Bereits bei der Konzeptionalisierung eines Utopiebegriffs werden Probleme hinsichtlich einhergehender Werturteile und des nicht vorhandenen wissenschaftlichen Konsens’ sichtbar. Erhält heutzutage beinahe jedweder Utopiediskurs eine pejorative Färbung, so muss dies als Resultat auf den begrifflichen Werdegang des Utopiebegriffs verstanden werden. Das utopische Denken hat es geschafft, in die Alltagssprache im Sinne von ‚träumerisch’ und ‚unrealistisch’ einzudringen und somit den Gegenstand, welchen Utopien seit Platon und Thomas Morus bildeten, bis zur Unkenntlichkeit zu verstümmeln. Somit werden Utopien stigmatisiert als Vorstellungen, die zwar den „[…] gegebenen Status quo in Frage stellen“ , dies aber gleichzeitig auf einer weltfremden Ebene problematisieren. Auch in vielfältigen wissenschaftlichen Diskursen wird nicht recht deutlich, was jeweils unter dem Begriff Utopie verstanden wird, da er interdisziplinär eine je spezifische und exklusive Verwendung findet. Schaut man sich die historische Entwicklung des Utopiediskurses an, so stößt man schon seit Mitte der 1980er Jahre auf den Begriff des ‚postutopischen Zeitalters’ als Reaktion auf den Realitätsschock, „[…] der von zwei Weltkriegen, den totalitären Systemen des Faschismus und des Stalinismus und dem erkennbaren Destruktionspotential der modernen Technik ausgeht […]“ . Dies ist insofern verwunderlich, da der Utopiediskurs von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Ausbruch der Französischen Revolution noch ganz im Zeichen radikaler Kritik an der absolutistischen Monarchie stand und somit in der Utopie eine Antwort auf die Realität einhergehend mit konkreten Veränderungsmustern gesehen wurde. Diente die Utopie in der Zeit der absolutistischen Willkürherrschaft noch als Instrumentarium für eine Verbesserung der Welt, so setzte sie mit dem Realitätsschock zweier Weltkriege aus.
Hiermit ist direkt das Problem angesprochen, mit welchem sich die sowohl die aktuelle Utopieforschung als auch moderne Utopisten konfrontiert sehen. Es handelt sich dabei um unterschiedliche Wahrnehmungsweisen der Gegenwart im Lichte der Utopie. Auf der einen Seite wird vom Ende der Geschichte gesprochen, von einem erreichten und sich manifestierenden ‚telos der Welt’. Mit Beendigung des Zweiten Weltkrieges und vor allem nach Beendigung des Ost-West-Konflikts wird dieses Ende der Geschichte postuliert und folglich die Notwendigkeit von utopischen Gedanken als obsolet abgetan.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Utopiebegriff in der Sozialphilosophie
- Problemexposition und Vorgehensweise
- Ernst Blochs philosophische Wurzeln
- Grundlagen
- Periodisierung des Denken Blochs
- Das,subjektorientierte Denken'
- Übergang zum,objektorientierten Denken'
- Systematische Entfaltung des Denkens bei Bloch: marxistische Philosophie
- Blochs, marxistische Philosophie'
- Theoretische Einordnung
- Rekonstruktion des Utopiegedankens
- Bedeutung der Utopie
- Kategorien
- Möglichkeit der Utopieentwicklung: das offene System
- Ontologische Grundannahmen
- Grundlagen
- Die Materie
- Anthropologische Grundannahmen
- Grundlagen
- Tagträume
- Antizipierendes Bewusstsein
- Zeittheoretische Grundannahmen
- Grundannahmen des Blochschen Materialismus
- Utopistische Zielvorstellungen
- Resumee: Die systematische Rolle der Utopie
- Neubetrachtung der Sozialphilosophie Blochs
- Notwendigkeit der Neubetrachtung
- Grundlagen
- Exkurs: Aufgaben und Möglichkeiten der gegenwärtigen Sozialphilosophie
- Philosophische Anthropologie oder Geschichtsphilosophie?
- Bloch als Vertreter eines intentionalen Utopiebegriffs
- Analyse der objektiven Möglichkeiten
- Resumee
- Relevanz der Blochschen Sozialphilosophie
- Grundlagen
- Aktualität der Blochschen Sozialphilosophie
- Detailanalysen
- Wider den Normativismus
- Fortschrittskritik
- Resumee
- Schluss und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese schriftliche Hausarbeit befasst sich mit Ernst Blochs Utopiebegriff und seiner Bedeutung für die Sozialphilosophie. Ziel ist es, Blochs Utopieverständnis im Kontext seiner philosophischen Wurzeln und seiner marxistischen Philosophie zu rekonstruieren. Die Arbeit analysiert die systematische Rolle der Utopie in Blochs Denken und untersucht die Relevanz seiner Sozialphilosophie für die Gegenwart.
- Rekonstruktion des Blochschen Utopiebegriffs
- Die systematische Rolle der Utopie in Blochs Denken
- Die Bedeutung der Utopie für die Sozialphilosophie
- Aktualität der Blochschen Sozialphilosophie
- Die Relevanz von Blochs Utopiebegriff für die Gegenwart
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema Utopiebegriff in der Sozialphilosophie ein und stellt das Problem der pejorativen Färbung des Utopiebegriffs in der heutigen Zeit dar. Sie beleuchtet die historische Entwicklung des Utopiediskurses und skizziert die unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen der Gegenwart im Lichte der Utopie.
- Ernst Blochs philosophische Wurzeln: Dieses Kapitel beleuchtet die Grundlagen und die Periodisierung von Blochs Denken, insbesondere seinen Übergang vom „subjektorientierten“ zum „objektorientierten Denken“ und die Einordnung seiner Philosophie in den Kontext der marxistischen Philosophie.
- Rekonstruktion des Utopiegedankens: Das Kapitel erörtert die Bedeutung der Utopie in Blochs Werk und analysiert Kategorien, Möglichkeiten der Utopieentwicklung, ontologische und anthropologische Grundannahmen, sowie die zeittheoretischen und materialistischen Grundannahmen Blochs. Es beleuchtet auch die utopistischen Zielvorstellungen Blochs und die systematische Rolle der Utopie in seinem Denken.
- Neubetrachtung der Sozialphilosophie Blochs: Dieses Kapitel befasst sich mit der Notwendigkeit einer Neubetrachtung von Blochs Sozialphilosophie und analysiert die Aufgaben und Möglichkeiten der gegenwärtigen Sozialphilosophie. Es untersucht, ob Blochs Werk eher als philosophische Anthropologie oder als Geschichtsphilosophie betrachtet werden kann und analysiert Blochs Rolle als Vertreter eines „intentionalen Utopiebegriffs“. Das Kapitel beleuchtet auch die Analyse der objektiven Möglichkeiten und fasst die Ergebnisse der Neubetrachtung zusammen.
- Relevanz der Blochschen Sozialphilosophie: Dieses Kapitel widmet sich der Relevanz der Blochschen Sozialphilosophie für die Gegenwart, insbesondere die Aktualität seines Denkens, detaillierte Analysen, die Kritik an Normativismus und Fortschrittskritik. Es fasst die Ergebnisse des Kapitels zusammen.
Schlüsselwörter
Die zentrale Thematik der Hausarbeit ist der Utopiebegriff von Ernst Bloch, eingebettet in seine marxistische Philosophie und sein Verständnis der Sozialphilosophie. Die Arbeit analysiert die systematische Rolle der Utopie in Blochs Werk und untersucht die Aktualität und Relevanz seines Denkens für die Gegenwart. Schlüsselbegriffe sind Utopie, Sozialphilosophie, Marxismus, Geschichtsphilosophie, anthropologische Grundannahmen, objektive Möglichkeiten, Fortschrittskritik, Normativismus, Gegenwart.
- Arbeit zitieren
- Tim Kirchner (Autor:in), 2005, Ernst Blochs Begriff der Utopie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77108