwerbung bzw. Durchführung ausländischer Direktinvestitionen

Abb. 18: Wachstumsrate des BIPs in % (jährlich) in Thailand und anderen asiatischen NICs

Abb. 19: Veränderung der Exporte 1970-2003 in US $

Abb. 20: Nettozuströme von ausländischen Direktinvestitionen nach Thailand 1970-2003

Abb. 21: Qualifikationsstruktur der Beschäftigten in der Industrie 1997-2003

Abb. 22: F&E-Ausgaben als Anteil am BIP und entsprechend der Quelle

Tabellen

Tab. 1: Kanäle des internationalen Wissenstransfers

Tab. 2: Ansätze staatlicher Förderung von ausländischen Direktinvestitionen

Tab. 3: Eckdaten China

Tab. 4: Wandel der Sektoralstruktur

Tab. 5: Formales Bildungsniveau der chinesischen Bevölkerung

Tab. 6: Veränderung der Schulbesuchsrate

Tab. 7: F&E-Aufwendungen nach durchführenden Organisationen

Tab. 8: Nutzung, Finanzierung und Ausrichtung von Schulungen

Tab. 9: Inhalte von Schulungen

Tab. 10: Eckdaten Thailand

Tab. 11: Anteil technologischer Kategorien an den Industriegüterexporten (%)

Tab. 12: Bildungsausgaben in % des BIP

Tab. 13: F&E-Indikatoren im internationalen Vergleich 2001

Tab. 14: Vergleich wirtschaftlicher Eckdaten, Input- und Outputindikatoren in China und Thailand

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Thematische Einführung und Zielsetzung der Arbeit

Durch sinkende Transport- und Kommunikationskosten und den Abbau wirtschaftspolitischer Handelshemmnisse schreitet die Globalisierung der internationalen Produktion schnell voran. Das wirtschaftliche Wachstum von Regionen und eine raumwirtschaftliche Spezialisierung sind dabei nicht mehr alleine durch die Verfügbarkeit, die Akkumulation und die unterschiedlichen Preise der traditionellen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital zu erklären. Die heutige Weltwirtschaft ist durch die Globalisierung der Märkte, die Beschleunigung des technologischen Wandels durch immer kürzere Lebenszyklen und die Neuordnung industrieller Organisationsprozesse gekennzeichnet (vgl. Dicken 1998; Revilla Diez & Schätzl 2006). Wissen, Innovationen und technologische Entwicklung spielen im globalen Wettbewerb zwischen Unternehmen eine herausragende Rolle zur Erhaltung und Steigerung der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit.

Der wirtschaftliche Aufstieg von Schwellenländern beruhte bisher vornehmlich auf ihren Lohnkostenvorteilen. Der in den Industriestaaten schnell voranschreitende technologisch-wirtschaftliche Fortschritt und die unternehmerische globale Profitmaximierung machen es weniger entwickelten Ländern schwer, wissensbasierte Aufholprozesse zu vollziehen. In Zukunft wird sich allerdings der internationale Wettbewerb im Bereich der arbeitsintensiven Produktion verstärken. Um dennoch langfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es unverzichtbar für Regionen in Newly Industrialized Countries (NICs), eigene Produkt- und Prozessinnovationen sowie organisatorische Innovationen durchzusetzen (Revilla Diez & Schätzl 2006: 3). Da die meisten NICs nicht über eine ausreichende Wissensbasis und technologische Fähigkeiten verfügen, sind der Erwerb von externem Wissen und Lernprozesse auf verschiedenen Ebenen unerlässlich. Für NICs ist daher neben einer Anbindung an globale Produktionsnetzwerke vor allem eine Anbindung an internationale Wissensnetzwerke im Zuge der Globalisierung notwendig, um ihre technologische Leistungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit – und somit ihre Wettbewerbsfähigkeit im globalen Innovationswettbewerb - durch technologisches Upgrading zu verbessern[1]. Die vorliegende Arbeit wendet sich der Frage zu, ob es für Regionen in NICs Chancen für eine wissensbasierte Weiterentwicklung durch internationale Integration in globale Produktions- und Wissensnetzwerke gibt.

Ein Schwerpunkt wird auf die Entwicklung technologischer Leistungsfähigkeit von Regionen in NICs durch Lernprozesse bei Verflechtungen mit ausländischen multinationalen Unternehmen (MNU) gelegt, da diese in der Regel die treibenden Kräfte des internationalen Wissenstransfers sind und regionale Lernprozesse anregen können (vgl. Pack & Saggi 1997; Dicken 1998: 248 ff.; Fromhold-Eisebith 2002). Als Analyserahmen dient das Konzept der nationalen Innovationssysteme (NIS), wobei die Auswirkungen spezifischer Merkmale nationaler Innovationssysteme in Newly Industrialized Countries auf die Chancen einer wissensbasierten Weiterentwicklung besonders berücksichtigt werden.

Seit Mitte der 1990er Jahren sind in der Innovationsforschung zunehmend konzeptionelle Arbeiten über regionale Innovationssysteme (RIS) entstanden (Cooke 1996, 1998; Braczyk et al. 1998; Cooke, Uranga & Etxebarria 1998; Asheim &

Cooke 1999). Diese betonen die Bedeutung regionaler Umfeldbedingungen, Netzwerke und Marktbeziehungen für die Innovativität. Die regionale Einbindung von MNU in derartige lokale Beziehungssysteme begünstigt den Wissenstransfer und das technologische Upgrading (vgl. Fromhold-Eisebith 2001). Neben der nationalen und globalen Ebene wird daher auch die regionale Ebene bei der späteren Analyse der Chancen einer wissensbasierten Weiterentwicklung einbezogen.

Im Mittelpunkt der Analyse stehen NICs, da diese aufgrund ihrer dynamischen Entwicklung besonders interessant erscheinen. Sie zeichnen sich durch ihr überdurchschnittliches industrielles Wachstum aus und befinden sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium des technologischen Upgradings. Zudem verfügen sie im Gegensatz zu weniger entwickelten Ländern bereits über einige grundlegende Voraussetzungen, die für Investitionen ausländischer multinationaler Unternehmen erfüllt sein müssen (politische Stabilität, einigermaßen zuverlässige Infrastruktur etc.). Die Entwicklung der NICs ist von hoher weltwirtschaftlicher und –politischer Bedeutung. In Kapitel 5 werden wesentliche Inhalte der theoretischen Ausführungen der Arbeit anhand von China und Thailand exemplarisch dargestellt.

1.2 Inhalt und Gliederung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit ist in zwei Teile gegliedert:

Im ersten Teil (Kapitel 2 bis 4), dem Hauptteil der Arbeit, werden die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen der Fragestellung differenziert behandelt.

Nach der Darstellung einiger grundlegender und für die Fragestellung der Arbeit relevanter Globalisierungs- und Regionalisierungsprozesse (Kapitel 2) werden in Kapitel 3 Definitionen, Überlegungen und Theorien zu Bestimmungsfaktoren, Auswirkungen und regionalen Implikationen des Wissenstransfers vorgestellt (Kapitel 3.1 bis 3.4).

Weiterhin werden unterschiedliche konzeptionelle Zugänge für die Analyse von Chancen einer wissensbasierten Weiterentwicklung in NICs diskutiert. Anschließend wird das Konzept der nationalen bzw. regionalen Innovationssysteme, welches im weiteren Verlauf der Arbeit als Analyserahmen dienen soll, ausführlicher erläutert und eine Modifikation des Konzepts für NICs wird vorgestellt (Kapitel 3.5 bis 3.7). Als differenzierterer Analyserahmen wird das von Fromhold-Eisebith entwickelte Modell der „Spezifika nationaler Innovationssysteme von (asiatischen) NICs mit Einfluss auf Beziehungssysteme in Technologieregionen“ (Fromhold-Eisebith 2001: 48) zur Erläuterung der Bestimmungsfaktoren des technologischen Upgradings verwendet sowie das „Modell eines kleinen spätindustrialisierten nationalen Innovationssystems“ von Wong (2001).

Es folgt die Diskussion von Möglichkeiten einer wissensbasierten Weiterentwicklung in NICs unter dem Einfluss nationaler Besonderheiten der NIS (Kapitel 4). Im Mittelpunkt der Diskussion stehen multinationale Unternehmen (MNU) als Auslöser von technologischen Lernprozessen. Nachdem verschiedene Möglichkeiten für NICs vorgestellt wurden, sollen auch die Auswirkungen auf die Region erläutert werden. Dafür wird das Modell des „Superior regional cycle of learning with foreign multinational companies (MNCs) in information technology (IT)“ von Fromhold-Eisebith (2002: 2159 ff.) herangezogen.

Im zweiten Teil der Arbeit (Kapitel 5) werden die im ersten Teil behandelten theoretischen Grundlagen anhand der asiatischen NICs China und Thailand exemplarisch untersucht.

Im Anschluss folgt eine abschließende Diskussion der gewonnenen Erkenntnisse, bei der auch Risiken bzw. Nachteile einer durch internationale Integration geprägten Entwicklung dargestellt werden (Kapitel 6).

2 Globalisierung versus Regionalisierung

Die Globalisierung als eine neue Qualität weltwirtschaftlicher Vernetzung hat eine Neubewertung und Reorganisation von Produktions- und Distributionsnetzen mit regional heterogenen Wirkungen verursacht (vgl. Dicken 1998). Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob es trotz oder gerade wegen dieser Veränderungen Chancen für einen wirtschaftlichen Anschluss von NICs bzw. Regionen in NICs an die Industrieländer gibt.

Um die Chancen von NICs im globalen Innovationswettbewerb zu analysieren, ist es erforderlich, zunächst einige grundlegende Aspekte und Prozesse der Weltwirtschaft darzustellen.

2.1 Der Begriff der Globalisierung

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat sich die Weltwirtschaft grundlegend verändert. Internationalisierungstendenzen wirtschaftlicher Aktivitäten gibt es bereits lange. Ein Beispiel dafür ist der internationale Handel mit Gewürzen oder exotischen Früchten zur Zeit des Kolonialismus. Die Produktionsprozesse waren bis dahin aber vor allem auf die nationale Wirtschaft konzentriert. Seit den 1950er Jahren wird ökonomisches Handeln zunehmend aus dem physischen Raum entankert. Nach Giddens (1997: 85) führt das Herauslösen von Handlungszusammenhängen aus territorialen Bezügen dazu, dass sich soziale Beziehungen weltweit intensivieren und „entfernte Orte in solcher Weise miteinander verbunden werden, dass Ereignisse am einen Ort durch Vorgänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen, und umgekehrt.“ Zunehmend weniger Industrien sind heute nur auf den lokalen, regionalen oder nationalen Markt ausgerichtet. Vielmehr ist eine wachsende Zahl wirtschaftlicher Aktivitäten in einen globalen Kontext eingebunden (Dicken 1998: 1 f.).

Der Prozess der Intensivierung weltweiter wirtschaftlicher, kultureller, politischer und sozialer Beziehungen und der Integration von Märkten, Wirtschaftssektoren und Produktionssystemen als Folge des Handelns mächtiger Akteure wie multinationaler Unternehmen oder einzelner Nationalstaaten wird als Globalisierung bezeichnet (vgl. Schamp 1996, Giddens 1997; Johnston et al. 2002). Der Begriff der Globalisierung ist sehr allgemein und umfasst zahlreiche globale Prozesse. Im der vorliegenden Arbeit wird vor allem die ökonomische Globalisierung behandelt.

Nach Schamp ist Globalisierung definiert als „...historischer Prozess, in dem mächtige Akteure eine weltweite Integration von Wirtschaftssektoren und Produktionssystemen bewirken, die zuvor territorial weitgehend getrennt waren.“ (Schamp 1996: 209).

2.2 Rahmenbedingungen der Globalisierung

Die Entwicklung zu einer neuen Form des integrierten Weltwirtschaftssystems konnte nur im Kontext der Veränderung verschiedener Rahmenbedingungen auf internationaler Ebene erfolgen (vgl. Chesnais 1992; Amin & Thrift 1994; Schamp 1996). Zu den wichtigsten institutionellen Veränderungen gehören die zunehmenden Bemühungen der Staaten um eine Deregulierung und Reregulierung des Außenhandels von Gütern und Dienstleistungen, z.B. im GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) bzw. in der WTO (World Trade Organization), aber auch die Entwicklung einer transnationalen Wirtschaftsdiplomatie (z.B. G7; vgl. Amin & Thrift 1994). Zudem erklären die weitgehende Deregulierung der Finanzmärkte und die Schaffung internationaler Liquidität, wie z.B. auf den Euro-Märkten, das Wachstum der Weltwirtschaft. Die dadurch entstandenen globalen Finanzmärkte bilden die Basis für eine starke Ausdehnung internationaler Kredite, was multinationalen Unternehmen wiederum die Finanzierung von Direktinvestitionen erheblich erleichtert hat (vgl. Schamp 1996, 2000).

Die vielleicht grundlegendste Voraussetzung für Globalisierungsprozesse sind technische und organisatorische Innovationen. Neue Informations-, Kommunikations- und logistische Technologien, so genannte space-shrinking-technologies (Dicken 1998: 151 ff.), ermöglichen seit dem 20. Jahrhundert das time-space-compression-Phänomen (vgl. Harvey 1990), die verstärkte Loslösung sozialer und ökonomischer Interaktionen aus Zeit und Raum. Distanzen können heute durch Innovationen in der Luftfahrt, durch Hochgeschwindigkeitszüge sowie andere neue Transporttechnologien in viel kürzerer Zeit überwunden werden. Die Mobilität von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Informationen steigt somit und Entfernungen schrumpfen (vgl. Blotevogel 2000). Durch Innovationen im Bereich der Kommunikationstechnologien wie Internet, Intranet, Email oder Videokonferenzen ist ein Austausch von Informationen in Echtzeit möglich und es entsteht eine virtuelle Nähe. Erst die Neuerungen im Bereich der Telekommunikation haben die weltweite Koordination und Kontrolle von Aktivitäten innerhalb eines globalen Unternehmens und zwischen solchen möglich gemacht (Schamp 1996: 208). Castells (1996) spricht in diesem Zusammenhang von einer informationellen Gesellschaft.

Auch der Handel von Kapital ist in einem weltweit integrierten Finanzsystem räumlich und zeitlich immer weniger limitiert (Dicken 1998: 399 ff.; Bathelt & Glückler 2002: 264). Durch technische Innovationen konnten zudem die Transportkosten für Waren und Informationen radikal gesenkt werden (Schamp1996: 208).

2.3 Globalisierungsprozesse

Die quantitativ und qualitativ zunehmenden ökonomischen Verflechtungen im Weltwirtschaftssystem lassen sich insbesondere auf vier Ebenen feststellen.

Erstens haben sich einige Entwicklungsländer etwa seit den 1960er Jahren außerordentlich schnell industrialisiert, bei einer anhaltenden Deindustrialisierung der alten Industrieländer. Man spricht bei diesen Ländern von den Newly Industrialized Countries, die auch Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind. Der Terminus NIC wurde vom Development Assistance Committee der OECD geprägt und bezieht sich auf Länder, die der Kategorie nach noch den Entwicklungsländern zuzuordnen sind, die aber durch ein überdurchschnittliches industrielles Wachstum an der Schwelle zum Industrieland stehen (vgl. Wagner 1993; Wagner & Kaiser 1995: 19. f.). Der Be- griff des Schwellenlandes ist ein gängiges Synonym. Zu den Merkmalen von NICs gehören ein hoher Industrieanteil am Bruttosozialprodukt sowie ein relativ hohes Pro-Kopf-Einkommen (Brunotte et al. 2002). Weitere Messgrößen, die zur Kennzeichnung von NICs herangezogen werden, sind der Export von Industriegütern auf dem Weltmarkt (Henke 1990: 61 f.; Nohlen & Nuscheler 1993: 481 f.), der Anteil des Landes am Weltindustriegüterhandel, die Integration in Prozesse internationaler Arbeitsteilung, eine selbsttragende Wachstumsdynamik sowie qualitative Aspekte wie ein steigender Lebensstandard, die Verringerung der Armut und der sozialen Disparitäten (Chowdhuri & Islam 1993: 2 f.). Typische Merkmale von NICs sind die noch wenig entwickelten Zuliefererverflechtungen im Land sowie erhebliche Asymmetrien der nationalen wirtschaftlich-technologischen Entwicklung. International einheitliche Abgrenzungskriterien fehlen allerdings noch und eine eindeutige Zuordnung ist schwierig, da die Gruppe der Entwicklungsländer zunehmend heterogen ist und einzelne Staaten starke interne Disparitäten in Teilräumen aufweisen (Fromhold-Eisebith 2001: 6). Als klassische NICs gelten die vier kleinen Tiger (Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur). Laut Weltentwicklungsbericht sind diese aber mittlerweile in die Kategorie der hoch entwickelten Länder aufgerückt (World Bank 1999). Üblicherweise werden diese first tier NICs von den ihnen nachfolgenden second tier NICs unterschieden, wozu in der Regel Malaysia, Thailand, Indonesien, Phillipinen, China, die schon früher industrialisierten Länder Südamerikas und oft auch Indien gezählt werden (vgl. z.B. OECD 1992; Menzel 1994; UNIDO 1996; Koschatzky 1997).

Als zweite Ebene verdeutlicht der im Vergleich zur industriellen Warenproduktion überproportional gewachsene Welthandel die zunehmenden ökonomischen Verflechtungen. Dieser Anstieg ist dadurch zu erklären, dass Industrien immer weniger nur für die lokalen oder nationalen Märkte produzieren, sondern zunehmend für weltweite Märkte (Schamp 1996: 206 f.; Kulke 2004: 194). Drittens hat sich heute die weltumspannende Organisationsform der kapitalistischen multinationalen Unternehmen (MNU) bzw. transnationalen Unternehmen (TNU) weitgehend durchgesetzt (vgl. Amin & Thrift 1994; Dicken 1998: 177 ff.). Multinationale Unternehmen sind Mehrbetriebsunternehmungen, die in zahlreichen Ländern funktional eigenständige Produktionsstätten unterhalten und somit neben dem internationalen Handel auch eine internationale Produktionsorganisation besitzen. Während in multinationalen Unternehmen die weltweite Produktion hierarchisch vom Heimatstandort aus gesteuert wird, werden in transnationalen Unternehmen wichtige Kompetenzen und Koordina- tionsaufgaben dezentral gesteuert (Bathelt & Glückler 2002: 276 f.). Im Folgenden wird zusammenfassend der Begriff der multinationalen Unternehmen verwendet.

MNU gelten als der wichtigste Motor der Globalisierung (vgl. Dicken 1998). Einen Eindruck davon vermittelt das exponentielle Wachstum der Direktinvestitionen seit Mitte der 1980er Jahre (Schamp 1996; OECD 2002) (Abb. 1). Besonders die Länder der Triade sind durch Direktinvestitionen hochgradig untereinander verflochten (UNCTAD 1992).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Entwicklung der weltweiten Direktinvestitionen im Vergleich zum Wachstum des BIPs und des Exports in realen Werten (Schamp 1996: 207)

Mit der dritten Ebene der Globalisierungsprozesse verbunden ist die Ebene der Globalisierung von Produktionskonzepten. Innovative Ideen zur Organisation von Produk- tionsprozessen breiten sich global aus, so z.B. das Konzept der Flexibilisierung (Schamp 1996).

2.4 Standortorganisation im Rahmen der Globalisierung

Mit der zunehmenden Verlagerung von arbeitsintensiven Produktionen für den Weltmarkt in Entwicklungsländer entwickelte sich im 20. Jahrhundert eine neue internationale Arbeitsteilung (vgl. Fröbel et al. 1977; Dicken 1998: 2 f.). Es gab bereits zur Zeit des Kolonialismus eine Arbeitsteilung zwischen den heutigen Industrie- und Entwicklungsländern, diese war allerdings weniger komplex. Die Hauptfunktion der Entwicklungsländer bestand in der Bereitstellung von Rohstoffen für die Produktion in Industrieländern (Dicken 1998: 2 f.). Diese relativ einfachen Muster bestehen heute nicht mehr. Stattdessen werden einzelne Produktionsschritte in Entwicklungs- bzw. Schwellenländer verlagert (Outsourcing bzw. Standortverlagerung) und zudem entstehen neue Produktionszentren in NICs. In diesem Zusammenhang entwickeln sich in vielen Entwicklungsländern und NICs so genannte Export Processing Zones (Maquiladora Industries, Sonderwirtschaftszonen), zollfreie Produktionszonen, die ausländischen Investoren Anreize bieten sollen (vgl. UNCTAD 1994b; Dicken 1998; Fuchs 2001). Eine weitere Strategie von Unternehmen in einer globalisierten Weltwirtschaft ist das global sourcing, das heißt, die „globale Beschaffung unter Nutzung weltweiter Ressourcen (Sach-, Geld-, Humankapital)“ (Brunotte et al. 2002). Diese Strategie bietet Vorteile für Qualität und Know-how und erspart Zeit und Kosten.

Weiterhin entstehen durch die Globalisierung globale integrierte Fertigungsprozesse in MNU bzw. TNU oder internationalen Unternehmensnetzwerken (Dicken 1998: 201 ff.) sowie unternehmensübergreifende globale Warenketten (global commodity chains) (vgl. Gereffi 1994, 1996). Unter einer Warenkette versteht man die Verbindung eines Produktes vom Rohmaterial über die Herstellung bis zum Verkauf. Gereffi unterscheidet producer-driven und buyer-driven commodity chains. In produzentendominierten Warenketten erfolgt die Steuerung (z.B. von Produktqualität und Angebot) durch MNU bzw. TNU. Die führenden Unternehmen beeinflussen dabei in hohem Maße sowohl ihre Zulieferer als auch ihre Abnehmer. Als Beispiel ist die Automobilindustrie zu nennen (vgl. Gereffi 1994, 1996). In buyer-driven commodity chains dominieren Käuferunternehmen wie Großhändler und Markenproduzenten die Produktion im Hinblick auf Produkte, Farben, Schnitte und ähnliches. Diese Form einer globalen Warenkette ist im Bereich der Bekleidungsproduktion verbreitet (vgl. Gereffi 1994, 1996).

2.5 Regionalisierung

Trotz einer wachsenden globalen Vernetzung verliert die Region im Wirtschaftsgeschehen keineswegs an Bedeutung.

Giddens (1997: 85) versteht unter Globalisierung, dass „entfernte Orte in solcher Weise miteinander verbunden werden, dass Ereignisse am einen Ort durch Vorgänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen, und umgekehrt.“ In dieser Definition ist bereits die wechselseitige Beeinflussung von Tendenzen der Globalisierung und gleichzeitiger Regionalisierung angesprochen. Der Begriff der Glokalisierung impliziert den Bedeutungszuwachs regionaler Einbettung von unternehmerischem Handeln bei gleichzeitiger Globalisierung von Beschaffung und Absatz (vgl. Amin & Thrift 1994). Die Begriffe global und lokal sind keineswegs gegensätzlich, sondern stellen zwei Seiten einer Medaille dar. Die Regionalentwicklung wird in hohem Maße durch die Globalisierung der Wirtschaftsaktivitäten geprägt (vgl. Nuhn 1997). Weltweite Kontakte sind vor allem in Phasen bedeutsam, in denen neue Technologien entstehen. In Phasen der Reifung und produktionstechnischen Umsetzung werden nahräumige Netze bedeutsam (vgl. Oinas & Malecki 1999). Durch eine zunehmende Homogenisierung des Wirtschaftsraumes wächst zudem die Bedeutung einer regionalen Spezialisierung und der Herausbildung regionaler Kompetenzen, denn unterschiedliche regionale Kompetenzen sind gleichzeitig unterschiedliche Wettbewerbsvorteile (vgl. Porter 1998; Altenburg 2003). Die regionalisierte Entwicklung basiert nicht nur auf wirtschaftlichen Beziehungen, sondern auch auf einer sozialen Einbindung. Amin und Thrift benutzen hier den Begriff der „institutional thickness“ (Amin & Thrift 1994: 15). Die globale Wettbewerbsfähigkeit innovationsorientierter Unternehmen hängt erheblich von sozial und territorial eingebetteten, interaktiven Lernprozessen ab (vgl. Asheim & Cooke 1998, 1999). Technologieregionen werden zwar besonders stark durch globale wirtschaftliche Prozesse beeinflusst, letztlich spielen regionale wissensintensive Kooperationssysteme aber eine entscheidende Rolle bei der Frage, welche Räume zu den Globalisierungsgewinnern gehören (Fromhold-Eisebith 2001: 38).

Verschiedene Konzepte betonen die hohe Bedeutung räumlicher Nähe, die erst durch die gewandelten Anforderungen an industrielle Organisationsformen und Arbeitsweisen entstanden ist. Besonders im Innovationsprozess spielt räumliche Nähe eine große Rolle. Als theoretisch-konzeptionelle Grundlage sind hier das Konzept der Industriedistrikte (vgl. Marshall 1927; Brusco 1990; UNCTAD 1994a; Park 1996; Bathelt 1998; Maillat 1998; Fromhold-Eisebith 2001; Schamp 2000), das Konzept der Netzwerke/ Cluster (vgl. Porter 1993; Boschma & Kloosterman 2005) sowie das Konzept des Innovativen Milieus (vgl. Camagni 1991; Fromhold-Eisebith 2001; Grotz 1996; Maillat 1998; Schamp 2000) zu nennen.

Die Bedeutung regionaler Verflechtungen im Kontext der Globalisierung wurde bisher vor allem im Blick auf die Industriestaaten bewertet. Aber auch Entwicklungsländer und NICs werden zunehmend in die weltweiten Verflechtungen einbezogen. Der Partizipation einiger Räume steht die Marginalisierung anderer Räume gegenüber (OECD 1992: 257 ff.). Wirtschaftliche Globalisierung und regionalisierte Entwicklung erzeugen räumlich asymmetrische Muster (Fromhold-Eisebith 2001: 40).

3 Wissens- und innovationsbasierte Regional- und Nationalentwicklung: Theoretische Grundlagen

3.1 Die Bedeutung wissensbasierter Wettbewerbsvorteile für NICs

Wirtschaftliches Wachstum ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung eines Landes, da es wesentlich zur Reduzierung von Armut und zur Sicherung von Lebensstandards beiträgt. Ein angemessenes Wirtschaftswachstum kann nur durch die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen erreicht werden (Altenburg et al. 2004: 2). In der globalisierten Weltwirtschaft ist die raumwirtschaftliche Spezialisierung nicht mehr alleine durch die traditionellen Faktorkosten Boden, Arbeit und Kapital erklärbar (Altenburg 2003: 66; Boschma et al. 2003: 13). Da sich Kostenwettbewerb und Innovationswettbewerb der Unternehmen zunehmend verbinden, wird Wissen als Produktionsfaktor immer wichtiger (vgl. Schamp 2000; Altenburg 2003; Lo & Schamp 2003). Nationales oder regionales Wirtschaftswachstum sowie der technologische Wandel sind kaum denkbar ohne technischen Fortschritt (Schätzl 2003: 115). Die Steigerung der technologischen Leistungsfähigkeit und die Fähigkeit Innovationen hervorzubringen sind entscheidende Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit einer Region oder eines Standortes (Altenburg 2003: 66). Technologische Leistungsfähigkeit ist die „produktivitätssteigernde Anwendung technischen Wissens, das entweder im Inland produziert oder aus dem Ausland bezogen wurde“ (Beise & Belitz 1995: 222).

Industrieländer besitzen die Stärke, ständig technisch-organisatorische Neuerungen hervorzubringen. Der Produktionsfaktor Wissen dient zur Entwicklung neuer Produkte, Prozesse oder Organisationsverfahren. Diese Neuerungen sichern temporäre Monopole und erhalten somit die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand (Maskell et al.1998: 56 ff.; Liefner 2006: 2). Für Entwicklungsländer würde das bedeuten, dass neues Wissen für sie weitgehend unbedeutend ist, da sie aufgrund ihrer Faktorausstattung überwiegend einfache Produktionsschritte ausführen und in der Regel weder Produkte noch Produktionsverfahren selber entwickeln. Empirische Ergebnisse, nach denen Entwicklungsländer nur geringe Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen und kaum Erfolge in Form von Innovationen aufweisen (vgl. z.B. Nunnenkamp & Gundlach 1995), bestätigen diese Annahme.

Der wirtschaftliche Aufschwung von NICs beruhte bisher vor allem auf ihren Faktorkostenvorteilen und der Spezialisierung auf technologisch wenig komplexe Produktionsprozesse, für die keine relevanten Markteintrittsbarrieren bestehen (Altenburg 2003: 68; Revilla Diez & Schätzl 2006: 3). Faktorkostenbasierte Standorte gibt es in Entwicklungs- und Schwellenländern in großer Zahl und der Wettbewerb bei der Produktion wissensextensiver Produkte wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, zum einen durch die neuen Billiglohnländer Osteuropas und zum anderen durch tief greifende Rationalisierungen im Bereich der sach- und humankapitalintensiven Produktionen (Altenburg et al. 2004: 3; Revilla Diez & Schätzl 2006: 3). Für Entwicklungs- und Schwellenländer verschlechtern sich folglich die terms of trade (vgl. Kaplinsky 2000). Wissensbasierte Wettbewerbsvorteile zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie sehr spezifisch sind und Markteintrittsbarrieren schaffen. Wissensintensive Wertschöpfungsschritte erfordern die Fähigkeit, hochaktuelles Wissen aus verschiedenen Bereichen zu beschaffen und innovativ zu kombinieren. Diese Fähigkeit ist schwer zu kopieren, da Wissen nicht problemlos kodiert, übertragen und gehandelt werden kann. Wissensbasierte Wettbewerbsvorteile sind somit geeignet, Innovationsrenten zu erzielen, die wiederum zu höheren Faktoreinkommen führen (vgl. Kaplinsky & Morris 2001: 25 ff.). Um langfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben und Abhängigkeiten von MNU abzubauen, ist es für räumliche Wirtschaftssysteme unterschiedlicher Maßstabsebenen (Standorte, Regionen, Nationen) unverzichtbar, kontinuierlich neues Wissen und eigene Produkt-, Prozess- und organisatorische Innovationen hervorzubringen und anzuwenden (Altenburg 2003: 66; Kiese & Revilla Diez 2004: 7; Mildahn & Schiller 2006: 31; Revilla Diez & Schätzl 2006: 3).

Für NICs ist es bisher noch schwer möglich, eigene Innovationen zu erzielen, da grundlegende Voraussetzungen wie das notwendige technische Wissen fehlen. NICs zeichnen sich durch einen erheblichen technologischen Rückstand im Vergleich zu den Industrieländern aus. Einige NICs vor allem in Ost- und Südostasien räumen aber bereits den Bereichen Bildung und Forschung einen hohen Stellenwert ein und versuchen, Wissen aus dem Ausland zu gewinnen. Mit dieser Strategie versuchen sie stufenweise auf die Herstellung höherwertiger Produkte umzustellen und den technologischen Rückstand zu verringern. Der Faktor Wissen dient dazu, neuere Produkte und Verfahren zu verstehen und anzuwenden, die Produktqualität zu verbessern, Organisationsprozesse zu optimieren und die institutionelle Infrastruktur zu modernisieren (Liefner 2006: 2 f.). Für die Innovations- und somit die Wettbewerbsfähigkeit von Schwellenländer steht also nicht die Generierung von Neuheiten im Vordergrund, sondern die Lernkomponente (Liefner 2006: 82; Revilla Diez & Schätzl 2006: 6).

Ein Strukturwandel hin zu wissensintensiven Branchen erhöht die Wertschöpfung und den Wohlstand in NICs und ist daher für ihre Weiterentwicklung unabdingbar (Liefner 2006: 3). Auch wenn die Chancen für NICs im globalen Innovationswettbewerb aufgrund fehlender Voraussetzungen häufig negativ bewertet werden (vgl. OECD 1992: 257 ff.), gibt es möglicherweise doch Optionen für eine wissensbasierte Weiterentwicklung und somit einen technologischen Anschluss an die Industrieländer.

Im Folgenden werden grundlegende Definitionen, Überlegungen und Theorien, die für eine weitere Diskussion der wissensbasierten Entwicklung wichtig erscheinen, vorgestellt.

3.2 Wissen

Innovationen, Forschung und Entwicklung basieren auf Informationen und Wissen. Unter Informationen versteht man den Fluss von Nachrichten, die nicht in einen Kontext eingebunden und in einzelne Teile zerlegbar sind. Informationen stellen damit einen wichtige Grundlage für den Wissensaufbau und die Wissensformalisierung dar (Koschatzky 2001: 49). Wissen besteht aus Informationen, die in einem Kontextzusammenhang stehen und impliziert die Existenz eines Interpretationszusammenhangs und eines Verständnisses zur Bewertung der Informationen. Der Wissensbestand kann nur durch Lernen vergrößert werden (Liefner 1997: 47 f.). Weiterhin lässt sich Wissen in explizites und implizites Wissen unterscheiden. Diese Unterscheidung geht zurück auf Polany (1966).

Explizites Wissen (codified knowledge) liegt in kodifizierter und dokumentierter Form vor. Beispiele sind Publikationen, Datenbanken oder Betriebsanleitungen (Koschatzky 2001: 49; Liefner 2006: 48). Dieses Wissen kann analog oder digital transferiert werden und ist daher weltweit verfügbar (Revilla Diez 2002: 12).

Implizites Wissen (tacit knowledge) liegt in nicht kodifizierter, dokumentierter und artikulierter Form vor (Polany 1966: 4; vgl. Howells 1996) und ist an Personen oder Handlungsabläufe gebunden (Koschatzky 2001: 49). Es kann nicht analog oder digital weltweit transferiert werden. Die Weitergabe dieser Form von Wissen erfordert den direkten persönlichen Kontakt von Sender und Empfänger. Räumliche Nähe bildet daher eine wesentliche Voraussetzung für den Übertragungsprozess (Koschatzky 2001: 49 f.).

Ein anderes Klassifikationsschema von Wissen geht auf Lundvall und Johnson (1994: 27-28) zurück. Sie unterscheiden vier Arten von Wissen: know-what (Faktenwissen), know-why (Wissen über Naturgesetze und gesellschaftliche Prinzipien), know-how (Fertigkeiten) und know-who (Personalwissen). Die Kategorie know-what ähnelt dem Informationsbegriff, die Kategorie know-why weist Parallelen zum expliziten Wissen auf und das know-how zum impliziten Wissen (Koschatzky 2001: 50). Funktional kann Wissen in technisches, organisatorisches, strategisches Wissen und Lernfähigkeit unterschieden werden (Revilla Diez 2002: 11). Technisches Wissen umfasst Produktwissen (Produktentwicklung und -design) und Prozesswissen (Wissen über die Herstellung eines Gutes). Organisatorisches Wissen meint die Gestaltung betrieblicher Abläufe. Strategisches Wissen bezieht sich auf die Fähigkeit zur Erschließung neuer Märkte, die Entwicklung innovativer Produkte und die Gewinnung wichtiger Ressourcen in den Bereichen Personal und Kapital. Lernfähigkeit bezieht sich auf die Generierung von neuem Wissen aus der Nutzung des verfügbaren Wissens.

Der Begriff des Wissenstransfers bezeichnet den Transfer von implizitem Wissen (technischem Wissen, organisatorischem Wissen, Erfahrungswissen) und das Kommunizieren von Intuition (Li-Hua 2004: 51-56). Der Begriff des Technologietransfers ist enger gefasst und erfasst vor allem den Transfer des technischen Wissens (Liefner 2006: 49).

Die wachsende internationale Mobilität von Wissen (Schätzl 2000: 205-210) bietet eine besondere Chance für NICs, dieses Wissen zu erschließen.

3.3 Lernen

Eine Voraussetzung für den Erwerb von Wissen ist Lernen. Beim Lernprozess werden neue Informationen und Wissensbausteine aufgenommen und in den subjektiven Wissenskontext aus vorhandenem Vorwissen und Kenntnissen integriert (Kiese 2004: 6).

Das Modell der Wissensdiffusion und des Lernens von Helmstädter (2000: 121) veranschaulicht die einzelnen Schritte des Übergangs impliziten Wissens in explizites Wissen und von da zurück in implizites Wissen (Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Schritte der Wissensdiffusion und des Lernens (Helmstädter 2000)

Koschatzky (2001: 51-56) verweist auf drei wesentliche Formen des Lernens: Learning by doing, learning by using und learning by interacting. Learning by doing (vgl Arrow 1962) ist ein mit dem Produktionsprozess verbundener Lernprozess, wobei das Lernen als Nebenprodukt der alltäglichen wirtschaftlichen Tätigkeit auftritt. Learning by using (vgl. Rosenberg 1982) bezieht sich auf die Lerneffekte bei der Anwendung von Neuerungen in der Praxis. Die dabei gewonnenen Erfahrungen können in den Produktionsprozess und im Bereich Forschung und Entwicklung eingebracht werden. Als Ergebnis entstehen inkrementelle Verbesserungen im Produktdesign und in der Prozesseffizienz. Learning by interacting (vgl. Lundvall 1988) beschreibt Lernprozesse, die durch Kommunikations- und Anpassungsprozesse zwischen Produzenten, Zulieferern und Abnehmern entstehen. Durch enge Kontakte und Abstimmungsprozesse in der Wertschöpfungskette wird neues Wissen gewonnen, das für Verbesserungsinnovationen genutzt werden kann. Die Kooperationen setzen in der Regel die räumliche Nähe der Akteure voraus, besonders bei der Anwendung oder Verbesserung neuer oder komplexer Technik.

Die dargestellten Formen von Lernen, die ein Nebenprodukt der Wirtschaftsaktivitäten darstellen, gelten als sehr wichtig für die Entstehung und Aneignung von implizitem Wissen in Unternehmen (Howells 1996: 93). Von ihnen zu unterscheiden ist das intendierte Lernen (direct learning, Koschatzky 2001: 164) in Schulen, an Universitäten und in Forschungseinrichtungen (Lundvall & Johnson 1994: 32).

Volkswirtschaften, die sich durch vielfältige dynamische Lernprozesse auszeichnen, in denen ständig neues Wissen produziert wird und das verfügbare Wissen durch eine schnelle Wissensdiffusion permanent erhöht oder verändert wird, werden als „Learning Economies“ bezeichnet (Koschatzky 2001: 165). Dieses Wissen entsteht nicht zufällig, sondern organisiert. Nach Koschatzky (2001: 166) sind es im internationalen Vergleich „die Intensität von Lernprozessen und das Ausmaß neuen Wissens, das dabei entsteht, durch die sich die einzelnen Volkswirtschaften unterscheiden.“ Daraus kann abgeleitet werden, dass wechselseitige Beziehungen zwischen Innovationen und direkten und indirekten Lernprozessen bestehen, die wiederum in Beziehung zu einem national unterschiedlichen Beziehungssystem aus Wissensinfrastruktur, Produktionsstruktur, institutioneller Struktur, Politik und Nachfragestruktur stehen (Koschatzky 2001: 166).

3.4 Innovation

3.4.1 Begriffsdefinition

Allgemein versteht man unter Innovationen jene Prozesse, bei deren Verlauf neues Wissen und neue Wissenschaften auftreten.

Die Anfänge der Innovationsforschung sind auf Schumpeter zurückzuführen. In seinem Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ (im Jahr 1911 erstmals erschienen) wird der Themenbereich „Neue Kombinationen“ behandelt. Neben technischen Innovationen wie der Herstellung neuer Produkte oder Produktqualitäten zählt er auch die Erschließung neuer Absatz- und Bezugsmärkte sowie betriebliche Neuorganisationen zu den „Neuen Kombinationen“ (Schumpeter 1987: 100 f.).

Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften versteht man unter dem Begriff der Innovation die „planvolle, zielgerichtete Erneuerung und auch die Neugestaltung von Teilbereichen, Funktionselementen oder Verhaltensweisen“ (Gutowski 2000: 227). Das Ziel liegt sowohl in der Optimierung bereits bestehender Verfahrensweisen als auch darin, neu auftretenden oder veränderten Anforderungen besser zu entsprechen.

Unter Innovationen ist immer die ökonomische Inwertsetzung von Wissen zu verstehen (Liefner 2006: 49). Aus wirtschaftsgeographischer Sicht leistet der Begriff nach Liefner (2006: 50) „den Brückenschlag von der Analyseebene des Wissensbestands einer Person, eines Unternehmens oder einer Gruppe von Unternehmen zu der Analyseebene der regionalen Wirtschaftsentwicklung.“

Innovationen werden unterschieden in Produkt-, Prozess- und organisatorische Innovationen. Unter Produktinnovationen versteht man die Verbesserung eines Produktes oder die Fertigung eines für den Betrieb neuen Produktes, Prozessinnovationen umfassen wesentlich verbesserte oder neue Produktionsverfahren und organisatorische Innovationen (Koschatzky 2001: 13). Des Weiteren sind inkrementelle Innovationen, mit denen mehr oder weniger kontinuierlich auftretende Veränderungen oder Weiterentwicklungen von Produkten gemeint sind, von radikalen Innovationen, den diskontinuierlich auftretenden Entwicklungen technologisch völlig neuartiger Produkte, zu unterscheiden (Koschatzky 2001: 58).

In der aktuellen Innovationsforschung hat sich folgende Definition des Begriffs nach dem Oslo-Manual durchgesetzt: „Technological product and process (TPP) innovations comprise implemented technologically new products and processes and significant technological improvements in products and processes. A TPP innovation has been implemented if it has been introduced on the market (product innovation) or used within a production process (process innovation). [...] The TPP innovating firm is one that has implemented technologically new or significantly technologically improved products or processes during the period under review.” (OECD 1997: 47).

3.4.2 Der systemische Charakter von Innovationen

Bis in die 1980er Jahre dominierte in der Innovationsforschung das lineare Modell des technologischen Wandels (Abb. 3). Dieses Modell beschreibt den Innovationsprozess als einen klar definierten Ablauf von Phasen. Auf der Grundlage der Basisforschung werden danach über den Schritt der Produkt- und Prozessentwicklung Neuheiten bis zur Marktreife entwickelt und im nächsten Schritt produziert. Daran schließt sich die Diffusion der Produkt- und Prozessinnovationen zu den Abnehmern und Anwendern an (Malecki 1991: 115 f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Lineares Modell des technologischen Wandels (Bathelt & Glückler 2002: 229, nach Malecki 1991: 115)

Ein wesentlicher Kritikpunkt am linearen Modell des technologischen Wandels ist die Vernachlässigung von Lernprozessen, welche den linearen Ablauf durch Rückkopplungsprozesse (Feedbacks) durchbrechen und eine schrittweise Produkt- und Prozessverbesserung bewirken (vgl. Malecki 1991).

Die Entstehung technologischer Neuerungen unter den heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen kann mit dem linearen Modell nicht mehr angemessen abgebildet werden. Aus dieser Kritik heraus entwickelte sich das interaktive Innovationsmodell (OECD 1992: 26) (Abb. 4). Ein wesentlicher Unterschied zum linearen Modell ist die Betrachtung der Forschung. Nach dem interaktiven Modell gibt nicht ausschließlich die Forschung den Anstoß für Innovationsprozesse (Kline & Rosenberg 1986: 291). Stattdessen können beispielsweise Wünsche von Kunden diese Rolle übernehmen. Wissenschaft und Forschung sind, anders als im linearen Model des technologischen Wandels, nicht nur am Anfang des Innovationsprozesses zu finden, sondern können in allen Phasen des Ablaufs ihren Beitrag leisten (vgl. Malecki 1991; Tödtling & Kaufmann 1999; Schamp 2000).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Interaktives Innovationsmodell (Bathelt & Glückler 2002: 242, nach Malecki 1991: 116)

Nach dem Modell vollzieht sich der Innovationsprozess wie folgt: Zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse in einem neuen Marktsegment wird beispielsweise ein neues Produktdesign entworfen. Aus einer Invention wird ein Prototyp entwickelt, der in ständiger Rückkopplung mit den potenziellen Kundenbedürfnissen getestet, verbessert und weiterentwickelt wird. Aus den Tests resultiert zusätzliches Wissen, es wird aber auch Wissen aus systematischen Entwicklungsaktivitäten einbezogen. Der Prozess ist mit der Entwicklung bis zur Marktreife und Verbreitung auf dem Markt jedoch nicht beendet. Erfahrungen der Kunden mit der neuen Technologie gehen in den F&E-Prozess (Forschung und Entwicklung) ein und bewirken eine weitere Überprüfung, Verbesserung und Weiterentwicklung des Produkts (Malecki 1991: 116 ff.).

Die neuere Innovationsforschung (vgl. z.B. Lundvall 1992, Nelson 1993) nennt zusammenfassend die im Folgenden vorgestellten Merkmale von Innovationsprozessen.

Innovationen stellen heute keine außerordentlichen Ereignisse mehr dar, die hin und wieder den Wirtschaftsalltag durchbrechen. Lundvall bezeichnet Innovationen vielmehr als grundlegendes und inhärentes Phänomen des modernen Kapitalismus und als einen kontinuierlichen, graduellen Prozess mit zahlreichen Feedbackschleifen (vgl. Lundvall 1992). Die Rückkopplungen erfolgen nicht nur im Unternehmen, sondern auch zwischen den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette. Neuerungen werden dadurch immer wieder getestet und angepasst (OECD 1992: 24 ff.; Koschatzky 2001: 56 f.). Als Ergebnis des permanenten Lernens und des kontinuierlichen Wissenszuwachses entstehen ständig neue oder veränderte Produkte, Techniken, Formen der Organisation und Märkte (Lundvall 1992: 8 f.).

Der kumulative Charakter von Innovationen ist von Bedeutung für die Spezialisierung eines Standortes. Die Spezialisierung wird durch die historische Entwicklung eines Standortes oder einer Region geprägt. Zu Beginn der Profilbildung stehen vielfältige Optionen zur Spezialisierung auf faktorkostenbasierte Standortvorteile offen. Die darauf folgenden spezifischen Investitionen (z.B. in bestimmte Ausbildungsgänge) legen dann jedoch einen Pfad der Entwicklung des Standortes oder der Region fest, denn Innovationen bauen auf vorhandenem Wissen, Interaktionsmustern oder komplementären Systemkomponenten auf. Die Technikentwicklung ist somit pfadabhängig (vgl. Dosi 1988; Koschatzky 2001: 56 f.; Altenburg 2003: 69).

Aus dem zirkulär-kumulativen Verlauf von Innovationsprozessen ergibt sich zudem ihr interaktiver Charakter. Da Innovationen zunehmend komplexes Wissen erfordern, müssen aktuelle Kenntnisse aus verschiedenen Fachgebieten kombiniert werden. Zahlreiche Interaktionen finden zwischen Unternehmen vor- und nachgelagerter Stufen der Wertschöpfungskette (z.B. Produktentwicklung unter Einbeziehung von Teilefertigern), zwischen Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe sowie mit Institutionen der Wissenschaft, Forschung, Ausbildung und Wirtschaftsförderung statt. Zunehmend wird der Interaktion mit anspruchsvollen Anwendern (lead users) immer größere Bedeutung beigemessen (Altenburg 2003: 68 f.).

Es wird deutlich, dass zahlreiche Akteure am Innovationsprozess beteiligt sind. Zudem nimmt die Informationsfülle über Produkteigenschaften, Märkte, potentielle Kooperationspartner etc. zu und der Prozess der Entscheidungsfindung wird immer komplexer. Der Koordination der Akteure und Informationen kommt daher eine große Bedeutung zu (vgl. Kline & Rosenberg 1986; Koschatzky 2001: 44 ff.; Altenburg 2003: 69).

In vielen Bereichen werden Innovationen systematisch betrieben. Dies wird besonders deutlich, wenn man spezialisierte F&E-Abteilungen von großen Unternehmen betrachtet. Die systematische Suche nach Innovationen kann aber auch auf Routineaktivitäten von Unternehmen ausgeweitet werden (Lundvall 1992: 9). Ein enger Zusammenhang besteht zwischen wissenschaftlichen Entwicklungen und dem technischen Fortschritt. Da Grundlagenforschung und industrielle Forschung sich gegenseitig bedingen, bestehen in zahlreichen Technikgebieten enge Austauschbeziehungen zwischen universitärer sowie außeruniversitärer Grundlagenforschung und industrieller Forschung und Entwicklung. Die institutionellen Rahmenbedingungen beeinflussen daher ganz wesentlich den Innovationsprozess (Koschatzky 2001: 41 ff.).

Ein Charakteristikum von Wissen ist das nahezu unvermeidliche Auftreten von Spill- over-Effekten. Dabei handelt es sich um die nicht-intendierte Weitergabe von Wissen an Dritte. Es ist folglich nicht möglich, sich die Ergebnisse von Investitionen in neue Wissensbereiche vollständig privat anzueignen (Altenburg 2003: 69).

Der Innovationsprozess ist zudem zwangsläufig durch Unsicherheiten gekennzeichnet. „What is searched for cannot be known with any precision before the activity itself of search and experimentation.” (Dosi 1988: 222).

Ein letztes Merkmal des Innovationsprozesses ist die Abhängigkeit von hohen privaten und öffentlichen Investitionen. Für viele Vorleistungen z.B. im Bereich F&E, Ausbildung oder Infrastruktur sind öffentliche Institutionen und Politikinstrumente erforderlich, um optimale Ergebnisse zu erzielen (vgl. Fromhold-Eisebith 2001; Altenburg 2003: 69).

Im folgenden Unterkapitel wird gezeigt, welche raumwirksamen Folgen die dargestellten Charakteristika des Innovationsprozesses haben.

3.4.3 Raumwirksamkeit von Innovationen

Technologische Innovationen setzen ein leistungsfähiges und ausdifferenziertes Unternehmensumfeld voraus und sind somit netzwerkgebunden. Wirtschaftsgeographische Konzepte wie das Konzept der „Industriedisktrikte“[2] oder des „Innovativen Milieus“[3] heben die Bedeutung dieser Netzwerkgebundenheit und des interaktiven Lernens hervor (vgl. Boschma & Lambooy 2002; Boschma 2005). Wissensintensive Netzwerke sind durch ein System der wissensintensiven Interaktion von Akteuren, direkte Kommunikation, raschen und vertraulichen Informationsaustausch sowie rasch verfügbare Externalitäten (z.B. unterstützende Institutionen) gekennzeichnet (OECD 1992: 67 ff. u. 89 ff.; Fromhold-Eisebith 2001: 28 f.). Auch wenn Interaktionen und Kooperationen raumübergreifend möglich sind und der Erwerb von Wissen nicht nur durch räumliche Nähe bedingt ist, erleichtern am Unternehmensstandort vorhandene relevante Netzwerke die Abläufe erheblich (vgl. Gaßmann 1997: 144; Boschma 2005). Derartige Beziehungen erhalten eine zunehmende Relevanz für die Erzeugung bzw. Nutzung neuer Technologien und vertrauensbasierte Kooperationen sind besonders bei der Wissensakkumulation wichtig (OECD 1992; Asheim & Cooke 1998; Boschma & Lambooy 2002). Lösch spricht von localization economies räumlicher Nähe (vgl. Lösch 1954, zit. in Altenburg 2003: 67). Dazu gehören die Senkung von Suchkosten, die Beschleunigung des Informationsflusses bei nicht vollständig kodierbaren Informationen sowie die Entstehung spezialisierter lokaler Arbeitsmärkte und komplementärer Unternehmensstrukturen.

Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Raumwirksamkeit von Innovationen. Die bisher dargestellten Charakteristika des Innovationsprozesses begünstigen die Konzentration innovativer Aktivitäten an wenigen, besonders gut ausgestatteten Standorten (vgl. Gerybadze et al. 1997: 6). Da Entwicklungs- und Schwellenländer in der Regel nicht oder nicht ausreichend über die relevanten Standortvoraussetzungen verfügen, ist eine räumlich ungleiche Entwicklung zu erwarten.

Dieser Tendenz wirken jedoch die Kostenfaktoren entgegen. An Standorten wissensbasierter Cluster in den Industrieländern sind bestimmte Produktionskosten auf einem sehr hohen Niveau. Dazu zählen unter anderem die Löhne, Lohnnebenkosten und Immobilienpreise. Entwicklungs- und Schwellenländer zeichnen sich dagegen durch Preisvorteile insbesondere beim Faktor Arbeit aus (vgl. Kraas 1996; Schätzl 2000; Altenburg 2003; Mildahn & Schiller 2006; Revilla Diez & Schätzl 2006). Auf diese Weise stehen sich zwei komplementäre Idealtypen von Standorten gegenüber: Auf der einen Seite stehen die wissensbasierten Standorte in Industrieländern, auf der anderen Seite die faktorkostenbasierten Standorte in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Netzwerkgebundenheit von Innovationen schränkt Faktorwanderungen zwar ein, trotzdem werden bestimmte Produktionsprozesse, die von den wissensbasierten Standortsynergien weitgehend unabhängig sind, vielfach ausgegliedert. Längst beschränkt sich die Standortverlagerung nicht mehr nur auf Stufen der arbeitsintensiven Leichtindustrien oder ressourcennaher Bereiche, sondern umfasst auch Stufen moderner Industriebranchen (z.B. der Elektronikindustrie) (Altenburg 2003: 67 f.). Die daraus entstehenden Möglichkeiten einer wissensbasierten Weiterentwicklung in NICs werden im Folgenden näher betrachtet. Zunächst erfolgt aber die Auswahl eines Konzeptes als geeigneter Analyserahmen.

3.5 Konzeptionelle Diskussion

Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist die Einbettung in einen konzeptionellen Rahmen wichtig. Verschiedene mögliche Konzepte werden im Folgenden vorgestellt, können aber aufgrund des begrenzten Rahmens der Arbeit nicht detailliert dargestellt werden.

Zur Erklärung von Upgradingprozessen werden häufig Netzwerkansätze wie das Konzept der „Industriedistrikte“ oder auch das Konzept des „Innovativen Milieus“ (welches aber bisher kaum auf NICs angewendet wurde; vgl. Fromhold-Eisebith 2000, 2001) und das Konzept der „Global Value Chains“ herangezogen. Alle Ansätze heben die Bedeutung von „governance“ hervor. Governance bedeutet gesellschaftliche Steuerung nicht nur durch Regierungsorganisationen, sondern auch durch alle anderen Akteure wie Unternehmen oder Interessengruppen (vgl. Mürle 1998; Messner & Nuscheler 2000; Humphrey & Schmitz 2002; Fuchs 2003). Im Zusammenhang mit technologischem Upgrading bezieht sich der governance-Begriff auf die Steuerung ökonomischer Aktivitäten durch nicht marktgebundene Beziehungen (Humphrey & Schmitz 2002: 20).

Die beiden Netzwerkansätze[4] betonen die Bedeutung dichter regionaler Beziehungen für eine erfolgreiche Regionalentwicklung und somit auch für erfolgreiche Upgradingprozesse sowie die Rolle eines inkrementellen Upgradings durch lokale Interaktionen zwischen Firmen und Institutionen. Sie heben die Bedeutung von räumlicher, aber auch von kognitiver, organisatorischer, gesellschaftlicher und institutioneller Nähe als Voraussetzung zum Wissenserwerb hervor. Lernprozesse vollziehen sich durch regionale Beziehungsnetzwerke und somit durch den vertrauensbasierten Informationsaustausch von Akteuren verschiedener Bereiche (Fromhold-Eisebith 2001: 30 ff.). Auch globale Verbindungen bleiben im Konzept des „Innovativen Milieus“ nicht unberücksichtigt. Gerade die Fähigkeit einer Region, Wissen von Außen zu nutzen, lässt die Region innovativ werden und erhält diese Innovativität im Rahmen des fortschreitenden technologischen Wandels (vgl. Ratti et al. 1998; Fromhold-Eisebith 2001: 36). Dennoch liegt der Schwerpunkt auf der Betonung der Region als Quelle der Ressourcen für eine Weiterentwicklung (vgl. Brusco 1990; Asheim 1994; 1996).

Das Konzept der „Global Value Chains“ hebt im Gegensatz dazu die Bedeutung globaler Beziehungen für ein technologisches Upgrading hervor. Lernprozesse werden nach diesem Konzept durch global agierende Unternehmen angeregt und Wissen wird durch die Warenkette an Unternehmen in NICs weitergegeben. Dadurch, dass Unternehmen aus NICs oder Entwicklungsländern Teil einer globalen Warenkette sind, haben sie die Möglichkeit durch die Übernahme neuer Aufgaben und den Wissenstransfer in der Kette ein technologisches Upgrading zu erreichen (vgl. Gereffi 1999; Humphrey & Schmitz 2002; Gereffi, Humphrey & Sturgeon 2003).

Beide Konzepte erscheinen nicht ausreichend für eine Analyse der Möglichkeiten einer wissensbasierten Weiterentwicklung durch internationale Integration. Sowohl lokale Beziehungssysteme als auch globale Verbindungen spielen eine große Rolle für eine erfolgreiche Weiterentwicklung. MNU sind aufgrund ihrer technologischen Überlegenheit vielfach der Auslöser von Lernprozessen in NICs. Diese Lernprozesse sind aber nur möglich, wenn MNU in NICs regional eingebunden sind (z.B. durch gezielte Nutzung qualifizierter Zuliefer- und Know-how-Potentiale vor Ort) und eine ausreichende nationale und lokale politische Unterstützung bzw. Steuerung vorhanden ist (Anreizsysteme, local-content Vorgaben der Zulieferung, Maßnahmen der Bildungs-, Forschungs- und Technologieförderung). Die beiden genannten Netzwerkansätze sind sehr geeignet, um regionale Beziehungssysteme und daraus resultierende Lernprozesse zu erklären. Den nationalen und globalen Akteuren wird jedoch weniger Bedeutung beigemessen. Das Konzept der Global Value Chains vernachlässigt dagegen die regionale Ebene und legt einen Schwerpunkt auf globale Akteure.

Einen weiteren möglichen Erklärungsansatz bietet das Konzept der lernenden Region oder auch das Konzept der regionalen Lernsysteme. Die Grundannahme des Konzepts der lernenden Region ist, dass implizites Wissen nur an bestimmten Standorten verfügbar ist und nur an diesen Standorten Lernprozesse realisiert werden können (Koschatzky 2001: 209). Lernende Regionen sind Raumeinheiten, „in denen Wissen örtlich gebunden ist und in denen aus der räumlichen Wissensbindung kontinuierliche Lernprozesse zwischen den regionalen Akteuren entstehen, die die regionale Wissensbasis erhöhen“ (Koschatzky 2001: 209). Kennzeichen lernender Regionen sind vernetzte Akteure, eine hochwertige Humankapitalausstattung, eine funktionsfähige In-frastruktur, Finanzierungsmöglichkeiten für wissensbasierte Wirtschaftsaktivitäten sowie Institutionen, die eine flexible Steuerung der Wirtschaft erlauben (Kiese 2004: 53). Die regionalen Lernprozesse sind eingebettet in eine regionale oder nationale Strategie des technologischen Wandels (Revilla Diez 2002: 17). Das Konzept der regionalen Lernsysteme nennt Wissensdiffusion und inkrementelle Innovation als die grundlegenden Faktoren des technischen Fortschritts. Der Kern des aktiven Lernens auf betrieblicher Ebene sind die Absorption von Wissen sowie dessen Anwendung und Verankerung (Viotti 2002: 657). Das Konzept beschränkt sich bewusst auf technologisch rückständige Regionen und befasst sich mit dem aufholenden Lernen (vgl. Mathews 2001; Liefner 2006: 89).

Beide Konzepte sind durchaus geeignet, um die Chancen von NICs im globalen Innovationswettbewerb zu analysieren. In der vorliegenden Arbeit sollen aber neben der regionalen Ebene auch die nationale und globale Ebene betrachtet werden und vor allem die Einbindung ausländischer Unternehmen. Daher eignet sich das Konzept der nationalen bzw. regionalen Innovationssysteme als Analyserahmen besonders, denn es umfasst alle drei Ebenen. Um im globalen Innovationswettbewerb langfristig eine Chance zu haben, reicht es nicht aus, wenn NICs ausländische Technologien bloß erwerben oder imitieren. Stattdessen müssen sie in Zukunft in der Lage sein, eigene technologische Fähigkeiten aufzubauen und eigene Innovationen hervorzubringen. Das kann nur gelingen, wenn verschiedene Akteure (z.B. Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, unternehmensorientierte Dienstleister, wissenschaftliche und staatliche Einrichtungen) auf unterschiedlichen Maßstabsebenen (Standorte, Regionen, Nationen) ein leistungsfähiges Innovationssystem bilden und gemeinsam interaktive Lernprozesse durchlaufen (Kiese & Revilla Diez 2004: 7; Mildahn & Schiller 2006: 31). Das Konzept der nationalen Innovationssysteme (NIS) ist ein Instrument zur Analyse länderspezifischer Eigenschaften von Innovationsprozessen in einer globalisierten Wirtschaft und zugleich ein Leitfaden für politische Maßnahmen (OECD 1999: 23). Die Stärke des Konzeptes besteht darin, dass es Innovationsprozesse in einem Systemzusammenhang abbildet.

3.6 Innovationssysteme

Auf dem in Kapitel 3.4.2 vorgestellten interaktiven Innovationsmodell aufbauend, entwickelte sich in den späten 1980er Jahren eine systemische Betrachtungsweise von Innovationsprozessen. Ein Innovationssystem umfasst die Gesamtheit der Akteure, Organisationen und Institutionen, die den Innovationsprozess durch ihr Handeln und ihre Interaktionen beeinflussen bzw. die Rahmenbedingungen für den technischen Fortschritt bilden (Hall 1994: 18). Die Theorie der Innovationssysteme unterscheidet also zwischen Systemelementen und deren Vernetzung durch Interaktionen (Kiese 2004: 17).

Innovationssysteme können räumlich oder nach technologischen (sektoralen) Kriterien unterschieden werden (vgl. Edquist 1997). Im Zentrum der Betrachtung stehen im Folgenden die territorialen Innovationssysteme.

3.6.1 Das Konzept des nationalen Innovationssystems

Ein nationales Innovationssystem (NIS) ist ein System von Akteuren (Firmen, Organisationen, Institutionen, Regierung, Konsumenten, etc.), die so miteinander agieren, dass die Innovationsleistung der nationalen Wirtschaft gesteigert wird (Altenburg et al. 2004: 7).

Das Konzept der NIS wurde unabhängig von einander von Freeman (1987), Lundvall (1992) und Nelson (1993) eingeführt. Freemans Studie definiert NIS als „...the network of institutions in the public and private sectors whose activities and interactions initiate, import, modify and diffuse new technologies.” (Freeman 1987: 1). Er legt in seiner Betrachtung einen Schwerpunkt auf die öffentliche und private Forschungsinfrastruktur. Nelson (2000) fokussiert ebenfalls die Wissenschaftsinfrastruktur sowie Strategien der staatlichen und privaten Forschung und Entwicklung (F&E) (Thomi & Werner 2001: 206 f.). Seine Definition von NIS lautet: „At the broadest level, the national innovation system idea is a way of describing and analysing the set of institutions that generate and mould economic growth, to the extent that one has a theory of economic growth in which technological innovation is the key driving force“ (Nelson 2000: 11).

Lundvall betont im Gegensatz zu den beiden anderen Autoren insbesondere die Relevanz von Interaktionen und Lernprozessen bei der Ausgestaltung von Innovationssystemen. „A system of innovation is constituted by elements and relationships which interact in the production, diffusion and use of new, and economically useful, knowledge and ... a national system encompasses elements and relationships, either located within or rooted inside the borders of a nation state.” (Lundvall 1992: 2). Er hebt die besondere Bedeutung des in Kapitel 3.3 dargestellten learning-by-interacting hervor. Durch interaktive Lernprozesse kann zusätzlich zu explizitem Wissen (know-what, know-why, s. Kap. 3.2) auch Wissen in nicht-kodifizierter Form (implizites Wissen) ausgetauscht werden (know-how, know-who, s. Kap. 3.2) (vgl. Lundvall 1992).

Nationale Innovationssysteme basieren auf der Annahme, dass der Entwicklungsweg einzelner Staaten oder mittelbar ihrer Regionen trotz der Zunahme globalisierter Entscheidungsprozesse von nationalen Gegebenheiten geformt wird (Fromhold-Eisebith 2001: 47 f.). Das gilt in besonderem Maße für NICs, deren Möglichkeiten zur wissensbasierten Weiterentwicklung mehr noch als in Industrieländern von nationalen Rahmenbedingungen und Anreizsystemen abhängen (vgl. Lall 1990; Roessner & Porter 1990).

Eine Grundannahme des Konzepts ist, dass die Leistungsfähigkeit des Innovationssystems nicht nur von der Leistung des einzelnen Akteurs abhängt, sondern auch wesentlich davon, wie die Akteure beim Wissenserwerb, der Wissensnutzung und der Wissensgenerierung zusammenarbeiten (Lundvall 1992: 6). Den Fokus auf die nationale Ebene begründet Lundvall damit, dass nationale Volkswirtschaften sich hinsichtlich der Struktur ihrer Produktionssysteme und hinsichtlich der institutionellen Ausstattung unterscheiden (Lundvall 1992: 13; OECD 1999: 21). Die besondere Konstellation von Strukturen und Fördermaßnahmen prägt die technologieorientierte Entwicklung und Innovativität eines jeden Landes individuell (Fromhold-Eisebith 2001: 49). Der Erfolg eines NIS hängt folglich von einer Vielzahl nationalspezifischer Faktoren ab, so z.B. von Bedingungen des Marktes, den Führungskompetenzen und technologischen Kompetenzen von Unternehmen, der öffentlichen Infrastruktur, staatlichen Regulationen, Normen und Werten und der Intensität und Effektivität der Interaktionen zwischen den Akteuren, die das Wissen nutzen und denen, die es produzieren (Altenburg et al. 2004: 7). Lernen und Innovation im NIS werden vor allem durch den gemeinsamen kulturellen Hintergrund und die institutionelle Struktur beeinflusst (Koschatzky 2001: 160 f.).

Organisationen und Institutionen sind wesentliche Elemente von NIS. North nimmt eine Unterscheidung von Institutionen und Organisationen vor: „Institutions are the rules of the game and organizations are the players.“ (North 1994: 27). Organisationen sind Gruppen von Individuen mit einer gemeinsamen Zielsetzung. Hierzu zählen nach North (1994: 28 f.) Unternehmen, Organisationen der Wissensproduktion und –diffusion (Universitäten, Forschungseinrichtungen etc.), Brückenorganisationen zur Verbindung von Wissenschaft und Technologie mit den Bedürfnissen der Unternehmen (z.B. Innovationszentren), Organisationen zur Gestaltung politischer Entscheidungen (Parlamente, Ministerien etc.) sowie bürokratische Organisationen, die diese Entscheidungen umsetzen (z.B. Behörden).

Institutionen sind im Gegensatz dazu Beschränkungen des Handelns und der Interaktionen von Individuen. Nach North (1994) sind hier formale Beschränkungen zu nennen (Verfassungen, Gesetze, finanzielle Steuerungsmechanismen im Wissenschaftsbereich, technische Standards etc.), kulturell geprägte informelle Beschränkungen (Traditionen, Verhaltensnormen, Konventionen usw.) sowie Durchsetzungsmechanismen für derartige Beschränkungen. Institutionen bilden den Rahmen für Interaktionen und reduzieren Unsicherheiten und Transaktionskosten (Kiese 2004: 19). Zudem definieren sie das Anreizsystem einer Volkswirtschaft. Im Zusammenhang mit Innovationsprozessen sind hier konkret Anreizsysteme für Innovationen, Technologietransfer, Lernen, Qualifizierung, Unternehmensgründungen und berufliche Mobilität von Bedeutung (Kiese 2004: 19). Sekundäre Anreize können kulturelle Besonderheiten eines Landes sowie die Kreativität der Akteure sein (Koschatzky 2001: 162 f.).

Die Notwendigkeit der effizienten Vernetzung aller beteiligten Akteure zur Schaffung und Anwendung nationaler technologischer Ressourcen ist ein zentrales Element des NIS-Modells. Dazu zählen neben Interaktionen zwischen Produzenten und Nutzern, strategischen Allianzen zwischen Unternehmen, F&E-Kooperationen zwischen Wirtschaft und Universitäten oder dem Mitwirken von Unternehmen an Aus- und Weiterbildungsprogrammen auch internationale technologische Verflechtungen mit multinationalen Unternehmen (Lundvall 1992: 15; Altenburg et al. 2004: 7). MNU sind speziell für die NIS von Schwellenländern bedeutsam (vgl. Chesnais 1992).

Neben den Interaktionen und Lernprozessen sind in NIS generelle Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Entwicklung notwendig wie beispielsweise stabile politische Verhältnisse, die Unterstützung unternehmerischer Aktivitäten, eine gute Infrastruktur und ein Bildungssystem, das die Entwicklung von unternehmerischem Geist und innovativem Verhalten fördert (Altenburg et al. 2004: 7). Diese Aspekte können in der vorliegenden Arbeit nicht vertiefend betrachtet werden.

3.6.2 Regionale Innovationssysteme

In Kapitel 2.5 wurde bereits die Bedeutung der Region für wirtschaftliches Wachstum und Innovationen erläutert.

Boschma et al. (2003: 14) behaupten, dass ökonomische Akteure für die Erklärung von Wachstum und Wandel entscheidend sind. Wirtschaftliche Strukturen können aber die Möglichkeiten der Akteure zum freien Handeln und Entscheiden einschränken. Die wirtschaftlichen Akteure, vor allem Unternehmer, besitzen drei Arten von Kompetenzen, um die vorhandenen Strukturen zu nutzen: kognitive Kompetenz, innovative Kompetenz und organisatorische Kompetenz. Die kognitiven Kompetenzen beziehen sich auf den Willen zu lernen sowie Wissen zu entwickeln und zu nutzen. Unter innovativer Kompetenz versteht man die Offenheit eines Unternehmens für Veränderungen, für die Entdeckung neuer Möglichkeiten und sich an neue externe Kräfte durch die Entwicklung neuer Produkte, Prozesse und Organisationen anzupassen (Boschma et al. 2003: 15). Die organisatorische Kompetenz ist notwendig, um der Produktion und den Austauschprozessen eine Struktur zu geben und das Wissen sowie die Beziehungen zu verwalten (Boschma et al. 2003: 15). Um interregionale Unterschiede der wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit zu verstehen, müssen neben den Eigenschaften und Kompetenzen der wirtschaftlichen Akteure auch die externen Bedingungen (Umfeldbedingungen) berücksichtigt werden. Dazu gehören die spezifische Konfiguration der Institutionen (Regeln, Werte und Normen, Anreizsysteme etc.), die Marktformen und -strukturen (Formen des Wettbewerbs, Markteintrittsbedingungen etc.) sowie räumliche Standortattribute (Vorteile räumlicher Nähe und intra-regionaler Arbeitsteilung in Agglomerationsräumen).

Das Zusammenspiel der traditionellen Faktoren Kapital, Arbeit und Technologie, der Kompetenzen der wirtschaftlichen Akteure und der Umfeldbedingungen formt regionale Innovationssysteme (Boschma et al. 2003: 15) (Abb. 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Zusammenspiel verschiedener Faktoren regionaler Innovationssysteme (Boschma et al. 2003: 15)

Seit den 1990er Jahren wird das ursprünglich für die nationale Analyseebene entwickelte Konzept der Innovationssysteme auch auf subnationale Raumeinheiten übertragen. Das Konzept der regionalen Innovationssysteme (RIS)[5] steht in engem Zusammenhang mit vorangegangenen Ansätzen zur Analyse der Regionalentwicklung und der damit verknüpften Technologie- und Innovationsprozesse. Hierzu gehören das Konzept der Industriedistrikte, der flexiblen Spezialisierung, der regionalen Innovationsnetzwerke sowie insbesondere das Konzept der innovativen Milieus (Voß 2002: 31; Boschma et al. 2003: 16).

RIS sind definiert als Komplexe, „in which firms and other organisations are systematically engaged in interactive learning through an institutional milieu characterised by embeddedness“ (Cooke, Uranga & Etxebarria 1998: 1581). Nach Boschma et al. (2003: 16) können regionale Innovationssysteme betrachtet werden als „interactive dynamic structures of partners in regional production. They enable regional economic actors to fully utilise and expand their competences. They also encompass systems of building cognitive competences (learning, research), setting up inter-firm networks, anchoring competences in dynamic institutions, and facilitating the development of new firms, new products, new technologies and new organisational structures.“

Kooperative Beziehungen sind in nationalen Innovationssystemen nur für besonders erfolgreiche Ausprägungsformen kennzeichnend, in regionalen Innovationssystemen sind sie dagegen eine Grundvoraussetzung. Faktoren wie die Organisation in Netzwerken, die institutionelle Entwicklung oder die kognitiven Kompetenzen müssen bei der Erklärung des (regionalen) wirtschaftlichen Wachstums berücksichtigt werden (Boschma et al. 2003: 32).

Bei der Analyse der Möglichkeiten einer wissensbasierten Weiterentwicklung von NICs muss beachtet werden, dass der nationale Rahmen in hohem Maße auf regionale Beziehungssysteme einwirkt und dass gleichzeitig vor allem funktionierende regionale Innovationssysteme für den Erfolg der NIS sorgen (Fromhold-Eisebith 2001: 50 f.).

3.6.3 Nationale bzw. regionale Innovationssysteme als Analyserahmen

Der Ansatz der NIS wird aufgrund seiner mangelnden theoretischen Stringenz häufig kritisiert (Schiller 2006: 8 f.; Liefner 2006: 87). Das Konzept selber bietet keine Erklärung für die Entstehung von Innovationsprozessen. Lundvall (1992) versteht Innovationssysteme daher als analytische Werkzeuge. Mit diesem Verständnis ist das Konzept der NIS sehr geeignet, um Möglichkeiten von NICs für eine wissensbasierte Weiterentwicklung durch internationale Integration zu analysieren. Verschiedene nationale Systemelemente und ihre Auswirkungen im Rahmen der globalen Integration können zur Untersuchung der Fragestellung herangezogen werden. Auch die regionale Ebene soll dabei berücksichtigt werden.

Allerdings ist zunächst eine Modifikation des Konzepts der NIS für Newly Industrialized Countries erforderlich.

3.7 Spezifische Merkmale von nationalen Innovationssystemen in NICs

Sowohl das Konzept der nationalen Innovationssysteme als auch das Konzept der regionalen Innovationssysteme wurden als Analyserahmen für Innovationsprozesse in Industrieländern entwickelt (Fromhold-Eisebith 2001: 47; Wong 2001: 544-546; Kiese 2004: 26). Ein Schwerpunkt des Ansatzes liegt auf der Entwicklung neuer Technologien durch F&E-Aktivitäten. Während hoch entwickelte Volkswirtschaften neues technologisches Wissen selbst entwickeln, sind NICs noch immer auf den Zugang zu neuem Wissen aus Industrieländern angewiesen. Der Industrialisierungsprozess von NICs wird wesentlich durch ihre Fähigkeit zur Absorption und Anwendung ausländischer Technologien angetrieben (Kiese 2004: 26). Der Aufbau leistungsfähiger, selbsttragender Innovationssysteme ist in NICs von großer Bedeutung.

Eine Modifikation des NIS-Ansatzes für NICs ist erforderlich. NICs weisen einige typische Merkmale auf, die in der Theorie der NIS bzw. RIS keine Berücksichtigung finden. Diese spezifischen Merkmale wurden von Fromhold-Eisebith (2001: 47 f.) im Modell der „Spezifika nationaler Innovationssysteme von (asiatischen) NICs mit Einfluss auf Beziehungssysteme in Technologieregionen“ zusammengefasst (Abb. 6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Spezifika nationaler Innovationssysteme von (asiatischen) NICs (Fromhold-Eisebith 2001: 48)

Sechs Merkmalsgruppen prägen die technologieorientierte Wirtschaftsentwicklung in NICs besonders. Dazu gehören der internationale Technologietransfer als traditioneller Weg des Wissenstransfers, die geringwertige Funktion im Rahmen der ‚Neuen internationalen Arbeitsteilung’, die Dominanz ausländischer MNU bei der modernen Wirtschaftsentwicklung, die starke staatlich-politische Förderung der wirtschaftlich-technologischen Entwicklung, technologie- und kontaktfördernde soziokulturelle Aspekte und die Aufhol-Vorteile des Latecomer-Status (Fromhold-Eisebith 2001: 47 f.). Es muss ergänzt werden, dass sich die Rolle des Staates in den einzelnen NICs stark unterscheidet. Zudem lassen sich Unterschiede in der Funktionsfähigkeit der Bürokratie sowie in der Rolle der Staatsbetriebe ausmachen (Revilla Diez & Schätzl 2006: 9).

Zwischen den einzelnen Merkmalen bestehen vielfache Interdependenzen. Auf den Achsen des Diagramms kann im Sinne einer relationalen Messlatte die Einflussstärke eines Faktors für ein bestimmtes Land abgetragen werden. Fromhold-Eisebith (2001: 47 ff.) untersucht vor allem den Einfluss dieser Merkmale auf regionale Beziehungssysteme und unterscheidet daher zwischen drei tendenziell beziehungshemmenden Merkmalen und drei tendenziell beziehungsfördernden.

Wong (2001: 544-546) hat zur Modifikation des NIS-Ansatzes ein weiteres Modell entwickelt. In seinem „Modell eines kleinen spätindustrialisierten nationalen Innovationssystems“ berücksichtigt er besonders den Anwendungsaspekt technischen Wissens, die Entwicklung des Humankapitalbestandes als Determinante der Absorptionsfähigkeit von Wissen und die Offenheit des Systems für internationale Kontakte (Abb. 7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Modell eines kleinen spätindustrialisierten nationalen Innovationssystems (Kiese 2004: 27)

Die drei zentralen Akteursgruppen in dem Modell sind der Unternehmenssektor, die öffentlichen Wissenschafts- und Technologieorganisationen (W&T) und das Bildungssystem. Eine stärkere Berücksichtigung von Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen ist notwendig, da Humankapital in NICs für die Absorptions- und Lernfähigkeit sowie den Aufbau technologischer Kompetenz eine wesentliche Grundlage darstellt.

Die Handlungen und Interaktionen der Akteure dienen hauptsächlich dem Aufbau und der Anwendung nationaler technologischer Ressourcen. Die Ressourcen, die in allen drei Akteursgruppen geschaffen und angewandt werden, unterscheidet Wong in tangible Ressourcen (Kapitalgüter, geistiges Eigentum) und intangible Ressourcen (personengebundene Fähigkeiten, Wissen, Kreativität). Wie auch die herkömmlichen NIS-Ansätze betont Wong die Bedeutung der Vernetzung der Akteursgruppen, wobei er den internationalen technologischen Verflechtungen eine besondere Bedeutung zuspricht. Neben dem internationalen Technologietransfer berücksichtigt er auch Wanderungen hochqualifizierter Arbeitskräfte innerhalb und außerhalb von MNU.

Zusätzlich zu den genannten Merkmalen von nationalen Innovationssystemen in NICs wird die Leistungsfähigkeit von Betrieben in NICs aufgrund suboptimaler Produktionsgrößen (überwiegend kleine und mittlere Unternehmen), mangelnder unternehmerischer Kompetenz, unzureichender Qualifizierung der Arbeitskräfte, niedriger Kapitalausstattung, veralteter Technologie, mangelndem Zugang zu Finanzdienstleistungen und begrenztem Zugang zu Informationen über Technologien, Know-how und Märkte stark beschränkt. Zudem wird die Realisierung von Innovationen durch eine fehlende makroökonomische und politische Stabilität, unzureichende Infrastruktur, Bürokratie und Korruption sowie fehlende Programme zur Unterstützung von Innovationstätigkeiten und Unternehmensgründungen behindert (Revilla Diez & Schätzl 2006: 10).

[...]


[1] Unter technologischem Upgrading wird im weiteren Verlauf eine wissensbasierte Erhöhung der Wertschöpfung in einer bestehenden Wirtschaftsaktivität verstanden. Als Ergebnis steigen die Faktoreinkommen (Altenburg 2003: 74) und die Wettbewerbssituation für Unternehmen in Entwicklungsländern verbessert sich (Schmitz & Knorringa 2001: 181).

[2] vgl. zur konzeptionellen Darstellung u.a. Brusco 1990; Pyke & Sengenberger 1992; Asheim 1994, 1996

[3] vgl. zur konzeptionellen Darstellung u.a. Aydalot &Keeble 1988; Camagni 1991; Ratti et al. 1998

[4] zur konzeptionellen Darstellung vgl. Fußnoten 2 und 3

[5] vgl. zur ausführlichen konzeptionellen Darstellung: Cooke 1996; Braczyk et al. 1998; Cooke, Uranga & Etxebarria 1998; Asheim & Cooke 1999; Boschma et al. 2003

Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Wissensbasierte Weiterentwicklung durch internationale Integration - Chancen für Newly Industrialized Countries im globalen Innovationswettbewerb
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
114
Katalognummer
V77061
ISBN (eBook)
9783638865425
Dateigröße
3840 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wissensbasierte, Weiterentwicklung, Integration, Chancen, Newly, Industrialized, Countries, Innovationswettbewerb
Arbeit zitieren
Janine Wittfeld (Autor:in), 2007, Wissensbasierte Weiterentwicklung durch internationale Integration - Chancen für Newly Industrialized Countries im globalen Innovationswettbewerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77061

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