Die Person Nicolae Ceaucescu: Diktator - Schlächter - Friedensnobelpreisträger?


Hausarbeit, 2006

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Hinführung

II. Die Person Nicolae Ceauçescu
II.1 Wie er sich selbst sah
II.2 Wie ihn die westliche Presse sah
II.2.1 Artikel vor dem Tod Ceaucescus
II.2.2 Artikel nach dem Tod Ceauúescus
II.2.3 Offizielle Reaktionen
II.2.4 Begrifflichkeiten

III. Bündelung der Erkenntnisse

IV. Bibliographie
IV.1 Quellen
IV.2 Literatur
IV.3 web-Seiten
IV.4 Bildnachweis

I. Hinführung

„[...] seine Persönlichkeit hat nichts Anziehendes. Ceausescu ist ungebildet, er kann nicht gut reden, er stottert. Sein unruhiger, lauernder Blick lässt niemanden denken, in diesem Manne verberge sich Güte. Er versteht weder Massen zu begeistern noch Einzelne in seinen Bann zu ziehen. Die allgegenwärtige Kriecherei und Speichelleckerei vor Ceausescu, die dem öffentlichen Leben in Rumänien etwas Groteskes und Abstoßendes zugleich gibt, beruht nicht auf Respekt vor einem genialen, wenn auch gestrengen Herrscher, sondern auf Angst vor einem heim-tückischen kleinen Mann. [...][1]

Die heutige Sicht auf die Person Nicolae Ceausescus in der westlichen Welt ist relativ einhellig. Er steht in einer Reihe mit Herodes, Nero, Iwan dem Schrecklichen, Richard III. und Robespierre, Stalin sowie Hitler – allesamt Despoten in ihren Zeiten. Mit dem obigen Zitat aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Dezember 1989 beginnt mit der Berichterstattung nach dem Massaker von Timosoara ein neuer Abschnitt in der Sicht auf Ceausescu. Während zuvor meist im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Fragestellungen über Rumänien und dessen Conducator berichtet wurde, wird ab dann ein Focus auf den Menschen Ceausescu gelegt.

Die vorliegende Hausarbeit hat das Ziel, die Darstellung und Wahrnehmung Nicolae Ceausescus in der Presse der westlichen Welt nachzuzeichnen. Ausgehend von der Frage, wie Nicolae Ceausescu als Person wahrgenommen wurde, werden Zeitungsartikel aus den Vereinigten Staaten von Amerika und aus Deutschland untersucht und zur Beantwortung herangezogen. Alle untersuchten Artikel stammen aus Zeitungen, die insgesamt einen politisch unabhängigen Standpunkt einnehmen und als seriös gelten.[2] Alle Zeitungen verfügen über eine große Leserschaft und befinden sich in einer Schlüsselposition „im Spannungsfeld von Politik und Wirtschaft, veröffentlichter Meinung und öffentlicher Meinungsbildung ein“.[3]

Als Untersuchungsgrundlage dienten 53 exemplarisch ausgewählte Artikel. Sie erschienen zwischen 1989, als Nicolae Ceausescu gestürzt wurde und 1990, dem Jahr nach seinem Tod. Ebenfalls Gegenstand der Untersuchung ist eine Karikatur aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen werden die ausgewählten Artikel auf mehrere Charakteristika hin untersucht. Dazu zählen die (sich ändernde?) Darstellung im Lauf der Zeit, die Beurteilung Ceauúescus sowie die gebrauchten Begrifflichkeiten, auf deren Betrachtung der Fokus dieser Hausarbeit liegen wird. Zu diesem Zweck werden die Artikel chronologisch und immer im direktem Vergleich zueinander betrachtet.

Die Quellenlage hat sich als sehr gut erwiesen, zumal alle Artikel der New York Times seit deren Erscheinen in digitalisierter Form über die Datenbank Historical Newspapers über die Homepage der Universitätsbibliothek Heidelberg abrufbar sind.[4] Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist zwar nicht in digitalisierter Form abrufbar, liegt aber in Form von Mikrofilmen seit dem ersten Erscheinen vor.

Die Literatur zu diesem speziellen Thema hat sich dagegen als äußerst rar erwiesen. Unter den zahlreichen Biographien sind vier Werke besonders hervorzuheben: Gisbert KRANZs Warum wurden sie Despoten? bietet in seinem Kapitel zu Ceauúescu einen kurzen Überblick über das Leben und die Politik Ceausescus.[5] Den Versuch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Thematik liefert Marc ALMOND mit The rise and fall of Nicolae and Elena Ceausescu, wenn auch eine gewisse Einfärbung aufgrund seiner rumänischen Wurzeln nicht ganz unverkennbar ist.[6] Eine sehr kritische Darstellung Ceausescus findet sich bei Malte OLSCHEWSKI.[7] Ebenfalls sehr kritisch, wenn auch recht populistisch ist die Darstellung Kiss the hand you cannot bite von Edward BEHR.[8] Der Themenkomplex der Securitate wurde von Dennis DELETANT übersichtlich und ausführlich dargestellt.[9] Sehr hilfreich war die Untersuchung Mary Ellen FISCHERs,[10] darin speziell das Kapitel zum Personenkult um Ceausescu. Interessante Blicke hinter die Kulissen des Eisernen Vorhangs lieferte bereits im Jahre 1978 amnesty international mit ihrem Bericht zur politischen Verfolgung in Rumänien.[11] Eine ebenso frühe Beurteilung der rumänischen Verhältnisse und auch des Verhaltens der Westmächte im Bezug auf Rumänien findet sich bei Hansjakob STEHLE.[12]

II. Die Person Nicolae Ceauçescu

II.1 Wie er sich selbst sah

„Alle Völker lieben und loben ihre Heroen, denn sie stillen

ihren Durst nach Vollkommenheit...

Andere Völker hatten Julius Cäsar, Alexander, Perikles,

Cromwell, Napoleon, Peter den Großen und Lincoln.

Wir hatten Michael den Tapferen, Stephan den Großen,

Cantemir ... Und jetzt haben wir Ceausescu.“

Dumitru Popescu, November 1974[13]

Dieses Loblied ist nur eines der unzähligen, die Ceaucescu auf sich selbst dichten und singen ließ. Der um seine Person entstandene Kult wurde im In- und Ausland gepflegt und lässt einige Rückschlüsse auf den Charakter und das Selbstbild Ceaucescus zu.

Besonders deutlich ist dies in den Dokumenten zu der Gerichtsverhandlung gegen das Ehepaar Ceaucescu und zur ihrer Hinrichtung nach zu verfolgen. In der Schweizer Zeitung Die Weltwoche erschien in der Aprilausgabe des Jahres 2004 zum 15jährigen Jubiläum des Umbruchs in Rumänien ein Artikel, der zwei Augenzeugenberichte von Soldaten beinhaltete, die dem Erschießungskommando angehörten.[14] Diese Soldaten bestätigen die Geschehnisse in der Hinsicht, als dass sie unabhängig voneinander auch nach vielen Jahren in einem neuen politischen Umfeld mehrere Kernaussagen der Protokolle vom 25. Dezember 1989 bestätigen. Diese Kernaussagen lassen sich mit Hilfe des Prozessprotokolls wie folgt zusammenfassen:

- Ceaucescu verhielt sich während des gesamten Prozesses arrogant und uneinsichtig[15]
- Er war sich keiner Schuld bewusst[16]
- Er fühlte sich hintergangen und missverstanden[17]

Dasselbe Verhalten kann auch bei Elena Ceauúescu beobachtet werden.[18] Nicolae Ceaucescus letzte Worte vor dem Gericht machen seine Haltung besonders deutlich: „Was für eine Ungerechtigkeit! Lieber sterben wir im Kampf und ernten den Ruhm des Guten, statt wie Sklaven unter diesen Verbrechern zu leben! Ja, gibt es denn sowas? Was für eine Ungerechtigkeit! Wie kann so etwas geschehen?! Wir sind von Verrätern umgeben!“[19] Auch Elena Ceaucescu sieht sich in der Opferrolle: „Ich schäme mich für euch, ich schäme mich! Ich habe euch großgezogen wie eine Mutter! [...] Warum tut ihr das?“[20]

Diese drastischen Beispiele aus den letzten Minuten im Leben des Ehepaares Ceaucescu macht besonders deutlich, dass das Ehepaar in einer Scheinwelt gelebt zu haben scheint. Schon zu Lebzeiten ging Nicolae Ceaucescus Größenwahn recht zweifelhafte Bahnen, so zum Beispiel als er sich als genialen Wirtschaftsexperten feiern ließ. Eines seiner bekanntesten Zitate („Erdöl, Juden und Deutsche sind Rumäniens lohnendste Exportartikel“)[21] bestätigen diese verzerrte Selbstsicht und sind eindeutige Beweise für einen schon krankhaften Sarkasmus, der seinen Höhepunkt darin fand, dass Ceaucescu sich als Vermittler zwischen Ost und West empfand und für seine Bemühungen ernsthaft mit dem Erhalt des Friedensnobelpreises rechnete.[22]

[...]


[1] Der grausame Despot, in: FAZ 22. Dezember 1989, Seite 1.

[2] Es handelt sich für die Vereinigten Staaten von Amerika um The New York Times, Wall Street Journal, The Washington Post sowie The Christian Science Monitor und für Deutschland um die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Eine Betrachtung weiterer deutscher Zeitungen in diesem Zeitraum ergab weitestgehende Übereinstimmungen in der Berichterstattung aufgrund der Tatsache, dass die Informationen in den allermeisten Fällen von der selben Nachrichtenagentur stammten.

[3] Elfenbein, Stefan W., The Times – Macht und Mythos eines Mediums, Frankfurt am Main 1996, Seite 10.

[4] www.ub.uni-heidelberg/

[5] Kranz, Gisbert, Warum wurden sie Despoten? – Herodes, Nero, Richard II., Iwan der Schreckliche, Robespierre, Stalin, Ceau úescu, Hitler, Gernsbach 1992.

[6] Almond, Mark, The rise and fall of Nicolae and Elena Ceau ú escu, London 1992.

[7] Olschewski, Malte, Der Conducator Nicolae Ceausescu – Phänomen der Macht, Wien 1990.

[8] Behr, Edward, Kiss the hand you cannot bite – the rise and fall of the Ceausescus, London 1991.

[9] Deletant, Dennis, Ceau ú escu and the Securitate – Coercion and dissent in Romania 1965-1989, London 1995.

[10] Fischer, Mary Ellen, Nicolae Ceau ú escu – A study in political leadership, Boulder and London 1989.

[11] amnesty international, Rumänien: zur politischen Verfolgung seit 1970, Baden-Baden 1978.

[12] Stehle, Hansjakob, Die Ostpolitik des Vatikans – Geheimdiplomatie der Päpste von 1917 bis heute, Bergisch Gladbach 2.erw. 1983.

[13] Dumitru Popeskcu schrieb dies anlässlich des 11. Parteitages Anfang November 1974, vgl. auch Olschewski, Der Conducator, Seite 83.

[14] Wir schossen, als er sagte: „Die Geschichte wird mich rächen“, in: Die Weltwoche, Ausgabe 16/2004, Seite 12.

[15] Nicolae Ceaucescu weigerte sich z.Bsp., die Legitimität des Gerichts anzuerkennen („Ich erkenne kein Gericht an außer der Großen Nationalversammlung!“, „Ich erkenne das Gericht nicht an!“), er verweigerte die Aussage („Ich antworte hier kein Wort mehr!“, „Ich werde keine einzige Frage beantworten.“) und sprach von einem Staatsstreich gegen ihn, der nicht akzeptiert werden könne („Dieser Staatsstreich kann nicht anerkannt werden!“), vgl. Olschewski, Der Conducator, Seiten 187-233.

[16] „Alles, was hier gesagt wurde, ist falsch.“, „[...] Ich erkenne die neuen Machtorgane nicht an und bin noch immer der Präsident des Landes und der Oberbefehlshaber!“, Ebenda.

[17] „Ich bestreite das Volk ausgehungert zu haben. Ich habe die Maßnahmen ergriffen, den Bauern je 400 Pfund Weizen zu geben. Ich hatte nicht vor die rumänischen Dörfer zu zerstören, sondern sie zu modernisieren. Ich bestreite, das ich oder eine andere Person in meinem Namen auch nur einen Dollar auf ausländischen Banken angelegt haben.“ Ebenda.

[18] „Ich verteidige mich überhaupt nicht. Ich diskutiere überhaupt nicht.“ , „Ich sage nichts! Aus, fertig! Lass uns in Ruhe!“ Ebenda.

[19] Ebenda.

[20] Ebenda.

[21] vgl. Ceausescus Reichtum hatte einen Namen: Raffgier, in: Die Welt, 16. Februar 1996, Seite 12.

[22] vgl. Almond, Mark, The rise and fall..., Seiten 100-121.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Person Nicolae Ceaucescu: Diktator - Schlächter - Friedensnobelpreisträger?
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Täter und Opfer - Ostmittel- und Osteuropa im Zeitalter der Diktaturen
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V77246
ISBN (eBook)
9783638821315
ISBN (Buch)
9783638822732
Dateigröße
613 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Person, Nicolae, Ceaucescu, Diktator, Schlächter, Friedensnobelpreisträger, Täter, Opfer, Ostmittel-, Osteuropa, Zeitalter, Diktaturen
Arbeit zitieren
Stefanie Klering (Autor:in), 2006, Die Person Nicolae Ceaucescu: Diktator - Schlächter - Friedensnobelpreisträger?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77246

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